Band der Woche: Luko

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Trip-Hop nennt sich die Musikrichtung, die Luko machen. Eine Richtung, die sich nur ein paar Jahre Mitte der Neuziger halten konnte, deren Songs aber umso prägender waren. Zusammengetan haben sich bei Luko dafür der Hip-Hop Produzent Provo und die Sängerin Tahnee, mit ihrer ungewöhnlichen Stimme. Unterstützt werden die beiden zudem von einer Live-Band.

Als Hip-Hop als neuer Musikstil in den Achtzigerjahren entstand, gab es viele Gründe, warum sich diese Musik so grundlegend von allem vorher da Gewesenen unterschied. Doch das augenscheinlichste Abgrenzen zum bisher Konventionellen war das Fehlen von melodischen Linien. Das ließ die ältere Generation zur Aussage hinreißen: „Das ist doch keine Musik.“
Mit ähnlicher Kritik hatte auch Karlheinz Stockhausen zu kämpfen – die Kraft, die in Beats, Loops und Wortkaskaden steckt, konnte sich jedoch sehr viel flächendeckender durchsetzen als Stockhausens Klang-oder-Nicht-Klang-Experimente.

Augenblicklich stammt wohl all die gerade so angesagte Welle elektronischer Tanzmusik von diesen ersten Loop-, Scratch- und Beatkünstlern ab. Und dass auch irgendwann jemand auf die Idee kam, dieser Musik wieder Melodien, abseits der in strengen Patterns organisierten Loops, zurückzugeben, ist nun auch nicht so verwunderlich. Dass bei diesen Versuchen aber nicht nur bodenloser Trance-Kitsch herauskam, liegt an der geschmacklichen wie musikalischen Kompetenz zweier britischer Gruppen, namentlich Massive Attack und Portishead. Kurz war die Zeit dieses sogenannten Trip-Hop, der sich nur die paar Jahre von der Mitte der Neunzigerjahre bis kurz nach dem Millennium hielt. Umso prägender aber sind die Songs, die da entstanden sind.

In der Münchner Szene blicken indes derzeit ein paar junge Künstler in Richtung dieser Musik: Akere etwa, auch Nalan381 und eben Luko, der Zusammenschluss des Hip-Hop-Produzenten Provo Beats und der Sängerin Tahnee Matthiesen. Alle drei Münchner Künstler vereint, dass ihrer Musik anzuhören ist, dass es nicht darum ging, eine neue Retro-Trip-Hop-Welle in die allgemein Retro-verliebte Hipstergesellschaft zu pushen. Vielmehr entstand hier Trip-Hop noch einmal neu aus seinen ursprünglichen Komponenten heraus: Jeweils haben sich dafür Hip-Hop- und Beat-Produzenten mit sehr besonders singenden Damen zusammen getan. Und da sich die Ästhetik elektronischer Beats seit Mitte der Neunzigerjahre verändert hat, klingen auch insbesondere Nalan381 nach einer bisher eher unbekannten Version von Trip-Hop. Luko dagegen sind sicher die klassischsten unter diesen Münchner Neo-Trip-Hoppern. Provo baut jazzig-pulsierende Beats, die sich am Oldschool-Hip-Hop der späten Achtzigerjahre orientieren, Tahnee, deren Vater ebenfalls Jazz-Sänger ist, hat eine Stimme und einen Umfang, die aus all dem Vocoder-Pop-Gefiepe angenehm altmodisch herausfällt. Vielmehr erklingt da eine Art der vergangenen Grandezza, die nun auf der zweiten EP von Luko durch eine Live-Band unterstützt wird.

„Underwater“ heißt diese, und die fünf Songs darauf treiben den Trip-Hop-Begriff noch einmal in eine völlig andere Richtung. Denn Provos groovenden Downbeats treffen dabei auf eine klassische Jazz-Band, während Tahnee nun dem stimmlichen Umfang einer Skye Edwards von Morcheeba in Stücken wie „Lay Down“ immer näher kommt. Doch ganz so gediegen ist es dann auch wieder nicht: Im gegenläufigen Song „Get High“ taucht ein programmatischer Kiffer-Off-Beat auf, „Sweetheart“ besticht anschließend mit reduziert-piepsenden Bläsersätzen. Die Musiker der Band, die Luko nun unterstützen, verstehen ihr Handwerk: Pianist André Schwager und Bassist Sebastian Gieck sind Studiomusiker, während Schlagzeuger David Wöhrer die – ebenfalls die Grenzen des Hip-Hop auslatschende – Marching-Band Moop Mama perkussiv unterstützte. Am Samstag, 19. März, stellen Luko die neue EP mit Unterstützung der Kollegen von Akere im Milla in München vor. 

Stil: Neo-Trip-Hop / Jazz / Beat
Besetzung: Tahnee Matthiesen (Gesang), Provo (Produktion), mit Live-Musikern
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.luko-music.com

Foto: Stef Zins

Von: Rita Argauer

Akere: (Post-Dup-Step, Trip-Hop)

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Jahr: 2014, Woche: 25

Die mit Diskurs- und Hipster-Trash übersättigte Szene hat auf Akere gewartet: Ihre tranceartigen Impakt klingt wie von einem DJ-Set verursacht und trotzdem bleiben sie nahbar wie eine Live-Band.

Deutsche Popmusik ist oft seltsam. Die musikalische Qualität manch US-amerikanischer Musiker wird oft mit deren Sozialisation in Gospelchören erklärt – in Deutschland scheint diese Prägung eher das Theater zu übernehmen: Dementsprechend textlastig und musikalisch spröde klingt die Hamburger Schule im Vergleich zu R ’n’ B oder Soul. Während im Ausland musikalisch anspruchsvolle Genres wie Dub-step entstehen, wird im deutschen Underground die Musik gerne zu Gunsten – zum Teil wirklich großartiger – Texte oder Inszenierungen vernachlässigt. Doch in München gibt es derzeit einige neue Bands, die sich der Musik aus dieser anderen Richtung nähern. Etwa Occupanther, das komplexe Elektroprojekt von Martin Brugger. Oder Luko, das Trip-Hop-Projekt von Tahnee Mathiessen und dem Produzenten Provo. Aus der gleichen Szene kommt nun auch Akere (Foto: Louisa Simon). Doch dieses Duo denkt die Musik, der man Wurzeln aus Jazz genauso anhört wie aus dem Hip-Hop, noch einen Schritt weiter.

Das Duo gibt sich selbstbewusst: „Wir haben beschlossen, dass wir keine Trip-Hop-Band sind.“ Natürlich haben sowohl Sängerin Sarah Kreile, die sich als Musikerin Sarah Sulai nennt, und Produzent Hans Heusterzwerg viel Portishead gehört. Doch: „Wir wollen aber auf jeden Fall progressiv sein und auf keinen Fall eine Ästhetik nachmachen, die es schon gab.“ Und dieser Mut lohnt sich. Schon mit seinem Soloprojekt Paranoise wagte sich Hans in musikalische Gefilde, die an die verdrehten Post-Dub-Step-Nummern eines Flying Lotus erinnerten. Die musikalischen Experimente des Amerikaners zwischen Computerkrach, treibend-vertrackter Rhythmik und organisch-warmer Jazz-Harmonik hört man in Hans’ Soundgerüsten ebenso wie die gelungene Mischung zwischen schmeichelnder Zugänglichkeit trotz musikalischer Kompliziertheit. Und Sarah ist eine der wenigen Sängerinnen in München, die tatsächlich ein wirklich außergewöhnliches Timbre haben und ihre Musik deshalb nicht durch anderen Firlefanz zwischen Theater und Geschichtenerzählen aufwerten müssen. 

Sarah sang schon bei „Sample Minded“, der Band von Hans’ Bruder. Doch als Akere machen die beiden erst seit vergangenem März Musik. Doch wie sehr eine, mit Diskurs- und Hipster-Trash übersättigte Szene auf diese Musik gewartet hat, zeigt sich in dem großen Zuspruch, den ihr erster, im Internet veröffentlichter Track bekam. Diverse Blogs lieben diese Musik, die den gleichen tranceartigen Impakt wie ein DJ-Set verursachen kann und trotzdem nahbar bleibt und nach Live-Band klingt: Akere wird genauso für Konzerte gebucht wie für Elektroveranstaltungen.  

Stil
: Post-Dup-Step, Trip-Hop
Besetzung: Sarah Kreile (Gesang), Hans Heusterzwerk (Gitarre, Computer)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.akere.bandcamp.com

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

cutz & mouse (Trip Hop / Hip Hop / Elektro / Pop)

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Jahr: 2011, Woche: 49

Chaos auf dem Bühnenboden: Unfassbar viele Kabel, Netzstecker, Verlängerungen verteilen sich da, verbinden Turntables mit dem Computer, Mikrophone mit Effektgeräten, Schlagzeugtoms mit Synthesizern.

Das Schlagzeug steht abgetrennt, die restlichen Musiker umzingelt von Plexiglaswänden, daneben Tische mit elektronischen Geräten, Sängerin Annika Beck dazwischen. Der Soundcheck läuft für die Band cutz & mouse (Foto: Eva Scheer) anders ab als für die typische Band, die innerhalb einer Stunde mal ihre Instrumente durchcheckt. Bei cutz & mouse kann das schon einmal drei Stunden dauern – dafür wartet das Quartett mit einem Sound auf, der Grenzen zwischen Elektronik und akustischen Instrumenten, zwischen Studio- und Liveband völlig verwischt. Die Hälfte der Band kommt aus Erding, die anderen beiden leben in Gauting. Und auch musikalisch verbinden sie die entgegengesetzten Pole: Das Schlagzeug klingt jazzig, fällt dann wieder in treibende Hip-Hop-Beats, um sich mit den Scratches der Turntables zu vereinigen. Darüber die Stimme von Annika, ähnlich zart wie Beth Gibbons, doch mit dem Mut, richtig direkt zu werden. Seit 2005 arbeiten sie an dieser außergewöhnlichen Klangästhetik – im Frühjahr 2012 wollen sie endlich ihre Aufnahmen veröffentlichen. Rita Argauer

Stil: Trip Hop / Hip Hop / Elektro / Pop
Besetzung: Anika Beck: Gesang, Percussion; Benjamin Hüttner: Gesang, Electronics; Philipp Kummer: Turntables, Electronics; Simon Kummer: Schlagzeug, Electronics
Aus: Erding / Gauting
Seit: 2005
Internet: www.myspace.com/cutzundmouse

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Sample Minded (Trip Hop / Electronica)

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Sample Minded sagen Konventionen den Kampf an: Sie nennen sich selbst nicht einmal „Band“. 

Normal hat sich die Münchner Band Sample Minded (Foto: privat) noch nie verhalten. Grundsätzlich verweigern sie sich sämtlichen Mechanismen der Publicity: Sie sind keine Band, sondern ein Kollektiv; haben demnach keine feste Besetzung. Auch die übliche Art von Design, einer Corporate Identity ist nichts für sie: keine typischen Bandfotos. Eine schlichte Homepage. Trotzdem gewinnen sie immer mehr Aufmerksamkeit in der Münchner Szene. Die allesamt von Gitarrist Fabian Dellefant komponierten Songs sind sehr fein arrangierte Trip-Hop-Perlen: langsame Beats, jazzige Harmonien, darüber der Gesang von Musik-Studentin Esther Bradatsch. Das ruft Erinnerungen wach. An Bands wie Portishead oder Massive Attack, die Ende der 1990er Jahre den Trip-Hop bekannt machten. Auch die typische melancholische Note findet sich in der Musik von Sample Minded. Doch durch die Raps von Gast-MC Manekin Peace wird dieser Bezug aufgebrochen – man spürt eine unterschwellige Aggression, die sonst so zurückgelehnte Haltung weicht einem drängenden Mitteilungsbedürfnis. Diesen Donnerstag, 18. August, treten sie im Theatron im Olympiapark auf.

Stil: Trip Hop / Electronica

Besetzung: Fabian Dellefant (Produktion, Gitarre), Aron Hantke (Drums, Mididrums), Lukas Roth (Drums, Mididrums), Esther Bradatsch (Gesang), Lili Brandt (Gesang), Peter Hornik (Bass), Christoph Fendt (Keyboard), Daniel Steinbacher (Technik)

Seit: 2009

Aus: München

Internet: www.sampleminded.netwww.myspace.com/dellefant

Von Rita Argauer