Neuland

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Felix Rodewaldt bezieht den Projektraum vom MMA – MixedMunichArts in der Maxvorstadt. Sein temporäres Atelier soll interaktiv genutzt werden – mit Besuchern und anderen Künstlern.

Akademiestudent Felix Rodewaldt, 25, hat gerade den Projektraum vom MixedMunichArts in der Maxvorstadt bezogen. Bisher waren nur Ausstellungen in dem Raum des ehemaligen Heizkraftwerks – nun kann ihn Felix (Foto: Simon Mayr) mit seiner Tape-Art als Atelier nutzen. Dabei möchte er ein interaktives Projekt wagen: „Es ist wie mein Wohnzimmer, in das ich Freunde einlade“, sagt er. Auch Besucher sind willkommen – sogar ausdrücklich erwünscht –, die mit ihm gemeinsam Bilder kleben können. Das Pilotprojekt läuft zunächst zwei Wochen, dann wird entschieden, wie lange Felix sein Mitmach-Atelier nutzen darf.

Stefanie Witterauf

Der Alleskleber

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Akademiestudent Felix Rodewaldt, 23, erschafft mit Tesafilm und Skalpell Kunstwerke – keineswegs für die Ewigkeit. Ist die Ausstellung vorbei oder setzt die Sättigung ein, wird das Klebeband entfernt. So einfach ist das.

Die Welt wird immer schnelllebiger. Und mit ihr auch die Kunst. Felix Rodewaldt (Foto: Stephan Rumpf), 23, erschafft mit Klebeband und Skalpell geometrische Skulpturen – mal abstrakt, mal simpel, dann wieder verworren. Und dadurch bekommen die Räume eine neue Perspektive. Die Sichtweise wird verdreht und verzerrt – genauso wie die Muster. Ist die Ausstellung vorbei oder setzt die Sättigung ein, wird der Tesafilm entfernt. So einfach ist das.

Der junge Akademiestudent hat schon in seiner Schulzeit gemerkt, dass Kunst das Einzige ist, was ihn so sehr interessiert, dass er sich gerne dafür anstrengt. Es ist Abiturphase – also die Zeit, in der es sich besonders lohnt, in mehr als einem Fach engagiert zu sein –, als ihm bewusst wird, dass ihm alle anderen Fächer eher egal sind. Ein sonderlich guter Schüler sei er nie gewesen, sagt er von sich selbst. Er spricht sehr ruhig, überlegt immer wieder kurz, bevor er einen Gedanken zu Ende formuliert. Doch als es an die Kunst-Facharbeit geht, gibt er Gas. Noch während seiner Schulzeit hat Felix seine erste Ausstellung mit Schablonenkunst. „Ich habe mich auf meine Stencils fokussiert. Der Druck von der Schule war für mich nicht greifbar, ich wollte mir selbst Druck machen. Denn wenn man genug Bilder für eine Ausstellung hat, so sollten es auch genug für eine Facharbeit sein.“

Es soll nicht die letzte Ausstellung bleiben. Der Besitzer eines Brillenladens lässt ihn seine Arbeiten präsentieren. Zeitgleich, immer noch vor den entscheidenden Abi-Prüfungen, bewirbt er sich mit seiner Facharbeit an der Akademie der Bildenden Künste. Der Professor ist begeistert. Aber er redet ihm ins Gewissen, bloß seinen Abschluss zu bestehen, sonst könne man ihn nicht annehmen. Er hat damals noch nicht einordnen können, wie gut er im Vergleich mit den anderen Bewerbern ist – so arbeitet er einfach drauflos, ohne sich schon vorab der Konkurrenz auszusetzen. Kleine Ziele seien es nun, die er sich setzt, realistische – und alle beziehen sich auf die Kunst: „Ein gutes Leben, Strand, Urlaub, das interessiert mich inzwischen gar nicht mehr.“

Abseits von Hauswänden versucht Felix Rodewaldt, seine Spraykunst auf Leinwände zu produzieren – clean wie Siebdrucke. Doch ihm fehlen Material und Raum, um seine Ideen umzusetzen. In der Uni wird das Atelier für die Jahresausstellung gebraucht, und sein WG-Zimmer ist zu klein zum Sprayen. Deswegen fängt er an, mit Acrylfarben an die Wände der Wohngemeinschaft zu malen, um überhaupt etwas Produktives zu schaffen. Das Ergebnis soll nicht endgültig sein, sondern ihn zu etwas Neuem anregen. Mit Kreppband klebt er Flächen ab und malt die ganzen Wände bunt an. Als er das Klebeband löst, faszinieren ihn vor allem die weißen Streifen und die Muster, die dadurch entstehen.

Auch von der Materialnot getrieben fragt Felix Rodewaldt eine Firma nach Klebematerial und bekommt tatsächlich zwei Kisten voll mit bunten Tape-Rollen zugeschickt. Immer mehr experimentiert er in seinem eigenen Zimmer, beklebt einen Kellerraum vom Boden bis zur Decke mit geometrischen Strukturen und abstrakten Skulpturen. Schon bald zieren seine Werke auch die Wohnungen seiner Freunde. „Mit meiner Kunst verändere, verzerre, verdrehe ich den Raum und erzeuge darin einen neuen Raum. Es ist wie eine Idee, die man mal hat. Entweder vergrößert sie sich, oder sie verfliegt wieder, wenn man das Haus verlässt“, sagt er. Die Tape-Bilder sind räumlich gebunden, zwar kann man sie mit Wandfarbe fixieren und permanent machen, doch wirken sie nur im Zusammenspiel mit dem Raum.

Immer öfter arbeitet er nun mit einfachen Bleistiftskizzen, um die Strukturen noch komplexer und extravaganter zu arrangieren. Eine neue Herausforderung ist die Gestaltung eines Modegeschäftes. Hier darf die Kunst nicht von der Mode ablenken und den Raum auch nicht kleiner wirken lassen. Reine Dekoration an den Wänden soll es aber ebenso wenig sein – Botschaften darf man sich aber auch nicht erwarten. „Für eine politische Aussage wie bei Ai Weiwei fehlt mir die Not, um auf eine solche Weise zu arbeiten“, sagt Felix.

Gerade stellt er in der Jörg Heitsch Galerie in der Reichenbachstraße aus. Am Samstag sind dort, so die Auskunft der Galerie, vier großformatige Werke und somit fast die gesamte Ausstellung an den Münchner Künstler Wolfgang Flatz verkauft worden. Nun folgt am 20. Juli eine Ausstellung in einem dreistöckigen Haus. In Zusammenspiel mit der Downstairs-Galerie sind auf allen Ebenen Installationen von Felix Rodewaldt zu sehen: „Ich will einfach nur das machen, was ich mache. Und ich möchte die Zuschauer sehen, wie sie reinkommen und begeistert sind – und ich auf einer ganz anderen Ebene mit ihnen kommunizieren kann. Ganz ohne Worte.“

Die Tape-Kunst, die Felix Rodewaldt kreiert und konzeptioniert, lebt davon, zerstört zu werden – nur so kann wieder etwas Neues entstehen. Das kennzeichnet auch seinen eigenen Lebensstil. „Die Zukunft kann ich schlecht berechnen. Das lehne ich ab“, sagt er. „Ich lebe so, dass ich das, was als nächstes vor der Tür steht, so gut wie möglich und präzise mache.“