Endlich Montag

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Viel Motivation, wenig Morgenmuffel: So erobert Hannah Klose, 25, gerade die Bühnen der Gründer- und Digitalszene. Allein im September moderiert sie bei drei Events.

Von Susanne Krause

Hannah Klose liebt Montage. Da schickt sie ihren regelmäßigen „Monday, I love you“-Newsletter los. Und das schon mal um halb sechs Uhr morgens auf dem Weg ins Fitnessstudio. Wenn man sie mittwochabends anruft, fährt Hannah nach einem Elf-Stunden-Tag im Büro gerade zum Krafttraining – „zum Ausgleich“, kommentiert sie fröhlich.

Und was ist mit Freitag? „Freitag ist auch toll“, sagt Hannah, während sie mit einem Stück Karottenkuchen das Wochenende einläutet. Erschöpft wirkt sie immer noch nicht.

Für Erschöpfung ist kein Platz in Hannahs Terminkalender. Im September moderiert die 25-Jährige bei gleich drei Veranstaltungen: bei der Virtual- und Augmented-Reality-Messe „Digility“ in Köln sowie bei dem Start-up-Event „Venture Wiesn“ und dem dreitägigen Gründerfestival „Bits & Pretzels“ in München. Mit Letzterem hat sie ihr persönliches Jahresziel erreicht. „Ich habe meinen engen Freunden und Familienmitgliedern gesagt: 2016 will ich bei Bits & Pretzels auf der Bühne stehen“, erzählt sie. „Dann habe ich einen der allergrößten Namen der Münchner Gründer- und Digitalszene in meinem Portfolio.“ Ganz schön viel Karrierebewusstsein für eine 25-Jährige.

Es gibt viele junge Menschen, die davon träumen, auf der Bühne zu stehen. Die Moderation von Start-up- und Digitalkonferenzen haben dabei jedoch die wenigsten im Kopf. Wie kommt man zu so einem Traum? Der erste Schritt klingt bei Hannah noch ähnlich wie bei vielen, die es ins Scheinwerferlicht zieht: Rampensau von Kindesbeinen an; Theater, Chor, Musical. Deswegen schreckt es Hannah auch nicht ab, als sie bei ihrem ersten Vollzeit-Job nach dem Studium gleich eine Eventreihe moderieren soll: 12min.me.

Für das Vortrags- und Networking-Format, entstanden in Hamburg, steht sie nun seit fast zwei Jahren auf der Bühne. Hannahs Arbeitgeber – die Digitalschmiede Mantro – ist Initiator und Sponsor für die Münchner Variante der Veranstaltungsreihe, die junge Frau engagiert sich jedoch gleichzeitig privat für den überregionalen Verein hinter dem Event. Für sie ist das 12min.me deshalb eine Mischung aus Arbeit und Freizeit. Und eine Herzensangelegenheit.

Wer die Zeitbegrenzung
von zwölf Minuten überschreitet,
fliegt von der Bühne

Einmal im Monat steigt die 25-Jährige in ihre knallroten Pumps – passend zur Farbe des Logos –, moderiert drei Vorträge aus den Bereichen Business und Digitales an und kehrt charmant jeden von der Bühne, der die strenge Zeitbegrenzung von zwölf Minuten überschreitet. Im anschließenden Netzwerk-Geplänkel wandert sie fleißig von Besucher zu Besucher. Das waren zuletzt immerhin bis zu 160.

12min.me war für Hannah ein Sprungbrett. Nicht nur um Kontakte zu knüpfen, sondern auch, um zu erkennen: Moderation macht ihr Spaß. Und so beginnt sie, auch über 12.min.me hinaus ihre Fühler nach anderen Moderationstätigkeiten auszustrecken. Fündig wird sie vergangenes Jahr bei einem Gespräch mit Daniel Fürg. Der ist gerade dabei, in München die Innovations- und Zukunftskonferenz 48forward auf die Beine zu stellen – und sucht noch eine Moderatorin. „Hannah hat einfach gut gepasst“, sagt der Organisator, der die 25-Jährige bereits bei 12min.me auf der Bühne gesehen hatte. „Wir versuchen bei der 48forward eine lockere Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wohlfühlt. Dafür war ihre herzliche Art ideal.“ Hinzu komme, dass sie sich durch ihren beruflichen Hintergrund gut mit Innovations- und Zukunftsthemen auskennt. „Im Nachhinein wüsste ich nicht, was nicht perfekt war“, sagt Fürg über Hannah, die in einem Zwölf-Stunden-Marathon 30 Speaker angekündigt hatte. Im November wird sie erneut für die Konferenz auf der Bühne stehen.

Vorher jedoch ihr persönliches Jahresziel: Bits & Pretzels. Bei dem dreitägigen Festival moderiert sie auf der sogenannten Pitch-Stage Gründer an, die mit ihren Ideen um Investorengelder buhlen. „Ich habe solchen Spaß daran, diese Leute und ihre Ideen zu präsentieren“, sagt Hannah. „Gründer sind unheimlich spannende Persönlichkeiten – mutige Menschen, die sich gegen sämtliche Hürden stellen und immer weitermachen.“

Auch Hannah selbst ist jemand, der nicht so leicht locker lässt. Um ihr Jahresziel zu erreichen, hat sie immer wieder bei den Organisatoren der Bits & Pretzels nach dem neuesten Stand gefragt, ihre Eventreihe 12min.me als Netzwerkpartner mit eingebracht und schließlich eine Initiativbewerbung für eine der Moderatorenstellen losgeschickt. „In solchen Fällen schmeiße ich mich einfach mutig ran“, sagt sie.

Ehrgeiz eben? Hannah zögert. Sie sei unsicher, ob sie so viel ehrgeiziger sei als andere. Und es stimmt: Wo man der jungen Frau einen Plan zugetraut hätte, den sie seit Studienbeginn straff durchzieht, offenbaren ein paar Nachfragen diverse Zufälle und Bauchentscheidungen, die dazu geführt haben, dass Hannah Klose heute nicht Tourismus-Marketing für Nord-Rhein-Westfalen macht, sondern die Münchner Start-up-Szene aufmischt.

Ihre Stärke sieht Hannah weniger in ihrem Ehrgeiz, als vielmehr in ihrer positiven Grundeinstellung und der Fähigkeit, sich zu motivieren. Eben jenen Charakterzügen, die sie zu nachtschlafender Zeit „Monday, I love you“-Botschaften verschicken und nach langen Arbeitstagen auf einem Trainingsgerät statt dem Sofa liegen lässt. Dass sie damit klingt wie ein Musterbeispiel aus dem Coaching-Lehrbuch, kommt nicht von ungefähr: Hannah war drei Jahre lang als Trainerin und Vorstandsmitglied bei „Rock Your Life“ aktiv. Die gemeinnützige Organisation unterstützt Schüler durch Coaching dabei, ihren beruflichen Weg zu finden.

Auch wenn sie sich inzwischen etwas aus dem Verein zurückgezogen hat: In dieser Zeit hat die 25-Jährige nicht nur gelernt, Potenziale und Motivation in Jugendlichen zu wecken, sondern die Coachingtechniken auch auf sich selbst anzuwenden. So gut, dass sie auf den handelsüblichen Durchschnittspessimisten schon mal einschüchternd wirken kann. Insbesondere, wenn Hannah die Bühne verlässt und man merkt: Die macht nicht nur da oben einen auf herzlich und positiv. Die ist wirklich so.

Foto: Kristina Assenova

Großes Format

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Vom kuschelnden Schauspieler bis zum ehrgeizigen Rapper, von der gemeinnützigen Studentenorganisation bis zur sozialen Modedesignerin: Diese jungen Menschen sorgen 2016 dafür, dass München bunt, spannend und lebenswert bleibt.

Foto: Amelie Satzger

Jede Woche treffen wir auf junge Münchner, die München zu „unserem“ München machen: zu einer spannenden Stadt, die man erst kennt, wenn man ihre Macher kennen und schätzen lernt. Wer diese Stadt im kommenden Jahr bunter und lebenswerter macht? Wir wissen es nicht. Und wagen trotzdem einen Ausblick: Münchens junge Leute 2016.

Leonard Hohm
Schauspieler

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Es gibt Menschen, die kennt man nicht, und doch ist man vertraut mit ihnen. Genauer gesagt: mit ihren Stimmen. Leonard Hohm, 25, ist einer von ihnen. Der Schauspieler ist wirklich sehr häufig zu hören. Er spricht Werbung für Firmen wie Sony oder Bosch, synchronisiert Serienfiguren und hat zig Hörbücher eingelesen. „Sprechen kann zum Sport werden, da wir unter starkem Zeitdruck arbeiten“, sagt Leonard. Nebenher spielt er noch Theater. 2016 sind neben einem Theaterprojekt auch weitere Hörbücher geplant: „Ich liebe die Arbeit im Studio und spiele gerne mit meiner Stimme. Aber was schon nervt: Wenn deine Freundin dann abends sagt: Lass mal nicht kuscheln, lies mir lieber was vor!“

Foto: Yunus Hutterer

Amelie Satzger
Fotografin

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Irgendwie kommt sie aus einer anderen Welt. Wenn Amelie Satzger, 20, sich selbst fotografiert, dann sieht sie aus wie eine Fee, manchmal auch wie eine Gottheit aus dem antiken Griechenland. Es sind jene mythologisch angehauchten Selbstporträts, die die Fotografin erfolgreich machen. Angefangen hat das auf der Nordseeinsel Föhr: Familienurlaub mit den Eltern. Irgendwie langweilig. Also hat Amelie, damals 19, ihre Kamera genommen und die Fotos dann auf Instagram gepostet. Die Bilder kamen an: Innerhalb weniger Wochen hatte sie mehrere Tausend Follower, auf der Fotoplattform 500px sind es mittlerweile mehr als 19 000. Amelie studiert Fotodesign an der Hochschule München. 2016 werden Amelies Selbstporträts auf der Kunstmesse Stroke zu sehen sein. 

Foto: Amelie Satzger

Bianca Kennedy
Künstlerin

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Bianca Kennedy taucht ab. Die 26-Jährige, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, widmet sich derzeit der Badewanne. „Das ist für mich ein ganz besonderer Ort“, sagt Bianca, denn dort würden Klassenunterschiede aufgehoben. Wer in die Badewanne geht, ist nicht arm oder reich, der ist für einen Moment lang befreit von seiner eigenen Geschichte. Abtauchen, die Füße übers Wasser gleiten lassen und sich dabei vorstellen, man habe gerade einen Wal in den Wellen entdeckt, so ist das zumindest in Biancas filmischer Arbeit „Sonar Sounds“. Die junge Künstlerin hat in den vergangenen Monaten mehr als 200 Badeszenen aus berühmten Filmen gesammelt, die sie in der Videoinstallation „We are all in this together“ miteinander verbindet. Parallel arbeitet sie mit ihrem Freund Felix Kraus an einer Filmtrilogie, die das Leben von Mensch-Tier-Pflanze-Pilz-Hybriden in einer fernen Zukunft imaginiert.

Foto: Adrienne Meister 

Sophia Klink
Literatin

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Wenn Sophia Klink Texte schreibt, spielt die Natur darin eine große Rolle. Die 22-Jährige versucht in ihrer Prosa die Dinge zu verarbeiten, die sie aus ihrem Biologiestudium kennt: „Ich wollte einfach zeigen, wie toll diese Welt ist. Es weiß zum Beispiel kaum einer, dass Regenwürmer zehn Herzen haben.“ Die Natur wird bei ihr zum Reibungspunkt für die Sehnsucht ihrer Figuren nach Ruhe abseits der Stadt. 2015 hat Sophia das Literaturstipendium der Stadt München erhalten, das Autoren ein Arbeiten frei von finanziellem Druck ermöglichen soll. Gefördert wurde ihr Romanprojekt „Luftunterfläche“, dessen Erstfassung demnächst fertig werden soll. Sophia Klink liest am 15. Januar 2016 im Keller der kleinen Künste.

Foto: Thomas Freimuth

Florian Kamhuber
und Fabian Halbig

Filmemacher

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Es darf gelacht werden: Florian Kamhuber, 25, und Fabian Halbig, 23, produzieren mit ihrer Filmfirma „Nordpolaris“ Stoffe, die den Zuschauer mit intelligentem Humor unterhalten sollen. Vergangenen Sommer haben die beiden ihren ersten Langspielfilm produziert, der 2016 Premiere feiert: Die Tragikomödie „Dinky Sinky“ (Regie: Mareille Klein) erzählt die Geschichte einer Sportlehrerin, die unbedingt schwanger werden will. Die Hauptrolle übernahm Residenztheater-Schauspielerin Katrin Röver, der Film-Fernseh-Fonds Bayern förderte das Projekt mit 50 000 Euro. Für das kommende Jahr sind bereits viele neue Projekte geplant: Die beiden produzieren eine Sitcom, die die Männerdomäne Baumarkt ironisch aufbricht, und Fabian, Schlagzeuger der Killerpilze, bringt mit seiner Band ein neues Album heraus.

Foto: Vera Brückner

Alexander Hoffmann
Veranstalter von „Cook and Code“

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Die ersten Schritte in der IT-Welt will Alexander Hoffmann Anfängern in seinem Projekt „Cook and Code“ vereinfachen. Der 27-Jährige organisiert Veranstaltungen, bei denen Experten und Neulinge zusammenkommen und in lockerer Atmosphäre ihr IT-Wissen auffrischen können – zum Beispiel wird auch zusammen gekocht. Für das Jahr 2016 hat sich Alexander eine Menge vorgenommen: „Beim Social Hackathon am 23. Januar werden sich drei bis vier soziale Projekte vorstellen, die ein bestimmtes Problem mit ihrer Website haben“, sagt Alexander. Über einen ganzen Tag hinweg versuchen sich die Teilnehmer an einer Lösung für diese Probleme.

Foto: privat

Hannah Klose
Netzwerkerin

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Netzwerkerin Hannah Klose, 24, bringt Menschen zusammen. Zum Beispiel als Vorstandsmitglied des Projekts „Rock Your Life“, das Hauptschülern Mentoren an die Seite stellt, um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern. Aber auch darüberhinaus hat sie 2016 viel vor: Hannah organisiert die Intrapreneurship Conference 2016 in München mit und stellt als Heartleaders-Botschafterin Veranstaltungen rund um wertschätzende Kommunikation in der Arbeitswelt auf die Beine. Außerdem holt sie bei 12min.me einmal im Monat Sprecher für Vorträge zu Business-Themen auf die Bühne – in lockerer Atmosphäre und strenger Zwölf-Minuten-Taktung. Wo Hannah Menschen verbindet, ist das Ziel meist dasselbe: Statt Ellbogenmentalität soll Arbeit Raum für Innovation, Erfüllung und Potenziale bieten.

Foto: mantro.net

Alina Birkner
Malerin

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Ist Malerei nun in oder out, hip oder verstaubt? Immer wieder wird ihr in der Kunst der Tod prophezeit. Davon lässt sich Alina Birkner, 26, nicht beeindrucken. Die Malerin studiert an der Akademie der Bildenden Künste und schließt ihr Diplom im Februar ab. Alina pinselt mit Acryl geometrische Formen in Pastellfarben auf eine nasse, meist großformatige Leinwand. Ihr Können stößt auf so viel Begeisterung, dass sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner, der eigentlich Filmplakate gestaltet, ein riesiges Fresko für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic in der Pinakothek der Moderne malen durfte. 2016 steht aber erst einmal die eigene, abstraktere Kunst auf dem Plan: zum Beispiel im Münchner Centercourt, wo Alina von Januar an vier großformatige Arbeiten zeigt.

Foto: Korbinian Vogt 

Lux
Rapper

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Es gab schon schlechtere Zeiten für Hip-Hop aus München. Edgar Wasser wird bundesweit gefeiert, Fatoni ist dieses Jahr mit seinem Album „Yo Picasso“ durch die Decke gegangen. Und München hat noch mehr Talente parat. Zum Beispiel Lukas Eichhammer, 25, alias Lux. Der Musiker hat 2015 das erste Album veröffentlicht, tourte mit Kumpel Edgar Wasser durch Deutschland. „Ich habe Blut geleckt“, resümiert er. Schon als Kind zieht es Lukas auf die Bühne: Er spielt im Residenztheater und eine Hauptrolle im Kinofilm der Kinderreihe „TKKG“. Mit 16 beginnt er zu rappen, 2012 kommt die erste EP. Lukas wird nächstes Jahr 26. Zehn Jahre Lux – Zeit, erwachsen zu werden? Ja. Deshalb kommt im Frühjahr eine neue EP und mit ihr ein neuer Lux. Es geht um Zukunftsängste, ums Rumhängen und Älterwerden – ganz genau weiß Lukas das auch nicht. Er rappt: „Ich bin nicht Lux, nur sein Synchronsprecher.“

Foto: Nils Schwarz


Mercedes Diaz de Leon
Mode-Designerin

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Es ist keine einfache Angelegenheit, dem Massenkonsum den Rücken zu kehren – vor allem nicht, wenn es um Mode geht. Mercedes Diaz de Leon, 28, hat es trotzdem versucht: Im Sommer eröffnete sie den „Nui Conceptstore“ in Neuhausen, der ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Jungdesignern und ihr eigenes Label Nui verkauft. Die gebürtige Mexikanerin, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat ihr Handwerk an der Meisterschule für Mode in München gelernt. Nach dem Abschluss war sie ernüchtert: Alle tragen das Gleiche, kaufen bei großen Ketten Stücke, die nach kürzester Zeit im Schrank verstauben. Mercedes’ Laden ist keine Revolution. Aber ein Schritt in die richtige Richtung: eine Verkaufsplattform für talentierte Jungdesigner, die nachhaltig, lokal und fair produzieren und für den Modeliebhaber sonst allenfalls über Plattformen wie Dawanda erreichbar wären.

Foto: privat

Equalhats
Gemeinnütziges Studentenprojekt

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Sechs junge Münchner Studenten haben die Mütze zu einem Symbol der Solidarität erhoben. Ihr Motto: „Mache einen fremden Namen zu deinem.“ Auf den Mützen stehen Namen. Namen von Flüchtlingen, die bereits in Deutschland angekommen sind. Über den Namen wird das Gleichheitszeichen eingestickt. So setzt jeder mit der Mütze ein Statement. Bisher sind circa 400 Mützen verkauft und 2500 Euro eingenommen. Neben dem Studium ist oft zu wenig Zeit, aber für die nächsten Semesterferien plant das Team von Equalheads einen Sommerersatz für die Mütze zu finden. „Wir wollen auf jeden Fall weitermachen“, sagt Pauline Kargruber, Mitbegründerin des gemeinnützigen Studentenprojekts Equalhats. Die Mützen werden fair und im Inland produziert, alle Erträge gehen an die Aktion „Deutschland hilft“. Welcher Name auf der Mütze steht, ist nicht wichtig, man erfährt es auch nicht vorher. Das Zeichen, das man setzt, zählt.

Foto: privat

Nalan381
Hipster-Pop

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Es ist zuletzt gut gelaufen für das experimentelle Duo Nalan381. „Sie sind gekommen, um München ein bisschen mehr Sex einzuhauchen“, schrieb etwa der Bayerische Rundfunk. Und auch die SZ hat sich nicht zurückgehalten mit Lob: „Ätherische Töne mit hauchenden, hallenden, klagenden Stimmen, die verlaufen wie Wimperntusche im Swimmingpool.“ Nicht zuletzt deswegen haben Nikolaus Graf aka Nik Le Clap und Nalan Karacagil große Pläne für 2016. Die Findungsphase ihrer Musik ist abgeschlossen, im kommenden Jahr wollen sie mit einer neuen Platte über die Münchner Bühnen hinauswachsen. Ein Konzert in Berlin ist fix, sogar noch vor der Release ihrer Platte am 13. April in der Münchner Bar „Unterdeck“. Ihrem Indie-R ’n’ B bleiben sie treu, „aber der Sound wird interessanter, weil wir ja jetzt wissen, wie der andere tickt“, sagt Nik.

Foto: Rosanna Graf

Autoren: Carolina Heberling, Matthias Kirsch, Susanne Krause, Jennifer Lichnau, Valerie Präkelt

Ein letztes Mal Sex. Und Sonntagsbraten

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Beste Freundin. Mitbewohner. Auf jeden Fall Komplize. So fühlten wir uns seit fünf Jahren. 256 Kolumnen haben Lisi Wasmer und Susanne Krause seit Juni 2010 auf der Junge-Leute-Seite geschrieben. Über junge Menschen bei der Paarungssuche. Und über das Zuhause, was immer das auch sein mag. Nun ist es vorbei. Mit Sex. Und mit Sonntagsbraten.  

Heimat.
Sex. Im Wechsel. Kürzer lassen sich die beiden Kolumnen der Jungen Leute Seite,
„Beziehungsweise“ und „Bei Krause zu Hause“, wohl nicht beschreiben. Nun erschien der letzte Text: Nach fünf Jahren voller komischer, absurder und
nachdenklicher Geschichten aus dem Leben und Liebesleben ihrer Freunde und
Bekannten, legen Lisi Wasmer und Susanne Krause den Stift nieder. Ein Abschied.

Kolumnen
binden Leser. Sie sind Aushängeschilder. Konstanten, auf die man sich verlassen
kann. Ein Grund, die Seite aufzuschlagen, auch wenn einen die restliche
Themenauswahl nicht sofort anspricht. Das Spannende: Selbst wenn das Erzählte
oft absurd klingt, im Kern sind die Kolumnen wahr. So oder so ähnlich hat es sich
tatsächlich zugetragen. Marcels Name zum Beispiel, den mag Susanne in ihrem
„Bei Krause zu Hause“ Text verändert haben, sein Balkon allerdings war
tatsächlich eines Tages die Hauswand hinabgestürzt.

Angefangen
hat die Kolumnen Reihe im Juni 2010 – mit einem „Beziehungsweise“-Text von Lisi
und einem Tampon, das auf der Wasseroberfläche eines Toilettenbeckens trieb.
Als ekelhaft kann man das bezeichnen. Oder als Stilmittel. Lisi bedient sich
gerne der Effekthascherei, wählt Ausdrücke und Worte meist so geschickt, dass
sie sich gerade noch in der Zeitung drucken lassen. Und es funktioniert: Was im
ersten Moment obszön oder abstoßend klingt, macht letztendlich doch neugierig –
Sex sells eben. Ganz nebenbei erzählt die Autorin von kleinen und großen
Wahrheiten über Männer, über Frauen, über das Lieben und Geliebt-werden. Spätestens
am Ende, wenn aus dem Tampon zum Beispiel ein Sinnbild für das Verlangen nach
einer festen und ehrlichen Beziehung geworden ist, ganz ohne Make-up und ohne
sich zu verstellen, nach der letzten Zeile also, weicht Abscheu dem Gefühl
von guter Unterhaltung. Lisis Texte sind zum herzhaft Lachen.

„Bei
Krause zu Hause“ im Gegensatz ist anders: Kein Sex, zumindest eher selten und
weniger explizit. Und anstelle eines prustenden Auflachens bleibt am Ende
dieses Lächeln, das sich einstellt, wenn man sich in einer Situation selbst
wiedererkennt. Susanne Krause schreibt Wohlfühl-Texte, die auf genüssliche und
humorvolle Art die Tücken und Überraschungen des Alltags beschreiben, wenn man
einmal das Hotel Mama hinter sich gelassen hat. Es geht um das Leben bei Krause zu Hause. In der Tat gewährt Susanne ihren Lesern Einblicke in ihre
persönlichen vier Wände: In die Burschenschaft, in der sie gelebt hat. In ihre
Küche, in der  sie nur die Stellen und Oberflächen putzt, die ins Auge
eines mittelgroßen Betrachters fallen. In ihr Wohnzimmer, von wo aus sie über
ihre Sehnsucht nach einem eigenen Balkon schreibt – ein Balkon in einem guten baulichen
Zustand, versteht sich, nicht wie Marcels Balkon. Susanne erzählt von Dingen,
mit denen sich jeder immer irgendwie identifizieren kann.

Ebenso
wie ihre Texte für die Leser auf die Seite gehören – nicht umsonst kommen jedes
Jahr viele Zuschauer zu ihren Sex und Sonntagsbraten Lesungen im Farbenladen -,
wird es auch schwer, sich die beiden aus der Redaktion der Junge-Leute-Seite wegzudenken.
Angesichts ihrer eigenen Themenwahl verwundert es nicht, dass sie auch im
echten Leben oft unterschiedlich sind: Man kann Susanne durchaus als verkannte
Rebellin bezeichnen, die mit ihren blonden Locken und manchmal zurückhaltenden
Art zwar unschuldig wirkt, sich aber mit quietschbunten Strumpfhosen
aufbegehrt, wenn die Geschäftswelt einen Stiftrock von ihr verlangt. Lisis Potenzial
zur Rebellion dagegen ist offensichtlicher. Nicht nur ist sie braunhaarig, was
sie vor der Engels-Assoziation bewahrt, auch ihr Blick hat immer etwas freches
und herausforderndes. Wenn ihr die Idee für eine Geschichte gefällt, setzt sie
sich ein, und schreckt auch nicht vor Diskussionen zurück. Sie ist
selbstbewusst, kämpferisch und doch immer mit einem guten Rat zur Seite.

Dass
die beiden eines Tagen nicht mehr als Kolumnistinnen für die Junge-Leute-Seite
schreiben würden, das war eigentlich auch 2010 schon klar. Über die Jahre sind
Autorinnen und Texte gleichermaßen erwachsener geworden. Statt um den
chaotischen Studentenalltag ging es bei „Bei Krause zu Hause“ immer mehr um
Identität und die Frage, wo man hingehört. Und seit einiger Zeit gibt es auch
immer wieder „Beziehungsweise“-Kolumnen, in denen Worte wie Sex, Rammler und
Artverwandtes keinen Platz mehr finden. Stattdessen waren Liebe, Partnerschaft
und selbst Kinderkriegen Thema. Lisi Wasmer und Susanne Krause sind älter
geworden, keine Studentinnen mehr. Es ist also durchaus gerechtfertigt, wenn
auch schade, dass sie aufhören. Im neuen, im echten Leben jetzt werden sie sich
wohl vielen neuen Dingen widmen, Sex und Sonntagsbraten allerdings werden
vermutlich auch weiter eine Rolle spielen.

Dorothée Merkl

Foto: Lorraine Hellwig

Ein letzter Rest Individualität

Ein Möbelstück, das riecht und haart wie ein Haustier? Nicht unbedingt praktisch, dafür aber individuell- findet zumindest Stephi.

Wir sehen aus, als hätten wir auf dem Rücken von Ziegen die Anden überquert – um mal den unverfänglichen Vergleich zu ziehen. Es braucht mehrere Blätter Klebepapier von Stephis Fusselroller, ehe unsere Intimbereiche frei von Ziegenhaaren sind und wir uns wieder auf die Straße trauen können, ohne unangenehme Fragen fürchten zu müssen. Dabei waren wir eigentlich nur zu Kaffee und Kuchen eingeladen.
In fast jedem Kleiderschrank findet sich mindestens ein Teil, von dem man sich nie trennen würde, obwohl man es jedes Mal heimlich verflucht, sobald man es eine halbe Stunde angehabt hat. Marke: schön, aber kratzt wie Schmirgelpapier. Oder sexy, aber so eng, dass man nie ganz ausatmen kann. Wahrscheinlich hängen wir gerade dadurch, dass sie uns quälen, so an diesen Kleidungsstücken – eine gemeinsame Leidensgeschichte schweißt zusammen.
Stephi beweist, dass das Phänomen sich nicht auf Kleiderschränke beschränkt. Ein Wohnzimmer, ausgestattet mit schlichten, funktionalen Möbeln – das Äquivalent zu einem Kleiderschrank voll bequemer Jeans und gut geschnittener Baumwoll-Shirts – war ihr nicht genug. Es fehlte das gewisse Etwas. Auf dem gewissen Etwas habe ich nun zum ersten Mal gesessen. Es ist eine Bank mit einem Patchwork-Überzug aus Ziegenfell. Wie lange noch wirklich Fell auf dem Leder sein wird, weiß ich nicht. Schließlich hat sich bereits jetzt ein nicht unwesentlicher Anteil von der Bank auf meinen Hintern umverteilt. Ach ja: und auf den Boden. Es gibt viele praktische Sitzgelegenheiten – Stephis Ziegenbank gehört nicht dazu.
Aber was ist schon Alltagstauglichkeit gegen ein Stück Individualität? Nicht viele Menschen haben schließlich ein Möbelstück, das riecht und haart wie ein Haustier. Anglerwesten in Einheits-Beige und Gesundheitsschuhe sparen wir uns ja auch fürs Alter auf; solange man sich bücken kann, um Fusselroller und Besen einzusetzen, ist so eine Haare schleudernde Ziegenbank also nur konsequent.

Susanne Krause

Sünden auf dem Sofa

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Serien sind doch auch nichts anderes als Drogen. Gesellschaftlich akzeptierte allerdings. Aber ist der regelmäßige Konsum wirklich unbedenklich?

Mit den Drogen ist es kompliziert. Rauchen ist lange nicht mehr so cool, wie es mal war, der Alkohol hingegen bleibt ein Evergreen – und Kulturgut, solange man sich nicht zu viel davon allein auf dem Sofa einverleibt. Sich Serien allein auf dem Sofa einzuverleiben, gehört hingegen noch zu den gesellschaftlich akzeptierten Drogen – in zehn Jahren könnte das anders aussehen. Psychologen streiten bereits, ob Seriensucht nicht eine ähnliche Abhängigkeit auslösen könnte wie Rauschmittel. Im Klartext heißt das: Wer seine tägliche Portion GZSZ verpasst, leidet eventuell unter Entzugserscheinungen.
Die Parallelen sind gar nicht so abwegig: Serien sind ein gemütliches Stück Realitätsflucht – eine Art zweites Zuhause, in dem man sich auskennt und wohlfühlt. Und genau wie beim Alkohol kriegt man es manchmal nicht hin, aufzuhören, wenn man eigentlich genug hat. Aber während es in den meisten Freundeskreisen auf wenig Wohlwollen stieße, zu sagen, man habe den ganzen Tag beim Saufen im Bett verbracht, statt auf die Klausur zu lernen, ist es okay, wenn man sich stattdessen die letzte Staffel von „House of Cards“ reingezogen hat.
Im Internet kann man sich mit wenigen Mausklicks ausrechnen lassen, wie viel Lebenszeit man bereits in Serien investiert hat. Wer sich alle Folgen von „How I Met Your Mother“ angesehen hat, saß dafür beispielsweise über drei Tage und vier Stunden vorm Bildschirm. „Breaking Bad“ könnte man an zwei Tagen durchkriegen – vorausgesetzt, man verzichtet auf Schlaf. Äquivalente Seiten, die genau aufsummieren, wie viel Zeit unseres Lebens wir damit verbracht haben, in Biergläser zu gucken, gibt es zum Glück noch nicht. Vielleicht ja in zehn Jahren – wenn Serienschauen illegal geworden ist und man versucht, Betroffene auf Cannabis umzustellen.

Susanne Krause

Kambodscha weist Käse aus

Deutsches Brot im Ausland kaufen? Eine schwierige Sache. Noch schwieriger wird es für Französin Elia – denn die sitzt in Kamboscha und trauert ihrem geliebten Camembert hinterher…

Deutsche im Ausland vermissen Brot. Richtiges Brot, das Widerstand leistet, wenn man draufbeißt und sich nicht nur deshalb „Vollkorn“ nennt, weil drei Sonnenblumenkerne daran kleben. Der deutsche Discounter in Stockholm erhält bei Max und seinen Erasmus-Kommilitonen deshalb bald den Status einer heiligen Halle.

Einen so intensiven Austausch über das Sortiment eines Supermarkts hat man bisher nur bei Hausfrauen jenseits der siebzig gehört. Als ein Backautomat Einzug hält, bekomme ich sogar ein Foto von einem Laib Brot, verbunden mit einer kleinen Ode an seinen Geschmack.

 Klischees über das eigene Land werden eben immer dann besonders deutlich, wenn man nicht dort ist. So überrascht es nicht, dass Max’ französische Erasmus-Kollegen sich ausführlich darüber austauschen, wo in Stockholm man absurd hohe Summen in Camembert und Roquefort investieren könne.
 Noch schwieriger hat es da Elia, die es nicht nach Schweden, sondern nach Kambodscha verschlagen hat. Hier sind die Läden für französischen Käse recht dünn gesät. Deswegen beschließen ihre Eltern, ihr mit einem Fresspaket eine Freude zu machen. Der Karton voll Käse fliegt also einmal um die halbe Welt. Und dann noch einmal. Dazwischen reift er mehrere Wochen auf einem kambodschanischen Postamt, ehe man sich entschließt, das seltsam riechende Paket an den Absender zurückzuschicken. Immerhin: Im Gegensatz zu einer bei tropischen Temperaturen gezüchteten Schimmelkultur in Pappe wirkt ein gutes Stück Tofu für Elia plötzlich nicht mehr ganz so fad. Es gibt eben Dinge, die zu Hause einfach am besten schmecken.

 Und dann gibt es die Dinge, die man sich aus der Ferne mit nach Hause nimmt. Bei Max ist das allerdings keine schwedische Delikatesse geworden, sondern etwas, was man glücklicherweise auch in Deutschland leicht bekommt: Er ist dem Brot aus dem deutschen Discounter-Backautomat treu geblieben.

Susanne Krause

Neuland

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Consulting – oft ein Synonym für Leute, die schnell viel Geld machen. Dass es auch anders geht, zeigt Yuki Asano, der soziale Unternehmen berät.

Consultants? Zeigen Firmen, wie sie mit unmoralischen Mitteln noch mehr Geld machen, und bekommen dafür astronomische Gehälter. Soweit das Vorurteil. Natürlich geht es auch anders: Yuki Asano (Foto: Selina Schätzlein), 22, hat während seines Auslandssemesters in Tokio 180 Degrees Consulting kennengelernt. Die Initiative bringt Studenten als ehrenamtliche Berater zu Non-Profit-Organisationen und sozialen Unternehmen. So profitieren beide: „Die Organisationen erhalten frische Ideen, die Studenten sammeln praktische Erfahrung“, erklärt Yuki. Die Mischung aus Engagement und Lerneffekt habe ihn sofort begeistert. Ortsgruppen von 180 Degrees Consulting gibt es weltweit bereits in mehr als 50 Städten, München zählte bisher nicht dazu. Das hat das Gründerteam rund um den Physikstudenten Yuki nun geändert. Bis Ende April können sich Studenten aller Fachrichtungen erstmals bewerben – zum Beispiel für die Organisation SOS-Kinderdorf. Vorbereitet werden die Freiwilligen gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern in Workshops. Von Mai an treten dann die ersten Berater ihren Dienst an; im Zeichen der Moral und ganz ohne Gehalt. Susanne Krause

Für Interessierte findet am Dienstag, 21. April, eine Informationsveranstaltung statt. Weitere Infos: https://www.facebook.com/events/938745729479253/?ref=5

Keine Selfies mit Mr.Spock

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Ein niedliches Haustier? Will jeder haben, auch die Mutter unserer Kolumnistin. Doch statt eines süßen Kängurus bekommt sie: Mr. Spock, die Ratte ihres Sohnes…

Niedliche Tiere sind ein Mysterium: Bei den meisten Menschen lassen sie den IQ vorübergehend um wohlige 50 Punkte absinken. Übrig bleiben im Kopf dann nur Fetzen der altbewährten Kulturtechnik Sprache: „Ooooh!“ etwa, oder „Flauschig, flauschig, flauschig“. Rationalität hat bei niedlichen Tieren Pause.
 Deswegen schmiedet meine Mutter Haustierpläne, als ich ihr einen Link mit Quokka-Selfies weiterleite. Für alle die mit dem Hashtag #QuokkaSelfie wenig anfangen können: Quokkas sind Kängurus im Handtaschenformat, die aussehen, als würden sie immer lächeln, und sich so zum begehrtesten Zusatz für Selbstporträts überhaupt entwickelt haben. Ein Tier, das in allen Lebenslagen fröhlich guckt und zudem noch über ein natürliches Aufbewahrungssystem verfügt, ist außerdem das ideale Haustier. Findet meine Mutter. Es könnte mit ihr im Dorfladen einkaufen gehen, erklärt sie, und sie dann an der Kasse freundlich anlächeln, während sie die Einkäufe in seinem Beutel verstaut.
 Einziger Haken: Quokkas leben nicht in Oberbayern, sondern vor allem auf der australischen Rottnest Island. Die holländischen Entdecker der Insel waren von den tierischen Bewohnern übrigens weit weniger angetan als die zeitgenössischen Selfie-Touristen: Sie tauften das Eiland „Rattennest“. Die Quokkas hielten sie für Riesennager. Hätten sie mal genauer hingeschaut! Dann gäbe es bereits aus dem 17. Jahrhundert Ölgemälde von Edelleuten, die mit lächelnden Mini-Kängurus posieren.
 Ratten sind ein weiteres Mysterium. Sie haben Fell, Knopfaugen und eine handliche Größe, sorgen aber nur selten für Begeisterung. Ratte Spock etwa – wohnhaft im Wohnzimmer meines Bruders – begegnet Mama mit Skepsis. Da hilft auch alle Star-Trek-Affinität herzlich wenig: Eine Ratte würde meine Mutter selbst dann nicht zum Einkaufen mitnehmen, wenn sie mit ihren kleinen Pfoten den Vulkanier-Gruß ausführen könnte. Zumindest Mr. Spock würde es freuen, dass sein Namensvetter nicht den letzten Funken menschlicher Logik auslöscht.

Susanne Krause

Hausputz mit Harry Potter

Ein neuer Besen muss her. Zum Fegen? Nein, zum Fliegen! Unsere Autorin übt sich diese Woche im Muggel-Quidditsch – zumindest mental.

Kurz nach meinem Einzug in die WG frage ich meinen
Mitbewohner, ob wir einen Besen haben. Das verwirrt ihn. Was ich denn damit
machen will, fragt er kritisch. Eigentlich ist es selbsterklärend, wozu man
einen Besen braucht. Verwirrend wird es erst in einem Fall wie bei Max, der
sich beim Aldi-Sonderangebot zurückhalten muss, nicht gleich 14 Stück zu
kaufen. Bei 14 Besen ist die Frage, was man damit machen möchte, übrigens
angebracht.

Max möchte
Quidditch spielen. Muggel-Quidditch. Er ist ganz begeistert von der Idee, seit
ich ihm eine Doku gezeigt habe, in der amerikanische College-Studenten mit
Besen zwischen den Beinen herumlaufen und Volleybälle durch Hula-Hoop-Reifen
pfeffern. Das sieht noch alberner aus als Fantasy-Nerds, die sich in Wäldern
mit Silikonschwertern ihre spitzen Latexohren von den Köpfen kloppen. Aber
gerade deshalb gehört Muggel-Quidditch zu den schönsten Ausdrucksformen des
Nicht-Erwachsen-Sein-Wollens: Inzwischen sind wir zwar alle zu alt, um noch auf
unseren Brief aus Hogwarts zu warten, aber noch jung genug, um uns mit einem
Besen zwischen den Beinen dreckig und öffentlich zum Deppen zu machen.
Dementsprechend stößt die Idee im erweiterten Freundeskreis auf großen Anklang.
Nur ich habe die leise Befürchtung: Wenn ich irgendwas schlechter beherrsche
als Ballsportarten, dann sind es wohl Ballsportarten, die man einhändig auf
Besen aus dem Aldi-Sonderangebot spielt.

Aber immerhin habe ich Erfahrung, wie man Besen in
der schnöden Erwachsenenwelt benutzt. „Zum Fegen“, antworte ich also auf die
ungläubige Frage meines Mitbewohners. So ganz besänftigt ihn das nicht. „Aber was
machst du, wenn du die Häufchen zusammengekehrt hast?“, hakt er nach. Für ihn
sind offenbar schon Besen an sich irgendwie faszinierend, ganz ohne Magie. Das
ist fast eine noch schönere Form von Realitätsflucht als Quidditch.

Urinstinkte am Fenster

Der Frühling kommt – und mit ihm der Dreck. Doch auf Frühjahrsputz hat unsere Autorin mal so gar keine Lust. Bis sie ein Buch aus den 70ern findet: “Der moderne Haushalt” gibt Putztipps, die auch Sauberkeitsmuffeln gefallen dürften…

Frühling ist eine schöne Sache, hat aber einen Nachteil: Plötzlich ist da unglaublich viel Dreck in der Wohnung, der im düsteren Winterwetter so freundlich unsichtbar geblieben ist. Jetzt, wo es sich endlich wieder lohnt, aus dem Fenster zu schauen, sieht man vor lauter Schmutz nicht mehr durch. Sonnige Frühlingstage verbringt man deshalb mindestens bis Einbruch der Dunkelheit auf der anderen Seite der verschmierten Scheiben, ehe man auf die Idee kommt, die ersten Sonnenstrahlen zum Fensterputzen und Bücherabstauben zu nutzen.
Mir möchte jedoch das Schicksal etwas sagen, denn gleich auf meinem ersten Wohnungsputzfluchtspaziergang finde ich in einer „Zu Verschenken“-Kiste auf dem Gehsteig ein Buch: „Der moderne Haushalt“ aus dem Jahr 1976. Hier erfahre ich, dass der Frühjahrsputz eigentlich in meiner Natur liegen sollte: „Das ist anscheinend ein Urinstinkt, der in allen Frauen jedes Jahr von Neuem erwacht, mag man sonst vom Saubermachen halten, was man will!“, steht auf Seite 165. Mein Urinstinkt schweigt, ich kaufe mir lieber ein Eis und informiere mich weiter über den modernen Siebzigerjahre-Haushalt.
Vielleicht wäre das ja doch meine Zeit gewesen. Klar, die Frisuren sind gewöhnungsbedürftig und, ja, das Buch stellt alle Frauen, die neben dem Haushalt auch ein wenig Karriere machen wollen, als größenwahnsinnige, stark Burn-out-gefährdete Fast-Food-Junkies dar. Aber passend zum Sonnenuntergang kommt die Regel, dass Putzen am Abend wegen der schlechten Lichtverhältnisse gar keinen Sinn habe, sehr gelegen. Im Dunkeln ist der Dreck sowieso weg. Und bis ich wirklich mit dem Putzen beginne, lässt mir das Buch auch noch viel Zeit: „Warten Sie in Ruhe auf den Tag, an dem Ihnen Ihre innere Uhr sagt: Jetzt ist es wieder so weit“, erklärt es mir. Der Frühlingsputz hat also noch Zeit bis Weihnachten. Susanne Krause