Band der Woche: Oh Girl!

image

Wenn die Fotografin Verena Vötter Musik macht, nennt sie sich Oh Girl!. Ihre Musik ist genauso süß, wie der Name es vermuten lässt und bleibt dabei doch immer authentisch.

Es wirkt fast ein bisschen despektierlich. Oh Girl! nennt sich die Fotografin Verena Vötter als Musikerin. „Oh, Mädchen, was hast Du Dir noch dabei gedacht?“, hallt es ermahnend im Kopf nach, wenn man diesen Künstlernamen liest. „Oh, Girl, da ist Hopfen und Malz verloren“, klingt das erzieherische Besserwissertum und das didaktische Gefälle, das in dieser Phrase liegt. Mädchen, diese schon im Wort angelegte Verniedlichungsform, die unangemessen für eine junge, aber erwachsene Frau zu sein scheint, wie es Verena ist. Doch das Niedliche prägt das Bild, das Frauen heutzutage gerne von sich verkaufen – egal wie alt sie sind, ein Schuss Kleinmädchenhaftigkeit findet sich fast überall. Doch es gibt einen Weg das umzudrehen: Vorgemacht hat das gerade Beyoncé in ihrem aktuellen Video zu „Formation“. Da wird der booty-shakende Gruppen-Formationstanz von Sexyness zum Erreichen einer tatsächlich bedrohlich wirkenden, starken Frauengruppe transferiert – Verena Vötter wählt als Oh Girl! einen gegenteiligen Weg, der aber einen ähnlich beschützendem Effekt hat.

Denn bei Oh Girl! ist alles süß, bei Oh Girl! geht es um die Liebe, da ist die Stimme zart und das Gitarrenspiel schön – und Verena, die sich gern beim Kosenamen Neni nennt, zieht das mit einer derartigen Konsequenz durch, dass das Mädchenhafte nicht anbiedernd, sondern fast authentisch wirkt. Sofern man innerhalb der Popmusik überhaupt von Authentizität sprechen kann. Denn auch Verena, die man in München bisher hauptsächlich aufgrund ihrer fotografischen Tätigkeit kannte, kennt sich natürlich mit Inszenierung aus; vor allem mit der Inszenierung von Liebe. Denn der Liebe, die gesellschaftliche Konventionen überspringt, widmete sie ihre Bachelor-Arbeit in Fotografie: Unter dem Titel „it’s love, actually!“ porträtierte sie gleichgeschlechtliche Paare. Und das Thema Liebe, deren Unbedingtheit, findet sich auch in ihrer Musik. Am vergangenen Freitag hat sie dazu eine EP veröffentlicht. „Share your Love“ heißt die, darauf erzählt sie in fünf schlichten Akustik-Gitarren-Songs eine Liebesgeschichte: Vom ersten Track „Lovely Day“ über dunkle Zeiten („Lost“) zu Verdrängung („Don’t say her name“), endet diese Liebes-Konzept-Platte mit dem Titeltrack „Share your Love“, unterlegt von aufbruchsfreudigem Ukulelen-Geschrabbe. Und damit vermischt sich Autobiografie und Kunstkonzept: Denn die EP funktioniert sowohl als dramaturgisch-gedachte Konzept-Ep zwischen Soap-Opera und Düsterkeit, als auch als psychologische Hintertür für Verena selbst: „Ich kann mit keinem anderen Werkzeug Liebeskummer so gut verarbeiten wie mit meiner Stimme und meiner Gitarre“, erklärt sie: „Das Songwriting hilft mir sehr, meine Erlebnisse zu erzählen und auch oder vor allem traurige Geschichten zu verarbeiten.“

Doch ihre Musik verbreitet sich gerade ähnlich, wie sie es von der Liebe darin fordert. Im August vergangenen Jahres hatte sie ihre erste EP veröffentlicht. Zahlreiche Konzerte folgten. Da sich Verenas Musik in ihrer Schlichtheit keinem Stil besonders zuordnet, passt sie auch gut zu diversen Bands, was ihr einige Support-Auftritte für namhafte Künstler verschaffte – unter anderem als Vorgruppe zur Bierzelt-Tour von La Brass Banda. Und für die Produktion ihrer aktuellen EP konnte sie Oliver Anders Hendriksson von den Young Chinese Dogs gewinnen. Fünf Songs, die mal von subtilem Drama zerrissen werden und dann wieder schmeichelnd von positiveren Zeiten erzählen.  

Stil: Akustik / Folk
Besetzung: Verena Vötter (Gitarre, Gesang)
Seit: 2014
Aus: München
Internet: www.soundcloud.com/ohgirl_music

Foto: Christoph Gaertl

Von: Rita Argauer