Wundertypen

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Brüder, Snowboarder, Geschäftsmänner: Florian, 25, und Matthias Handschuh, 27, haben gerade ihr drittes Start-up gegründet (Foto: 2wunder). Nach Schnee und Kleber verkaufen sie jetzt entspannte Reiseplanung.

Zwei Brüder, drei Unternehmen: Florian, 25, und Matthias Handschuh, 27, haben gerade ihr drittes Start-up gegründet. Sie nennen es 2wunder. Wunder, das zeugt von Selbstbewusstsein. Es ist eine Hotelplattform im Internet, auf der Touristen nicht nur die Lage ihrer Hotels betrachten, sondern auch verschiedene Erlebnisse und Stadtführungen entdecken und buchen können. Den Nutzern soll das Portal eine möglichst entspannte Reiseplanung jenseits altmodisch-angestaubter Reiseführer bieten, so beschreiben die beiden ihre Idee. Für ihre Website haben die Brüder leuchtende Farben wie Grasgrün und Magenta gewählt, hochwertig wirkende Bilder und Grafiken bestimmen die Plattform. Das Symbol für den Warenkorb ist eine Wundertüte.

Ins Unternehmertum sind Florian und Matthias buchstäblich reingerutscht: Zunächst waren die Brüder professionelle Snowboarder. Florian hat mit 14 Jahren seinen ersten Snowboard-Wettkampf bestritten. Er hat ihn gewonnen. „Da war der Ehrgeiz groß“, bemerkt er und lächelt. Beide wurden zu erfolgreichen Athleten, Florian gewann 2008 die Deutsche Meisterschaft im Slopestyle – einer Disziplin, bei der eine Art Parcours mit Hindernissen absolviert wird, an denen oft spektakuläre Sprünge gezeigt werden.

Ihre Zeit als Snowboarder hat sie geprägt: „Im Sport lernst du Leidensfähigkeit, auch wenn das kein schönes Wort ist“, sagt Florian. Und Matthias ergänzt: „Durch die Selbstvermarktung und die Selbstorganisation im Sport sind wir zu Unternehmerpersönlichkeiten geworden.“ Ihr erstes Start-up knüpft die naheliegende Verbindung zum Snowboarding. Das Unternehmen Sugarparks, das Florian und Matthias 2009 gegründet haben, designt, baut und pflegt Snowboardparks und Wettkampfanlagen. Damit kannten sie sich schließlich aus – und konnten mit dem Gewinn ihr Studium in „Management & Economics“ in Innsbruck finanzieren. Inzwischen seien schon mehr als 100 000 Snowboarder durch ihren Park im Alpbachtal gefahren, sagt Matthias.

Vom Snowboardpark ins Hauptgebäude der LMU München: Hier sollen Florian und Matthias bei der Veranstaltung „Unglaublich Unternehmerisch“ des LMU Entrepreneurship Centers im November ihr Start-up 2wunder pitchen. Später werden noch die Gründer von Flixbus und Dean & David sprechen, der Hörsaal ist mit knapp 100 Studenten gut gefüllt. Florian – groß, blond, er trägt ein rotes Hemd und graue Jeans– spricht für die beiden Brüder. Ihre Vita beansprucht die meiste Vortragszeit. Florian gibt den Anwesenden viele Tipps. Er motiviert die Studenten, möglichst früh selbst ein Unternehmen zu gründen, Risiken und Wettbewerb nicht zu scheuen. Es ist ein Abend der demonstrativen Souveränität, an dem alle Redner charmant flachsen und das Wort „Start-up“ möglichst amerikanisch aussprechen: „sstardd-ab“.

Doch zurück auf Anfang: Aufgewachsen sind Florian und Matthias in Schäftlarn bei München, die Familie hat ein Ferienhaus in Österreich. Dort haben sie mit dem Ski- und dann auch mit dem Snowboard-Fahren begonnen. Dort haben sie das Freestyle-Snowboarden für sich entdeckt, Schanzen im Garten aufgetürmt und mit den Zaungeländern der Nachbarn eigenhändig Hindernisse gebaut – wenn man so will die Grundidee ihres ersten Unternehmens. Mit Heimwerken im etwas klassischeren Sinne hat die zweite Firma der Gebrüder Handschuh zu tun: Sie gründeten Panoramic Europe, das unter anderem den Klebstoff Gorilla Glue aus den USA exklusiv in Europa vertreibt.

Wie können sich zwei junge Unternehmer für Klebstoff begeistern? Florian beschreibt begeistert, wie viel Freude es macht, das beste Produkt zu verkaufen. Den besten Klebstoff. Es ginge darum, dem Verbraucher eine Freude zu machen. Panoramic Europe ist gleichzeitig auch das erste E-Commerce-Projekt der beiden, der Klebstoff ist im Internet inzwischen der meistverkaufte in Deutschland.
 
2wunder mag auf den ersten Blick überhaupt nichts mit den bisherigen Unternehmen zu tun haben, doch Matthias und Florian sehen die Hotelplattform als logische Entwicklung: „Hier können wir unsere unternehmerischen Erfahrungen aus Tourismus und E-Commerce verknüpfen.“ Als Snowboarder haben sie während der Weltcup-Saison viel Zeit in Hotels verbracht, wollten immer auch die Umgebung erkunden und mussten sich dafür in den Hotellobbys Flyer zusammensammeln. Das wollen sie mit ihrer Firma verbessern: Sie wollen die Angebote für Besucher digital bündeln, auch mal Geheimtipps aufzeigen.

Geld verdient werden kann bei so einer Internet-Plattform zum Beispiel durch eine Art Maklerprovision, die ein Stadtrundfahrtsanbieter zahlt, wenn ein Tourist über 2wunder eine Tour bei ihm bucht. Aber für die Handschuh-Brüder steht erst einmal die Produktentwicklung im Vordergrund. 2wunder ist marktfertig und befindet sich dennoch in der Entwicklungsphase: Ständig analysieren die Unternehmer das „Marktfeedback“ und adaptieren ihr Geschäftsmodell bei Bedarf – „build, measure, learn“ nennen sie diesen Ansatz.

Robert Redweik vom Entrepreneurship Center der Ludwig-Maximilians-Universität, das das Projekt unterstützt hat, erklärt, dass es bei 2wunder in der umkämpfen E-Commerce-Branche vor allem auf den Vertrieb ankommen wird; darauf, wie schnell die Brüder möglichst viele Hotels erreichen können. Wie stehen die Chancen für 2wunder? Immerhin 85 Prozent der Start-ups, die das LMU Entrepreneurship Center fördert, seien sechs Monate nach Ende der Förderung noch immer am Markt, sagt Redweik. Florian und Matthias beschreibt er als „positiv opportunistisch, weil sie neue Chancen entdecken und Ideen solange drehen, bis sie funktionieren. Sie haben als Sportler gelernt, sich durchzubeißen.“

Die Büroräume in Laim wirken futuristisch und minimalistisch: Die Wände sind in verschiedenen Silbertönen gestrichen, es gibt nicht mehr Möbel und Dekoration als unbedingt nötig. Für ihre derzeit sechs Mitarbeiter wollen sie hier ein möglichst schönes Arbeitsklima schaffen, denn: „Wenn du ein Start-up gründest, gründest du eigentlich eine Familie“, resümiert Florian. Die beiden Unternehmer bereuen es nicht, sich – auch wegen des Verletzungsrisikos – für die Karriere als Unternehmer und gegen das professionelle Snowboarden entschieden zu haben: „Unternehmertum ist der schönste Wettbewerb“, sagt Florian
 und nimmt einen Schluck von einem blutroten Getränk. Das sei ein Früchtemix vom Deutschen Olympischen Sportbund, erklärt er. Eine Reminiszenz an die Zeit als Snowboarder. Ein Wettkampfgetränk. Katharina Hartinger

Fitness ohne Studio

Der Mathematik-Student Joshua Cornelius hat mit zwei Freunden ein Fitness-Workout ohne Geräte entwickelt. Mit dem eigenen Körpergewicht sollen Kraft- und Ausdauerübungen durchgeführt werden. Ergänzt wird das Angebot durch Trainingspläne und Ernährungstipps.

Vor einem Jahr gründete Joshua Cornelius, 25, mit zwei Freunden das Fitness-Start-up Freeletics. Unterstützt wurden sie vom Münchner Center for Digital Technology and Management von TU und LMU. Freeletics besteht aus einer App und einer Webplattform und bietet ein neuartiges Trainingskonzept: kurze, hochintensive Kraft- und Ausdauerübungen, die nur mit dem eigenen Körpergewicht durchgeführt und als Video bereitgestellt werden. Zusätzlich gibt es Trainingspläne und Tipps zur Ernährung. Die erzielte Trainingsleistung – gemessen an der für ein Workout benötigten Zeit – kann mit Freunden geteilt und verglichen werden. Mittlerweile verzeichnet das Unternehmen 660 000 registrierte Nutzer weltweit. 30 Prozent kommen aus Deutschland. Aber auch in Ländern wie Brasilien, Frankreich oder Spanien ist Freeletics populär.

Was benötigt man für Freeletics?
Joshua Cornelius: Platz. Wir verzichten auf Geräte. Vor allem wenn man draußen trainiert, bietet sich zusätzlich eine Fitnessmatte an. Und irgendwas, an dem man Klimmzüge machen kann. Der aufwendige Weg ins Fitnessstudio entfällt, Ausreden zählen nicht mehr.

Wie sind Sie und Ihre Freunde auf die Idee gekommen?
Wir haben nicht Sport, sondern Mathematik, BWL und Chemieingenieur studiert. Doch wir sind alle sehr sportaffin. Wir waren vor allem aber natürlich alle drei gelegentlich im Fitnessstudio. Und da haben wir einfach nach einer Weiterentwicklung von Fitness gesucht.

Das müssen Sie genauer erklären.
Wir wollten eben ein Fitnesskonzept, das an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts angepasst ist. Viele Menschen haben nicht mehr die Zeit, zweimal die Woche zum Sportverein oder ins Fitnessstudio zu fahren. Mit dem Programm können sie mit wenig Zeitaufwand das Maximale rausholen, denn unsere Übungen sind sehr effektiv, und trainieren kann man überall. Hinzu kommt der Community-Aspekt. Wenn ich ein Workout absolviere, bekommen die Leute, die ich in der App freigeschaltet habe, das mit. Sie können meine Leistung kommentieren, das motiviert ungemein.

Sie haben Ihr Fitness-Hobby zum Beruf gemacht.
Das war der Traum, und das hat auch geklappt. Und jetzt ist es unser Hauptberuf. Ich kümmere mich vor allem ums Marketing, Mehmet um die Buchhaltung und die Finanzen. Andrej macht unter anderem das Produktmanagement. Aber wie das eben so ist bei einem Startup, die Aufgabenbereiche sind nicht so strikt abgesteckt und wir machen irgendwie dann doch alles gemeinsam.

Was ist der Unterschied zwischen der App und der Webplattform?
Es gibt eine kostenfreie App und eine Pro-Variante, jeweils für iPhone und Android. Mit der kostenlosen kann man nur auf einen Teil der Übungen zugreifen, mit der Pro-Variante für 4,99 Euro auf alle. Über die Webseite aber verkaufen wir unseren Trainingsplan und den Ernährungsguide. Und darüber generieren wir, neben den Einnahmen durch den Verkauf der App, auch den Umsatz, der das Unternehmen trägt. Allerdings werden wir App und Webplattform in den nächsten Wochen immer mehr verschmelzen. Es wird also dann auch in der App selbst sowohl Trainingsplan als auch Ernährungsguide geben.

Was kosten Trainingsplan und Ernährungsguide?
Der Trainingsplan kostet 39,90 Euro für 15 Wochen. Der Ernährungsguide 29,90.

Wie viele der 660 000 registrierten Nutzer nehmen dieses Angebot in Anspruch?
Das darf ich nicht verraten, sonst könnte man ja errechnen, wie viel Umsatz wir machen. Aber es sind keine 50 Prozent, so viel kann ich sagen. Man kann aber das Angebot auch gut nutzen, ohne zu bezahlen. Nur wenn man gezieltere Anleitungen haben will, kostet es Geld.

Was sind Ihre Pläne für die nächsten Wochen und Monate?
Wir wachsen gerade, momentan haben wir etwa 15 Mitarbeiter und zusätzlich Werkstudenten und Praktikanten. Wir wollen die nächste Herausforderung schaffen für jene, die das Trainingsprogramm schon absolviert haben. Aber wir werden auch einen leichteren Einstieg ermöglichen für alle diejenigen, denen die jetzigen Übungen zu anspruchsvoll sind.

Marco Runge

Foto: Freeletics