Neuland: StudySmarter

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Damit das Lernen einfacher wird, haben vier Studenten der LMU und TU die App StudySmarter entwickelt.

Studieren soll Spaß machen. Vor allem das Lernen soll für jeden Studierenden einfach und motivierend sein, findet Maurice Khudhir, der mit Christian Felgenauer, Simon Hohentanner und Till Söhlemann – alle vier studieren an der LMU oder der TU – die App StudySmarter entwickelt hat. Studierende können dort ihre eigenen Vorlesungsfolien hochladen und bearbeiten: Indem man Sätze markiert, werden diese in einer Zusammenfassung aufgelistet. Folien können als wichtig eingestuft oder gelöscht werden – mit den selbst beschrifteten Karteikarten wiederholt man die gelernten Inhalte.

Das Konzept hat Erfolg: In den ersten zwei Tagen haben sich bereits mehr als 1000 Studierende auf der Plattform angemeldet. „Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen, was uns insbesondere nach der langen Entwicklungsphase freut und Bestätigung gibt“, sagt Maurice, der auf ein Jahr Vorbereitungszeit zurückblickt, bis die App nun für alle Lernenden zugänglich gemacht werden konnte. Gefördert wird das Start-up unter anderem von der LMU und der TU.

 

Text: Jana Haberkern

Foto:

Maurice Khudhir

 

Hauptsache authentisch


Mit dem eigenen Handy live von einem Event streamen: Die Münchner
TU-Studenten Jakob Bodenmüller, Glenn Glashagen, Leon Szeli und Lucas
Jacobson haben die App Higgs entwickelt.

Damit kann der Zuschauer mit dem Handy von einem Event selbst livestreamen, sofern der Veranstalter einen Vertrag mit der App hat. Für den Nutzer ist die App kostenlos. Noch wird Higgs größtenteils von Unternehmen verwendet. Das Ziel ist jedoch, dass junge Menschen Videos von einem Konzert oder einer Party hochladen können.

SZ: Verwackelte Partyvideos als Geschäftsidee – wie kommt man denn auf so etwas?

Jakob Bodenmüller: Wir sind oft selbst auf Konzerten unterwegs und wollten eine Möglichkeit schaffen, authentisch von einem Event zu berichten.

Was heißt authentisch?

Bei einem Event, bei dem Livestreaming betrieben wird, muss man oft teure Gebühren zahlen. Und der Zuschauer sieht nur das, was ihm die Sender zeigen, nicht jedoch, was tatsächlich auf einem Event passiert. Das wollen wir ändern. Wir ermöglichen somit kostengünstiges Livestreaming.  

Und was heißt das konkret?

Liveübertragungen sind ja zur Zeit der Trend im Bereich Social Media auf Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter. Das ist natürlich sehr interessant, gerade für Veranstalter. Liveübertragung via Facebook ist allerdings nicht so optimal, weil man beispielsweise kein Logo einfügen kann. Ein Kamerateam ist allerdings zu teuer und für Social Media nicht gemacht, da sich die Leute die Videos auf ihrem Smartphone anschauen.

So weit ist alles bekannt. Was ist das Besondere an Eurer App? 

Wir versuchen eine Lösung zu finden, indem man mit dem Smartphone ganz einfaches Livestreaming erstellen kann.

Es ist auch von verschiedenen Perspektiven die Rede. Wie funktioniert das?

Mit einer einzigen Perspektive kannst du kein Event abdecken. Mit unserer App kann man mehrere Kameraperspektiven in einem Livestream verbinden. Somit kann man von mehreren Stages auf Festivals oder unterschiedliche Perspektiven eines Konzerts live übertragen.

Aber inwiefern ist denn „Higgs“ in Zeiten von Instagram und Snapchat noch revolutionär?

Snapchat macht ja gar nichts live, sondern zeigt, was in den vergangenen Stunden passiert ist. Facebook kann auch Live-Videos machen, diese richten sich jedoch an Privatnutzer, wenn man beispielsweise daheim hockt und sich ein Video anschauen möchte. Für die Eventmanager ist das allerdings keine Lösung. Sie möchten mit den Videos auch ihre Veranstaltungen bewerben.

Wie lange bleiben denn die Videos sichtbar?

Nach der Liveübertragungen bleiben die Videos archiviert und weiterhin sichtbar. Der Veranstalter kann dann selbst entscheiden, ob die Videos rausgenommen werden oder nicht.

Wieso sollten sich die Zuschauer verwackelte Handyvideos anschauen? Beziehungsweise wieso sollte der Veranstaltungsmanager dafür zahlen wollen, wenn es nur verwackelte Handyvideos gibt?

Wie man bei den Live-Videos von Instagram oder Facebook sehen kann, hat sich die Qualität der Smartphones in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, sodass die Videos meist sehr gut sind. Auch kann man Stative aufstellen, sodass die Videos dann nicht verwackelt sind. Außerdem wollen wir authentisches Livestreaming. Da gehören diese unperfekten Dinge eben dazu. Man merkt ja auch, dass Instagram oder Facebook sehr erfolgreich damit sind und die Leute es immer wieder gerne nutzen und sich das vor allem auch anschauen.

Denkt ihr nicht, dass es eine schlechte PR für den Veranstalter ist, wenn Videos von betrunkenen Leuten oder Nacktflitzern auftauchen?

Klar besteht stets die Gefahr, dass unvorhergesehene Dinge passieren können, das kommt durchaus vor. Du kannst schließlich nichts nachbearbeiten, sondern in dem Moment muss alles funktionieren. Aber das macht den Reiz der Live-Videos aus: das Unvorhergesehene. Und genau das macht den Bericht eines Events erst authentisch, weil man es nicht mehr verändern oder faken kann.

Interview

: Serafina
Ferizaj

Foto: Higgs

Nachhaltiger Sonnengruß

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Anna Souvignier, 25, und Sophie Zepnik, 24, bringen Hejhej-Mats, Yogamatten aus Müll, auf den Markt.

Den Planeten verändern, das fängt klein an: Stoffbeutel für den Wocheneinkauf verwenden, den eigenen Fleischkonsum einschränken, öfter mal das Rad nehmen. Auch Anna Souvignier, 25, und Sophie Zepnik, 24, ist Nachhaltigkeit wichtig. Sie dachten lange Zeit, dass sie alles richtig machten. Wenn da nur nicht das Yoga wäre. Weil es sie stört, dass ihre Yoga-Matten aus Plastik sind, wollen sie eine Lösung für das Problem finden. Sie haben ein Start-up gegründet und bringen im Herbst Hejhej-Mats, Yogamatten aus Müll, auf den Markt.

SZ: Ihr wollt mit Yogamatten aus Müll die Welt retten?
Sophie: Die Welt retten können wir wohl leider nicht, wir möchten sie aber ein Stück weit besser und nachhaltiger machen.

Und wie?

Sophie: Pro Yogamatte können etwa 1,5 Kilogramm Müll eingespart werden. Der Müll wird für die Produktion einer Matte verwendet und bekommt somit ein zweites Leben. Wir wollen nicht, dass der Abfall dort landet, wo er nicht hingehört. Im Ozean zum Beispiel.

Ihr schafft aus Müll also einen neuen Gebrauchsgegenstand.
Anna: Die Matte kann am Ende wieder recycelt werden. Wir wollen ein Rückgabesystem integrieren, sodass ein geschlossener Kreislauf entsteht und wir aus den abgegebenen Produkten neue Matten machen können.

Der Gedanke ist dennoch abstoßend.
Sophie: Warum?

Beim Yoga liegt man manchmal mit dem Gesicht auf der Matte. Das riecht doch dann streng, oder? Die Matte ist schließlich aus Müll.
Anna: Darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die Yogamatten werden aus Schaumstoffresten hergestellt, also Abfallprodukten, die beispielsweise bei der Autoindustrie übrig bleiben. Dabei handelt es sich um Schnittreste, die noch nicht benutzt wurden. Die Yoga-Matten können also bedenkenlos genutzt werden. Der Schaumstoff wird zusätzlich mit einer dünnen Schicht überzogen, damit die Oberfläche rutschfest ist. Das Produkt besteht überwiegend aus recyceltem Material, ist aber noch nicht vollkommen nachhaltig. Da wir uns momentan noch in der Prototyp-Phase befinden, arbeiten wir an diesem Punkt.

Nachhaltigkeit liegt voll im Trend.

Sophie: Ja, wir machen den Trend mit, das kommt aber nicht von irgendwo her. Wir beide haben Leadership for Sustainability in Malmö studiert. Da beschäftigt man sich mit solchen Thematiken. Und auch uns selbst liegt Nachhaltigkeit sehr am Herzen.

War das schon immer so?
Anna: Bei mir definitiv nicht. Ich habe zuerst Marketing-Management studiert. Da wird dir beigebracht, wie man Sachen möglichst billig herstellt, sie an den Mann bringt und damit viel Geld macht. Irgendwann dachte ich mir aber: Stopp mal! Kann ich nicht mehr bewirken als bloßen Profit?
Sophie: Bei mir kam das schon etwas früher, so richtig auseinandergesetzt habe ich mich mit all dem allerdings erst im Studium. Mittlerweile ist uns beiden das Thema wirklich wichtig.

Wie kamt ihr auf die Idee? Bei einer Meditation nach dem Yogakurs?
Sophie: Tatsächlich waren wir während unserer Studienzeit in einer Ausstellung mit einem nachhaltigen Thema. Es wurde auch der Aspekt der Trend-Yogis beleuchtet, die immer denken, sie wären ach so nachhaltig und sich dennoch auf Plastik dehnen und verrenken. Anna und ich hatten uns ertappt gefühlt. Als wir dann nach einer Yogamatte suchten, die bereits recycelt war, konnten wir kein solches Produkt finden. Klar, es gibt Yoga-Matten aus Kork oder Kautschuk. Das war uns aber noch nicht genug.

Hejhej-Mats startet jetzt mit Crowdfunding. Und dann?
Sophie: Das Crowdfunding wird Anfang Oktober starten. Den Onlineverkauf möchten wir im Anschluss von unserer neuen Base in München aus koordinieren.

Wieso gerade München? Leben die Menschen hier denn so ökologisch?
Anna: Wir beide haben Freunde in München. Uns gefällt die Stadt, außerdem scheint die Gründerszene hier für uns interessant zu sein. Es leben viele interessante Jungunternehmer in München.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Elina Nomade

Gründerzeit

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Studentenwohnheim-Chic trifft Google-Office-Atmosphäre: In Münchens erster Start-up-Wohngemeinschaft „Hyprspace“ vereinen 17 junge Menschen Arbeits- und Privatleben.

Holzzäune, Vorgärten, Vogelgezwitscher. Der Neubau mit dem grauen Schrägdach scheint gut in die Gegend zu passen: schlichte, weiß-beige Fassade, akkurat gemähter Rasen rechts und links des Eingangs. Doch hinter der roten Tür von Hausnummer 58 verbirgt sich eine ganz besondere Wohngemeinschaft: Im sogenannten „Hyprspace“ wohnen Menschen, die gründen wollen. Nach Vorbild von WGs aus dem Silicon Valley vereint das Haus in der Hofangerstraße 17 junge Münchner, die selbst ein Start-up gründen oder bei einem arbeiten. Sie alle sind zwischen Anfang zwanzig und Mitte dreißig, manche haben schon gegründet, andere sind noch in der Planungsphase.

Eingezogen sind die Bewohner des Hauses im Frühjahr diesen Jahres. „Das ist unser Co-Working-Space“, erklärt Psychologie-Studentin Julia Dillard bei einer Führung durch die WG. Die 26-Jährige zeigt auf einen Bereich, in dem zwei abgerockte Sofas stehen. Nur wenige Wochen nach Bezug wirkt alles noch etwas provisorisch. Nebenan, in der Küche, hat jemand einen Biertisch und Bänke aufgestellt, Julias Mitbewohner rollen gerade selbstbelegte Tacos. „Boah, ist der scharf geworden.“ Marc Gänsler, 34, einer der WG-Gründer, muss nach dem ersten Bissen kurz innehalten.

Gemeinsam mit Junggründer Raphael Beese hat er die Immobilie für das Wohnprojekt gesucht. Unterstützung für junge Unternehmer gibt es in München reichlich. So etwa durch die Universitäten oder durch Orte wie das Werk 1 am Ostbahnhof und das Impact Hub nahe der Implerstraße. Hinzu kommen zahlreiche Workshops und Events. Doch ein Wohnprojekt wie der „Hyprspace“ ist in München bisher einmalig, auch wegen des angespannten Mietmarkts. Ein großes Haus zu finden, gestaltete sich für Marc und Raphael dementsprechend schwierig. Von Sommer 2016 an hatten die Freunde nach einem solchen Ort gesucht, zahlreiche Hauseigentümer angeschrieben und ihnen ihre Idee vorgestellt. Viele antworteten nicht einmal.

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Nach langer Suche haben die jungen Unternehmer dann Ende 2016 doch Glück: Knapp 500 Quadratmeter Wohnfläche, 200 Quadratmeter Garten, 17 Zimmer, sechs Bäder. Erstbezug, in München Ramersdorf. „Ramersvalley“, scherzt einer der Bewohner. Vermieterin Marianne Oltersdorf war vom Co-Living-Projekt der Start-up-Unternehmer rasch überzeugt: „Wir haben für das Objekt viele Angebote bekommen, auch von Firmen, aber die jungen Leute waren sympathisch. Uns hat ihre Idee einfach sehr gut gefallen.“ Um die Bewohner des Hyprspace zu unterstützen, hat die Vermieterin deshalb auf eigene Kosten eine besonders große Küche mit zahlreichen Kühlschränken und Tiefkühlfächern installiert. „Ich hoffe einfach, dass die Gründer Glück haben und in unserem Haus schöne Projekte entstehen“, sagt Oltersdorf.

Doch so wohlwollend wie Vermieterin Oltersdorf stehen nicht alle der WG gegenüber. „Aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung“ ist nun die Lokalbaukommission auf das Wohnprojekt aufmerksam geworden und hat den Jungunternehmern einen Besuch abgestattet. „Die Überprüfung ergab im Wesentlichen eine nicht genehmigte Wohnnutzung im Kellerbereich“, sagt ein Sachbearbeiter des Referats für Stadtplanung und Bauordnung. Deshalb habe man nun ein Anhörungsverfahren eingeleitet, das für die Bewohner im schlimmsten Fall zu einer „Nutzungsuntersagung in diesem Bereich führen kann“. Weiterhin prüfe man, ob es sich bei dem Projekt in Ramersdorf um eine echte WG handle und nicht „um eine gewerbliche Zimmervermietung mit stetigem Nutzerwechsel“.

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Für die Bewohner des Hauses ist das keine leichte Situation. Wer zusammenzieht, puzzelt sein Leben mit dem anderer zusammen. Wo soll die Lampe hin? Wer bringt eine Pfanne mit? Brauchen wir ein Bügeleisen? Jede Wohngemeinschaft muss erst ihren Rhythmus finden, gerade in einem Haus, in dem man nicht nur zusammen leben, sondern auch zusammen arbeiten möchte. Besuch von den Behörden ist da nicht der beste Start ins gemeinsame Wohnen. „Da wir ja ein relativ neues Konzept in der Stadt München sind, verstehen natürlich einige Leute nicht, was wir hier machen und was unsere Ziele sind“ sagt Flo Oberhofer, 28, „das ist natürlich absolut nachvollziehbar, aber trotzdem sehr schade.“ Unterkriegen lassen wollen sich die Gründer dennoch nicht. Nach der ersten Eingewöhnungsphase schaffe man sich bereits eigene Rituale. Beim sonntäglichen „Hyprdine“ etwa kochen alle Bewohner gemeinsam, auch die Gemeinschaftsräume nehmen langsam Form an: Im Co-Workspace steht inzwischen eine schicke Couch mit bunten Kissen, dazu Schreibtische, an denen jeder arbeiten kann, eine Palme für das Wohngefühl. Studentenwohnheims-Chic trifft Google-Office-Atmosphäre.

Die Start-ups der Mitbewohner sind unterschiedlich: Julia entwickelt derzeit eine App, die Inhalte von Lehrbüchern für Studenten digitalisieren und bereitstellen soll. Mitbewohner Flo hingegen erarbeitet gerade ein Konzept, mit dem er Unternehmen eine umfangreiche und seriöse Kommunikation mit ihren Kunden ermöglichen möchte. Und Mathematiker Nico Kraus hat einen eigenen Youtube-Channel. Dort erklärt der 27-Jährige seinen rund 7400 Abonnenten, wie man Stimme und Rhetorik einsetzt, um überzeugend aufzutreten.

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Man habe schon darauf geachtet, Leute mit unterschiedlichen Talenten und Interessen ins Haus zu holen, sagt Julia. Wie die meisten ihrer Mitbewohner ist sie Single. Und Akademikerin. Das sei bei der Auswahl der Bewohner allerdings kein Kriterium gewesen. Rund 150 Leute hätten sich beworben, mit den unterschiedlichsten Lebensläufen. Letztlich habe man sich dann nach Sympathie entschieden. Der Gedanke dahinter: Gemeinsam schafft man mehr. „Wir versuchen uns gegenseitig mit unseren Ideen zu inspirieren. Wenn jemand eine Idee hat, kann er sie hier jederzeit vorstellen“, sagt Julia.

Ihr Mitbewohner Daniel Valenzuela, 24, hat bereits Start-up-WG-Erfahrung. Während seines Studiums war er für ein halbes Jahr in Berkley, hat dort in einem ähnlichen Haus gelebt. Später war er eine Zeit lang Bewohner der sogenannten „Rainbow Mansion“, einem im Silicon Valley sehr bekannten WG-Haus, in dem Nasa-Ingenieure und Google-Mitarbeiter Tür an Tür wohnen. Er sitzt entspannt auf einem der Sofas, schwärmt von den Begegnungen während seiner Amerika-Zeit. Was ihn mit all seinen Mitbewohnern verbindet: das Feuer, der unbedingte Wille, etwas zu gründen. Dabei sind nicht alle gleich erfahren. Julia gründet zum ersten Mal, WG-Initiator Raphael, 29, hat bereits im Jahr 2000 diesen Schritt gewagt. „Wir haben damals eine Webseite online gestellt, auf der wir die 300 besten Seiten im Internet gelistet haben. Das war vor der Internet-Bubble.“ Da war Raphael noch Schüler, hatte wenig Ahnung davon, wie man so ein Projekt sinnvoll aufzieht, der Erfolg war eher bescheiden.

Dass nicht jedes Start-up sofort erfolgreich ist, wissen auch die Bewohner des Hyprspace. Viele von ihnen arbeiten deshalb nebenbei noch in einem anderen Beruf, haben finanzielle Rücklagen gebildet. Auch, weil das Wohnen in der Start-up-WG nicht ganz billig ist: 600 Euro warm kosten die Zimmer im Schnitt, dazu kommen Ausgaben für das Internet, die WG-Kasse und die Reinigungsfirma, die die Riesen-WG zweimal wöchentlich sauber macht.

Nicht zu jedem passt ein solches Leben. Die Unsicherheit, ob man erfolgreich wird. Das dauernde Sich-Beweisen müssen. Aber Julias Mitbewohner suchen genau das: „Ich kann mir für mich keinen Büro-Job vorstellen, in dem ich 20 Jahre das Gleiche mache“, sagt Youtuber Nico.

Um innerhalb des Hauses eine Fluktuation von Ideen zu haben, werden einige der Zimmer in Zusammenarbeit mit der Unternehmer-TUM regelmäßig neu vergeben. Design-Student Doug Huyhn aus San Francisco ist zum Beispiel nur für drei Monate in München. Der 23-Jährige ist Teil der sogenannten „Digital Product School“, einem Programm, bei dem die Teilnehmer lernen, digitale Produkte für große Unternehmen zu entwickeln. Es ist sein erster Abend in der Stadt, noch ist er etwas geplättet vom langen Flug. „Da wo ich herkomme, hat so gut wie jeder sein eigenes Start-up oder arbeitet bei einem“, sagt er.

Es gefällt ihm sofort in München: gemeinsam essen, sich bei einem Bier austauschen, über München und San Francisco, über erste Eindrücke und seltsame Eigenheiten des Gastlandes. Wenn die Mitbewohner so miteinander quatschen, erzählen sie von schönen Reisen, der legendären Stockwerksparty im Studentenwohnheim vor ein paar Jahren, dem Abend neulich, an dem Nico die Mädels aus dem Tanzkurs in den Hyprspace eingeladen hat … Und dann geht es plötzlich wieder um „Pitches“ und „Learnings“, Projektphasen und soziale Nachhaltigkeit. Die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben sind hier fließend. „Eine Trennung der Bereiche gibt es für mich nicht“, sagt Marc, während er weiter seinen zu scharf geratenen Taco isst.

Text: Carolina Heberling

Fotos: Robrt Haas

Freiheit durch Gleichheit

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Mehr als 65 Prozent der Frauen haben verschieden große Brüste, und viele  leiden darunter. Jasmin Neuefeind, 24, hat einen BH entwickelt, der besser sitzt und den Unterschied optisch ausgleicht.

Zwei von drei Frauen haben unterschiedlich große Brüste. Die Modeindustrie blendet das Problem allerdings noch immer aus. Was also tun? Schönheitschirurgie? Still leiden? Oder „Bravaria“ tragen? Der BH ist Jasmins Neuefeinds Geschäftsidee. Die Gründerin aus München, 24, hat selbst asymmetrische Brüste, ihre linke Brust ist größer als die rechte. Ein Gespräch über Frauen und das gestörte Schönheitsideal unserer Zeit.

SZ: Sehr viele Frauen sind von Brustasymmetrie betroffen, keiner hat sich bislang dieses Problems angenommen. Da kann man gut Geld machen.
Jasmin Neuefeind: Nein, darum geht es mir nicht.

Sondern?
Ich möchte eine Lösung für einen Umstand bieten, der viele Frauen betrifft. Als Betroffene hast du immer wieder mit Selbstzweifeln zu kämpfen. Wenn du im Einzelhandel nach einem passenden BH suchst, resignierst du nur noch mehr. Denn es gibt nur BHs für perfekte, gleich große Brüste. Und wenn deine da nicht rein passen, dann scheint das ja dein Problem zu sein. Ein Einzelfall quasi.

Bist du auch betroffen?
Ja, geringfügig. Ich habe 75 B/A. Das bedeutet, dass die linke Brust etwas größer als die rechte ist. Das Lustige ist, dass meine Brüste nur asymmetrisch sind, wenn ich ein bisschen mehr wiege. Wenn ich also etwas abnehme, dann habe ich auf beiden Seiten A (lacht).

Du nimmst das mit Humor.
Heute. Als ich etwa 16 Jahre alt war, etwas zugenommen und erstmals ungleich große Brüste hatte, war mir das eher unangenehm.
Und dann kam die Geschäftsidee?
Das Ganze hängt mit einem Mädchenabend zusammen. Wir waren alle um die 14 Jahre alt. Als Schlafenszeit war und wir uns umziehen und zu Bett gehen wollten, ist eine meiner Freundinnen ins Bad gegangen, um sich dort umzuziehen. Später hat sie sich zu uns gesetzt und oft die Arme verschränkt.

Sie hat sich geschämt?
Sie hat uns dann anvertraut, dass sie unterschiedlich große Brüste und deswegen Probleme hat.

Und dann?
Dann haben wir nachgefragt, wie sie damit umgeht und welchen BH sie trägt. Tatsächlich musste sie zwei BHs in unterschiedlichen Größen kaufen, die sie in der Mitte auseinandergeschnitten und dann passend wieder zusammengenäht hat. Sie trug nie enge Kleidung und selbst im Sommer immer einen Pullover. Seit dem Beginn der Pubertät war sie nie in einem Freibad schwimmen, und das aus Scham. Eigentlich unfassbar.

Ja, ist es.
Damals hatte ich noch nicht verstanden, wie sehr die ganze Sache meine Freundin belastete. Als sie 18 Jahre alt war, beantragte sie eine Brustanpassung bei ihrer Krankenkasse, weil sie sich wirklich unwohl fühlte. Das wurde anfangs abgelehnt. Die Betroffene war wirklich am Ende. Daraufhin stellte ein Psychologe ein Gutachten auf Suizidgefahr aus, erst dann wurde eingewilligt.

Vergrößert oder verkleinert?
Verkleinert, die Krankenkassen zahlen in der Regel nur für eine Verkleinerung.
Und das ist bislang die einzige Hilfestellung?
Die Brust-OP ist der erste Tipp, den man im Internet erhält, wenn man nach „Tipps für ungleich große Brüste“ sucht.

Das ist nicht wahr, oder?
Und jetzt sollte man sich in die Lage einer 14-Jährigen hineinversetzen, die in ihren jungen Jahren vielleicht noch kein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hat. Dieser Person wird gleich zu Beginn empfohlen, sich unters Messer zu legen. Und als ich das gelesen habe, wusste ich, dass ich etwas ändern muss. Meiner Meinung nach sollte der erste Tipp ganz einfach lauten: Kauf dir einen BH, der dafür gemacht ist.

Dir scheint die Sache sehr am Herzen zu liegen.
Ich habe das Start-up ganz alleine aufgebaut. Nach wie vor arbeite ich Vollzeit und habe außerdem einen Kredit aufgenommen, um „Bravaria“ zu finanzieren. Ich nehme also ein großes Risiko auf mich, weil es mir wirklich wichtig ist.

Das Problem ist da, in den Medien ist das aber nie zu sehen. Haben Models denn alle perfekte Brüste?
Unwahrscheinlich – und gerade deshalb stört mich die Darstellung dieser Frauen so sehr. Mich nerven die ganzen Beauty-Standards, die einfach keine sind und von keiner normalen Frau erreicht werden können.

Aber dann bleiben trotzdem noch die Frauen, die unzufrieden mit sich sind. Ist denen mit einem passenden BH geholfen?
Der Bravaria-BH ist natürlich kein Wundermittel. Er kann die weibliche Brust weder größer werden lassen, noch tatsächlich anpassen.
Sondern?
Er unterstützt im Tragekomfort und beim Erscheinungsbild.

Aha.
Ständig seine Brust in die richtige Position bringen zu müssen und ständig alles zurecht zu rücken, das wird zukünftig nicht mehr notwendig sein. Der zweite Vorteil ist, dass man sich auch im ästhetischen Sinn wohl fühlt. Mit Hilfe eines innen liegenden Körbchens kann der Größenunterschied optisch ausgeglichen werden.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Bravaria

Bunte Bomberjacken

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Das Mode-Label Khala entwirft faire Mode – mit europäischen Schnitten und Stoffen aus Malawi. Weil das Start-up keine Förderung erhält, will Melanie Rödel mit Crowdfunding die Gehälter für ein Jahr sicherstellen.

Irgendwo in Giesing: Zwei Afrikaner trommeln auf ihren Bongos und ihrem Balafon, die Nachbarin beschwert sich über den Zaun hinweg über den Lärm und droht mit der Polizei. Sechs Models laufen barfuß durch die Gänseblümchen und präsentieren dem Publikum, das es sich auf Decken gemütlich gemacht hat, farbenfrohe Bomberjacken, Shorts, Röcke und T-Shirts.

Eineinhalb Jahre zuvor in Südostafrika. Melanie Rödel steht im Herbst 2015 auf einem Markt in Lilongwe, der Hauptstadt von Malawi, und bewundert die Stoffe auf dem Markt, die Farben und die Muster. „Das Erste, was mir aufgefallen ist, war, wie bunt alle Menschen gekleidet sind“, sagt sie. Das erste Mal Afrika – eine Erfahrung, die Melanie seitdem nicht mehr losgelassen hat. Hingeflogen ist sie damals mit dem Ziel, das erste Projekt von Viva con Agua Österreich in Malawi – den Bau sanitärer Anlagen – nach Jahren der Planung selbst in Augenschein zu nehmen. Zurückgeflogen ist sie mit der Idee, nicht nur etwas für die Menschen vor Ort zu tun, sondern gemeinsam mit ihnen. Das Ergebnis ist das deutsch-malawische Modelabel Khala, dessen erste Kollektion Anfang Mai nun erstmals im Garten von Melanies Wohngemeinschaft vorgeführt wurde.

Die Frau mit der angenehm tiefen Stimme hat eigentlich Psychologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon während ihres Studiums hat sie jedoch beschlossen, dass sie lieber praktisch mit Menschen arbeiten möchte, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen. Durch Zufall wurde sie auf die damals neu gegründete Wasserinitiative Viva con Agua aufmerksam und engagierte sich mehrere Jahre für die gemeinnützige Organisation – bis ihre erste Afrikareise alles veränderte.

„Als weiße Frau aus Europa wird man in Afrika ganz absurd wahrgenommen. Ich bin mir vorgekommen wie ein Popstar“, sagt Melanie. Sie wirkt nachdenklich und streicht sich mit ihren schlanken Fingern die Haare hinters Ohr. Die Dankbarkeit der Menschen in Afrika sei zwar ein schönes Gefühl gewesen, habe für sie aber in keinerlei Verhältnis gestanden. Dieses Gefühl von Hierarchie habe sie damals sehr befremdet, sagt sie heute. So sehr befremdet, dass sie kurze Zeit später kündigte, um ihre eigene Vorstellung von Hilfe zu verwirklichen: Empowerment.

Anfangs wollte Melanie gemeinsam mit einer Kollegin die afrikanischen Chitenje-Stoffe in Deutschland vertreiben – diese Zusammenarbeit verlief sich schnell wieder. Melanies Euphorie tat das jedoch keinen Abbruch. Im Alleingang entwickelte sie die Grundidee schnell weiter und gründete Khala, das sie heute gemeinsam mit Benedikt Habermann und Hubert Mirlach führt. Fragt man nach der Aufgabenverteilung, muss Benedikt, der von allen nur Bene genannt wird, nicht lange überlegen. „Wir sind die Medienheinis, Mel macht den Rest“, sagt er und grinst. So ganz stimmt das aber natürlich nicht, denn bei einem Start-up wie Khala macht am Ende eigentlich jeder alles.

Konkret ist Hubert, kurz Hubi, aber für alles rund um das Thema Technik zuständig und Bene kümmert sich hauptsächlich um die PR-Arbeit. Gäbe es im Freundeskreis aber nicht auch noch zahlreiche Helfer, die sich als Model versuchen oder Beats für das Crowdfunding-Video beisteuern, wäre Khala gar nicht möglich – da ist sich Melanie sicher.

Auf malawischer Seite arbeiten sie mit der Designerin Nellie George-Donga und deren Schneidern zusammen, die die Kollektionen auch vor Ort produzieren. Zudem hat das Münchner Designer-Duo Piekfein Design, bestehend aus Jessica Tarisch und Christine Overbeck, die Schnitte für die erste Kollektion entworfen und soll die Designs in Zukunft mit Nellie gemeinsam erarbeiten. Deren ersten Entwürfe seien zwar schön gewesen, aber leider so ganz und gar nicht europäisch. „So etwas trägt hier kein Mensch“, sagt Melanie und muss erneut schmunzeln. Solche kleinen Schwierigkeiten bringen die sympathische Allrounderin schon lange nicht mehr aus dem Konzept. 

Zahlreiche Anträge auf Förderung hat Melanie im vergangenen Jahr eingereicht, nicht einen Cent hat sie bekommen. „Es ist wirklich tragisch, dass soziale Projekte nicht gefördert werden“, sagt Melanie. Alles, was nicht technologisch sei, habe praktisch keine Chance. Wie viele andere Start-ups hat sie sich deshalb für eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter entschieden, die am 23. Mai gestartet ist. Die Funding-Schwelle von 15 000 Euro soll die Gehälter der malawischen Kooperationspartner für ein Jahr sicherstellen und den Kauf neuer Stoffe für die kommende Kollektion ermöglichen. Bis sich die Gründer selbst Geld auszahlen können, wird es wohl noch eine Weile dauern.

Für Mode interessiert sich Melanie schon lange. T-Shirts für fünf Euro bei H&M zu kaufen, die in Ländern wie Bangladesch teils unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden, widerstrebte ihr. Heute, als Gründerin eines fairen Modelabels, sieht sie das Ganze differenzierter: Das Problem sei vor allem das fehlende Angebot fairer und zugleich stylischer Mode, sagt sie. Khala, davon ist Melanie überzeugt, vereine diese beiden Aspekte. Dadurch, so hofft sie, könne eine ganz neue Zielgruppe erreicht werden: Menschen, die bislang nicht in faire Mode investiert haben, weil sie zu öko aussah oder zu teuer war. Eine Bomberjacke von Khala für Frauen soll 60 Euro kosten, ein T-Shirt für Männer 30 Euro, und damit soll die Kleidung nicht nur stylisch und fair produziert sein, sondern auch erschwinglich, sagt Melanie. 

Der Standort Malawi hat auch einen Haken: Die Transportwege sind deutlich länger, die Kosten dafür höher als bei einer Produktion in Deutschland oder einem anderen europäischen Land. Zum jetzigen Zeitpunkt werden die Kleidungsstücke noch mit dem Flugzeug verschickt. Sobald sie sich den Transport per Schiff leisten können, will Melanie zumindest auf diese CO₂-freundlichere Variante umsteigen. Da Khala aktuell noch Stoffe zukaufen muss und keine eigene Produktionsstätte vor Ort hat, sind diese bislang auch nicht in Bio-Qualität erhältlich. „Abstriche muss man immer machen“, sagt sie gelassen. 

Ihr Traum bleibt bestehen: Das Start-up will die Wirtschaft vor Ort ankurbeln, indem sie die Industrie zurück ins Land verlagert. Aktuell gebe es nur noch eine Textilfabrik in ganz Malawi, alle anderen Stoffe werden aus China oder Indien importiert, sagt Melanie. Das soll sich mit Khala ändern. „Irgendwann soll das ganze System durch Khala geprägt werden“, sagt Bene. Und auch Deutschland, vielleicht sogar die ganze Welt, sollen durch Khala ein bisschen bunter, ein bisschen besser werden – so zumindest der große Traum.

Text: Jacqueline Lang

Foto: Florian Peljak

Es lebe die Sportwurst

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Fett raus, außergewöhnliche Geschmacksträger rein –
pünktlich zur Grillsaison überraschen Michael Ziegler und Manuel Stöffler mit
einer Geschäftsidee. Ihre Bratwürste schmecken nach Oliven, Spinat oder
Sauerkraut

Sie haben die Wurstrevolution ausgerufen und sie meinen es
ernst. Grillido heißt das Start-up, mit dem Michael Ziegler, 27, und Manuel
Stöffler, 27, das „Geschmacksvakuum zwischen Steak und herkömmlicher Bratwurst“
auf dem Grill füllen wollen. Popeye, Greek oder Bavaria – so lauten die Namen
der 30 Wurstsorten, die die beiden Jungunternehmer per Internet verkaufen. Das
Prinzip ist einfach: Fett raus, außergewöhnliche Geschmacksträger rein. Nach
Sauerkraut schmecken diese Würstchen-Wundertüten dann, nach Oliven oder
Hähnchen und Spinat. Besonders stolz sind die Grillido-Gründer auf den hohen
Eiweißgehalt, der bei mehr als 20 Prozent liegt.

Wie können sich zwei junge Start-up-Gründer für Bratwürste
begeistern? „Wir haben beide Interesse an gesunder Ernährung“, sagt Michael.
Und Spaß am Grillen. Das ist also das Grillido-Rezept: ein wenig
Ernährungsbewusstsein, eine Prise Fitness-Affinität, „ein paar Bier“ – fertig
war die Idee mit den gesunden Grillwürsten. Qualitativ hochwertige Würste,
geeignet für Sportler und Rentner, Hobby-Grillmeister und Feinschmecker
gleichermaßen.

Mit seinen Grillidos möchte Michael die Grillwurst weiterentwickeln.
„Wir möchten das traditionelle Handwerk der Metzger digital und innovativ
vermarkten.“ Plötzlich wird der stets lächelnde 27-Jährige mit den blauen Augen
ganz ernst. Man sehe sich als Verbündeter der traditionellen Metzger, mit hohen
Ansprüchen an Zutaten und Verarbeitung. Tatsächlich, Sterne-Köche verleihen
neuen Rezepturen den letzten Schliff, beliefert werden auch Restaurants und
Bars wie das Arts ’n’ Boards in München. Geschäftsführer Michael Albrecht
schätzt an den Grillidos, dass sie „vom Geschmack her wirklich gut“ sind und
zudem „ganz anders als normale Bratwürste“. Die Grillido-Gründer beschreibt er
als „lässig, cool, aufgeschlossen und unkompliziert“.

Vom „Wurst-Taxi“ in ein angesagtes Münchner Restaurant: Zu
Beginn haben Manuel und Michael die Würste in ihrer Heimat im Kreis Böblingen
selbst ausgefahren. Mittlerweile hat die Digitalisierung auch im Grillsektor
Einzug gehalten. Schon wenige Monate nach der Firmengründung im vergangenen
Herbst eröffneten sie einen Online-Shop. Nur was die Kunden tatsächlich
bestellen, wird auch produziert – und das frisch, mit Produkten aus der Region
und in zertifizierten Wurstmanufakturen. „Würstchen on Demand“, wie Manuel es
nennt.

Auch wenn die Grillwurst letztlich analog auf dem Teller
landet, erinnert die Geschichte von Grillido an die Legenden amerikanischer
Computer-Start-ups: Die erste exotische Bratwurstsorte mixten die Freunde in
der Garage seiner Oma zusammen, erzählt Manuel. Doch warum nehmen sich zwei
junge Unternehmer ausgerechnet ein so altbackenes Produkt wie die Bratwurst
vor?

Die Idee wurde ihnen auf dem Silbertablett serviert: Manuels
jüngerer Bruder Marcel habe als Metzger und Lebensmitteltechnologe mit
zusatzstofffreien Würsten experimentiert, erzählen die beiden. Gedacht war der
Bratwurst-Prototyp zunächst nur für Familie und Freunde. „Die waren
begeistert“, sagt Michael. „Begeistert“ ist ein Wort, das im Gespräch mit den
Bratwurst-Erneuerern oft fällt. So waren auch die Besucher diverser
Weihnachtsmärkte im Schwarzwald „begeistert“ von den Wurstkreationen, die
saisonabhängig gerne einmal nach Zimtsternen schmecken. Der ganze
Weihnachtsmarkt habe letztlich über sie geredet. Sagen zumindest sie.

Dieses positive Feedback war Motivation genug für die Gründer,
das Start-up größer aufzuziehen und einen Online-Shop zu eröffnen. Michael hat
an der TU München Betriebswirtschaft studiert, zudem besitzt er bereits
Start-up-Erfahrung. Es reizt ihn, das wirtschaftliche Potenzial einer Idee
soweit wie möglich auszuschöpfen – egal, ob es um sensorgestützte Marktanalyse
im Einzelhandel oder um Grillwürste geht. Er ist für die strategische
Ausrichtung und das Marketing bei Grillido verantwortlich. Mitgründer Manuel
optimiert als Logistiker die Produktion und Produktentwicklung.

Mehr als 100 Bestellungen pro Woche werden derzeit an die
Grills der Republik verschickt. Doch der wahre Test für das Start-up folgt nun:
„Wir stehen vor dem Beginn unserer ersten Grillsaison“, sagt Michael und klingt
dabei so gespannt wie ein Bundesligatrainer vor dem ersten Spieltag. Wie
eingespielt sein Team ist, wird sich zeigen. Freunde und Familie sind im
Unternehmen eingespannt, sie helfen beim Verkauf auf diversen Events und testen
neue Sorten.

Freundschaft verbindet auch die beiden Gründer. Früher
spielten sie in der Bezirksliga zusammen Fußball, heute entwickeln sie Würste
für Fußballer. Ihr neues Produkt, eine geräucherte Variante der Grillido,
konnten Manuel und Michael dieses Jahr auf der Fibo in Köln vorstellen, einer internationalen
Fitnessmesse. „Wir haben hier eine echte Sportwurst kreiert“, erklärt Michael,
der selbst Turnschuhe trägt. Die Besucher der Messe seien – natürlich –
„begeistert“ gewesen. Kleine Werbevideos haben sie dort gedreht, in denen
Michael mit einer geräucherten „Grillido Sport“ als Mikrofon Sportler spontan
probieren lässt. Bodybuilder Christian aus Österreich etwa hebt den Daumen, was
angesichts der Dimensionen seiner Oberarme recht dramatisch wirkt.

Weiter Informationen im Internet unter: http://grillido.de/

Katharina Hartinger

Foto: Kevin Kuhn

Grün unterwegs

700 bis 800 Euro kosten sie, die Fahrräder des Start-Ups BAM Munich. Der Clou: Die Räder sind aus Bambus und werden in einem Workshop selbst gebaut. Beim Wettbewerb “5 € Start-up München” haben die jungen Radliebhaber mit ihrer Idee den zweiten Platz belegt.

Als Philipp Wissing, 19, Helga zum ersten Mal sieht, ist er schwer beeindruckt. „Sehr smooth“, sagt er. „Als ich sie anfasste und hochhob,
war das ein ganz besonderes Gefühl.“ Helga ist keine Frau, sondern das erste
selbst gebaute Fahrrad des jüngst gegründeten Start-ups „BAM Munich“. BAM steht
für Bamboo Art Manufactory. Die vier Gründer Florian Holy, Timo Fischer,
Philipp Wissing und Michael Kosok organisieren Workshops, bei denen sich
Teilnehmer ein eigenes Fahrrad mit Bambusrahmen bauen können.

Ein Fahrradrahmen aus Bambus? Hört sich zuerst einmal
irgendwie wackelig an. Doch Bambus ist so zugfest wie Stahl, hochbelastbar und
relativ leicht. „Ein selbst gebauter Rahmen wiegt weniger als zwei Kilo“, sagt
Politik- und Philosophiestudent Philipp.

In Deutschland entstehen immer mehr Start-ups, die
Bambusfahrräder herstellen. In Afrika sind Bambusfahrräder schon seit etwa zehn
Jahren angesagt. Bambus zählt zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der
Erde. Beim Wachsen absorbiert er mehr CO₂ als ähnliche Holzarten. Bambus ist
pflegeleicht, benötigt keine Pestizide oder Düngemittel, rostet nicht und sieht
zudem auch stylisch aus.

Bisher beziehen BAM Munich ihren Bambus noch aus China, weil
sie keinen vergleichbar günstigen und qualitativen Lieferanten im Inland
gefunden haben. „Langfristig wollen wir regionalen Bambus verwenden“, sagt
Philipp.

Bis man sich ohne Vorerfahrung aus den Bambusstäben ein
Fahrrad gebaut hat, dauert es allerdings mindestens zwei Tage. „Zuerst gestaltet
man sich online einen Entwurf für den Rahmen“, sagt Philipp. „Den druckt man
dann aus.“ Es folgt der schwierigste Teil: Die einzelnen Bambusstäbe müssen
zusammengeklebt werden. „Man verbindet Rohre und Muffen mit Carbon- und
Epoxidharz“, sagt Philipp. Über Nacht härtet das Harz aus, am nächsten Tag kann
man den Rahmen mit den restlichen Bestandteilen zusammensetzen und bei Bedarf
bemalen.

Die Idee für BAM Munich hatte der Physik-Doktorand Florian
Holy. Er entdeckte die Bambusräder in Berlin und wollte sie nach München
bringen. Also suchte er beim Münchner Start-up-Wettbewerb „5€ Start-up München“
nach Gleichgesinnten. Er fand drei Mitstreiter: Timo Fischer studiert
Industriedesign und baut gerne Longboards, Informatiker Michael Kosok hat großes
Interesse, ein Start-up aufzubauen und Philipp Wissing will Praxiserfahrungen
sammeln, die ihm im Studium fehlen. Was alle vier gemeinsam haben: Sie lieben
„Do It Yourself“, haben Lust, die Welt ein wenig nachhaltiger zu machen und
sind leidenschaftliche Fahrradfahrer und –bastler.

Das zahlte sich beim „5€ Start-up München“ aus – die vier
Jungs belegten den zweiten Platz. Nun arbeiten sie daran, die Workshops zu
professionalisieren. „Wir probieren viel rum, um die beste Bauweise zu finden,
experimentieren mit Klebeschaum, Skizzen und Rahmenlehre“, sagt Philipp. Der
erste Workshop im Dezember war ausgebucht. Für den zweiten im Januar gab es
eine Warteliste.

Die Teilnahme kostet 350 Euro. Inklusive sind allerdings nur
der Bambus und die Werkzeuge für den Rahmenbau. Alle weiteren Teile – Sattel,
Pedale, Lenker, Kette – müssen die Workshop-Teilnehmer selbst besorgen. Mit
allen Einzelteilen kostet das eigens gebaute Fahrrad dann um die 700 bis 800
Euro.

Bezahlt jemand so viel Geld für ein selbst gebautes Fahrrad?
Philipp ist davon überzeugt. „Es gibt immer mehr Fahrradfahrer. Die Deutschen
geben dafür jedes Jahr kontinuierlich mehr Geld aus“, sagt er. „Bei unseren
Workshops kann sich jeder sein individuelles Fahrrad bauen – angepasst an
Größe, Gewicht und Art der Nutzung.“

Es gibt auch noch eine Möglichkeit, Kosten zu sparen. „Viele
nehmen ein altes Fahrrad mit verrostetem Rahmen mit“, sagt Philipp. „Das kann
man dann mit dem neuen Bambusrahmen pimpen.“ Die vier Jungs haben noch viel
mehr Pläne: „Wir wollen einen Onlineshop aufbauen, in dem sich jeder seine
Fahrradteile für den Workshop besorgen kann“, sagt er. Ob die fertigen Bikes
dann wieder Frauennamen tragen werden? Caroline von Eichhorn

Infos unter www.bam-munich.de