Band der Woche: Sunspiration

Bereits zwei Alben hat die Indie-Folkband Sunspiration veröffentlicht. Die Bandmitglieder kennen sich schon seit Kindertagen – die Songtexte stammen aus der Feder von Violetta Ditterich, der Cousine des Gitarristen Lenny Bachmeier.

Die menschliche Stimme umweht ein besonderer Mythos. Das beginnt in der Bibel, in der das “Wort” Gottes eine oberste Wahrheitsinstanz ist – und zieht sich bis in die Postmoderne, wenn der französische Philosoph Jacques Derrida den Wahrheitsanspruch beschreibt, der im gesprochenen Wort liegt, das also direkt mit dem Hirn und dem Denken verbunden ist. Auch die Popmusik gewinnt durch die Dringlichkeit, die eine Stimme mit selbstgeschriebenen Texten vermitteln kann. Funktioniert diese Ebene nicht, wirkt die Musik gleich viel unzugänglicher. Sei es bei Instrumentalmusik oder aber bei einer Sängerin oder einem Sänger ohne Charisma. Dabei geht es nicht darum, ob jemand die Töne trifft, sondern vielmehr, ob sich die Worte des Texts in Timbre und Ausdruck der Stimme so spiegeln, dass sie den Hörer treffen können.

Umso überraschend wirkt der Songwriting-Prozess der Münchner Band Sunspiration . Denn die Musik klingt äußerst dringlich, ein bisschen so wohlig melancholisch wie die BrightEyes. Jedoch brechen Sunspiration die Vereinigung zwischen Textdichter und Sänger in einer Person auf. Es textet Violetta Ditterich, die Cousine von Gitarrist, Keyboarder und Sänger Lenny Bachmeier, für die drei Musiker. Sie selbst tritt in der Band nicht in Erscheinung. Doch Lenny und seine beiden Bandkollegen – der Gitarrist und Sänger Florian Heimbuchner sowie Stefan Gackstatter am Schlagzeug – kommen mit dieser Aufgabenverteilung gut klar. Denn daraus ergebe sich auch eine ganz eigene Dynamik, erklärt Violetta: Sie schreibe ein paar Zeilen, die Musiker lassen sich davon zu Musik inspirieren – und so schreibt sich der Song mit gemeinsamen Assoziationen fort. “Dabei kommt es immer wieder zu Überraschungen. Wir entwickeln uns zusammen weiter”, sagt sie. Geschrieben habe sie schon immer gerne. Irgendwann habe ihr Cousin gefragt, ob sie nicht ein paar Strophen auf die Musik seiner Band schreiben wolle. “Die Konstellation harmoniert bisher sehr gut bei uns. Sowohl ich als auch die drei Jungs können sich frei im eigenen Bereich ausleben, bevor es dann zu einem großen Ganzen wird”, erklärt Violetta.

Angefangen, zusammen Musik zu machen, haben sie noch zu Schulzeiten, sie kennen sich seit Kindertagen. Mittlerweile versuchen sie ihr Leben auf die Musik auszurichten und haben bereits zwei Alben veröffentlicht. Darauf findet sich zweistimmiger Gesang, klirrende Keyboards, treibende Beats und anachronistische Orgeln: “Damit ist unsere Musik einerseits modern und nah am Zeitgeist dran, gleichzeitig schwingt ein Flair der Sechzigerjahre mit”, erklären sie, die ursprünglich aus Ebersberg stammen und nun in München, Leipzig und Würzburg studieren und deshalb viel Zug fahren, um weiterhin gemeinsam zu proben und Songs zu schreiben. Gezupfte Gitarren-Patterns treffen auf zum Teil fast altmodisch und ritterlich klingenden mehrstimmigen Gesang. Die Musik plätschert vor sich hin, umgarnt den Hörer, anstatt unbedingte Aufmerksamkeit zu fordern. “Am Anfang waren es bei uns eher Singer-Songwriter-Melodien, mittlerweile hat sich einiges verändert”, sagen sie. 

Doch vielleicht trägt auch der ungewöhnliche Songwriting-Prozess und Violettas Ghostwriter-Tätigkeit dazu bei, dass etwa der Song “Three Men” besonders, ja beinahe episch klingt. Denn wenn man sich drei junge Männer vorstellt, die über drei junge Männer in der dritten Person schreiben, ist das vielleicht ein bisschen seltsam. Doch in diesem Song, dessen Gitarren-Picking schließlich von noisigen Keyboards und einem konkret trabenden Beat eingeholt wird, hat man das Gefühl, einer spannenden, fremdartigen Geschichte zu lauschen. Eine Geschichte, die eben oft ein Außenstehender besser erzählen kann als der, der selbst drinsteckt. Am Montag, 12. März, spielen Sunspiration im Münchner Club Milla.

Foto: Simon Heimbuchner

Text: Rita Argauer

Band der Woche: Cat & the Kings

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Das Album von Cat & the Kings ist wunderbar ausgewogen und bekommt Tiefe und Glanz durch bedachte Details in den Arrangements. In den Songs geht es um die Höhen und Tiefen des Lebens, mit denen sich jeder konfrontiert sieht.

Es ist erstaunlich, dass es so viele Musiker gibt, die sich als Singer-Songwriter sehen und sich mit der Akustik-Gitarre begleiten – und an diesem Punkt stehen bleiben. Nicht, weil man auf Akustik-Gitarren nicht wunderbare Songs schreiben könnte. Sondern, weil es bei vielen Songwritern so wirkt, als würde die Musik dabei in einem Zwischenstatus steckenbleiben. Die Harmonien sind an der Gitarre gefunden, der Text ist melodiös darauf gesetzt. Aber eigentlich fängt ja jetzt die Arbeit erst an, aus diesem Gerüst einen Song zu bauen, die Leerstellen mit Stil und Ideen anzufüllen und dann eine wie auch immer instrumentierte Musik zu präsentieren. Es gibt talentierte Glückskinder, denen reicht Gitarre und Gesang aus, um daraus mitnehmende Musik zu machen: den Surfer-Boy Jack Johnson oder den Hipster-Waldschrat Bon Iver. Doch es gibt auch viel Songwriter-Musik, deren Potenzial in der bloßen Besetzung aus Gitarre und Stimme nicht ausgeschöpft ist und die Musik eben beliebig und gleichsam provisorisch klingt.

In dieses Gefahrenfeld begibt sich Conny Merritt nicht. Die Münchner Musikerin, die an der Berufsfachschule für Jazz und Pop lernte, weiß genau, wann ein Song trägt. Das ist auf ihrem ersten Album „The Great Unexpected“, das sie 2017 mit ihrer Band Cat & the Kings  veröffentlicht hat, deutlich hörbar. Denn Conny und der Schlagzeuger Aron Hantke, Lorenz Huber am Bass und der E-Gitarrist Sebastian Heim haben da ein wunderbar ausgewogenes Album veröffentlicht, das zunächst nach klassischer Songwriter-Musik klingt, aber Tiefe und Glanz erst durch die bedacht gesetzte Detailarbeit in den Arrangements bekommt. Hier schreiben Menschen Musik, die sich nicht mit dem Offensichtlichen – man hat ein schönes Gitarren-Riff und eine gute Melodie darauf – zufrieden geben. Das Quartett beginnt an diesem Punkt zu arbeiten: „Es ist bei uns wirklich so, dass sich die Stile mischen und etwas Neues ergeben“, erklärt Conny, als sei ihr das fast unangenehm. Doch dass sich auf diesem Album Songs finden, wie etwa der Titeltrack „The Great Unexpected“, die trotz der weichen und Jazz-geschulten Stimme von Conny, trotz der folkig dahinplätschernden Drums und des beinahe funkigen Basses, die Dringlichkeit von Grunge-Songs in sich tragen, ist bemerkenswert.

„Vieles sind Themen, mit denen sich jeder konfrontiert sieht, wie das Leben eben so ist mit seinen Höhen und Tiefen, Erkenntnissen, Enttäuschungen, Freuden und Leiden“, sagt Conny; da sie aber mit einer chronischen Krankheit lebe, hinterfrage sie zwangsläufig mehr und nehme nicht alles für selbstverständlich an. Vielleicht sind es solche Erfahrungen, die ihre Musik aus dem typischen Songwriter-Sumpf hinausheben. Vielleicht ist es aber auch nur ein besonderes Gespür für die Musik, sich eben nicht mit dem erstbesten Einfall zufrieden zu geben. So haben sich Cat & the Kings für ihr nächstes Album auch eine neue Herausforderung gesetzt: Sie wollen noch mehr in die akustische und unverstärkte Richtung gehen, etwa mit einem Kontrabass anstelle des E-Basses. Das bedeutet jedoch auch, auf so einfache musikalische Stilformer wie Sounds und Effekte zu verzichten, was es schwieriger macht, einen Song interessant zu machen. „Aber gutes Songwriting in der Tradition à la Neil Young und den Beatles mit eben den ganzen Einflüssen, die man so hat, vor allem wenn man viel Musik hört und selbst auch viele Musikstile spielt, das ist unser Ziel“, erklären sie. Es ist hochgesteckt, dürfte aber bei der Präzision, mit der die Musiker die bisherigen Songs arrangiert haben, auch spannend werden.

Foto: Julia Göltl
Text: Rita Argauer

EP-Kritik: Matthew Matilda – EP I

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Diesen Freitag veröffentlichen

Matthew Matilda ihre „EP I“

und wir haben für euch schon mal reingehört: Die beiden erschaffen dort eine eigene, außergewöhnliche Atmosphäre, die nach dreckigem Blues und verruchten Nächten klingt. 

Matthew Matilda – Diese beiden Namen stehen für rauen Blues und der ist auf der gesamten „EP I“ zu hören.
Diese Songs sind sicher keine Partyhits, dafür aber vereinen sie großartiges
Songwriting mit treibenden Rhythmen, aus denen sich ein Sog entwickelt, der den
Charme des Duos ausmacht. Vielleicht bringt einen die EP nicht zum Tanzen, aber
sicher zum Bewegen und bewegt Sein, denn die bluesigen Harmonien und
persönlichen Lyrics gehen direkt ins Gefühl.

Im ersten Song, Breaking
Home
, schwebt Matthews Stimme auf den gleichmäßigen Basslines von Matilda,
welche dem Song eine Schwere verleihen, die gleichzeitig seine Stärke ist. Bis
zum Ende steigert sich der Song und klingt immer mehr nach dreckigem Blues und
verruchten Nächten, nach Aufbruch – ein gelungener Einstieg in die EP ist er
auf jeden Fall, denn beide Musiker können gleich ihre Stärken, sowohl an
Instrumenten als auch stimmlich zeigen.

Ruhiger geht es weiter mit
London, eingeleitet von einer fließenden Cello Melodie, die den melancholischen
Charakter des Songs vorgibt. Im Chorus steht der atmosphärische, zweistimmige
Gesang der Musiker im Vordergrund, und selten haben zwei Stimmen und ein Cello
gemeinsam so viel Tiefe erzeugt.

Fast, der nächste Track
des Albums, ist vielleicht der eingängigste Song des Albums. Die Flucht in eine
eigene Welt ist mit diesem Song möglich, und wird mit dem nächsten Song, Season
of Love
, fortgesetzt. Das leise, sanfte Zusammenspiel von akustischer Gitarre
und Cello lässt an einen Film-Soundtrack denken und Im zweiten Teil des Songs
setzen die Stimmen der Musiker ganz aus und sie lassen ihren Instrumenten Raum
für ein Cello-Solo, untermalt von unsauberen, tragenden Gitarren-Akkorden.

Die EP wechselt zwischen
Blues-Rhythmen und ruhigen Songs, die ihre Dynamik allein durch die geschickte
Kombination der Instrumente erhalten. So stark wie die EP beginnt, endet sie
auch, mit viel Melancholie dazwischen und dem Song Sea Lion als krönenden Abschluss. Mit der EP beweist das Duo, dass es nicht nur live die Fähigkeit
hat, den Zuhörer in ihre eigene Welt zu entführen. Die beiden legen eine starke Platte
voller Blues, Rock und tiefgründigen persönlichen Lyrics vor, die unter die
Haut gehen.

Text: Marina Sprenger 

Foto: Stef Zinsbacher