250 Zeichen Wut: U-Bahn fahren

Einsteigen und Handy aus der Tasche holen, bloß keinen Augenkontakt. Unser Autor stört sich an diesem täglichen Ritual und wünscht sich etwas mehr Zwischenmenschlichkeit…

Die U-Bahn ist ein fahrendes Wartezimmer. Keiner spricht. Wir haben 900 Freunde auf Facebook, 700 Follower auf Instagram. Ausgerüstet mit Smartphones, Kopfhörern und Büchern bestreiten wir unseren Weg mehrmals täglich von A nach B. Wir flüchten uns in Musik, Nachrichten und drei-minütigen Videos. Dann befinden wir uns in unseren eigenen geschaffenen Welten. Und diese durchdringt nicht viel.

Vergisst du deine Ausrüstung, so bleibt dir der Blick ins Leere als Abwehr vor Zwischenmenschlichkeit. Eine beklemmende Stille macht sich breit. Vielleicht sind wir gar nicht mehr in der Lage aus der eigenen Blase auszubrechen. Wenn du Glück hast, wird der Zustand der Isolation durch lautes Kindergelächter unterbrochen. Dann atme ich auf. Wir sind noch lebendig.

Text: Eser Aktay

Fragen über Fragen – Anouk Elias

“Vernetzung mit Menschen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen ist für uns wichtig und geht leider durch Smartphones immer mehr verloren”, sagt Schauspielerin Anouk Elias, die für unsere Ausstellung

“10 im Quadrat – Reloaded” porträtiert wurde. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?

Für mich ist Fotografie etwas ganz anderes als auf der Bühne
zu stehen, eine schöne, spannende Erfahrung!

Bist du auch mal in andere Rollen geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir
kennengelernt?
Dadurch dass jeder Fotograf andere Themen hatte und es auf andere Dinge für
ihn/sie ankam, war es glaube ich natürlich, dass man immer bisschen anders war,
aber wir haben ja auch so viele Facetten in uns.

Hat das Mut
erfordert?

Ich glaube man braucht Mut für viele Entscheidungen im Leben, aber es hat mich
nur weitergebracht würde ich so sagen

Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?
Ich glaube die ersten Shootings hatten noch etwas Neu-aufregendes, aber
auch die letzten waren für mich “prägend” – im Sinne von Erfahrungen
sammeln: Das war es auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob man sagen kann prägend,
dass dieses Shooting mein Leben verändert hat, aber ich nehme auf jeden Fall
viele Erlebnisse mit und die Tatsache, dass Vernetzung mit Menschen und ins
Gespräch zu kommen mit ihnen für uns als Menschen sehr wichtig ist und
eigentlich zu einem natürlichen sozialen Umgang gehört, der leider immer mehr
verloren geht, dadurch dass das Handy uns immer mehr die Möglichkeit gibt,
unpersönlicher zu sein.

Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen?

Nein Grenzen würde ich das so nicht nennen, aber
Herausforderungen oder Erweiterungen. Eine Herausforderung für mich war es, sich
bei Fotografen, mit denen man nicht sofort einen Draht hatte oder Sympathien
teilte, genauso offen und frei vor der Kamera zu fühlen, wie bei solchen, mit
denen man sich auf Anhieb gut verstand!

Brauchen wir mehr
Vernetzung in München?

Ja finde ich schon! München gibt sich leider nicht so offen,
aber solche Aktionen zeigen immer wieder, dass es das auch sein kann.

Foto: Nadja Ellinger

Neuland: Näher dran

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Die Kreativgruppe The Stu organisiert eine Ausstellung, in der Flüchtlinge Fotos, Videos und Texte zeigen, die sie vor, auf und nach ihrer Flucht mit dem Handy aufgezeichnet haben. 

Fotos und Videos auf dem Smartphone dokumentieren unser Leben. Auf der Suche nach einem Konzept, wie man die Menschen „hinter dem Wort Flüchtling besser kennenlernen kann“, kam der Kreativgruppe von The Stu die Idee zu einer Handy-Ausstellung: „Wir haben uns überlegt: Was haben die meisten Flüchtlinge bei sich, mit was kann man arbeiten? Ein Smartphone natürlich“, erzählt Amelie Kahl, 24. 

Am kommenden Wochenende stellen nun neun junge Geflohene aus Syrien, Nigeria, Eritrea und Iran Fotos, Videos und Texte im Farbenladen (Hansastraße 31) aus und erzählen von ihrer Geschichte vor, während und nach der Flucht aus ihren Heimatländern. 

Veranstaltungslink

Von: Richard Strobl

Foto: Mostafa