Neuland

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Nacktfotograf Simon Lohmyer, 26, eröffnet sein erstes Fotostudio in München. Neben Ausstellungsort soll es als Treffpunkt dienen, um sich auszutauschen über dem ein oder anderen Getränk. Zu sehen sein wird der junge Fotograf allerdings angezogen – wahrscheinlich!

Simon Lohmeyers Fotografenkarriere beginnt nackt. Der 26-Jährige mag es ungewöhnlich. Nun eröffnet der gebürtige Münchner sein erstes Fotostudio im Gärtnerplatzviertel. Bevor der junge Mann vor mehr als zwei Jahren mit seinem Fotoblog Dirtydirty.me auch hinter der Kamera durchstartete, hatte er  als Model internationalen Erfolg – angezogen. Seine Fotografien beschreibt der junge Mann als „ästhetische Nacktbilder mit einem gewissen Zwinkern“. Auch das „Studio Simon Lohmeyer“ wird kein gewöhnliches Fotostudio sein. Jeden Monat sollen dort ab Mitte Dezember wechselnde Fotoausstellungen stattfinden. „Von Donnerstag bis Samstag stehen die Türen für alle offen. Es soll ein Treffpunkt werden, um sich Kunst anzuschauen und um zusammen etwas zu trinken“, sagt Simon. Die erste Künstlerin, die ihre Werke ausstellen wird, ist die schwedische Modefotografin Daniella Midenge. Auch bei ihrer Fotografie, wird es viel nackte Haut zu sehen geben.

Von Stefanie Witterauf
Foto: Claudia Leopold

Hin und weg

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Wen packt das Fernweh, und wer bleibt doch lieber daheim? „München – eine Sehnsucht“: Im Farbenladen des Feierwerks ergründen 15 junge Künstler auf Einladung der SZ das Gefühl dieser Stadt (Foto: Kerstin Rothkopf).

München, ein Sehnsuchtsort: Nach was sehnen sich die Bewohner dieser Stadt? Wen packt das Fernweh, und wer bleibt doch lieber daheim? In der Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ im Farbenladen des Feierwerks, organisiert von der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung, versuchen junge Münchner Künstler das seltsame Gefühl der Sehnsucht zu ergründen. Ihre Ansätze sind dabei sehr unterschiedlich – ein Überblick.

Kräftige Farben auf schweren Holzplatten – die Malereien von Catalina Jara Schenk  fallen auf. „Sehnsucht ist ein Gefühl, das mich in seiner Unbestimmtheit seit meiner Kindheit begleitet und mir als Suche nach Heimat gut vertraut ist“, erklärt Catalina, die 1991 in Santigo di Chile geboren wird. Mit acht Jahren kommt Catalina nach Deutschland, wo sie heute Medizin und Germanistik studiert. Sie beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Flüchtlingen, für die München die Sehnsucht auf ein besseres Leben bedeutet. „Im Grunde sind es entwurzelte Menschen, in denen sich mir Vertrautes widerspiegelt“, sagt sie. 

Einen weiten Weg hat auch Felix Rodewaldt, 26, hinter sich: Felix, der an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, kehrt für die Ausstellung „München – eine Sehnsucht“ aus Barcelona zurück, wo er seit Anfang März als „artist in residence“ lebt und arbeitet. Arbeiten, das heißt für Felix: Kleben, denn er erstellt Bilder und Rauminstallationen aus Klebeband. Seine „Sehnsucht“ wird er am Sonntag, 3. Mai, live auf eine Wand im Farbenladen kleben.

Lorraine Hellwig, geboren 1993, nähert sich der Sehnsucht in ihrer Arbeit „Petrichor“ mit der Kamera: „Fotografie“, erklärt Lorraine, die an der Hochschule München Fotodesign studiert, „ist die Sehnsucht, Momente festzuhalten. Momente, in denen man spürt, dass das Gefühl fast greifbar ist. Und doch weiß man, dass es das niemals sein wird.“ (Foto: Lorraine Hellwig)

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Ähnlich melancholisch fasst Phaedra Richter alias Fedralita, 27, das Thema Sehnsucht auf: „Bei meiner Sehnsucht handelt es sich um den menschlichen Schmerz, wenn man nach einem Gefühl verhungert, wie zum Beispiel der
Liebe“, sagt Digital-Painterin Fedralita, die in Griechenland aufgewachsen ist. „Man sagt: Liebe dich selber. Aber reicht das wirklich? Wollen wir nicht alle gesehen und geliebt werden? Wollen wir nicht auch Liebe geben? Und wenn uns niemand die Tür dafür öffnet?“, fragt sie mit ihrem Bild.

Lion Fleischmann, Jahrgang 1987, hat sich für seine Arbeit von einem Indienaufenthalt inspirieren lassen: 2014 ist Lion, der Illustration an der Freien Kunstwerkstatt München studiert hat, vier Monate durch Indien gereist. „Sehnsucht spiegelt für mich Fernweh und Neugier auf fremde Kulturen wider“, sagt Lion, dessen farbintensive Illustrationen unter anderem bei der Kunstmesse Stroke ausgestellt wurden.

Maximilian Gutmair fotografiert, seit er 16 ist. Im Farbenladen zeigt Maximilian, 25, die Fotoreihe „Box“, bei der die Sehnsucht nach Identität und Sinn gezeigt werden soll. „Personen und Objekte werden in einem vom Künstler geschaffenen Raum in einer mystifizierten Art und Weiße porträtiert.” (Foto: Maximilian Gutmair)

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Die Sehnsucht nach Fremdem wird auch in Rita Kocherscheidts Arbeit spürbar: Die Kommunikationsdesignstudentin, 28, hat zwölf ihr unbekannte Personen durch deren Alltag begleitet. Entstanden ist eine Reihe von Porträts und Zeichnungen, die diesen Alltag dokumentieren. „Es geht dabei nicht um meine Welt oder seine. Es geht darum, durch Zeit Raum zu schaffen und die Schönheit, die in jedem Menschen steckt, zu sehen und zu zeigen“, sagt Rita.

Das Sehnen nach Freiheit greift Simon Lohmeyer in seiner Arbeit auf: Der 26-jährige Fotograf, der selbst als Aktmodel arbeitet, untersucht in seinen Fotos den Zusammenhang von Freiheit und Nacktheit. „Die Charaktere sind auf der Suche nach ihrem eigenen Ich – sie sind einerseits von einer erstickten Freude aber auch von Trieben und Lust zerrüttet“, sagt er. (Foto: Simon Lohmeyer)

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Paulina Nolte, geboren 1991, zieht es in die Ferne: „Sehnsucht habe ich oft nach anderen Orten: die Insel in Florida, auf der ich aufgewachsen bin, der Pampelmusenbaum in unserem Garten oder der Blick durch das Fenster unseres spanischen Hauses“, sagt Paulina, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert. Ihre Werke – ein Mix aus Zeichnung, Malerei und Fotografie – waren bereits bei einer Gruppenausstellung im Haus der Kunst zu sehen.

In Lila Hartigs Fotografien geht es um die Sehnsucht nach Amerika: Die 25-jährige Fotodesignstudentin hat US-amerikanische Kasernen in Bayern fotografiert. Die Soldaten, die oft nur wenige Jahre am gleichen Ort sind, sehnen sich nach Beständigkeit, nach Heimat: „Um der Heimat näher zu sein, gibt es in den Supermärkten innerhalb der Kasernen alles, was das amerikanische Herz begehrt“, sagt Lila.

Für Illustrator Jakob Hauser, 25, ist Sehnen eng mit Träumen verbunden: „Meine Arbeiten zeigen meist Motive aus meinen Träumen“, erklärt Jakob, der 2011 Teilnehmer am International Munich Art Lab war und seit 2012 Kommunikationsdesign an der Hochschule München studiert. „Durch die Zeichnungen halte ich diese Motive, die oft so flüchtig sind, fest.“ (Zeichung: Jakob Hauser)

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Georg-Christoph Maria Stadler, 25, zeigt im Farbenladen digitale Illustrationen, deren Assoziationen zur Sehnsucht vom Betrachter selbst ausgehen sollen: „Der Betrachter darf darin sehen, was er möchte. In den Arbeiten geht es vorwiegend um meinen persönlichen Werdegang, um meinen Weg nach München“, sagt Georg, ursprünglich aus Regensburg, der Kommunikationsdesign an der Hochschule München studiert.

Für Fotografiestudent Florian Tenk, 27, bedeutet Sehnen „eine Bildwelt zu gestalten, in der ich gerne leben würde – jenseits von Geschlechterrollen, Klischees, Ängsten und Scham“. 2014 hat Florian für seine Arbeiten ein Stipendium der Stadt München erhalten.

Anne Puhlmann, 28, beleuchtet in ihren Fotografien den Kontrast zwischen Stadt und Natur: „Ich habe mich mit der Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit auseinandergesetzt, mit dem Drang, dem Alltagstrubel zu entkommen, die Stadt zu verlassen und die Ruhe der Natur zu genießen, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist“, sagt Anne, die 2014 erstmals Arbeiten auf der Foto Muc ausgestellt hat. (Foto: Anne Puhlmann)

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Fotografin Kerstin Rothkopf alias Kerstins Kopf zieht es eher in die Stadt: Die 26-Jährige, die aus dem Bayerischen Wald nach München gezogen ist, sehnte sich nach der Großstadt: „Hier passiert etwas, ist was los.“ Genau das will Kerstin, derzeit Studentin an der Designschule München, in ihren Bildern zeigen: „Das ist die Sehnsucht nach purem Leben und Unabhängigkeit von alten Strukturen.“ Eine Sehnsucht, die besonders München verkörpert, weil es eben keine typische Großstadt ist, findet Kerstin.

Carolina Heberling

Neuland

Alles andere als verklemmt geht Fotograf Simon Lohmeyer, 25, mit dem Thema Nacktheit um. Ab dem 9. Oktober sind seine Werke im Apropos zu sehen.

„Entspann dich mal“ lautet das Motto von Model und Fotograf Simon Lohmeyers neuester Ausstellung in München. Und auch darüber hinaus: Seine Fotografie ist von Nacktheit geprägt. Verspannt mit der Thematik umgehen? Das will der junge Mann nicht. Seine Werke hat Simon Lohmeyer schon in Basel, Sydney und Berlin präsentiert. Jetzt freut er sich, nach langer Zeit wieder in seiner Heimatstadt auszustellen „Es ist schön, dass die Ausstellung in München stattfindet – wo mich die Leute kennen und meine Familie ist“, sagt der 25-Jährige. Die Werkschau wird am 9. Oktober im Apropos eröffnet, Beginn ist um 18 Uhr. Stefanie Witterauf

Gewagter Schritt

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Als Model zeigt sich Simon Lohmeyer oft im Jackett, Rollkragenpulli oder Karohemd. Auf seinem Blog präsentiert er sich jetzt nackt – und als Aktfotograf

München – Simon Lohmeyer, 24, ist seit sieben Jahren ein durchaus gut gebuchtes Männer-Model bekanntes Gesicht in der internationalen Model-Branche. Jetzt will er auch hinter der Kamera Karriere machen. Dafür hält er auf seinem Fotoblog Dirtydirty.me seinen nackten Hintern vor die Linse: Das Model fotografiert sich und vor allem andere nackt – privat und auch an öffentlichen Plätzen.

SZ: Läuft das Modeln nicht mehr so gut? Oder warum ziehst du dich und andere für die Kamera aus?
Simon Lohmeyer:
Ich habe relativ früh begriffen, dass das Model-Business nicht mein Lebensinhalt ist. Viele meiner Freunde in der Branche sind um einiges älter und modeln immer noch. Das ist nichts für mich. Wenn ich 35 Jahre alt bin, möchte ich nicht nur vor der Kamera posiert haben, sondern auch was anderes können. Deswegen habe ich vielen Fotografen, mit denen ich gearbeitet habe, über die Schulter geschaut. Meine „nackigen Projekte“ hatte ich schon immer im Hinterkopf.

Deine Fotografien sind sehr freizügig. Soll Dein Blog als Pornoheftchen im Zeitalter Web 2.0 gesehen werden? Glaubst du, du könntest nicht anders auf dich aufmerksam machen?
Mit meiner Kunst möchte ich nicht schockieren. Ich will keine Fotos wie Terry Richardson Schwanz-Bilder machen. Meine Bilder sollen noch wohnzimmertauglich sein. Sie sollen die Menschen zum Nachdenken anregen. Die heutige Gesellschaft ist mir zu spießig und unehrlich: Jeder trägt doch nur eine Maske und traut sich nicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Mit den Fotografien versuche ich sie zu demaskieren. Man muss noch über sich selbst schmunzeln können.

Meinst du nicht, dass du es in zehn Jahren bereust, Nacktfotos von dir ins Internet gestellt zu haben?
Nein, ich bin unkonventionell aufgewachsen. Meine Eltern waren Hippies. Als ich ein Kind war, sind wir mit dem VW Bus durch Deutschland getourt und haben an schönen Orten gehalten. Dort konnten wir uns in allen Facetten frei fühlen, Nacktheit war etwas Selbstverständliches. Mir gefällt es, nackte Menschen zu fotografieren es ist nicht meine Absicht Klamotten zu verkaufen. Ich habe mit Nacktheit kein Problem, ich könnte mich auch jetzt ausziehen und auf den Tisch setzen und ein Foto von mir machen.

Nicht jeder ist da so offen. Wie bekommst du die Mädels dazu, sich für dich auszuziehen? Bezahlst du sie?
Angefangen hat es damit, dass ich mich und meine damalige Freundin nackt fotografiert habe. Nachdem ein paar Freundinnen von ihr das Ergebnis gesehen haben, wollten sie sich auch von mir fotografieren lassen. Mittlerweile bekomme ich täglich Anfragen von Frauen und Männern, die sich gerne von mir nackt ablichten lassen wollen. Auf Shootings frage ich auch mal die Models, wenn sich die Situation ergibt, und ich glaube, dass etwas Schönes dabei rauskommen könnte. Eine Gage zahle ich nicht – die Bezahlung ist das Foto.

Hatte deine Ex-Freundin keine Bedenken, wenn sich vor deinen Augen nackte Frauen rekelten? War Eifersucht da ein Problem?
Am Anfang schon. Aber dann hat sie gesehen, dass alles professionell abläuft. Es ist nur ein nackter Körper vor der Kamera. Während der Aufnahmen bin ich weniger Mann, sondern ganz Fotograf. Ich will einfach ein schönes Bild.
Wie kann man sich ein Foto-Shooting bei dir vorstellen. Die Motive entstehen oft aus einer spontanen Situation. Bei einer Motorradtour durch einen Tierpark in Kambodscha habe ich das Model nackt in das Maul einer Löwenstatue gehoben. Das musste super schnell gehen! Die Zähne waren total spitz und haben sich in den Hintern von ihr gebohrt. Sie hat ganz schön gelitten. Zum anderen war dieser Platz gerade in diesem Moment nicht stark besucht und wir wollten nicht erwischt werden.

Gab es schon mal Ärger wegen deiner FKK-Fotografie?
Ärger zum Glück nicht. Bei einer Wasserbombenschlacht in Österreich haben die Nachbarn mal die Polizei gerufen. Die kamen vorbei, haben gelacht und uns gebeten, dass wir uns wieder anziehen. Ein anderes Mal habe ich in den Tempeln von Angkor Wat in Kambodscha mit einer Maske auf einem Podest ein Selbstporträt geschossen, ein paar Touristen sahen es, aber mehr, als dass sie mir kurz auf den Hintern geschaut haben, ist nicht passiert.

Foto: Simon Lohmeyer

Stefanie Witterauf