Sharyhan Osman fühlt sich nach der TV-Casting-Welt mit ihrer Band Kleyo freier. Das hört man auch an ihren Songs, die zwar immer noch nach Mainstream-Pop klingen, dafür aber improvisierter scheinen.
Castingshows sind eine Art Parallelwelt zur Popwelt. Durch das massenhafte Publikum und hochtrabende Titel suggerieren sie den jeweiligen Gewinnern, dass sich ihr Leben zum Musik-Superstar gewandelt hat. Der feine Unterschied zur richtigen Musikwelt ist nur, dass die Musik in den Casting-Formaten eher eine Nebenrolle spielt. Denn der Castingshow-Kandidat und vor allem auch die Juroren sind in erster Linie für recht kurze Zeit TV-Superstars, die Musik ist dabei Mittel zum Zweck, aber auch nicht mehr.
Die Münchner Sängerin Sharyhan Osman hat den Sprung von der Castingshow-Teilnehmerin in die Sphäre, in der die Musik der eigentliche Zweck ist, sprich in die Musikszene, geschafft. Nach ihrer Teilnahme bei „Deutschland sucht den Superstar“ und „Unser Star für Oslo“ veröffentlichte sie 2012 ihr Debüt-Album „My Year“ – eine Major-Produktion und groß angelegter Pop war das. An einer Grenze, dem noch der Rest-Glitter der Fernseh-Aufmerksamkeit anhing.
Dennoch konnte sich Sharyhan als eigenständige Musikerin etablieren, die ihre selbst geschriebenen Nummern auf diesem Album veröffentlichte. Das Selbstkomponieren hat Sharyhan sowieso immer mehr zur Musikerin und weniger zum TV-Sternchen gemacht. Nun hat sie mit ihrer neuen Band Kleyo genau das vertieft, verfestigt und perfektioniert. Zusammen mit dem Produzenten Sergio Minutillo schreibt sie immer noch groß angelegte Popsongs. Doch vom Big-Business-Drumherum hat sie sich mittlerweile vollends verabschiedet. Kein Label, keine außenstehenden Produzenten, niemand, der ihren künstlerischen Weg mitbestimmen wollen würde.
Und ein wenig ist diese neue Freiheit den Songs anzuhören. Titel wie „Schweben“ oder „Weißt Du noch“ klingen erst einmal nach Mainstream-Pop – elektronisch produzierte Musik, die Stimme klar im Vordergrund, einfach zu begreifen. Doch die Songs von Kleyo sind ein wenig zu lang, da mischt sich fast eine psychedelische Improvisationslust in die Pop-Dramaturgie, da wird ein bisschen zu sehr gesucht und gespürt, als dass es im Zwei-Minuten-Vierzig-Format durch das Radio knallen würde. „Wir haben uns im Studio erst einmal nicht an klassische Regeln gehalten und viel experimentiert“, sagt Sharyhan. Dennoch ist die Musik von Kleyo für den Mainstream-Markt angelegt.
Sharyhan, die das Major-Pop-Geschäft und eben dessen Vor- und Nachteile kennt, genießt die Emanzipation mit diesem neuem Projekt, in dem sie erstmals auf Deutsch singt. Sie können selbst bestimmen, wann sie etwas veröffentlichen, welche Konzerte sie spielen, was die nächsten Schritte sein sollen: Bei Kleyo ist das ganz klar eine EP-Veröffentlichung, die sie für das kommende Frühjahr geplant haben und der Gewinn des „Energy Newcomer Contests“, in dessen Online-Voting sie gerade zur Wahl stehen.
Stil: Pop
Besetzung: Sharyhan Osman (Gesang), Sergio Minutillo (Produktion)
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.kleyomusic.com
Von: Rita Argauer
Foto: Manuel Nagel