„Hier fühle ich mich sicher“

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Noora Ibrahim war nach der Scheidung von ihrem Mann wohnungslos – sie kam mit ihrer fünfjährigen Tochter Leila im Paritätischen Haus für Mutter und Kind unter.

München – In bauschigem Tüllröckchen und mit Glitzerstrumpfhose sitzt die fünfjährige Leila am Tisch und isst Fruit Loops, im Hintergrund laufen deutsche Kinderlieder. Bei „Der Kuckuck und der Esel“ springt sie auf und sagt etwas auf Arabisch zu ihrer Mutter. Noora Ibrahim holt Stifte und Papier und gibt sie Leila, die sofort zu malen beginnt. „Sie liebt es zu singen – besonders wenn sie malt“, erklärt Noora, Ende 20, mit einem Lächeln und setzt sich wieder auf das ordentlich gemachte Bett, das mitten in dem kleinen Raum steht. Mit leiser Stimme erzählt sie, dass ihr Ex-Mann nach der Scheidung ihre Wohnung gekündigt hatte: „Ich wusste nicht, wo ich mit Leila hin sollte.“ Doch die beiden hatten Glück: Im Sommer bekamen sie eines der 64 Apartments, die das Paritätische Haus für Mutter und Kind in Sendling anbietet. Hier kommen junge schwangere Frauen oder Mütter mit ihren Kindern vorübergehend unter, wenn sie wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind – meist sind das dann Frauen, die in einer kaputten Partnerschaft leben oder die keine Arbeitserlaubnis haben.

„In München gibt es immer weniger Wohnungen, die für Geringverdiener oder Sozialhilfeempfänger bezahlbar sind, darum drängen immer mehr Menschen auf Sozialwohnungen“, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer des Hauses, Rolf Schlesinger. Weil die Anzahl an Sozialwohnungen aber auch begrenzt ist, entstehen lange Wartezeiten – zu deren Überbrückung nimmt das Haus für Mutter und Kind die Betroffenen auf. Aufgrund des Andrangs gehe aber auch das nicht von heute auf morgen, darum müssten einige Frauen zwischenzeitlich in Obdachlosenunterkünften oder anderen Frauenhäusern leben, sagt Schlesinger. Diese Unsicherheit und die Belastung der Mütter übertrage sich auch stark auf die Kinder: „Bei den Aufnahmegesprächen sind die Kinder oft extrem unruhig und kaum zugänglich. Wenn sie dann eine Weile bei uns wohnen, merkt man richtig, wie gut ihnen die geregelten Verhältnisse tun.“ Die Einrichtung bietet nicht nur ein Dach über dem Kopf, Beratung und Unterstützung bei der Wohnungssuche, sondern auch ein vielfältiges Programm – von Kinderbetreuung und Beratung in Erziehungsfragen über Freizeitveranstaltungen und Ausflüge bis hin zu sehr gefragten Koch- und Nähkursen.

Noora sagt, sie fühle sich sehr wohl in dem Haus. In jedem Stockwerk gibt es ein Spielzimmer, in dem die Kinder zusammen spielen können. Noora hat sich mit einer anderen Mutter angefreundet. Besonders dankbar ist sie für die Unterstützung: Die Sozialarbeiter würden ihr bei den komplizierten Formularen helfen und sie könne sie immer um Rat fragen, sagt sie auf Englisch. Eigentlich spricht sie schon gut Deutsch – gerade fängt sie ihren B2-Kurs an –, aber im Englischen ist sie sicherer.

Noora stammt aus dem Sudan, wo sie Übersetzung studiert hatte, bevor sie mit ihrem Ehemann in die USA ging. 2013 zogen sie mit Leila nach München und lebten zusammen in einer Wohnung – bis die Probleme kamen. „Es war schrecklich, die Polizei kam bestimmt tausend Mal“, erzählt sie. „Wir lebten ständig in Angst, bis wir hierher kamen: Hier fühle ich mich sicher.“ Sie streicht ihrer Tochter über den Kopf. Leila hat einen Platz im Kindergarten, so dass Noora jeden Tag in den Deutschunterricht gehen kann. Außerdem arbeitet sie ehrenamtlich bei einer Organisation für Flüchtlinge: Weil sie Arabisch, Englisch und Französisch spricht, hilft sie beim Übersetzen und versucht, Frauen aus arabischen Ländern zum Deutschlernen zu motivieren: „Ich sage ihnen immer, dass sie hier nicht nur kochen und Babys kriegen müssen, sondern dass sie die Möglichkeit haben zu arbeiten.“

Noora selbst hofft, einen Job zu finden, wenn Leila nächstes Jahr in die Schule kommt. Sie habe viel Erfahrung mit Computerarbeit und schreibe bei der Flüchtlingsorganisation viele Einladungen zu Veranstaltungen. Außerdem hat sie im Haus einen Kurs für Kinderbetreuung mitgemacht: „Danach haben die Betreuerinnen uns angeboten, dort zu arbeiten“, erzählt Noora. Das habe sie sehr erstaunt: Anstatt von den Bewohnerinnen Geld für die Betreuung ihrer Kinder zu verlangen, bezahle man die Mütter dafür. „Ich stehe jetzt auf einer Liste, und wenn sie mich brauchen, melden sie sich.“

Für die Kinder gibt es auch ein Musikprogramm, bei dem sie mit einer Musikpädagogin Instrumente basteln, singen und tanzen. „Diese Art von Förderung ist für die Kinder sehr wichtig, um ihre psychische Belastung ein wenig zu mildern“, sagt Rolf Schlesinger, der schon seit 38 Jahren in der Einrichtung arbeitet. Auch Ausflüge in die Berge oder ins Marionettentheater sollen dazu beitragen, den Horizont der Bewohnerinnen zu erweitern. „Diese Angebote funktionieren aber nur durch Spenden – mit dem Budget der Einrichtung können wir gerade mal die laufenden Kosten decken.“

Die CD mit den Kinderliedern ist aus. Leila klettert auf den Schoß ihrer Mutter und zeigt ihr das Bild, das sie gemalt hat. „Am liebsten würde ich für immer hier bleiben“, sagt Noora. 

Text und Foto: Anna-Elena Knerich

Katja Münch – Sendlinger Basketballplatz

Sie will die Kontraste der Stadt zeigen, die Spannung zwischen aggressivem Basketball und buntem Kinderspiel. Katja Münch setzt natürliche Materialien in einen städtischen Kontext.

Ein Hüpfspiel für Kinder, bunt, mit einem Herzchen verziert und mit Kreide auf einen Sendlinger Basketballplatz gemalt – aber verniedlichend ist das nicht. Zumindest, wenn es nach Katja Münch, 28, geht, die mit diesem Foto „das Spiel zwischen Mensch und Großstadt“, zwischen Kinderspiel und hartem Basketball darstellen will. „Den Kontrast, den eine Stadt in sich trägt“, bildet sie in ihrer Bachelorarbeit in Fotodesign ab, für die sie verschiedene natürliche Materialien in den Kontext des typischen Stadtbilds setzt. Katja sieht derzeit wohl viele Basketballplätze auf der ganzen Welt, denn sie ist seit dem Abschluss oft für Reisereportagen unterwegs. „Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich jede Woche an einem neuen Ort aufwachen“, sagt sie. Katharina Hartinger