Band der Woche: Chasing Sound

Es sind harmonische Details, die die Musik von Chasing Sound auf eine
andere Ebene rücken. Vorgetragen wird das mit Gelassenheit.
Man hat das Gefühl, hier wird verträumt drauflosgespielt.

Wer verliebt sich in wen und wird diese Liebe auch erwidert? Im Film „Singles“, der auf Deutsch den genial bescheuerten Untertitel „Gemeinsam einsam“ trägt, geht es um nichts anderes. Damit steht dieser Film absolut nicht allein. Liebesver- und entwirrungen dienen, seit es das Theater gibt, als Motor für Bühnenstücke. Wenn auch in manch griechischer Tragödie wohl etwas übler, wenn etwa die Liebe zwischen Medea und Jason letztlich zum Kindsmord führt. „Singles“ ist eher eine vergleichsweise oberflächliche Slacker-Schmonzette. Hier ist etwas anderes interessant: Die Musik. Es wirkt beinahe so, als sei dieser Film, der 1992 in Seattle spielt, nur gedreht worden, um ein weiteres Stückchen der damalig neu aufgekommenen Mode und Musik zu verwerten. „Singles“ ist eine leicht zu durchschauende Kommerzialisierung der vormals eher antikommerziellen Grunge-Kultur.

Trotzdem ist es sinnvoll, sich diesem Film zu widmen: Denn die Macher lassen die Musik, die ja doch so herrlich ist, auf wunderbare Weise durch den Film führen. Auf dem Soundtrack findet sich etwa das darauf exklusiv veröffentlichte Stück „Drown“ von den Smashing Pumpkins, ein herrlich dahinleierndes Indie-Grunge-Stück. Oder Pearl Jam, natürlich, Soundgarden, aber auch die Unbekannteren wie Mudhoney oder die Screaming Trees sind dabei. Nirvana nicht, aber von denen existiert auch kein Stück, das in einer ähnlichen guten Mischung diesen Slacker-Nihilismus eben so besonders hoffnungsfroh erklingen lassen würde. Die Münchner Band Chasing Sound jedoch hätte ein paar Lieder parat, die sich auf dem Singles-Soundtrack gut machen würden. Irgendwo belebt das Quartett, das sich 2015 gründete, dieses Gefühl von gedeckelter, aber schwelender Euphorie heute wieder. Aufs erste Hören klingen deren Songs zwar ein wenig beliebig: heruntergeschrubbte Gitarrenriffs, Ride-Becken-dominierte Schlagzeugbeats und typischer Indie-Jungsgesang. Das Ganze dann im obligaten Lo-Fi-Sound, in dem klirrende Höhen oder fette Bässe eher als schlechter Geschmack, denn als Emotionsverstärkung gelten.

Doch es sind harmonische Details, wie etwa ein nicht ganz reiner Akkord im Song „Bolt out of the Blue“, die die Musik von Chasing Sound auf eine andere Ebene rücken. Vorgetragen wird das mit einer Gelassenheit, die eben im besten Sinne slackerhaft ist. Die vier Musiker sind ziemlich gut darin, etwaige Ambitionen und grellen Ehrgeiz in ihrer Musik zu verstecken. Man hat das Gefühl, hier wird verträumt drauflosgespielt – ganz so, wie es einem der Film „Singles“ für das Leben der Mittzwanziger damals in Seattle erzählen will.

Einen Unterschied gibt es jedoch von Seattle 1990 zu München 2017. Seattle war damals popmusikalisch etwas abgeschlagen, es gab wenig bekanntere Bands, die bis hinauf in den Nordwesten der USA tourten. Ein Umstand, der die lokale Musikszene erblühen ließ. München dagegen ist saturiert: Es finden täglich mehrere Konzerte statt, bekannter und lokaler Künstler. Die lokalen Bands sind in München so zahlreich, dass in der sowieso schon unter Platzmangel leidenden Stadt ein wirklich ernsthaftes Problem mit bezahlbaren Probenräumen herrscht, und um Publikum auf die Konzerte einer Nachwuchsband zu locken, müsse man sich PR-technisch schon ganz schon anstrengen, erklären Chasing Sound. Sie probten ihrerseits in einem Keller, der schlecht klinge. Doch vielleicht führen genau diese „katastrophalen Klangeigenschaften“ sowie die Übersättigung zu der charmanten Perspektivlosigkeit, die durchklingt bei Chasing Sound; und die deren Musik abhebt von all den hochpolierten Bands, die denken, die Welt habe nur auf ihre Musik gewartet. 

Stil: Alternative / Lo-Fi
Besetzung: Jonathan Platz (Gitarre, Bass), Alexander Poth (Schlagzeug), Sebastian Reßle (Gesang, Gitarre, Bass), Josef Scholz (Gitarre, Gesang, Bass)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: soundcloud.com/chasing_sound

Text: Rita Argauer

Foto: Adelina Hartmann