Neuland: Wer wird Band des Jahres?

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Wer wissen will, wer sich mit dem Titel “Band des Jahres” schmücken darf, muss sich den 15. Februar rot im Kalender anstreichen. Neben den nominierten Bands treten auch Comedians und Kabarettisten auf.

Hip-Hop trifft auf Bluesrock. Indie-Pop auf Art- und Alternative-Pop. Das Line-Up der Veranstaltung „Wer wird Band des Jahres?“ ist vielfältig: Chaem, Eliza, Matija, Ni Sala, Swango und Beta. Diese Bands und vier weitere standen zur Wahl für die Band des Jahres der Junge-Leute-Seite der SZ. In einer ersten Runde konnten Facebook-User für ihre Lieblingsband abstimmen. In einer zweiten Runde haben die Bands ein Ranking erstellt, wobei sie nicht für sich stimmen durften. Diese beiden Votings wurden zu einem Gesamtvoting verrechnet. Am Ende des Abends wird die Band des Jahres gekürt. Für ein buntes Rahmenprogramm sorgen die Comedians Julian Beysel, Sebastian Ulrich und Michael Mauder, die Kabarettisten und Musiker Julian Wittmann und Peter Fischer, Poetry-Slammer Philipp Potthast und Liedermacher Alex Döring. Bis spät in die Nacht kann zu House- und Funk-Klängen von DJ Alex Blum getanzt werden.

Wer wird Band des Jahres? Donnerstag, 15. Februar, Bahnwärter Thiel, Tumblinger Straße 29, Beginn 19.30 Uhr, Eintritt fünf Euro.

Text: Lena Schnelle

Foto: Fabian Christ

Sit-in der Neuzeit

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Das Kollektiv “Einmal Utopie, Bitte” ruft im Dezember zu den Schwarzfahrtagen auf und fragt, warum der öffentliche Nahverkehr nicht kostenlos sein könnte. Ihr Motto: Erst träumen, dann Lösungen suchen

Manchmal hilft nur noch Utopie. Das denken zumindest drei junge Schauspieler und Liedermacher, die sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben: „Einmal Utopie, bitte“.

Lucie Mackert, Peter Fischer und Robert Heigl wollen mit ihren Aktionen keine Probleme aufzeigen, sie wollen Denkräume öffnen. Sie sagen: „Man muss erst einmal Träume zulassen und dann gucken, wie man sie verwirklichen kann.“ Ihre nächste Aktion starten sie im Dezember.

SZ: Ihr ruft zum Schwarzfahren auf. Seid ihr wahnsinnig? Das gibt Ärger.
Robert Heigl: Warum? Wir tun nichts Verbotenes. Und die Menschen, die sich unserer Aktion anschließen, auch nicht.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft versteht beim Schwarzfahren keinen Spaß.
Wir rufen nur dazu auf, in schwarzer Kleidung zu fahren. Das wird man schon noch dürfen.

Aber natürlich denkt jeder zunächst an was anderes.
Die Schwarzfahrtage spielen natürlich schon mit dem Begriff des Schwarzfahrens. Es soll aber keine Rebellion gegen die MVG sein.

Sondern? Was hat euch zu dieser Aktion bewegt?
Auslöser war die erneute Preiserhöhung der MVG und das Gefühl, dass es keinen Protest dagegen gab. Die Menschen nehmen das immer wieder hin und fragen sich nicht, ob es auch andere Möglichkeiten gibt. Wir haben uns damit beschäftigt und recherchiert, ob es Alternativen gibt.
Und?
Wir sind dann auf den kostenfreien Nahverkehr gestoßen, wie es ihn zum Beispiel in der estnischen Hauptstadt Tallinn bereits gibt. Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht. Und: Es ist notwendig, denn die Stadt ertrinkt in Verkehr. Es ist laut, es stinkt, und Mobilität kann sich nicht mehr jeder leisten.

Also geht es doch gegen die MVG.
Nein. Wir haben uns gefragt, ob man in unserer Gesellschaft die Prioritäten verschieben kann. Die Autobranche wird mit einer Selbstverständlichkeit subventioniert, obwohl alle wissen, dass Autos nicht zukunftsfähig sind.

Habt ihr euch auch damit auseinander gesetzt, wie utopisch die Finanzierung eines kostenfreien Nahverkehrs ist?
Er wird hauptsächlich über Steuern finanziert, so wie Schulen auch. Jede Gesellschaft definiert doch selbst, welche Aufgaben ihr so wichtig sind, dass sie dafür kostenlose Angebote schafft.

Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Finanzen sind ein komplexes Thema.
Wir haben versucht, mit realistischen Zahlen zu arbeiten, aber wir sind natürlich keine Volkswirtschaftler, das ist aber auch nicht unser Anspruch. Der Gedanke, dass es in München kostenfreien Nahverkehr geben könnte, kam uns erst einmal sehr utopisch vor. Aber wir haben herausgefunden, dass es das in anderen Städten tatsächlich gibt. Ist es in Bezug auf die Klimadebatte nicht im Sinne von uns allen, einen kostenfreien Nahverkehr anzubieten? Es wäre ein Riesenanreiz, das Auto weniger zu benutzen, was der Umwelt zugute käme und auch ärmeren Menschen wieder die Möglichkeit gäbe, in ihrer Stadt mobil zu sein.

Und das wollt ihr mit schwarzen Klamotten erreichen?
Die Schwarzfahrtage finden vom 13. bis 20. Dezember statt. Jeder kann in schwarzer Kleidung fahren, Fotos und andere Beitrage unter #schwarzfahrtage teilen. Zusätzlich haben wir noch vor, zum Auftakt gemeinsam in einer Tramlinie zu fahren.

Ein Sit-in wie in den Sechzigerjahren. Glaubt ihr, das Schwarzfahren fällt überhaupt auf?
Wir müssen schauen, wie die Aktion funktioniert, ob die Leute unsere Handzettel lesen. Wir haben aber kein Ziel, das wir erreichen müssen. Wir probieren das einfach mal aus.

Trotzdem: Auch der Hipster trägt schwarz. Protest, der nicht auffällt, wird nichts bringen.
Vielleicht kann man sich auch besondere Accessoires anziehen. Wir sind mit unseren Hüten für die Fotos doch sehr aufgefallen. Aber auch durch unseren Kickoff wollen wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen.

Ist München die passende Stadt für solche Utopien? Die Studenten zum Beispiel haben sich mit einer deutlichen Mehrheit für das Semesterticket entschieden, obwohl es in den vergangenen Jahren eine rasante Preissteigerung gab. Zeigt das nicht, dass sich die Menschen in München die Preise leisten können?
Gerade hier ist es wichtig, weil es nicht nur Leute gibt, die sich es leisten können, sondern daneben eben auch die, die das nicht können.

Ihr seid auf Bühnen unterwegs, wie viel Selbstinszenierung steckt in den Aktionen?
Hoffentlich nicht zu viel. Ein bisschen müssen wir als Personen auftreten, um griffig zu zeigen, wer wir sind und was wir machen. Aber es geht uns darum, die Leute mit Gedanken zu erreichen und nicht darum, dass sie uns als Personen wahrnehmen. Ein Teil der Aktionen sind natürlich Inszenierungen, um die Menschen anzusprechen, aber unsere Gedanken sind frei von Selbstdarstellung.

Versteht ihr das als Kunst? Oder wollt ihr tatsächliche Veränderungen hervorrufen?
Man muss sich frei machen davon, dass alles einen unmittelbaren Effekt haben muss. Es geht um die Bereitschaft, Utopien überhaupt zu sehen. Sie müssen nicht gleich umgesetzt werden. Politisch aktiv zu sein ist immer auch eine Frage der Reichweite. Das Ziel ist Menschen zu erreichen, die das mitkriegen und somit Denkräume aufmachen.

Wenn ihr wirklich etwas ändern wollt, wieso investiert ihr eure Zeit nicht in Unterschriftenaktionen oder Dinge, die tatsächlich Änderungen bringen können?
Als Privatpersonen machen wir solche Dinge auch. Aber wir glauben, dass das, was wir tun, zu wenig gemacht wird. Wir wollten damit einen Schritt weitergehen als nur unsere Unterschrift zu setzen: Die Möglichkeiten durch unsere Utopien überhaupt erst einmal aufzeigen.

Interview: Sandra Will

Foto: 

Sascha Loha

Peter Fischer (Jazz / Kabarett)

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Jahr: 2014, Woche: 40

Peter Fischer spielt gekonnt und virtuos Klavier, erzählt dabei singend schaurig-zynische und mitreißend-lustige Geschichten. Sein Headset gibt ihm die Freiheit in der Kopfdrehung vom Musiker zum Märchenonkel zu werden.

Ein ziemlich uncooles Accessoire hat Peter Fischer (Foto: Peter Keller) seit Kurzem. Ein Headset, also ein Mikrofon, das irgendwie um den Kopf geschnallt wird, mit dem Zweck, den Kopf des Sängers mobiler zu machen. Das letzte Mal waren die Dinger zur Erfolgszeit von Britney Spears in Mode – die zu ihrem Gesang ja live meist mit vollem Körpereinsatz tanzte. Doch bei dem Münchner Musiker und Kleinkünstler Peter Fischer macht dieses Teil trotz seines schlechten Images Sinn. 

Denn Peter Fischer spielt Klavier – und das ziemlich gekonnt und ziemlich virtuos. Aber noch viel wichtiger ist: Über sein Spiel erzählt er singend schaurig-zynische und mitreißend-lustige Geschichten. Und da es unhöflich ist, beim Geschichtenerzählen seine Gesprächspartner nicht anzusehen, aber Klaviere meist nicht so frontal auf einer Bühne stehen, dass der Spieler ohne Probleme direkt ins Publikum blicken könnte, spielt Peter eben nun mit Headset. Das gibt ihm die Freiheit in der Kopfdrehung vom Musiker zum Märchenonkel zu werden. Und dieser Moment ist bei Peter Fischers Musik auch ausschlaggebend.

Peter Fischer, der im vergangenen Jahr diverse Songslams, die gerade so en vogue sind, meist preisdekoriert verlassen hat, hat eine ganz frische Art des Musikkabaretts für sich erfunden. Er erzählt dabei etwas altklug vom Alltäglichem, auch dem alltäglichen Scheitern, schafft es aber immer, den nötigen Abstand zur eigenen Eitelkeit zu halten. Denn eigentlich schöpft Peter Fischer aus einem ziemlich großen Können: Sein Klavierspiel ist so professionell, dass er ohne Probleme perlende Läufe oder groovend rhythmische Figuren herunterbrettert und dazu völlig unabhängig und unbeeinflusst singt.

Man hört die klassische Ausbildung in seiner Musik heraus – doch studiert hat er Sprachen. Und nun vermischt der 27-Jährige dieses erlernte Können zu einer Musikform, die im Popkontext aber eigentlich nur relativ selten auftaucht. Fischer nimmt in seinen Beobachtungen nicht nur die Arbeits- oder Liebeswelt auf die Schippe, sondern auch immer wieder sein eigenes Metier: Etwa wenn er einen Song über das Bonmot „Once it’s a mistake, twice it’s Jazz“ schreibt, in dem er die musikalischen Disharmonien parallel zu den Fehlern in seinem Leben setzt.

Und diese Mischung funktioniert. So sehr, dass Peter Fischer seine Auftrittsmöglichkeiten gerade ausbaut. So spielt er nicht nur in Indie-Clubs, sondern auch auf Kleinkunstbühnen, als Barmusiker und auf privaten Feiern. Eine eigene Nische, ganz abseits der zeitgenössischen Popmusik. Rita Argauer

Stil: Jazz / Kabarett
Besetzung: Peter Fischer (Gesang, Klavier)
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.pianovocals.de

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.