Von unermüdlich Strebsamen und gläsernen Decken des Musikgeschäfts: mit Cadet Carter wagen vier Musiker aus München erneut den großen Wurf.
Das Pop-Business lebt von wunderbaren Aschenputtel-Märchen: Menschen aus einfachen Verhältnissen finden in der Popmusik einen Ausdruck, der dem Zeitgeist entspricht, und schon sind sie weltberühmt, reich und schön, wobei sie letzteres im Idealfall vorher auch schon waren. Besonders in den USA wird diese Art der Karriere immer noch liebend gerne nacherzählt. Doch die viel größere Anzahl von Musikern fristet ein Dasein in der Mitte. In Deutschland ist dieses Mitte-Dasein sogar mehr oder weniger der Standard. Denn selbst Bands und Musiker, die hierzulande überregional besprochen werden und bekannt sind, können nur in wenigen Fällen von der Musik leben. Und richtig glamourös wird es sowieso nicht. Die Bands in der Mitte jedoch, die Touren fahren und auf überregionalen Labels veröffentlichen, die zeichnet alle eine besondere Hingabe, ja Leidenschaft aus. Es ist quasi die gläserne Decke der Popmusik, die hier nicht Frauen von den bestbezahlten Jobs in den Mega-Konzernen trennt, sondern den Großteil der deutschen Bands von den wenigen, die ein Pop-Star-Leben führen können.
Nick Sauter, in München bekannt als Sänger und Kopf der Band Pardon Ms. Arden, möchte es jetzt noch einmal wissen. Pardon Ms. Arden waren der gläsernen Decke schon ziemlich nah gekommen, nachgegeben hat die bei dieser Band allerdings nicht. Jetzt hat Nick mit Cadet Carter eine neue Formation gegründet, mit der erneut der Weg nach oben versucht wird: „Als Band gehen wir ganz klar All-In, wir wollen andauernd auf Tour sein, so viel spielen wie irgendmöglich und so viele Menschen mit unserer Musik erreichen, wie es geht“, erklärt Nick. Für Cadet Carter hat er nun Mitmusiker gefunden, die mit ihren vorherigen Bands alle ein gewisses Level erreicht hatten, dann sei jedoch „irgendetwas dazwischen gekommen, bevor es einen Schritt weiter gehen konnte“. Hardcore- und Punkbands waren das wie Gravity Lost und About An Author, bei denen der Bassist Pascal Theisen und der Schlagzeuger Benny Paska bisher gespielt hatten. Und von der Indie-Band The Backs stößt der Gitarrist John Bauer zu Cadet Carter dazu. Damit habe man eine „Konstellation gefunden, in der die Band für alle das Allerwichtigste ist, und jeder der Band alles unterordnet“, sagt Nick, und das sei für ihn der einzige Weg, wie Bands funktionieren könnten.
Musikalisch gesehen funktioniert diese Konstellation wie eine Zeitreise. Die Musik geht noch weiter zu den Wurzeln der Musiker zurück, Power-Punk und Fun-Punk, wie er Ende der Neunzigerjahre durch Blink 182 in den Mainstream gelangt war. Die Musik ist nicht mehr so indiefreundlich, wie das bei der britisch angehauchten Musik von Pardon Ms. Arden der Fall war. Cadet Carter klingen eine Spur härter und zielen mehr auf die Emo-Szene. Die ist zwar eine Nische, doch eine recht große, und verfügt über ein gut vernetztes und vor allem interessiertes Publikum. Das erste Album ist fertig, man hört dieser Band dabei an, wie genau die Musiker hier wissen, was sie tun: Die Harmonien, die einen mitnehmen, sind wohl geplant, während die verzerrten Gitarren drücken, aber nicht wehtun. Auch das Video zur ersten Single „Car Park Song“ passt genau: Glossy gefilmt spielt das Quartett auf einer Bühne, die auch in einem Stadion stehen könnte, das Publikum fehlt da noch, das könnte aber bald kommen. Ihr erstes Album werden sie im Januar 2018 auf dem überregionalen Label Uncle M veröffentlichen. Darauf erscheinen auch die Münchner Kollegen Blackout Problems, deren Fangemeinde ja durchaus schon eine gewisse Größe hat. Und mit den Donots ist dort auch eine Band unter Vertrag, die zumindest kurzzeitig die gläserne Decke in Deutschland durchbrochen hatte.
Stil: Pop-Punk / Emo
Besetzung: Nick Sauter (Gesang, Gitarre), John Bauer (Gitarre, Gesang), Pascal Theisen (Bass, Gesang), Benny Paska (Schlagzeug)
Seit: 2016
Aus: München
Internet: www.cadetcarter.com
Text:
Rita Argauer
Foto:
Käthe deKoe