Das erste Mal

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Musizieren geht über Studieren: Nach mehr als zwei Jahren Vorbereitung wird ein Laien-Orchester in der Philharmonie spielen – finanziert haben die Studierenden den Auftritt per Crowdfunding

Für viele Musiker des Abaco-Orchesters ist es das erste Mal:
das erste Mal Philharmonie, das erste Mal 2400 Zuschauer, das erste Mal Gustav
Mahler. Am 28. Februar spielt das Münchner Abaco-Orchester (Foto: Johannes List/Fritzzfilm) die 2. Sinfonie von
Gustav Mahler, ein extrem groß besetztes symphonisches Werk mit einem Orchester
auf der Bühne und einem weiteren Fernorchester hinter der Bühne, mehreren
Chören und einer etwa eineinhalbstündigen Performance.

Das Orchester besteht hauptsächlich aus Studierenden. Insgesamt
400 Musiker werden für die Realisierung gebraucht. Alles in allem sind es drei
Münchner Chöre, die das Orchester unterstützen, 250 Sängerinnen und Sänger. Die
bekannte Tara Erraught übernimmt die Mezzosopranstimme, Star-Dirigent Marriss
Jansons die Schirmherrschaft der Veranstaltung.

Mit der 2. Sinfonie von Mahler hat sich das Orchester Großes
vorgenommen – vor allem, weil sie eine enorm große Vielfalt an Details
beinhaltet: technische Schwierigkeiten für alle Gruppen, sehr viele dynamische
Feinheiten, das Begleiten des Chores und der Solistinnen und die Koordination
mit der räumlich getrennten Bühnenmusik (Hörner, Trompeten und Schlagzeug
hinter der Bühne) und der großen Orgel. Erst in der Generalprobe am Tag der
Aufführung können die Musiker den Klang des Saals wirklich erleben. Zuvor
müssen sie sich ganz allein auf die Erfahrung ihres Dirigenten verlassen. Am
wichtigsten sei es, zu wissen, was die anderen spielen und noch aktiver
zuzuhören.

Wer im Orchester spielen will, muss das Vorspielen bestehen
– und damit rechnen, eher einzuzahlen, als Geld zu verdienen. „Wir machen das
alle freiwillig, weil uns etwas an der Musik gelegen ist“, da sind sich Miriam
Schulz, 22, Violine, und Anna Leibinger, 29, ebenfalls Violine, einig. Das
semesterliche Probenwochenende im Außenraum Münchens ist ihnen eine
Aufwandsentschädigung wert. Wollen sie gemeinsam besser werden, sei ein
intensives Proben notwendig. Die sonstigen zweieinhalb Stunden pro Woche sind
zwar obligatorisch, oft bleiben kleine Verbesserungen aber auf der Strecke.
Gerade am Orchesterwochenende wurde auf jeden Musiker eingegangen und jeder Ton
abgestimmt.

Drei Mal im Semester wird das Abaco-Orchester darüber hinaus
von Professoren oder Dozenten des Bayerischen Rundfunks und des
Staatsorchesters unterrichtet. „Die Konzentration und Motivation ist in diesen
Stunden immer besonders hoch“, erzählt Miriam. Doch so hoch wie momentan ist
sie sonst nicht. „Das Orchester ist extrem motiviert! Das hat man schon bei der 1. Probe gemerkt. Sie sind besser vorbereitet als üblich und die Motivation und
Spielfreude merkt man bei jedem Ton, den sie spielen“, sagt Dirigent Joseph
Bastian. Im Hinblick auf den Auftritt am 28. Februar mache sich eine neue,
bisher unbekannte Anspannung und Vorfreude unter den Musikern breit.

Seit ein Tubist der Gruppe bei einem Feierabendbier vor zwei
Jahren den Wunsch aussprach, einmal in seinem Leben Gustav Mahler vor Publikum
zu spielen, ist das Abaco-Orchester in ständiger Planung. Was zuerst völlig
unmöglich erscheint, wird innerhalb der  nächsten
Wochen abgewogen. Dabei beschäftigte die Organisatoren vor allem: Wo kriegen
wir die fehlenden Musiker und den Chor her? Wo können wir auftreten mit gut 400
Akteuren? Normalerweise spielen die 80 bis 100 Musiker in kleineren Räume. Im
Herkules-Saal oder in der Großen Aula der LMU fallen nur Reinigungskosten an.
Doch hier kann Mahler nicht aufgeführt werden.

Zweifel bleiben. Trotzdem mietet das Orchester die
Philharmonie im Gasteig an. Sie erhalten einen Termin mit eineinhalb Jahren
Vorlaufzeit. Genug Vorlauf, um die 13 000 Euro Raummiete aufzutreiben. Anna
Leibiger startet mit dem Fundraising-Team eine Crowdfunding-Aktion. Bis zum 9.
Januar dieses Jahres schaffen sie und ihre Mitspieler es, die erhoffte Grenze
zu knacken. Mehr als 100 Spender tragen die Summe zusammen. Das Konzert ist
sicher. „Wäre das Geld nicht zusammen gekommen, hätten wir trotzdem auftreten
müssen und die nachfolgenden Semester damit verbracht, die finanzielle Lücke zu
schließen“, sagt Anna. Besondere Auftritte wären dieses Jahr sonst nicht mehr
möglich gewesen. Das sonst unter Höchstkonzentration stehende Orchester atmet
auf.

Friederike Krüger