Sie besetzen eine Nische, und das ziemlich erfolgreich. Mit ihrem Emo-Rock tourten Running Choke bereits in den USA und nahmen dort auch Songs für ihre EP auf. Schöne Melodien, gezupfte Gitarren und ein bisschen verkitschte Rebellion. Die fünf jungen Musiker schaffen sich eine eigene Ästhetik, die eine bestimmte Gruppe abgrenzungswilliger und verliebter Teenager ansprechen dürfte.
Den deutschen Charts wird gerade eine Art Nischenaffinität zugeschrieben. Natürlich nicht in den Single-Charts, die sind spätestens seit Spotify tatsächlich nur noch die oben schwimmenden Fettaugen der Pop-Szene. Kein irgendwie andersartiger Song schafft es da in die Top-Ten, geschweige denn auf Platz Eins. Doch anders ist das in den Album-Charts. Da hat sich sogar etwas gedreht, seit das Internet den Musikmarkt so aufschüttelte. Denn mit Downloads werden Alben obsolet für alle, die keine fanatischen Liebhaber sind. Alben sind etwas für treue Fans. Alle anderen kaufen einzelne Songs. Und die treuesten Fans gibt es nun einmal in der Nische. Etwa im Mittelalter-Rock, was der bis dato recht unbekannten Band Saltatio Mortis gerade ein Nummer-Eins-Album beschert hat.
Eine ähnliche Nische wie die Mittelalter-Imitatoren besetzen die Emos. Das kommt von „Emotional“ und bildete sich quasi als die gefühlige Seite von verzerrter Gitarrenmusik heraus. Da trug man als Fan zum standardisierten Schwarz auch noch Pink und sah ein bisschen aus wie einem japanischen Manga-Comic entsprungen. Emo war eine Zeit lang ziemlich im Mainstream angekommen – Bands wie My Chemical Romance oder Jimmy eat World waren in den Charts, irgendwo zwischen Nische und Masse. Dann kam Tokio Hotel und versaute dem Emo die Abgrenzung zum Mainstream, was die Bewegung ein wenig zerschlug. Und nun, knapp zehn Jahre später, spielt eine Münchner Band wieder mit diesem Stil; und hat damit genau den Erfolg wie die Mittelalter-Kapellen, bei denen man sich fragt, woher all die Fans so plötzlich kommen. Running Choke (Foto: Benedikt Reiwald) bringen es auf knapp 5000 Facebook-Fans, tourten in den USA und sind ganz gut dabei in einem Musikgeschäft, das längst als tot gilt.
Obwohl die Musik, die sie machen, nicht so überrascht: Das sind sehr schöne Melodien, die Running Choke da auf ihrer EP „Where we belong“ spielen. Da werden Gitarren gezupft und berührt, aber auch ein wenig erwartbar darauf gesungen. Doch was im Emo passiert ist, ist die Verkitschung von Rebellion. Wie in einer Soap-Opera sind da plötzlich dramaturgische Wendungen möglich, die vorher im Anti-Genre Rock nicht so recht funktionieren wollten: Das gilt für My Chemical Romance, die der düsteren Gothic-Romantik einen massentauglicheren Anstrich gaben. Und das gilt für Running Choke, die Teenie-Liebe in die Rockmusik holen. Da wird auf dem Cover-Foto der EP geknutscht, ein junges Paar im Sonnenuntergangs-Gegenlicht über Bahngleisen. Kunstwissenschaftlich ließe sich das auseinandernehmen und in der Zeichenhaftigkeit des Unendlichkeitswillen bis in die Romantik zurückverfolgen. Und in der Pop-Kultur ist ein derartiger Flirt mit der Ästhetik von Bravo-Foto-Love-Storys aus den Neunzigerjahren wieder Rebellion. Denn selbst in der Bravo wird Teenie-Verliebtheit heute vermutlich abgeklärter dargestellt. Doch das Quintett um Sänger Christian Beschowetz – der am liebsten in der schwarzen Version einer Sergeant-Peppers-Uniform auftritt – schafft sich da ganz geschickt eine eigene Ästhetik, zusammengesetzt aus bekannten Versatzstücken, die eine bestimmte Gruppe abgrenzungswilliger und verliebter Teenager ansprechen dürfte.
Und die gibt es nicht nur in Deutschland. Weshalb Running Choke auch schon längst den Sprung nach Nordamerika gemacht haben. Etwas, auf das viele Münchner und deutsche Bands vergeblich warten. Doch die Nische fördert eben auch den Zusammenhalt – und so wurden die vier Musiker schon 2013 von einem lokalen, kleinen Label nach Los Angeles eingeladen. Sowohl, um dort live aufzutreten, als auch weitere Songs für ihre EP aufzunehmen.
Stil: Emo / Alternative Rock
Besetzung: Christian Beschowetz
(Gesang), Benedikt Seifert (Lead-Gitarre), David Friedrich
(Rhythmus-Gitarre), Walter Wahnsinn Jr (Bass), Simon Weidmann
(Schlagzeug)
Seit: 2012
Aus: München
Internet: www.running-choke.com
Rita Argauer
Foto:
Benedikt Reiwald