Wenn Oma Anna fehlt


Der junge Kabarettist Martin Frank kommt aus Niederbayern nach München, um Schauspieler zu werden. Und er fährt an jedem Wochenende von München nach Niederbayern, um wirklich daheim zu sein.

Von Anne Gerstenberg

Die Blicke der Fahrgäste: irritiert, abweisend. Dabei wollte Martin Frank, 24, doch nur freundlich sein. Mit einem herzlichen „Grüß Gott beinand“ betritt er am Marienplatz die U-Bahn – so hat ihm das seine Großmutter vom Bauernhof, wo er herkommt, beigebracht. Und doch blickt Martin in lauter konsternierte Gesichter. Dass diese Form der Höflichkeit in München nicht so üblich ist und nicht zur allgemeinen Stimmung beiträgt, wusste er nicht. Diese typische Szene zeigt den Kontrast zwischen Land und Stadt, es ist eine von vielen Beispielen aus dem Programm des jungen Kabarettisten, der aus dem tiefsten Niederbayern kam, um sich in München seinen großen Traum zu erfüllen, Schauspieler zu werden. Und doch ist seine Suche nach dem Glück noch nicht ganz abgeschlossen. 

Heute ist Martin Frank Kabarettist und besucht eine Münchner Schauspielschule, die schon viele Kabarettisten hervorgebracht hat. Er ist mit seinem Programm an den Wochenenden ausgebucht und kann sich davon die Schauspielschule und das Leben in München leisten. Die Neugierde und die Lust auf die große Welt haben ihn in die Großstadt getrieben. Aber so richtig heimisch fühlt sich Martin in München aber nicht. Die Unfreundlichkeit der vermeintlich so weltoffenen Stadtmenschen verwundert ihn. Er sitzt in der U-Bahn, ist seinem Traum zum Greifen nahe und fühlt sich doch verloren und fehl am Platz.

So ist auch sein aktuelles Programm entstanden. In „Alles ein bisschen anders“ erzählt seine Bühnenfigur, der leicht affektiert-infantile, naive und grenzunbekümmerte „Bua vom Bauernhof“ von seiner Konfrontation mit der Großstadt und all den Fettnäpfchen, die da so auftauchen. Seine Pointen bestechen durch ihre entwaffnende Ehrlichkeit. Oft taucht als moralische Instanz seine streng katholische Großmutter Anna in seinem Programm auf. Die hat ihn großgezogen auf dem Bauernhof und ihm eben den Benimm beigebracht, der in München nicht so recht funktionieren mag.

„Ich finde
mich selbst
gar nicht lustig.“

„Ich mochte es schon immer am liebsten, Menschen zum Lachen zu bringen“, sagt Martin. Schon in der Schule war er immer der Klassenclown. Und auch in der Schauspielschule liegen ihm eher die komischen Rollen. Oft wird er ermahnt, weil er in ernsten Szenen fast automatisch in seine Bühnenrolle verfällt und somit alles ins Lächerliche zieht.

Die Bühnenfigur entwickelte er, als er mit 16 sein erstes Programm „Ich pubertiere“ schrieb, mit dem er über die Grenzen Bayerns hinaus die Wirtshäuser zum Lachen brachte. „Ich finde mich selbst gar nicht lustig“, sagt Frank völlig unvermittelt. Seine Bühnenrolle, sagt er ernst, gehe ihm mit ihrer Affektiertheit total auf die Nerven.

Eigentlich ist Martin Frank gelernter Standesbeamter. In seiner niederbayerischen Heimatgemeinde Hutthurm, irgendwo hinter Passau, Richtung tiefster Bayerischer Wald, hat er Paare getraut. Bis er vor fünf Jahren die Krise gekriegt hat. An dem Tag saß er lachend und gleichzeitig weinend unter seinem Schreibtisch, hatte seinen Aktenvernichter in den Armen und wusste: So konnte es nicht weiter gehen mit ihm. Am selben Tag hat er bei seinem Chef, dem Hutthurmer Bürgermeister, gekündigt und später sein Fachabitur nachgeholt. Während dieser Zeit nahm er all seinen Mut zusammen und entschied sich, seinen großen Traum zu verfolgen und auf die Schauspielschule zu gehen.

Immer noch fühlt er sich hin- und hergerissen zwischen seiner Neugierde und seiner Heimatverbundenheit. Die vier Tage, die er mit Auftritten vergangenen Monat in Berlin verbrachte, waren die längste Zeit, die er von zu Hause weg war. Ansonsten fährt er jedes Wochenende nach einer Show wieder heim auf den Bauernhof zu seiner Familie. Er ist Organist der heimischen Pfarrgemeinde Sankt Martin und spielt dort jeden Sonntag in der Messe. Und er ist Mitglied im Hutthurmer Gemeinderat: Er will informiert bleiben über das Geschehen in seiner Heimat.

Trotzdem zieht es ihn wie magisch hinaus in die Welt. „Ich bin süchtig nach neuen Eindrücken und Bekanntschaften“, sagt er. Sein Blick streift überall umher, saugt alles auf und analysiert. Fast hat es den Anschein, als würde er prüfen, ob die Situation für eine Pointe reicht. Er redet durchgehend Bairisch und, wenn er mal Hochdeutsch redet, dann nimmt sein Gesicht einen affektiert-ernsten Blick an. Er spricht sehr bedacht, und doch klingt es, als wolle er sich über etwas lustig machen.

Martin hat mittlerweile eine große Routine auf der Bühne. Trotzdem leidet er unter Lampenfieber. Anfangs setzte er zu den Auftritten einfach seine Brille ab, damit er das Publikum nur unscharf wahrnahm. Inzwischen trägt er seine Brille, um den Kontakt zu Publikum zu haben und besser festzustellen, ob seine Pointen auch zünden. „Ich fixiere mich auf einen Grantler, der die ganz Zeit ernst ist, und spiele ihn so lange an, bis er lacht.“ Für ihn gibt es zwei Sorten von Publikum. Das Abonnement-Publikum, das sich vor lauter Routine von nichts mehr mitreißen lässt, und das dankbare Publikum, das über alles lacht. Der junge Kabarettist tritt am liebsten vor einer gesunden Mischung aus beiden auf.

In der Welt von Martin Frank ist jedes Erlebnis eine lustige Geschichte. So hat ihn zum Beispiel kurz vor einem Auftritt im Münchner Viehhof Monika Gruber angerufen und ihn eingeladen, gemeinsam mit ihr Silvester in Salzburg zu feiern. Monika Gruber? Martin wundert sich, warum die Frau vom Nachbarbauernhof in Hutthurm, eben die „Gruber Monika“, ihn einfach so anruft und fragt, wie es ihm geht. Erst langsam wird ihm bewusst, wer da gerade am Telefon ist.

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Mira

Mira scheut den
weiß-blau-behimmelten Spätsommer. Statt zum tausendsten Mal in diesem Jahr
irgendwo in der Sonne rumzuliegen, macht sie sich lieber auf ihren Weg von
Ausstellung zu Konzert zu Tanz zu Ausstellung. Und freut sich auf das bisschen
an vorausgesagten Wolken.

Für Deutschland ist so ein Sommer wie dieses Jahr
ungewöhnlich. Hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Insofern geht der
Ideenreichtum bei Außenaktivitäten irgendwann zu Neige. Gut, wenn dann das
Wetter vielleicht sogar mal wieder etwas unbeständiger werden soll. Aber auch
sonst werde ich diese Woche höchstens auf meinem Weg von Veranstaltung zu
Veranstaltung Zeit draußen verbringen. Ich will endlich mal wieder auf Konzerte
und ins Kino gehen. Und in verschwitzten und viel zu eng zusammen gedrückten
Mengen tanzen. Alle anderen können sich ja schon wieder in den Englischen
Garten legen, vorausgesetzt, das Wetter lässt es zu. Ich beginne das Wochenende
am Freitagvormittag aber zuerst mit
einem Besuch in der Kunsthalle München. An diesem Tag beginnt die Ausstellung „Jean Paul Gaultier“.
Der unangepasste Modeschöpfer, von dem ich erst kürzlich ein sehr sympatisches Interview im
SZ-Magazin gelesen habe, ist von 11 bis 12 sogar selbst anwesend, um die
Ausstellungskataloge zu signieren. Abends suche ich das Import Export am
Leonrodplatz auf, um mir SASEBO und G’rag &
die Landlergeschwister
anzuhören. Das Import Export macht mir mit seinen
Veranstaltungen immer wieder Freude, und an diesem Tag ist der Eintritt sogar
frei, was mein Herz gleich nochmal höher schlagen lässt.

Am Samstag werde
ich den Tag gemütlich beginnen, mit Kaffee in der Küche zu Musik und Zeitung.
Am Abend gehe ich ins Ampere zum Jalla World Music Club.
Wer Spaß am ausgelassenen Tanz ohne Hipster-Etikett hat, kommt hier für gewöhnlich
zu Balkan und Arabic Beats auf seine/ihre Kosten.

Der Sonntag wird
dann vormittags eher inaktiv bleiben. Gegen Nachmittag werde ich nochmal in der
Flüchtlingsunterkunft in der Richelstraße bei der Donnersbergerbrücke
vorbeischauen, ob sie Hilfe gebrauchen können. 

Am Montag mache
ich mich frisch beschwingt auf in die neue Woche. Abends gehe ich ins Kino, wobei
es mir schwer fällt, mich zu entscheiden. Entweder „45 Years“
mit Charlotte Rampling, oder die Daniel-Kehlmann-Verfilmung „Ich und
Kaminski“
mit Daniel Brühl in der Hauptrolle. Ich entscheide mich für
letzteren und hoffe, dass der Geldbeutel am Ende der Woche noch genug hergibt,
um Charlotte auf der Leinwand zu erleben, die als Rentnerin hinter die Fassade
der Liebe blicken muss.

Am Dienstag verzagt
mein aufregendes Abendprogramm etwas. Ich widme mich dafür den vielen Büchern,
die ich schon lange lesen wollte und gehe früh zu Bett.

Mittwochs gehe
ich in die Pinakothek
der Moderne
, in der an diesem Tag der Eintritt immer frei ist, wandere
stundenlang durch das weitläufige Gebäude und schaue mir unter anderem
Fotografien aus der Zeit der Weimarer Republik an. Interesting!

Durch das Eingesparte in den vorherigen Tagen kann ich mir
am Donnerstag den Eintritt wieder
leisten und gehe in die Villa Stuck zur Retrospektive
/ Evelyn Hofer
. Das Titelbild finde ich schon mal sehr ansprechend.

Am Freitag fahre ich mit einer niederbayerischen Freundin
„in die Heimat“ zur Viechtacher
Literaturrevue
. Die soll „voll gut“ sein, sagt sie. Ich glaube ihr.

Mira Sonia Bahl

Foto: privat