Band der Woche: Kytes

Im Sommer haben die Kytes mit ihrem eingängigen Indie-Pop die Bühnen der Republik gestürmt, derzeit ziehen sie sich auf eine Hütte zurück, um trotz des öffentlichen Drucks ihren eigenen Sound finden zu können

Es ist erstaunlich, wie sehr Werbung, Kreativität, Wirtschaft und Musik mittlerweile verknüpft sind. Vor gar nicht langer Zeit existierten da noch harte Trennlinien. Ein bisschen lassen sich diese Pole in der Indie-Musik anhand der Werbung eines großen Handyanbieters nachzeichnen. 2001 schon benutzte diese Handyfirma einen Song der Alternative-Indie-Band The Dandy Warhols in einer Werbung. Eigentlich war der Song „Bohemian like you“ bereits ein Jahr zuvor erschienen, der Erfolg durch diesen Clip war jedoch so groß für die Band, dass sie die Single im Anschluss daran noch einmal neu veröffentlichten, damit in die Charts einstiegen und den Anfang der Mainstream-Karriere des vormals alternativen Musikstils Indie-Rock einleiteten.

Seitdem sucht diese Handyfirma im Besonderen und die Werbung im Allgemeinen die Nähe zu dem alternativen Lifestyle, der eben über die vergangenen 15 Jahre zum standardisierten Way-of-Life der Millennials wurde. Auf die Musik hat das natürlich enorme Auswirkungen. Es ist keine Anti-Haltung zum Mainstream mehr, eine Indie-Band zu gründen; ganz im Gegenteil. Man sieht das auch im Handywerbungsvergleich: Während The Notwist noch aus einer alternativen Anti-Haltung heraus einst die Anfrage dieses Telefonkonzerns um ihren ja thematisch durchaus passenden Song „Pick up the phone“ ablehnten, ist die Werbeverwertung der Musik heute fast eine Auszeichnung. 

Etwa bei der erfolgreichen Münchner Indie-Band Kytes. In deren aktuellem Biografie-Text wird stolz darauf verwiesen, dass ihr Song „On the Run“ half, „schätzungsweise 100 Millionen Call-Ya-Tarife“ zu verkaufen. Den Erlös, den das Münchner Quartett dafür bekam, nutzte es jedoch, um ihr Debüt-Album „Heads and Tales“ aufzunehmen und zu produzieren. Und die Musiker kauften sich dafür einen Band-Bus. Und beides brauchte es auch, um an diesen doch vergleichsweise überragenden Punkt zu kommen, den die Band in knapp zwei Jahren nun erreicht hat: das professionelle Musiker-Dasein, das gerade in der Auszeichnung des New-Music-Awards in Berlin gipfelte. Einer Auszeichnung der bundesweiten jungen Radio-Programme der ARD, die 2013 etwa die Münchner Band Exclusive bekam. Bei denen stand Major-Deal und Professionalisierung zu der Zeit dann auch nichts mehr im Weg. Ähnlich ist das bei den Kytes: In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sie bundesweit mehr als 100 Konzerte gespielt, auf Festivals, unter anderem dem „South by Southwest“ in Texas überzeugt und im September das Debüt-Album veröffentlicht, das ihren eingängigen Indie-Pop noch mehr Menschen zugänglich machte. „Erfolg ist für uns, wenn wir immer einen Schritt weiter gehen können“, erklären sie, „wenn wir durch unsere Musik mehr Menschen erreichen, größere Shows spielen und einfach Zeit zum Musik machen finden.“ 

Und da klingt das Quartett, das seine Karriere vor zwei Jahren nach ersten Erfahrungen in der Schülerband Blind Freddy noch einmal völlig neu aufsetzte, dann trotz der kommerziellen Ausrichtung wieder ein wenig idealistisch. Denn Erfolg sei für sie auch die Zeit, in der sie sich einsam auf abgelegene Hütten zurückziehen könnten, um dort an neuen Songs zu arbeiten, in der Hoffnung, dass da eventuell vielleicht sogar eine neue EP herausspringe. In einer Hütte in Mittenwald sind sie gerade, mit Musikern der Band Claire, um dort neue Wege auszuprobieren. „Viel Musik ohne Druck machen und einfach spielen, spielen, spielen,“ erklären sie. Es könnte sein, dass die Musik dabei etwas roher und dreckiger werde, festlegen wollen sie sich aber noch nicht. Und ein wenig haben sie etwas erreicht, was nicht viele junge Bands derzeit haben: Ohne finanziellen Druck Musik zu machen. Heutzutage geht das wohl nicht mehr ohne Zugeständnisse an die Industrie.  

Stil: Indie-Pop

Besetzung: Michael Spieler (Gitarre, Gesang), Timophy Lush (Schlagzeug, Texte), Kerim Öke (Gitarre, Keyboards), Thomas Sedlacek (Bass, Synthesizer)

Aus: München

Seit: 2013

Internet: www.kytesmusic.com

Text: Rita Argauer

Foto: Christoph Schaller

Band der Woche: Mola

Bands wie Mola mit ihrem subkulturellen Mainstream-Pop hätte es ohne den Demokratisierungsprozess in der Musikindustrie durch das Internet vielleicht nicht geben. Isabella Streifeneder singt auf Deutsch und wagt Tabus, die sich früher noch wenige Bands zugetraut hätten

Mehr als zehn Jahre ist es nun schon her. Und während die wenigen großen Plattenfirmen wohl immer noch trauern, gab der Zusammenbruch der Musikindustrie auch den ausschlaggebenden künstlerischen Anschub, den Popmusik in jüngster Zeit erfuhr. Denn selbst auf den Mainstream-Markt hinproduzierte Musik ist heutzutage oft unter Indie-Maßstäben entstanden. Bis kurz nach dem Millennium hatte die Popmusik-Industrie ein Monopol inne: Die Produktion von Radio-Pop-Hits. Studiotechnik war damals noch sehr teuer und schwierig zu bedienen. In der Industrie lag das Geld, also lag es an den Managern dort, die Künstler auszuwählen, denen solche Produktionen gewährt wurden. Dann brach alles zusammen, die Musik wurde in digitaler Form entwertet, während sich Computer so rasant entwickelten, dass es nun möglich ist, als Autodidakt im heimischen Schlafzimmer die große Popnummer zu schaffen. 

Seitdem hat sich auch die Underground- und Indie-Musik-Szene rasant verändert. Denn auch hier wurde ein Monopol aufgegeben: Nicht alles, was abseits der Vermarktungsmaschinerie der Industrie stattfindet, ist noch zwangsläufig Subkultur. Es gibt in München derzeit fast mehr Musiker, die auf den Mainstream zugeschnittene Pop-Musik machen. Eine von diesen Bands ist Mola. Der Ausdruck Band stimmt hier eigentlich gar nicht. Denn bei Mola geht es in erster Linie um die Sängerin und Songwriterin Isabella Streifeneder. Die bringt die Voraussetzungen mit, auf die die Plattenbosse vor der Industriekrise angesprungen wären: Sehr flexible und soulig-groovende Stimme, hohe Musikalität, eine tolles Gespür fürs Songwriting. Doch heutzutage springen die Plattenriesen erst an, wenn alle Vorarbeit erledigt ist. Also stellte sich Isabella, die seit ihrem fünften Lebensjahr Klavier spielt (klassisch) und dann in der Pubertät begann, eigene Songs zu schreiben (ebenso klassischer Weg), ihre eigene Band zusammen. „Also Mola ist eine Band, mit festen Bandmitgliedern, aber gleichzeitig auch ein Projekt, da verschiedenste Menschen daran mitarbeiten“, erklärt sie, der „rote Faden“ sei, dass sie die Songs schreibe und singe. Und das funktioniert herrlich gut und klingt ein bisschen nach Morcheeba, der Easy-Listening-Variante der Trip-Hop-Bewegung. Isabella singt jedoch auf Deutsch, scheut nicht davor zurück, diese für die Popmusik bisweilen so unglückliche Sprache zu dehnen und in die Takte hinein zu zerren. Solche Melismen erinnerten auf Deutsch bis vor kurzen immer arg an Retro-Schlager. Mittlerweile ist diese Assoziation aber gebrochen, auch weil diese neue Art der subkulturellen Mainstream-Pop-Produktion eben noch einen anderen Aspekt in die Musik bringt: Da werden mittlerweile Tabus gebrochen, die man sich früher, als solche Musik nach Rezept produziert und finanziell gesättigt für den schnellen Verkauf veröffentlicht wurde, nicht getraut hätte.

Unter diesen neuen Underground-Mainstream-Acts, die es in München derzeit mit Nick Yume, mit Kleyo, mit Cosby oder mit Claire immer zahlreicher gibt, gehört Mola zu den einfallsreichsten und mutigsten. „In der Popmusik kann man mit verschiedensten Richtungen und Einflüssen spielen“, sagt Isabella, „irgendwie ist man so schön frei. Ich selber höre alles Mögliche.“ Damit bringt sie, unvorbelastet und der Industrie entronnen, all das auf den Punkt, was Pop-Musik ausmachte, bevor die Industrie von den Siebzigerjahren an mit Geld übersättigt war. Der Nachteil: Ein wirkliches Gehalt, dass es Bands wie Mola gestatten würde, von der Musik zu leben, gibt es nicht. Musik ist zum allzeit verfügbaren Gratis-Gut geworden. Man kann nur hoffen, dass der Markt endlich einen Mittelweg findet. Bis dahin kann man Molas vor Idealismus strotzenden Mainstream hören. Zum Beispiel am Mittwoch, 30. November, im Audi-Dome beim Spiel des FC Bayern Basketball.  

Text: Rita Argauer

Foto: Jakob Paul