Band der Woche: Kraut & Ruhm

image

Wie ambivalent bayerische Tradition interpretiert werden kann, zeigt nicht zuletzt die Seehofer’sche Idee einer “Leitkultur”. Kraut & Ruhm demonstrieren eindrucksvoll, dass Mundart und Bläsersatz nicht zwangsläufig mit schwarzer Parteilinie gleichzusetzen sind. Im Gegenteil.

Nach seinen Klischees beurteilt sind Bayern und dessen Bewohner ein wenig schizophren. Einerseits gibt es hier eine strenge traditionelle Einstellung, die politisch zu einem beinahe Ein-Parteien-System führt und zu einem Image, für das das Wort Hinterwäldler noch zahm erscheint. Andererseits hatte man hier für kurze Zeit eine Räterepublik, Niederbayern ist für seine bitterböse und kritische Kabarett-Szene bekannt – und ein Anarchismus, in dem Sinne, dass Autoritäten angezweifelt und nicht ganz ernst genommen werden, gehört genauso zur Tradition. Unter diesem Aspekt ist vielleicht besser zu verstehen, dass jemand wie Hans Söllner in bester Mundart zu mehr oder weniger akustischen Reggae-Klängen staatskritische Inhalte in die Welt hinausbläst. Und unter diesem Aspekt ist es vielleicht auch veraltet, Popmusik, die in Mundart und unter den Insignien anderer bayerischer Traditionen geschrieben wird, von vorne herein als konservativ anzusehen und zu bezeichnen.

Die Band Kraut & Ruhm (Foto: privat) siedelt sich in genau diesem Spektrum an. Schon das Bandfoto ist mit allerhand Traditionsinsignien ausgestattet: Das Sextett, das sich ursprünglich in Jetzendorf, einem laut Selbstbeschreibung „wunderschönen Kuhkaff, circa 50 Kilometer von München entfernt“ zusammenfand, präsentiert sich an einem Stammtisch – samt Bier und der Düsternis, die man gemeinhin solch tradierten Unternehmungen wie Stammtischen unterstellen könnte. Doch musikalisch und textlich begeben sich die Musiker, die mittlerweile in München leben und studieren, in eine politische Ecke, die man gemeinhin eher dem Punk zuschreibt. Gar als „linksradikal“ bezeichnen sie sich, zumindest die Gesinnung, die die Musiker als „Überbleibsel“ aus früheren Teenager-Zeiten in Punkbands mitbringen. Jetzt klingt das musikalisch zumindest alles zahmer: Die Gitarren tragen über Off-Beats ein wenig Reggae-Flair, hinzu kommen Bläsersätze und ein sanft begleitendes Schlagzeug. Sänger Domä nimmt dazu, etwa im Song „Obacht“, fast eine Moritaten-Attitüde ein, wenn er über soziale Missstände singt. Strukturell erinnert das an die Tradition der Gstanzl-Sänger: Anekdotische Strophe reiht sich an anekdotische Strophe und dazwischen folgt in einer Art Refrain, der harmonisch aber gleich zur Strophe bleibt, die Moral der Geschichte. Und damit nehmen Kraut & Ruhm noch einen anderen Aspekt bayerischer Volksmusik in ihre Musik auf, als das etwa ein Großteil der zuletzt angesagten Bayern-Beat- und La-Brass-Banda-Bands taten.

Den Gesang im Dialekt betrachten sie dabei aber keineswegs als dogmatisch. Sängerin Miri habe etwa immer noch Probleme damit, in Mundart zu singen, deshalb übernimmt sie die englischen Passagen, die es in manchen Songs genauso gibt. Sie hätten Musik „schon immer als eine Möglichkeit wahrgenommen, auf gesellschaftliche Missstände oder Problematiken hinzuweisen“, erklären sie. Als sie in Teenager-Jahren Bob Marley entdeckten, sei der Reggae-Einfluss hinzu gekommen. Dennoch geht es bei Kraut & Ruhm nicht nur um Dinge, die die Musiker als „verbesserungswürdig“ betrachten, also „die menschliche Gier nach Geld und Macht, Ausbeutung von Umwelt und Mitmenschen, Intoleranz“, sondern auch ein gewisser Spaß am Exzess, ganz zünftig etwa um eine „koide Mass auf der Wiesn“. Ob sie damit einen nächsten Wiesn-Hit auf dem Oktoberfest landen werden, wo die bayerische Kultur erfolgreich in Kommerz verwandelt wurde, bleibt fraglich. Denn dem Kommerz ist die Musik und die Haltung der Musiker recht fern. Dass sie deshalb auch eher im alternativen Indie-Bereich stattfinden, etwa 2016 mit einem Auftritt auf dem – in dieser Szene doch sehr traditionellen – Puch-Festival, ist viel stimmiger. 

Stil: Mundart-Mashup
Besetzung: Dominik „Domä“ (Gesang), Miriam Bettaieb (Gesang), Felix „Feeel“ Schneider (Gitarre, Background-Gesang), Simon „Seimen“ Seufert (Gitarre), Dominik „Gürti“ Gürtner (Bass), Max „Dr. Drum“ Schneider (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.krautundruhm.com

Text: Rita Argauer

Foto: Privat

Band der Woche: Django S

image

Die Jungs von
Django S bezeichnen ihren Musikstil als „Bavarian Madness“. Sie feiern politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben.

Dass Bayern in Pop-Deutschland mal wenigstens so ein bisschen beliebt werden konnte, überrascht. Bayern zeigte sich ja bisher eher glanzlos im Vergleich zu den deutschen Pop-Städten Berlin und Hamburg. Und auch, wenn da auf der nördlichen Seite viel Selbstüberschätzung und auch ein bisschen ignorante Arroganz dabei gewesen sein durfte: Mit Ausnahme von solch ausgesprochen geschmackssicheren und gleichzeitig mit hübschestem Understatement ausgestatteten Gruppen wie Slut aus Ingolstadt oder The Notwist aus Weilheim, hatte Bayern bis Mitte der Nullerjahre deutschlandweit relativ wenig zum aktuellen Pop-Geschehen beizutragen.

Mit dem Understatement war es dann jedoch schlagartig vorbei, als plötzlich auch die Rest-Republik auf den protzig-prolligen und Blaskapellen-geschulten La-Brass-Banda-Sound tanzte. Wenn schon Bayern, dann richtig Bayern. Plötzlich gab es diverse Tubas, Trompeten oder Posaunen, alle mit einfachen Vor- oder Nachschlägen, die die mehr oder weniger lustigen Mundart-Texte der jeweiligen Sänger antrieben.

Nun, diese Zeit ist jetzt auch schon wieder vorbei. Deshalb wirkt es auch fast ein wenig rückwärtsgewandt, wenn Django S ihren Musikstil weiterhin vehement als „Bavarian Madness“ bezeichnen, die sie dann auch gleich zu Lebenseinstellung und Lifestyle erheben. Wenn man jedoch in deren neues Album „Mund auf, PU-Schaum“ hineinhört, katapultiert es einen eigentlich gleich noch ein Jahrzehnt weiter nach hinten. Von den früheren Misch-Versuchen von Balkan- und Bayern-Beat hat sich das Septett mittlerweile verabschiedet. Auf dem neuen Album wird ein Stil revitalisiert, der Ende der Neunzigerjahre zuletzt an der Pop-Oberfläche schwamm: Ska-Punk, also Bläser und verzerrte Gitarren, die geballte Faust auf dem Albumcover im Stil sozialistischer Wahlplakate der Weimarer Republik sowie der Eröffnungsbrüller „Geld oder Leben“. Dessen Text darf man hier durchaus mehr metaphorisch und weniger im Wild-West-Stil verstehen: Django S machen in diesem Song den Gegensatz zwischen einem guten Leben und einem gut bezahlten Job auf. Da klingelt einem die provokativ-assoziale Hymne „Unemployed“ der Deutsch-Punk-Band Wizo in den Ohren, hinzu kommen breitbeinig rockistische Gitarren und eine Stimme, die mit Absicht ein bisschen tiefer gedrückt wird, als sie eigentlich klingen könnte. Eine ziemlich prollige Angelegenheit. Das erinnert rein musikalisch an Neunzigerjahre-Bands wie Dog Eat Dog. Oder eben aktuell an Kraftklub, was auch zum aktuellen britischen Hooligan-Look von Django S auf deren Fotos passt.

Genauer betrachtet ergibt das alles Sinn: Django S befinden sich gerade an der Grenze vom Studenten-Dasein zum Berufsleben. Das bedeutet nicht nur, dass sie das Ende der Neunzigerjahre noch als Pop-Hörer und frühe Teenager mitbekommen haben dürften, sondern auch, dass der Lebenslauf in diesem Alter in ein Arbeitsleben kippt, das im Normalfall weniger vom Party-Band-Dasein bestimmt wird. Django S sind eigentlich ganz bürgerlich aufgestellt: Alle Mitglieder haben entweder einen Ingenieurs-Beruf studiert oder studieren so ein Fach gerade noch. Doch bevor die Entscheidung zwischen Geld oder (Rocker-)Leben letztlich getroffen werden muss, feiern Django S noch einmal politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben. Das dürfte auch schon arbeitenden Menschen gefallen. Als Ausbruch. Etwa auf einem Konzert, am Freitag, 6. Oktober, im Münchner Backstage. Ein passender Ort, an dem solche Musik sowieso nie aufgehört hat und seit den Neunzigerjahren wunderbar existiert. 

Stil: Ska/Rock/Brass/Punk
Besetzung: Leonard „Dr. Faxe“ Spies (Gesang, Gitarre), Klaus „Motschep“ Moser (Bass, Gesang), Martin „Maschd“ Brandl (Gitarre), Valentin „Vallus“ Limmer (Schlagzeug), Simon „Seamon“ Maier (Trompete), Raphael „Azrael“ Opperer (Posaune), Simon „Vladi“ Ladner (Trompete)
Aus: Rosenheim, München
Seit: 2010
Internet: www.suridjangos.de

Text: Rita Argauer

Foto:
Phil Pham

Beef in Bayern

image

Die Mundart-Rapper von „Dicht & Ergreifend“ über die Wahl zur Band des Jahres, Sprachbarrieren, Reibereien in der Szene und ihre Fans, die sich Shirts mit der Aufschrift „Mordsdepp“ anziehen

Sie gelten als die Vorreiter der bayerischen Mundart-Rap-Szene, obwohl sie mittlerweile von Bayern nach Berlin gezogen sind: Michael Huber alias Urkwell und Fabian Frischmann alias Lef Dutti haben mit ihrer Rap-Kombo Dicht & Ergreifend ein sehr erfolgreiches Jahr hinter sich, auch wenn sie bei der Wahl zur Band des Jahres von Fatoni geschlagen wurden. Im Interview sprechen sie über die Deutsch-Rap-Szene, Ärger im Dorf – und Beef in der Szene.  

SZ: Bei der Wahl zur Band des Jahres 2015 habt Ihr euch ein enges Rennen mit Fatoni geliefert, das Ihr am Ende um wenige Stimmen verloren habt. Wie tief saß der Stachel der Enttäuschung?

Lef Dutti: Ich war gar nicht enttäuscht, weil ich Fatoni sehr gut finde. Ich wäre nur enttäuscht gewesen, wenn jemand anderes als er das geworden wäre. Und dadurch, dass es so ein enges Battle war, war es ja Entertainment für uns und auch für die anderen.
Urkwell: Vor allem ist Fatoni ja ganz anders an das Duell rangegangen als wir. Wir haben richtig versucht, die Fans zu animieren und das auch sehr gepusht, während Toni so eine „Ist-mir-eigentlich-egal“-Haltung nach außen getragen hat. Und genau dieser Gegensatz hat das dann ziemlich witzig gemacht.

Generell war das Jahr 2016 für Euch ja ein erfolgreiches mit vielen ausverkauften Shows. Wie geht es jetzt weiter?

Lef Dutti: Jetzt heißt es: Musik produzieren, am neuen Album arbeiten, das irgendwann 2017 erscheinen wird. Nach der langen Tour waren wir jetzt auch heiß drauf, endlich neue Lieder zu machen.
Urkwell: Und natürlich ist die Arbeit am zweiten Album was anderes als am ersten, weil wir jetzt nicht mehr so viel Zeit wie vorher haben. Es heißt ja: Für das erste Album hast du ein ganzes Leben, für das zweite dann ein Jahr. Die Erwartung ist jetzt auch eine andere.

Ihr spielt auch Konzerte über die Grenzen Bayerns hinaus, wie ist die Akzeptanz für Mundart-Rap in der Deutsch-Rap-Szene?

Lef Dutti: Eigentlich ist bayerische Mundart-Rap-Szene gar nicht in der deutschen Rap-Szene verankert.

Gibt es denn eine Grenze beim Mundart-Rap, im Hinblick auf das, was man damit erreichen kann?

Lef Dutti: Die Sprachbarriere. Aber wo es mit der Sprache nicht weitergeht, geht es mit der Musik weiter.
Urkwell: Wenn man sich mal Deutsch-Rap anschaut, da gibt es gefühlt 4000 Rapper. Und in Bayern gibt es, wenn man es wohlwollend betrachtet, maximal 50. Und ich würde mir eher 300 wünschen.

Eure Musik kritisiert häufig die bayerische Dorfmentalität, wurdet Ihr dafür auch schon angefeindet?

Urkwell: Ja, häufig. Vor allem, als es mit „Imma No“ losgegangen ist, hat sich meine Mama einiges anhören dürfen im Dorf.

Haben das Leute auf sich bezogen?

Urkwell: Einige haben sich sogar direkt angesprochen gefühlt. Im Endeffekt hat meine Mama als Dorfpsychologin – Wirtin im Dorf – alles abbekommen. Da haben sich Leute sehr echauffiert, das hat sich dann aber auch wieder gelegt. Wir haben ja auch nie komplett übertrieben, sondern versucht, einen Mittelweg zu finden, der zwar kritisch ist, aber es gab keine sinnlos krassen Äußerungen.

Haben Niederbayern eigentlich Humor?

Urkwell: Warum?

Ihr verkauft lustige Fan-T-Shirts. Und bei Konzerten wie im Circus Krone stehen dann Hunderte Fans vor Euch, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Mordsdepp“ tragen. Wie entstehen solche Sprüche?

Urkwell: Das passiert einfach. Wenn wir irgendwas geil finden, wie etwa unseren Bandnamen oder das T-Shirt, dann machen wir das. Die Fragen kommen dann erst später.
Lef Dutti: Ich sage jetzt mal, dass 80 Prozent der Leute, die das T-Shirt tragen, nicht wissen, woher dieser Witz kommt. Run DMC und Mos Def waren die Ersten, die dieses T-Shirts gemacht haben. Und obwohl das meiner Ansicht nach die meisten wohl nicht wissen, finden sie komischerweise das Shirt trotzdem cool. Ehrlich gesagt: keine Ahnung wieso.

Die Akzeptanz der Fans ist hoch, aber gibt es da in der Szene auch mal Kritik? Neulich war in der „Süddeutschen Zeitung“ …

Urkwell: Wir wissen Bescheid.

Es war  in dem Artikel die Rede davon, dass Eure „Blasmusik-Verpoppung des Mundart-Raps“ nicht überall gut ankommt.

Urkwell: Derjenige, der das gesagt oder geschrieben hat, der hat sich das Album nicht wirklich angehört. Amen!
Lef Dutti: Natürlich sind da Pop-Elemente drauf. Zum Glück, sonst wäre das ja total fad. Und solche Elemente sind wichtig, denn ehrlich, was ist denn Realness?

Ist Realness überhaupt relevant für euch?

Lef Dutti: Nein, für mich nicht. Also zumindest nicht, wenn das bedeutet, dass man immer nur dasselbe macht. Realness ist, wenn man nicht immer das Gleiche macht und trotzdem zusammenbringt, dass es am Ende nicht scheiße klingt.

Interview: Philipp Kreiter

Foto: Daniel HD Schröder