Band der Woche: Splashing Hill

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Pop gemixt mit den Klängen eines Klaviers ergibt den Musikstil von Splashing Hill: Piano-Pop. Der Gesang und die anderen Instrumente richten sich nach dem Tasteninstrument.

Klaviere sind nicht besonders gruppentaugliche Instrumente. Vielmehr sind diese riesigen Holzkästen so etwas wie die Platzhirsche unter den Tonerzeugern, die den Tonumfang eines ganzen Orchesters für sich einfordern und dementsprechend im Zusammenspiel eigentlich immer irgendein anderes Instrument stören. In der klassischen Musik gleicht ein Klavierkonzert deshalb kompositorisch auch mehr einem Kampf zwischen Orchester und Solist. Da Musik aber auch spannend wird, wenn nicht immer alles ganz harmonisch zugeht, liegt im Kampf um Frequenzen auch immer ein gewisser Reiz. Auch in der Popmusik ist der spürbar. Bands mit Klavier sind besonders. Dabei geht es nicht um Keyboards oder Synthesizer, die sind mehr das Gegenteil eines Klaviers: Denn deren flächige Klangfarben fügen sich meist wunderbar in den Rest der Band ein. Ein Klavier jedoch klingt auch ohne andere Instrumente hervorragend voll, vor allem wenn man es – wie ein Amanda Palmer bei den Dresden Dolls – wie eine Punkgitarre spielt. Wenn das Klavier sich allerdings in den (Rock-) Bandkontext einfügen soll, findet man es meist in ewig klimpernden aufgelösten Akkorden, so wie beim Britpop der Nullerjahre à la Coldplay oder Keane. Oder aber es verbreitet Spieluhr-Nostalgie im Walzertakt im Sinne Yann Tiersens.

Die Münchner Band Splashing Hill erschafft ihren Sound genau in der Mitte dieser beiden Ausprägungen. Aufs erste Hören irritiert das ganz schön. Das präsente und rhythmisch meist auch recht rasende Klavierspiel von Sänger Benedikt Becker klingt gleichzeitig altbacken und ungewohnt. Ständig klimpert es in dieser Musik, das Instrument macht seinem Platzhirsch-Image alle Ehre, denn die anderen Instrumente dieser mit Bass, Schlagzeug, Gitarre und einem weiteren Keyboard eigentlich recht üppig besetzten Band spielen da zwangsläufig immer die Begleiter-Rolle. Doch lässt man die Musik von Splashing Hill ein wenig laufen, gewöhnt sich das Gehirn an das ungewöhnliche Klangbild und plötzlich tauchen Strukturen, Gefühle und Differenzierungen im Soundwust auf. „Unser Stil entstand aus jahrelangen Experimenten und über viele Umwege“, erklären sie dazu. Etwa planten sie einst ihre Musik etwas elektronischer zu gestalten, seien aber letztlich wieder zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt: „Wir hatten über die Jahre versucht, mit der Zeit zu gehen und modern zu werden, erkannten dann aber bald, dass wir uns damit keinen Gefallen tun“, sagen sie und klingen dabei etwas großelterlich. Doch in der Musik löst sich dieser sich selbst treu bleibende Ansatz ein. Hier kämpft keiner mehr gegen das Klavier, vielmehr stünde das „Klavier klar im Vordergrund“, erklären sie.

Alle spielen also dem Klavier hinterher. Auch Benedikts Gesang. So lässt sich etwa der Song „Napoleon“, zu dem die Band gerade ein neues Video veröffentlich hat, erst mal gut Zeit, bevor der Gesang überhaupt einsetzt. Und da wird dann auch hörbar, dass diese Musiker sich gut kennen und sich seit zehn Jahren aufeinander abstimmen. Schon zu Schulzeiten haben sie sich kennengelernt und gemeinsam in Coverbands gespielt. 2018 wollen sie nun mit neuen Songs ins Studio gehen. Und der Plan klingt extrem. Denn Keyboarderin Susanne Augustin hat ebenfalls eine klassische Klavierausbildung. Also kündigen sie ein Set-up von zwei Pianos, einer cleanen Gitarre und seit neuestem auch noch einer zusätzlichen Trompete an. Doch Mozart komponierte im Übrigen auch ein Orchesterkonzert mit zwei Solo-Klavieren. Das klingt üppig, wird aber doch häufig aufgeführt. 

Stil: Piano-Pop
Besetzung: Benedikt Becker (Gesang, Klavier), David Steinbauer (Gesang, Gitarre), Susanne Augustin (Gesang, Keyboard), Martin Ritter (Bass), Vincent Becker (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.splashinghill.com

Text: Rita Argauer


Foto: Fritz Bielmeier

Band der Woche: Paar

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Die Musiker von Paar geben nicht nur sich verschlossen, sondern auch ihre Musik. Kommen sie aus ihrem Versteck, erwartet die Zuhörer ein Minimalismus mit feinen Melodien.

Das zeigen die Post-Punker am 19. Januar in der Roten Sonne, wenn sie ihr erstes Musikvideo vorstellen.

Sich richtig zu verstecken, ist eine Kunst. Vor allem in der Kunst- oder Musikwelt. Denn wenn ein Musiker nicht nur und ausschließlich für sich Musik machen will, muss er irgendwann aus seinem Probenzimmer herauskommen und das Versteck verlassen, damit ein potenzielles Publikum die Möglichkeit hat, die erschaffene Kunst wahrzunehmen. Andererseits sind zu offensichtliche Anpreisungen der eigenen Kunst immer latent unsympathisch. Derjenige, der seinem Hörer via Kunst zubrüllt, wie toll er ist und dass man ihn doch bitte anhören möge, erreicht damit oft das Gegenteil. Das richtige Maß an Verstecken will also gelernt sein. Besonders dann, wenn einen noch nicht so viele Menschen kennen. Denn eine derart konsequente Öffentlichkeitsvermeidung, wie das etwa Radiohead seit einigen Jahren betreiben, kann man sich auch nur leisten, wenn ein prinzipielles Interesse an der Band bereits vorhanden ist.

Die Münchner Band Paar kennen noch nicht so viele Menschen. Deshalb ist der Weg des Versteckens bei dieser Band auch besonders ausgeklügelt. Denn der Wille, eigentlich nicht mit marktschreierischem Pop-Appeal aufzutreten, ist bei diesem Trio besonders ausgeprägt. Rein gar nichts, was über die Musik und die kunstvoll an deren Ästhetik angepassten Fotos hinausgeht, lässt diese Band nach außen. Sängerin Ly Nguyen sowie die beiden Instrumentalisten Rico Sperl und Matthias Zimmermann geben sich verschlossen, sie sind genauso wie ihre Musik. Sie übernehmen die Maschinen-Fixierung der Industrial- und Drone-Szene, wenn den Song „To have and to hold“ als Titelbild eine Detailaufnahme eines Krans ziert; mächtig, roh und düster und natürlich in Schwarz-Weiß. Die Musik dazu ist minimal arrangiert: einzelne Bass-Töne, leicht verzerrt, dazu ein Feedbacksirren, ein stumpfes Schlagzeug und langsam voranschreitende Rhythmik. Ly singt dazu mit dunklem Timbre von Verlust. Doch Paar haben es eben doch recht gut raus, bis zu welchem Grad sich das Verstecken lohnt. Denn ihre Musik hält trotzdem genug Inhalt bereit, um den Hörer zu binden. So liegen in ihrem Minimalismus feine Melodien, „There is someone who cares, with a heart of gold“ singt Ly dazu passend später im Song. Das goldene Herz musikalisch hörbar zu machen, das ginge zu weit, doch die Ahnung davon liegt in der Musik – vor allem auch in den mehr treibenden Songs, deutlich inspiriert vom Postpunk der Achtzigerjahre, voller Hall, Noise und Echo und dennoch mit einem nicht unerheblichen Maß an Pop-Appeal.

Seit 2016 spielt das Trio zusammen. Angefangen haben sie als ein reines Internet-Computer-Projekt, weil die Bandmitglieder in verschiedenen Städten lebten. Und obwohl sie jetzt alle in München wohnen und proben, blieb das Kühle und Distanzierte in den Songs bestehen. 2017 veröffentlichten sie eine EP, die Produktion einer zweiten haben sie für dieses Jahr geplant.

Die Verschlossenheit ihrer Ästhetik kommt gut an. Vor allem in den Kreisen, die sich dem Mainstream per Lebeneinstellung verschließen. Die folgen Paar gerne in den Nebel, den sie als Bühnenshow genauso einsetzen wie in ihrer Musik. So begleiteten sie etwa die Verleihung des „zwei:eins“-Kunstpreises in der Akademie der Bildenden Künste oder spielten in einem opulenten Saal im Hotel-Projekt Lovelace. Das beschert Paar nicht nur recht dekorative Bandfotos, wenn sie – verschlossen und schwarz gekleidet – in imperialem Ambiente stehen, sondern auch eine gewisse Aufmerksamkeit. Am Freitag, 19. Januar, präsentieren sie ihr erstes Musikvideo in der Roten Sonne. 

Stil: Post-Punk
Besetzung: Ly Nguyen (Gesang), Rico Sperl (Bass, Drum Machine, Synthesizer), Matthias Zimmermann (Gitarre)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.paarmusic.bandcamp.com

Text: Rita Argauer


Foto: Michele Di Dio

Band der Woche: Swan Valley Heights

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Stoner-Rock ist das Genre des Trios Swan Valley Heights. Ihr Sound ist eine psychedelisch-einlullende Art der Rockmusik.  Auch wenn in München keine Hitze herrscht wie dort, wo der Musikstil herkommt, bringt die Band das Gefühl rüber, als wäre man in der Wüste.

Es ist schon interessant, wie eindeutig manche Musikstile geografisch verortet sind. In der alpinen Musik klingen etwa die Hörner, weil sich eben so Töne gut über das Echo der Gipfel hinweg tragen. In Osteuropa wird eher in Moll gespielt, wenn man tanzt, gerne auch mal in Taktarten, die für Mittel- und Westeuropäer scheußlich zu zählen sind, weil die alles, was über Dreiviertel- und Viervierteltakte hinaus geht, nicht im Rhythmusgefühl haben. In den USA ist die geografische Verortung der Musik im Country wiederum textlich ausgesprochen präsent. Wie gerne wird da doch ein bestimmte Stück Land als Sehnsuchts- und Heimatort besungen. Der etwas biedere und patriotische Aspekt, der da mitschwingt, ist eigentlich viel zu altbacken, um so etwas wie Pop-Appeal zu entwickeln. Doch irgendwo zwischen Country-Rock und der Verweigerungshaltung des Punks konnte sich in den USA der Stoner-Rock als Musikstil entwickeln. Der geografische Sehnsuchtsort ist hier dementsprechend etwas unwirtlich: Denn im Stoner-Rock dient die Wüste und all die darum gesponnenen Assoziationen – von lethargischer Hitze bis Goldgräber-Romantik – als Verortung.

Dass München eine sehr vitale Stoner-Rock-Szene hat, parallel zu der Kaliforniens, verwundert erst einmal. Doch Colour Haze, die sich 1994 gründeten, legten wohl den Grundstein dafür, dass heute Bands wie die Swan Valley Heights in München einen Sound produzieren, der all die trockene Hitze in sich trägt, die in München nur herrscht, wenn alle paar Jahre durch ein seltenes Wetterphänomen ein bisschen Sahara-Sand durch die Stadt weht.

Bei den Swan Valley Heights, die seit 2014 zusammen spielen, treffen verlangsamte Hardrock-Gitarrenriffs auf ein schleppendes Schlagzeug und einen rollenden Bass. Der Klang ist warm, die Verzerrungen gehen nie ins Kreischende. Wer Stoner Rock richtig spielt, erschafft eine psychedelisch-einlullende Variante der Rockmusik, die den Druck, aber nicht die Aufregung herkömmlicher Rockmusik vermittelt. Den Swan Valley Heights gelingt das so, dass man das Gefühl hat, die drei Musiker verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, in staubigem Sand herum zu liegen und Whiskey zu trinken.

„Stoner-Rock ist als Genre viel umspannender, als man vielleicht denkt“, erklärt Gitarrist und Sänger David Kreisl. Ihm sei es dabei wichtig, ein wenig mit den Klischees dieses Genres zu spielen und zu versuchen, andere Einflüsse zuzulassen, denn „Stoner kann auch schnell eintönig werden“, sagt er. Ein bisschen von diesem Witz und vor allem der Selbstreflexion dringt dann auch auf dem ersten selbstbetitelten Album des Trios durch. Nicht nur wenn das zweite Stück – völlig unpassend für den Wüsten-Kosmos – den Titel „Alaska“ trägt. Musikalisch ist dieses Stück auch prompt ein bisschen schneller und ein bisschen drängender. Und spätestens wenn David dann mit einer verhallten und ein bisschen unterkühlten Stimme zu singen beginnt, zerschellen die Macho-Klischees des Stoner-Rocks deutlich an der Zerbrechlichkeit, mit der er die Stimme in die Musik setzt.

Ähnlich positioniert sich David auch in seiner Textarbeit: Er schreibe über Themen, die ihm wirklich wichtig seien: „Wir alle investieren zu viel in das Ganze und mir ist die Musik viel zu wichtig, um am Ende von Brüsten und Autos zu singen.“ Die Szene für Stoner-Rock ist dabei für eine Nische doch recht groß – die Swan Valley Heights waren schon zwei Mal auf Deutschland-Tour. Nun wollen sie sich ihrem zweiten Album widmen.

Stil: Stoner-Rock
Besetzung: David Kreisl (Gitarre, Gesang), Andy Heib (Schlagzeug, Keyboards), Chris Schmidt (Bass)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.swanvalleyheights.bandcamp.com

Text: Rita Argauer


Foto: Agathe Riener, Hunger und Simmeth GmbH

Band der Woche: Call it a Wasteland

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Call it a Wasteland hat „nie versucht, nach einer Band zu klingen oder in eine Musikrichtung zu passen“.
Ihr harter Musikstil passt zu ihren emotionalen Themen: Verlust, Hass und Schmerz.

Orakel zu sein, ist heute keine Kunst mehr. Zumindest nicht, wenn das Orakel die Pop-Trends der kommende Jahre voraussagen soll. Denn mittlerweile funktioniert die Erschaffung einer Pop-Gegenwart mittels der Ästhetik der Vergangenheit überraschend verlässlich. Vor ein paar Jahren, auf dem Höhepunkt des Achtzigerjahre-Revivals, äußerten ein paar kühne Kulturpessimisten, dass nicht etwa im Anschluss wieder irgendjemand nach einer neuen Ästhetik forschen würde, sondern dass – schön chronologisch die Vergangenheit abschreitend – schon bald die Neunzigerjahre zurück in die Zukunft kehren werden. Die Modewelt war dann anschließend mal wieder der Pionier, der Baby-Doll-Kleidchen, Karohemden und Doc-Martens-Schuhe zurück an den modernen Großstadt-Menschen heftete. Und nun taucht nach und nach der passende Soundtrack zur Neunzigerjahre-Retrotopie auf: Gitarrenfokussiert und authentizitätsverliebt klingen derzeit einige Bands, was unter diesem Aspekt ein wenig paradox erscheint, weil die große Wut der Grunge-Bands ja gerade deshalb so authentisch wirkte, weil sie nach einem Jahrzehnt popmusikalischer Reduktion mittels Künstlichkeit überraschte. Aber eine gewisse Wut und Wucht kann man auch wieder ganz gut brauchen. Inwiefern die ein authentischer Ausdruck einer im Ganzen derzeit recht braven Jugend ist, sei mal dahingestellt.

Lieber hört man die Münchner Band Call it a Wasteland. Da tönt schon der Name, dass man hier nicht gedenkt, sich mit hübsch-braver Indie-Musik auszuruhen. Dementsprechend brechen die Gitarren im ersten Track der im Oktober veröffentlichten Debüt-EP des Trios mit unverhohlenen Metal-Anleihen herein. Denn das muss man sich bei aller Zerbrechlichkeit, die etwa die Musik von Nirvana trotz der Wucht hatte, bewusst machen: Grunge und Alternative setzen sich im Prinzip aus Hardrock, Metal und Punk zusammen. Und Call it a Wasteland setzen genau da an. Auf den für die Trio-Besetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug erstaunlich dichten Sound singt die Gitarristin Tooney Pham mal entspannt und mit warmen Timbre, mal hymnisch und zweistimmig mit dem Bassisten Johannes Rest und mal drängend und brechend an der Grenze zum Schreien. Das erinnert an Bands wie Veruca Salt oder Soundgarden. Und vielleicht auch an Queen Adreena, allerdings waren die exzessiver.

Doch die drei Musiker von Call it a Wasteland, die jetzt alle Mitte 20 sind, wurden gerade geboren, als der Grunge seine Hochphase hatte. Und das ist vermutlich der Grund, warum die Musik von Call it a Wasteland nicht nach einer vergangenheitsbesoffenen Cover-Band klingt. „Wir haben nie versucht, nach einer Band zu klingen oder in eine Musikrichtung zu passen“, erklären sie. Sie haben sich über einen Facebook-Post von Tooney gefunden, als sich deren vorherige Band aufgelöst hatte. Der härtere Musikstil ergibt sich auch aus dem Themenspektrum, das sie kreativ bearbeiten: „Die Songs kreisen hauptsächlich auf emotionaler Ebene um Dinge wie Verlust, Hass, Schmerz und eine Fuck-You-Attitüde.“ Und in manchen Stücken ihrer EP „Neurocytes Collide“ gelingt es ihnen herrlich, sich aus bisweilen etwas vorhersehbaren Strukturen zu lösen und ganz anhand der von ihnen gesetzten Themen zu musizieren. Etwa im Song „Ghosts“, dessen Gitarrenlinien zu Beginn ein wenig in die Indie-Ecke kippen, der sich aber dann in einer ewigen Steigerung zu einem spukenden Geisterstück aufschwingt. In Tooneys Stimme ist dann ein Streben zu hören, von dem man mehr hören will. Jetzt planen sie erst einmal Konzerte zu spielen, etwa am Donnerstag, 4. Januar, mit weiteren Rumpel-Gitarren-Bands im Münchner Club Rumours. 

Stil: Grunge/Alternative
Besetzung: Tooney Pham (Gesang, Gitarre), Johannes Rest (Bass, Gesang), Julian Heller (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.callitawasteland.bandcamp.com

Text: Rita Argauer


Foto: Benedikt Rest

Von Freitag bis Freitag – Unterwegs mit Matthias

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Auch nächste Woche ist wieder einiges los in München. Matthias hat da ein paar Vorschläge, was man so alles machen könnte: Von Hofflohmarkt, über Offshore-Party, bis zur Album-Release der Gebrüder Grün im Milla ist auch neben der Fußball-EM für jeden was dabei.

Ich wache auf am
Freitagmorgen. Mein Handy quillt über an Push-Notifications, E-Mails,
Facebook-Nachrichten. Nein, ich bin nicht super populär und jeder will wissen,
was bei mir heute so ansteht. Wie alle anderen muss ich den Brexit grad
verkraften – ich dachte ja, die Briten wären nicht ganz so stupide. Anyway –
ich muss mich ablenken. Nachdem ich den Tag vor sämtlichen Bildschirmen und
Twitter-Feeds verbringe, steht für mich Abends auch ein Referendum an: Ja oder
Nein zum Candy Club Sommerfest? Ich entscheide mich für das Feierwerk!
Biergarten bis 23 Uhr und Open Air Dancefloor, genau mein Ding, ha! Was aber tatsächlich
genau mein Ding ist, sind Imbißstände mit Kebab und Falafel, sowie verbreitete
Grills, auf denen ich einfach Zeug anbrutzeln darf. Gut für mich, weil ich
scheitere beim Grillen immer am Grill anzünden – sehr männlich, ich weiß.
Anyway. Für Refugees und Arbeitslose ist der Eintritt kostenlos. Find ich cool
– daran sollten sich andere Veranstalter mal ein Beispiel nehmen.

Den Samstag gehe ich
vorerst ruhiger an. Ich muss ein wenig arbeiten, so eine Bachelorarbeit
schreibt sich irgendwie doch nicht von alleine – das war irgendwie ein Mythos
an meiner Fakultät…Egal – ich arbeite mit Motivation, ich freue mich auf mein
Abendprogramm. Vielleicht gehe ich in die Reichenbachstraße, zu den
Hofflohmärkten. Oder seit langem wieder ins Pathos. Da findet heute die
Offshore – Party statt. Nach dem Motto “Wir wollen keine Kunst, wir wollen euer
Geld” legen unter anderem Moritz Butschek und Yunus Hutterer auf – finde ich
gut, keine falschen Versprechen! Apropos: In einem Anfall unglaublicher
Eigenwerbung – schon für Yunus bei der HDPK Challenge “on the road” gevoted?
Unser Fotograf braucht noch eure Hilfe – verdient hat er es sich!

Sonntagmorgen
Schlafenszeit. Heute ist ein komischer Tag, ich spüre es. Die Menschen sind
nervös, meine Nachbarn laufen ganz aufgeregt herum. Heute ist ein wichtiger Tag
für das Land. Heute ist ein Tag von Patriotismus, von Liebe zur Nation, von
Zusammenhalt! Nein, heute ist nicht Wahlsonntag in Sachsen-Anhalt – heute
spielt die Nationalelf, Achtelfinale, ha! Für mich ein Dilemma – man spielt
gegen die Slowakei. Ich bin zwar kein Slowake, hab auch keinerlei Verbindung zu
dem Land – aber ich hab sie in einem Anfall von Wahnsinn in das Halbfinale
getippt im jährlichen Tippspiel. Deutschland übrigens nicht, also – Müller,
Boateng, und Co: es geht um viel für mich, denkt daran! Ob die Spieler diese
Kolumne vor dem Spiel lesen? Bestimmt.

Montag: Ich bin ein großer
Kinofan – nur im Sommer, da fällt es mir immer schwer. So lange drinnen sitzen,
wenn ich draußen in der Sonne liegen und mich bräunen könnte…ach, who am I
kidding. Ich bin so weiß, da hilft das eh nichts. Also, doch ins Kino – aber
nicht irgendwo. In der Glockenbachwerkstatt findet heute das KINO AUGE statt –
eine Reihe, bei der junge Dokumentarfilme gezeigt werden. Heute steht “Nicht
alles Schlucken” an – nein, kein Film über Gefahren in der Pornoindustrie. Der
Film befasst sich mit Krisen und Psychopharmaka – allein dieses Wort hat mich
schon fasziniert! Klingt auf jeden Fall spannend – und ein Abstecher in die
Glocke lohnt sich eh immer. Vorhang, bitte!

Ich bin immer noch
geschockt. Vielleicht auch benebelt, von soviel neuem Wissen über Valium und
Halcion, über gute und böse Medizin, und alles, was dazwischen ist. Was Drogen
alles so anstellen können, auch wenn der Onkel Doktor sie verschreibt,
am I right? Die trancemäßige Erfahrung gefällt jedoch – so will ich weitermachen.
Also ab ins Milla – wieso? Jacques Palminger hält am heutigen Dienstagabend
eine musikalische Lesung, und: „Erwarten Sie nichts weniger als eine
mental-positivistische Gruppenhypnose mit surrealistischem Mehrwert und
maximalem Glücksversprechen!“ Der Traum eines jeden Produzenten von Psychopharmakon…

Mittwoch: Nach diesem Hybrid von
Musik und Literatur will ich heute nur Musik hören. Kopfhörer auf in der Bib –
Live-Musik kommt später! Ich halte es aber nicht lange aus im Neon-Licht – gut,
dass die Fakultät einen Biergarten hat. Natürlich kann man in dem auch arbeiten
– was anderes würde ich auch niemals machen. Ich muss mich wie immer mit einer
Belohnung motivieren – Konzert von KERETTA im Feierwerk. Die Band ist mir
natürlich völlig unbekannt, aber das sind oft die besten Konzerte. Meine
Informationen stammen alle aus der Bandinfo, wozu hier schummeln: „Oftmals
beschrieben als „bleischwer“ mit „lichten und schönen“ Momenten steht das Trio
für einzigartigen Dark Rock mit vereinzelten, melodischen Parts“ (Quelle:
Bandinfo). Fahrrad zur Hansastraße, Feierabend.

Donnerstag: Ich nehm mir heute frei –
vielleicht arbeite ich für die Bachelorarbeit. Vielleicht lerne ich auch für
meine letzte Klausur. Vielleicht schau ich den ganzen Tag Fußball – oder ich
mache gar nichts. Ich schlafe lange, ich frühstücke spät, dann scheint
vielleicht die Sonne und ich geh in den Englischen Garten. Oder an den
Flaucher, vielleicht auch in den Zoo, oder so. Heute mach ich nichts, ganz
einfach weil ich heute nichts machen will. Auch mal schön, right? 

Es ist schon wieder
Freitag – das ging ja schnell. Freitag ist Milla-Tag, zumindest diese Woche.
Heute ist Album-Release mit den Gebrüdern Grün – nach eigener Aussage die
Release des Jahres, man präsentiert „das einzig wahre Mixtape des Jahres“. Klingt
gut. Sämtliche Gast-Künstler, die auf der Platte mitmischen, betreten die Bühne
gemeinsam – zum Beispiel Peefka und Mr. Polaroid von Arm & Hässlich,
Grasime und D-Fekt von der Weltuntergäng, und viele mehr. Ich freu mich drauf,
mal wieder den schiefen Boden im Milla auf und ab zu wippen. Und das Beste? Die
Kasse geht komplett zugunsten des Bellevue di Monaco. Find ich cool – auch
daran sollten sich andere Veranstalter mal ein Beispiel nehmen.

Von: Matthias Kirsch

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Richy

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Die Sommer- und Straßenfest-Saison ist spätestens ab dieser Woche eröffnet. Ob Streetlife-Festival, Straßenfest der Glockenbachwerkstatt oder dem Garnix-Festival, man muss raus aus dem Haus, denn es ist einfach zu viel geboten in München. Und wenn man dann doch mal Fernsehen will, beginnt ja heute auch noch die Fußball-Europameisterschaft. Richy sagt euch, wie seine nächste Woche aussehen könnte.

Ich stehe auf, es ist Freitag, und überraschender Weise scheint die Sonne in München. Das hilft natürlich dabei das Haus zu verlassen und sich in die veranstaltungsreiche nächste Woche zu stürzen. Tagsüber genieße ich erst einmal die Wärme an der Isar. Ein kühles Radler in der Hand und die Füße im Wasser, so kann das Wochenende starten.
Um 19 Uhr packe ich meine Sachen zusammen und fahre zum Lost Weekend in die Schellingstraße. Dort hat heute die Zeitung NeuLand ihr Paper Release. Ein cooles Projekt, bei dem Flüchtlingen eine Plattform geboten wird, selbst über ihre Probleme und Hintergründe zu schreiben. Bisher nur als Blog. Doch heute wird die erste Print-Ausgabe gefeiert. Es gibt Lesungen, das Redaktionsteam stellt sich vor und ich treffe viele neue, freundliche Menschen. (Hier der Hintergrundbericht zum Projekt: NeuLand)

Am Samstag regnet es wieder. Das kann doch langsam nicht mehr wahr sein, denke ich. Wie gut, dass es auch schöne Indoor-Angebote gibt: Ich fahre mit der S-Bahn zum Backstage. Dort findet der 16. Rock’n’Roll-Flohmarkt statt. Ich mag Flohmärkte allgemein, aber dieser ist irgendwie etwas Besonderes: Ich treffe auf mit viel Liebe und Pomade gestylte Haare, gepunktete Petticoats und alte Musik. Irgendwie fasziniert mich diese Rockabilly-Szene und ich freue mich, dass München eine so lebendige Subkultur hat. Ich schlendere durch die Gänge, sehe mir ein paar 50′s-Hemden und -Accessoires an, hole mir ein kühles Bier und höre mir das Konzert von Al & The Black Cats an.
Musik ist das Stichwort und der Grund für mich das Backstage zu verlassen. Obwohl der Bahnwärter Thiel ja jetzt vor der HFF steht, gibt es heute ab 18 Uhr Programm im Schlachthof: Beim Open Air im Viehhof lebt diese, für München so ausgefallene, Location auf. Bei coolen Musik-Acts und ein paar kühlen Bieren lasse ich den Abend ausklingen und mich auch nicht von den wiederkehrenden Regentropfen stören.

Am Sonntag geht es weiter mit Musik und Bier. Ich schlendere den Kolumbusberg hinauf zum Giesinger Sommerfest. Schon irgendwie kurios, dass ein Sachse und sein japanischer Braumeister es geschafft haben sich als echt münchnerische Biermarke zu etablieren. Aber eigentlich ja auch egal, das Bier ist gut und man trifft viele nette Gesichter. Der Haupt-Tag des Festes, an dem ganze zehn Bands gespielt haben, war eigentlich Samstag, aber ich bin ganz froh, dass es sonntags etwas entspannter ist.
Lange bleiben kann ich aber nicht. Mich zieht es zur Glockenbachwerkstatt. Dort findet seit 12 Uhr das Große Straßenfest statt. Bellevue di Monaco hat endlich den Zuschlag für die Renovierung der Häuser bekommen, das wird ausgiebig gefeiert.
Doch ich bin nur auf der Durchreise: Auf der Leopoldstraße findet das Streetlife-Festival statt. Auch hier gibt es Live Musik, kühle Getränke und jede Menge coole Aktionen zum Zusehen und auch zum Mitmachen. Irgendwie ist es auch immer wieder ein Erlebnis über die sonst so viel befahrene Leopoldstraße zu schlendern. Wenn es wieder anfängt zu tröpfeln, rette ich mich in eines der vielen Zelte zusammen mit sehr vielen anderen Streetlife-Gängern. So komme ich in Gesprächssituationen, die ohne Regen wahrscheinlich gar nicht entstanden wären. Gott sei Dank bin ich heute Morgen nicht im Bett geblieben.
Danach geht es natürlich noch zum Fußball schauen und zwar in den Löwenbräukeller, denn hier kann ich im Trockenen das erste EM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Ukraine (21 Uhr) verfolgen.

Den Montag lasse ich entspannt angehen: Frühstück im Cafè Maria. Auch wenn man die tolle Terrasse bei dem Wetter nicht nutzen kann, gibt es hier einfach die besten Croissants der Stadt.
Am Abend geht es für mich in den Bahnwärter Thiel vor der HFF zum Unerhörten Montag. Wie jede Woche lesen hier Drehbuchstudenten aus ihren Werken. Bisher habe ich es noch nie geschafft zu kommen und vor Ort frage ich mich warum. Denn während der Regen gegen die Scheiben des alten Zugwaggons prasselt, ist es drinnen gemütlich, alle hören gespannt zu und nippen entspannt an ihrem Kaltgetränk. Endlich ein wöchentliches Event am Montag, für das es sich lohnt das Haus zu verlassen.

Den Dienstag verbringe ich mit Arbeit. Irgendwie muss das Event-Leben ja auch finanziert werden. Aber wenigstens verpasst man bei dem Wetter nicht die Chance am Flaucher zu liegen. An solchen Tagen bin ich fast froh über das schlechte Wetter.
Das Schöne an der Europameisterschafts-Zeit ist ja: Auch wenn ich gerade nichts geplant habe, kann ich immer Fußball schauen gehen. Und so schaffe ich es gerade noch zum quasi historischen Gruppenspiel zwischen Österreich-Ungarn und…ok, dummer Witz. Trotzdem ein schöner entspannter Fußballabend.

Mittwochs verlasse ich die Stadt – zumindest ein Bisschen. Auf dem Campus in Garching findet seit Montag das Garnix-Festival statt. Kurz vor den Klausuren ist das genau das Richtige, um noch einmal die Uni mit echtem Leben zu füllen. Heute um 15 Uhr gibt es ein Schafkopfturnier. Da muss ich natürlich dabei sein. Ein farbloser Wenz wirft mich dann aus dem Spiel. Aber was soll’s! Live Musik von Vertigo und Buck Roger and the Sidetrackers helfen mir schnell über die Niederlage hinweg.
Abends lande ich dann wieder im Bahnwärter. Dieses Mal zum Schienenbuskonzert mit Oh Girl und Martin Lidl. Wieder genieße ich die Subkultur-Atmosphäre im Waggon und das Gemeinschaftsgefühl, das durch die engen Sitzmöglichkeiten zwangsläufig entsteht. Der Eintritt ist frei, aber ich werfe gerne ein paar Euro in den Musiker-Hut, als dieser durch die Reihen geht.

Am Donnerstag steht wieder Fußball auf dem Programm. Dieses Mal habe ich keine Lust auf Menschenmassen. Ein Freund veranstaltet zum Deutschlandspiel gegen Polen (21 Uhr) ein kleines BBQ auf der Terrasse. Unter der Markise sind wir auf jedes Wetter vorbereitet und ich kann mehr oder weniger entspannt verfolgen, wie Robert Lewandowski auf seine Bayern-Team-Kollegen trifft, hoffe aber, dass er nicht wirklich trifft.

Schon wieder Freitag und eine ereignisreiche Woche liegt hinter mir. Für heute Abend kann ich mich kaum entscheiden, wo ich hin soll. Option eins: Theater. In der Mucca Halle, in der Schwere-Reiter-Straße spielt die Gruppe Theater tut weh das Stück Sinnspagat. Schon ihre dritte Produktion. Vor allem nach dem Lesen des Veranstaltungstextes bin ich gespannt, was mich dort erwartet. Option zwei ist die Musik-Variante: In der Boazn um die Ecke, der Geyerwally, spielen die Black Submarines ein kleines Unplugged-Konzert. Griabig ist es dort, wie immer, und ein bisschen Blues-Rock am Freitagabend kann bei dem Wetter sicher nicht schaden. Schwere Entscheidung, aber ich habe ja noch ein bisschen Bedenkzeit.

Von: Richard Strobl