EP-Kritik: Amanda Naughton – Meanders EP

Eine Wiese im Sommer. Im
Hintergrund das leise Geräusch vorbeifahrender Autos. Eine junge Frau mit
langen braunen Haaren sitzt mit geschlossenen Augen im Gras. Sie singt – sich
selbst auf der Gitarre begleitend – mit klarer und gleichzeitig brüchiger Stimme
vom einander Nah- und zugleich Fern-Sein.

Amanda Naughton, die sich im
vergangenen Sommer noch in perfekter Singer-Songwriter-Manier präsentierte, hat
am Samstag ihre neue EP „Meanders“ veröffentlicht und sich hierfür entschlossen,
eine ganze Band zusammenzustellen. Entstanden ist eine ehrliche, direkte
Folk-Pop-Platte, bei der sie ihren Wurzeln treubleibt. Mit Natürlichkeit im
Arrangement und der Gestaltung ihrer Songs kehrt sie der meist überproduzierten
Popmusik unserer Zeit entschlossen den Rücken zu. Lockere mehrstimmige
Gesangsharmonien, rhythmisches Klatschen im Hintergrund, eine wehmütige Melodie
auf der Mundharmonika, lässige Gitarren-Riffs und unbeschwerte Schlagzeug-Beats
begleiten das klassische Songwriting der Wahlmünchnerin. Sie lässt sich in
ihrer Musik nicht stressen und zeigt das auch im entschleunigten Aufbau ihrer
Songs.

„Meanders“ von Amanda
Naughton klingt nach Sommer, weiter Landschaft und Freiheit und überzeugt mit
einer Bodenständigkeit und Authentizität, die man sich in der heutigen Popmusik
manchmal öfter herbeiwünscht.

Von: Katharina Würzberg

Foto: 

Dimitris
Chantzaras

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Matthias

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Die Temperaturen dieses Hochsommers lassen sich sehen, und auch wenn Matthias sich in der Sternschnuppennacht am Mittwoch einen kilometerlangen Sandstrand für München wünscht, gibt er sich erst einmal mit dem Kulturstrand am Deutschen Museum zufrieden und genießt dort die Jason Serious Band. In der Glockenbachwerkstatt träumt er mit Meanders von irischen oder auch brasilianischen Stränden und auch im Theatron und beim Sommerwiesen-Open-Air gibt es unter freiem Himmel die unterschiedlichsten Musikrichtungen zu hören. Nicht einmal für Kino muss er sich dem Nachthimmel fern fühlen: Im Backstage wird Open-Air eine Doku über Kurt Cobain gezeigt.

Ich fühl mich heute jung. In der Zeit zurückgeworfen. Am Freitag ist mein Bruder in
München – hoher Besuch, und zwar für sein Eignungsgespräch an der Uni. Ich fühl
mich heute jung, auch weil ich mich selber sehe, etwas nervös, und unsicher, was
mich erwartet, in einem Raum voller Menschen, die entscheiden, ob ich selbst die
nächsten Jahre meines Lebens in dieser Stadt verbringen werde oder nicht.
Aufregend, ja, aber auch ernüchternd – wo geht die Zeit hin? Ich versuche,
nicht daran zu denken. Mit Bruder im Gepäck mache ich mich auf zum Backstage,
Open Air Kino. Heute mal mit der S-Bahn, nach 18 Uhr darf ich ja. Bruder muss
zahlen, ha! Es läuft eine Doku über Kurt Cobain, über Leben und Aufstieg des
blonden Engels. Das Ende kennen alle. Ich überhöre mehr als einmal:  „Mann, so lange ist das schon her? Wo geht
die Zeit hin?“ – manche Dinge ändern sich eben nicht.  
 

Samstag morgen: Cobain ist tot, ich wache auf – immer noch begeistert. Open Air Kino, hat
irgendwas von alten US-Filmen. Popcorn und Techtelmechtel im Autokino. Der
Trend kommt auch wieder zurück, keine Sorge. Bis dahin denke ich kurz wieder an
die Uni, diesmal nicht an die Vergangenheit. Wie die meisten sozial- und
geisteswissenschaftlichen Studenten muss ich noch hausarbeiten. Das Verb
gefällt mir. Darf man ja heutzutage, neue Wörter erfinden. Vielleicht kommt so
mal das Jugendwort des Jahres dabei heraus. Wie gutenbergen, oder merkeln. Ich
plane natürlich weder Plagiatsverbrechen noch will ich heute einfach nichts
tun. So denke ich großphilosophisch darüber nach, wie ich mein Gewissen
überreden kann, mich morgen erst mit Hannah Arendt zu beschäftigen. Vor lauter
Gedanken fahre ich bei der Radlnacht mit dem Strom Richtung Hauptbahnhof,
stolpere ins Kong, besser gesagt, man zerrt mich hinein. Hodini is back in
town
, so lautet das Motto. Soll bekannt sein in der Szene – ich denk mir meins,
aber lass mich darauf ein. Ein letztes Mal mit allen feiern, bevor sich die
Einzelteile der Gruppe in ihre respektiven Heimatdörfer verabschieden –
Wanderstudenten auf dem Weg in die Sommerpause.

In meinen – so red ich mir ein – bereits ewigen Studienjahren habe ich mich
nie an sie gewöhnt, die elektronische Musik, den ständigen Begleiter von
Sonnenstraße über Sonntagsgefühl bis hin auf die Sommerwiese. Am Sonntag dröhnt es mir
immer noch in den Ohren von gestern, aber es hilft ja nichts. Ich rolle mit der
Welle, schwappe zur Infanteriestraße, nah am Olympiapark. Auf der Sommerwiese
wird entspannt, getanzt, gesonnt und, nein, nicht gebadet. Die Entspannung ist trotzdem
auf den Gesichtern sichtbar, egal ob sonnencremeweiß oder britische Röte. Noch
hat die Musik mich nicht in ihren Bann gezogen, ein Bier, zwei vielleicht, dann
wird das schon. Karodecken werden ausgerollt, ich nehme ganz ungeniert Platz
und döse so langsam ab. Kann ja auch beruhigend wirken, so Dance Music, Baby.
Der Samstag holt mich ein, ich drifte ab in die Welt der Träume – unz, unz,
unz…

Montag? Montag. Ich stehe auf, sehr früh, Waschmaschine an, heute wird ein
guter Tag – ich lege mich wieder hin. Ich habe mich überschätzt. Kommt vor, aber
kein Problem. Ein weiser Mann hat mal gesagt, die Definition von Glück sei es,
keine Termine zu haben, dafür aber leicht einen sitzen. Das Wetter schreit nach
Terrasse, nach rumsitzen, nach Zeitung lesen. Oder mit der Zeitung Luft
zufächern, jedem das seine. Ich entscheide mich für den Hinterhof der
Glockenbachwerkstatt. Wie sooft in der Glocke wird es bald auch musikalisch.
Streets of Minga, so heißt das Album von Meanders, irisch-brasilianische
Singer-Songwriterin. „Come on and be part of this“, singt sie – gerne doch, sie
spricht mich ganz klar persönlich an. Bald habe ich dann auch leicht einen
sitzen, drunk on love, wahrscheinlich.

Nach einem Wochenende Elektro hat mir der Genrewechsel gestern gut getan. Am Dienstag schreien Kopf
und Körper nach mehr, und ich bin gewillt, der Versuchung nachzugeben.
Dafür muss ich aber eine – für München-Verhältnisse – weite Reise auf mich
nehmen. Wie Bilbo Baggins packe ich nur das Nützlichste in einen Beutel und
mache mich auf ins Abenteuer. Nur wenige Tage nach meinem Ausflug in die Nähe
des Olympiaparks muss ich es heute schaffen, die Grenze ins Hügelparadies zu
überqueren. An Loth- und Infanteriestraße vorbeigehuscht, lasse ich die
Schwere-Reiter-Straße schneller hinter mir als ein (gedopter) Radprofi und
schon bin ich am Olympiastation. Zum ersten Mal in diesem Sommer schaffe ich es
zum Theatron. Zu Gast im kleinen Amphi am See sind heute The Moonband, Folkmusiker
aus München. Die Klänge klingen über die Wasseroberfläche, langsam versammeln
sich die Menschen rund um die Bühne und schaukeln mit. Ich drifte ab, zurück in
die Welt der Träume – kein unz, unz, unz…

Es gibt ja diese Menschen, die ganz große Fans von Sternen sind. Eigentlich von allem, was man vor allem nachts und mit Teleskop sieht. Klingt so, also würde ich von Spannern reden, jetzt wo ich so darüber nachdenke. Jedenfalls überzeugen diese Menschen mich regelmäßig von der Schönheit des großen Nichts über uns, seien es Planeten oder Sterne oder ein Käfer, der sich auf die Linse des Fernglases verirrt hat. Ich lasse mich am Mittwoch Abend wieder entführen, in die
weite, schwarze Ferne – heute ist Sternschnuppennacht. Warmer, klarer Himmel –
wenn die SWM jetzt noch den Hebel von der Stromversorgung umlegt, wird es noch
romantischer. Den großen Wagen erkenne ich, einige andere Sterngebilde werden
mir beigebracht, und irgendwo meine ich, ET gesehen zu haben. Und dann, die
erste Sternschnuppe. Noch eine. Da, wieder – ich vergesse vor Begeisterung, mir
etwas zu wünschen. Aber dafür habe ich jetzt drei Wünsche auf Lager… verrate ich aber nicht!

Okay, ich verrate einen, den kleinsten Wunsch der letzten Nacht – ich
wünschte, an der Isar gäbe es Sandstrand! Meilenweit, weiß wie kolumbianischer
Schnee und so fein, dass er noch Wochen später zwischen den Arschbacken
hervorrieselt – ja, das wär doch was. Die wenigen sandigen Meter an der
Wittelsbacher Brücke sind wirklich toll, versteht mich nicht falsch, nur liegen
da um 6 Uhr morgens schon Handtücher zum reservieren. Mensch! Alles Aufregen
hat keinen Sinn, ob Mallorca oder Balkonia, die Touristen sind doch alle
gleich. Trotzdem sehne ich mich auf einmal nach Sand zwischen den Zehen (und
Pobacken). Also radle ich am Donnerstag zum Deutschen Museum, installiere mich am
Zweitlieblingsbrunnen der Münchner – und genieße den Kulturstrand. Die Jason
Serious
Band spielt heute Abend ganz ernste Musik, nehme ich mal an. Ist
übrigens einer der Hauptgründe, warum Menschen eine Band gründen – der Name.
Sandy Sandman kommt mir spontan in den Kopf als alter ego – gebt mir Pick-Up
Truck und Zahnstocher, Kid Country zieht nach Nashville.

Meine utopischen Musikerträume verwerfend steig ich am Freitag zum Start des
Wochenendes erstmal unter die Dusche. Es rieselt, immer noch. Zeigt aber
Wirkung. Genauso wie wenn man nach zwei Wochen Urlaub erst den sonnigen Süden
vermisst, nach der sechsten Staubsaug-Session wegen Strandgut im Schlafzimmer
dann doch froh ist, wieder in der Realität gelandet zu sein. Ich erinnere mich
auf einmal, an Verpflichtungen, an Rechnungen, an Deadlines. Und dann wieder an
meinen Studienbeginn – la Brohème hat die Zusage der Uni bekommen. Ich erinnere
mich an den Tag, als der Postbote mit meiner ankam. Wäre ich hergezogen, wenn
man mich damals mit viel Elektro und wenig Sand gelockt hätte? Blöde Frage,
natürlich wär ich das. Und ich habe es nie bereut – bestes Beispiel: Wo ging
die Zeit hin? Ich weiß es nicht so wirklich, und das kann nur bedeuten, dass
irgendwie, irgendwo immer was los war. Außer heute. Heute mach ich nichts. Ich
kratze mir ein paar Sandkörner aus dem Ohr, und leg mich drauf.

Matthias Kirsch


Foto: privat

Meanders

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Es ist nicht lange her, da war Meanders (Foto: Jörg Bachmayr) noch zu Schüchtern zum Singen. Im Dezember vergangenen Jahres hat die irisch-brasilianische Songwriterin dann aber ihr erstes Album veröffentlicht. Gerade plant sie eine Europatournee. 

Solche Musik ist recht selten geworden. Und das liegt weder an Amanda Naughtons Stimme noch an ihrem Gitarrenspiel. Es ist der Gestus, mit dem die irisch-brasilianische Songwriterin, die seit knapp vier Jahren in München lebt, überrascht. Der Gestus erinnert an die großen Alternativ-Sängerinnen der Neunzigerjahre: Dolores O’Riordan von den Cranberries oder Sinéad O’Connor. Das ist ein Timbre, das in den Höhen immer wieder ins Hauchen und ins Atemlose kippt; eine Stimme, die so klingt, als würde sie von der eigenen Emotion erschlagen – etwas, was in der abgeklärten Ironie zeitgenössischer Popmusik nur noch selten stattfindet.

So lange ist Amandas Stimme aber noch gar nicht zu hören. Denn die Sängerin, die unter dem Namen Meanders auftritt (Foto: privat), ist eigentlich Schlagzeugerin. Sie wurde in Irland geboren, doch aufgewachsen ist sie in der brasilianischen Kleinstadt Itu. Nach der Schule zog sie in die Zehn-Millionen-Metropole São Paulo. Mit 14 Jahren begann sie Schlagzeug zu spielen, in Brasilien spielte sie zuletzt in einer Postrock-Band. Ihre Schwester war kurz zuvor nach München gezogen (ihre Großmutter ist Deutsche), um die Sprache zu lernen – und Amanda folgte ihr. Mit ihrer Schwester bewegte sie sich auch zum ersten Mal weg von der klassischen Rockbandbesetzung. Als The Naughton Sisters treten die beiden mit akustischen Coversongs auf – etwas, was mittlerweile ihren Lebensunterhalt finanziert.

Obwohl sie noch vor gar nicht langer Zeit zu schüchtern zum Singen war, hat sie im vergangenen Dezember als Meanders ihr erstes Album veröffentlicht: „Streets of Minga“ ist namentlich eine Hommage an ihre neue Heimat, aber musikalisch huldigt es ebenjenen irischen Sängerinnen der Neunzigerjahre. Schon mit einem kurzen Ausflug ins Metal-Fach (in München spielte sie eine Zeit lang Schlagzeug in einer Band aus drei Metalheads) wollte Amanda eigentlich den Alternative Rock wieder aufleben lassen. Alleine gelingt ihr das nun besser. Sie vermag es trotz der schmalen Besetzung aus ihrer Akustikgitarre, einer Mundharmonika und ihrer Stimme, den Songs den Aufbau ebenjenes Post-Grunge-Sounds zu verpassen. Reduzierte Strophen-Parts, in denen die Gitarre meist nur einen Schlag pro Takt hat, treffen auf füllige Refrains: Durchgeschlagene Akkorde, eine emotional höchst involvierte Stimme und durch Schläge auf den Gitarrenkorpus erzeugte Rhythmik. Im Mai plant sie auf Europa-Tour zu gehen, davor tritt sie am heutigen Montag, 23. März, im Münchner Theater „Heppel & Ettlich“ auf.  Rita Argauer

Stil: Alternative / Songwriter
Besetzung: Amanda Naughton (Gitarre, Gesang, Mundharmonika, Rhythmik)
Aus: München
Seit: 2013
Internet: meanders.bandcamp.com