Neuland: WILDES

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Jana Hartmann und Jenny Tulipa kennen die meisten bereits als Gitarristinnen der Band Lilit and the Men in Grey. Mit ihrem neuen Projekt WILDES wollen die beiden Brünetten ihren Fans neue Facetten von sich zeigen. In deutscher Sprache singen sie dabei vor allem von der Liebe.

Jana Hartman und Jenny Tulipa sind in München nicht unbekannt. Die beiden jungen Frauen Mitte 20 sind die Gitarristinnen der Mädchenband Lilit and the Men in Grey. Nun haben die beiden Freundinnen ein neues Projekt: WILDES. Für alle Fans der Band Lilit and the Men in Grey: Keine Panik, es gibt keine Pläne, sich aufzulösen. Die Musikerinnen hatten einfach Lust, auch mal deutschsprachige Texte zu spielen und noch mehr musikalische Erfahrung zu sammeln. Auf der Facebook-Seite heißt es: „Ich will Action … irgendwas WILDES.“ Den Stil ihres Duos beschreibt Jana als „ein Stück Punk. Ein Teil Disco. Ein Stück trommelnde Beats“. Das klingt zunächst kryptisch, doch wer sich ihr erstes Lied Leopard anhört, bekommt schnell eine Idee davon, wie die beiden Münchnerinnen das meinen. Die Lieder, die sie schreiben, handeln vom Leben, vor allem aber von der Liebe. „Von ihrer Wahrheit, von ihrer Schönheit – das Scheitern und ihr Schrecken inbegriffen.“ Neben all dem Gefühl darf natürlich auch ein Quentchen Ironie nie fehlen. Erlaubt ist, was gefällt – das scheint das Motto der beiden wilden Brünetten zu sein.  

Von: Jacqueline Lang

Klassentreffen

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Das Festival „Sound of Munich now“ feiert München so groß wie noch nie: In drei Hallen beweisen Singer-Songwriter, Hip-Hopper DJs und Indie-Rocker, wie lebendig ihre Szenen sind. Der Andrang ist groß – ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird (Fotos: Johannes Simon).

Manchmal erinnert das Festival „Sound of Munich now“ an ein Klassentreffen: Es sind bekannte Gesichter, die hier zusammen kommen. Einige der Musiker sind zu Freunden geworden, andere beobachten sich lieber aus der Ferne. Was sie sich wohl zu erzählen haben werden? Wer wird überraschen, mehr aus sich gemacht haben als gedacht? Wer ist der ruhige Typ mit traurigen Geschichten? Und wer die hippe Göre mit lässigen Sprüchen? Ebendiese Ungewissheit prägt das Gefühl vom „Sound of Munich now“. Es ist das Festival, bei dem sich die Leute treffen, die eines vereint: Sie alle wollen gute Musik machen und diese Stadt zum Klingen bringen. Und sie alle wissen nicht genau, was sie erwartet. Denn: Die mittlerweile zwei Abende im Feierwerk bringen zusammen, was in München selten zusammentrifft. DJs, die im Harry Klein auflegen, Singer-Songwriter, die vom Liebesleid erzählen, Hip-Hopper, die sich in Jazz verliebt haben, und Freunde schmutziger Rock-Klänge, die handgemachte Musik schätzen und alles Elektronische ablehnen.

Das Schöne: Dieses Musiker-Klassentreffen wird ausschließlich von Menschen organisiert, die es gut meinen – mit der Stadt und mit der Musik. Und die München einen Abend schenken wollen, an dem die Bandbreite der urbanen Musikszene deutlich wird. Denn was nach Vereinheitlichung klingt, ist eigentlich die Suche nach dem, was sich in München entwickelt – auf ganz unterschiedlichen Wegen und in ebenso verschiedene Richtungen. Das verspricht Moderator und Organisator Michael Bremmer von der Süddeutschen Zeitung schon vor dem ersten Auftritt: „Wir suchen hier keine Münchner Schule, keinen einheitlichen Sound, sondern das Bunte in dieser Stadt.“

 Ein Abend reicht den Veranstaltern, dem Feierwerk und der Süddeutschen Zeitung, für diese Bestandsaufnahme nicht mehr aus. Hinzugefügt wurde schon im vergangenen Jahr der „Sound of Munich now Electronica“, ein Abend für die elektronischen Klänge also, die sonst eher die Münchner Sonnenstraße erfüllen. Längst überfällig, meint Peter Fleming, Booker vom Harry Klein: „Ich habe mich ganz oft bei Kultur-Veranstaltern beschwert, weil die elektronische Musik vergessen wird.“ Fleming hat das Gefühl, „die anderen Szenen denken, unsere Leute hätten genug Aufmerksamkeit, weil wir viele Clubs haben und dort präsent sind“. Vielleicht bräuchten da Bands mehr Hilfe, sagt er. „Aber es ist für DJs auch toll, der Mutter sagen zu können: Schau, ich mache etwas Anständiges. Da geht es nicht nur ums Feiern und Trinken, die Musik hat einen Wert.“

Acht Formationen hat Peter Fleming für diesen Abend ausgewählt – und auch er will dabei nicht einen Sound herausfiltern, sondern Vielfalt innerhalb des Genres zulassen: Von Jim Fletch, die mittlerweile fast wieder mehr Band als DJs sind, über Casimir mit klassischen House-Klängen bis zu Drum ’n’ Bass von Tigra & Micromassive. Im Hintergrund: die Projektionen der Visual-Künstler, mal Kreisel mit wechselnden Farben, dann wieder brechende Wellen.

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Jim Fletch

Die bunte Mischung ist an beiden Abenden Gesprächsthema an der Bar: Gefällt sie, gefällt sie nicht? Darf man das überhaupt? House und Drum ’n’ Bass an einem Abend? Sozialkritischer Hip-Hop und Wohlfühl-Pop? Es gibt kritische Stimmen, die den Versuch, ein bisschen von allem zu zeigen, nur schwer zu genießen finden. Und es gibt Besucher wie Milot Mirdita, den genau das reizt: „Ich habe schon darüber nachgedacht, dass ich wahrscheinlich einen komischen Musikgeschmack habe. Manche Freunde von mir mögen Elektro, andere Hip-Hop oder Indie. Und von daher gefällt mir dieser Mischmasch total gut.“ Neben ihm steht Eike Hoffmann und nickt: „Wir sind Festival-Gänger und von daher eigentlich ganz offen.“

Diese Offenheit braucht man am zweiten Abend wohl noch mehr als am ersten: Wo die Musiker am Freitag immerhin 30 Minuten oder gleich eine Stunde Zeit hatten, um sich zu präsentieren, da müssen am Samstag 15 Minuten genügen. Danach wird gewechselt: No Snakes In Heaven beginnen diesen Wettlauf der Bands in der Hansa 39 – und setzen damit Folksongs vor poppige Arrangements von The Living. Wiederum abgelöst von der Rock-Formation Lilit And The Men In Grey – fünf Musikerinnen in enger, schwarzer Kleidung, mit aufwendigem Make-up und glitzernden Gürteln: „Das war der totale Adrenalin-Kick, natürlich hätten wir da lieber gleich weitergespielt“, sagt Sängerin Sandra Le nach ihrem Auftritt.

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Young Chinese Dogs

Doch das gezwungene Ende genießen viele Zuschauer: „Man erlebt hier immer wieder Überraschungen. Es geht da nicht nur um die Musik, sondern auch um das Auftreten. Man merkt einigen Bands einfach eine unheimliche Spielfreude an und bemerkt durch die Wechsel riesige Unterschiede im Auftreten“, sagt Tanja Oldehus, die das Festival schon häufiger besucht hat. Diese Unterschiede spürt man tatsächlich – gerade weil die Wechsel schnell und hart erfolgen. Lilit And The Men In Grey, die offensiv mit ihrer Weiblichkeit spielen, sind kaum von der Bühne, da betritt sie Rapperin Taiga Trece mit roter Mütze und weitem Karo-Hemd. Die drei Hip-Hopper von Arm und Hässlich distanzieren sich schon im Namen von den Reichen und Schönen, während sich bei der Pop-Band Redweik sympathisch gestylte Musiker hinter den Instrumenten wiederfinden.

Ein wichtiges Zusammentreffen, glaubt Taiga Trece: „Ich finde es großartig, dass sich das Publikum mischt. In München bleibt sonst jeder bei seiner Musik, und man kann kaum neue Leute erreichen. Aber 15 Minuten bleiben Zuhörer, auch wenn sie es zuerst nicht mögen.“

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Luko

Genau das schätzt Amadeus Böhm von der Plattenfirma Flowerstreet Records. Er hat in diesem Jahr die Bands im Orangehouse ausgewählt und ist froh, dass so auch verschiedene Organisatoren zusammenfinden. Denn: Zusätzlich zur Show in der Hansa 39 und der Flowerstreet-Bühne hat Musikmanager Rainer Tarara Bands für die Kranhalle eingeladen. „So kommen ganz unterschiedliche Stile zusammen. Aber es funktioniert hervorragend, weil wir uns vertrauen können, dass jeder von uns super Bands für den Abend auswählt“, sagt Amadeus Böhm.

Das Festival immer größer zu machen, ist für Michael Bremmer logische Konsequenz aus den vergangenen sechs Jahren: „Wir wissen, dass immer mehr Menschen kommen, als wir in die Hansa 39 hineinlassen dürfen. Deshalb ist es toll, ein spannendes Programm auf anderen Bühnen anzubieten, zwischen denen sich die Zuschauer entscheiden können.“

Auch in diesem Jahr sind die Schlangen lang, schon nach einer Stunde ist der Andrang so groß, dass die Türen erst einmal geschlossen bleiben. Insgesamt sind es knapp 2000 Menschen, die an beiden Tagen das Festival besuchen.

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Occupanther

Dieser Andrang ist ein Kompliment für eine lebendige Szene, der es in München nicht immer leicht gemacht wird. Deshalb behält die Musik an diesem Abend auch das letzte Wort. Während die Musiker von
Django S. in der Kranhalle mittlerweile ihre Shirts ausgezogen haben und eine kleine bayerische Party feiern, bei der Besucher ohne Dialektkenntnisse nur mitsummen können, wird im Orangehouse die Band Frank In Fahrt mit ihren leicht mitsingbaren Songs gefeiert. Zur gleichen Zeit beenden in der Hansa 39 sphärische Klänge von Occupanther den Band-Marathon. Und am Ende – auch das erinnert an Klassentreffen – ist das Gefühl der Ungewissheit vom Anfang dem der Vertrautheit gewichen. Ein famoser Abend. Marie Schoeß

Weitere Fotos gibt es auf unseren Facebookseiten https://www.facebook.com/SZjugendseite und https://www.facebook.com/Soundofmunichnow. Der Sampler zum diesjährigen Festival ist von sofort an im SZ-Shop erhältlich. „Sound of Munich now 2014“ (18 Songs, 5 Euro) kann man im Internet unter https://szshop.sueddeutsche.de bestellen.

Lilit And The Men In Grey (Bluesrock)

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Jahr: 2013, Woche: 49

Das Publikum ist hart bei Frauen mit E-Gitarre und Bass, der Diskurs um das Geschlecht folgt leider immer noch zwangsläufig. Die Musikerinnen von Lilit And The Men In Grey sind sich dieser Sache bewusst – und spielen damit. Sie nennen Tarantino-Filme als Einfluss, auch weil sie den Sinn des Regisseurs für Erotik und Frauen mit starker Persönlichkeit schätzen.

Es ist die Sehnsucht nach einem anderen Leben, zumindest nach einer anderen Zeit. Etwa die, in der noch analog fotografiert wurde. Nur, die Fotos macht man jetzt mit Instagram, die Outfits findet man in mütterlichen Kleiderkisten, und die Haare kriegt man mit ein bisschen Übung auch so zusammengesteckt wie Brigitte Bardot. Die Münchner Band Lilit And The Men In Grey (Foto: Sebastian Stiphout) spielt mit dieser Ästhetik. Aber sie nehmen die Inszenierung ernster und zeigen sich konsequent als Figuren, die auch vor 40 Jahren hätten leben können. Dem Wüsten-Blues, den sie spielen, hört man jedoch an, dass er die musikalische Gegenwart, zumindest in Form der White Stripes, sehr genau kennt.

Als The Coxx machte die Band vor ein paar Jahren das erste Mal von sich reden. Ihre Musik klang ähnlich, und auch damals spielten sie schon mit einer äußerlich inszenierten Ästhetik. Das Publikum ist hart bei Frauen mit E-Gitarre, der Diskurs um das Geschlecht folgt leider immer noch zwangsläufig. Und die Band um die Sängerin Sandra Le wählte schon damals den Angriff: Kurze Höschen und Schmollmünder wurden so offensiv getragen, dass sich sämtliche Diskussion erübrigte. Jetzt nennen sie Tarantino-Filme als Einfluss, auch weil sie den Sinn des Regisseurs für Erotik und Frauen mit starker Persönlichkeit schätzten, sagt Gitarristin Jana Hartmann.

Das Wilde der Inszenierung schätzt auch Rosa Kammermeier, die Einzige des Quintetts ohne The-Coxx-Erfahrung. Die Bassistin spielt auch bei der Shoegaze-Band Come Back Harriet, die würden aber gerade pausieren und ihr die Zeit geben, die großen Pläne von Lilit And The Men In Grey umzusetzen: ein Album, viele Konzerte, aber eben auch eine Menge gut in Szene gesetzter Bandfotos und Musikvideos. Am Donnerstag, 5. Dezember, treten sie im Atomic Café auf.
Rita Argauer

Stil: Bluesrock
Besetzung: Sandra Le: Gesang; Jana Hartman: Gitarre; Laila Friedrich: Gitarre; Jennifer Weinzierl: Schlagzeug; Rosa Kammermeier: Bass
Aus: München
Seit: 2013
Internet: lilit-and-the-men-in-grey.de; www.facebook.com/lilitandthemeningrey

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.