Zeichen der Freundschaft: Nah und fern

Reisen verändert. Nicht nur die eigene Wahrnehmung von den Dingen die einen umgeben. Auch Freundschaften, die auf einer Reise entstehen, heben sich oft von anderen ab. So ein Kennenlernen hat unsere Autorin erfahren, auf einer Reise durch Thailand

19. Dezember 2016, 10:00 Uhr, Flughafen München, Terminal 2:
Ich starre gespannt auf die Anzeigetafel der Arrivals. Die Air Canada 846
verspätet sich um eine Stunde. Ich bin aufgeregt und kann zugleich meine
Vorfreude kaum verbergen. Vor fast genau einem Jahr öffneten sich für mich die
Türen des Terminals nach 3 Monaten Asien. Liebevoll und unter Tränen der Freude
wurde ich von meine Liebsten empfangen.

Im Flughafengetümmel lasse ich mich von meinen Erinnerungen
treiben. Neben mir Menschen, die sich in die Arme fallen, sich küssen, zusammen
weinen, spüren, wieder vereint zu sein.

Und gleich soll es mir genauso gehen. Nach fast einem Jahr soll eine meiner
besten Reisebekanntschaften aus meiner Zeit in Asien landen: AJ, eine junge New
Yorkerin, die das Leben liebt und gerne lacht. Sie ist so ganz natürlich sie
selbst, manchmal tollpatschig, immer ehrlich, immer offenkundig an Jedem und
Allem interessiert.
Wie wird unser Wiedersehen wohl aussehen? Was wird uns erwarten?

Ich blicke ein weiteres Mal sehnsüchtig auf die
Anzeigetafel. Eine weitere Stunde Verspätung. Ich denke über AJ und unsere
Freundschaft nach.

Zu gerne erinnere ich mich an unser erstes Kennenlernen zurück. Es war eine ganz besondere Begegnung. Mit anderen Freiwilligen verbrachten wir unseren ersten Abend in Chiang Mai auf einem der wundervollen Märkte. Künstler der ganzen Stadt trafen sich hier um ihre Kunstwerke an den Mann zu bringen. Der Duft von thailändischem Essen, die Livemusik im Hintergrund und die vielen verschiedenen Künstler schafften eine ganz eigene Atmosphäre. Fasziniert von den fremden Eindrücken, riss mich AJ plötzlich mit den schiefen Klängen einer Ukulele aus den Gedanken. Sie konnte nicht Gitarre spielen und auch nicht Singen. Da stand sie nun, musizierte, lachte und fragte mich wie ich die Ukulele denn fände und ob ich nicht auch mit ihr spielen wollen würde. Ich lies mich von ihr mitreißen. Wir probierten uns durch den ganzen Laden. So richtig verstanden habe ich nicht, warum man sich eine Ukulele aus Thailand nach Amerika mitnehmen wollte. Es muss nicht immer alles Sinn machen, um Spaß zu machen, meinte AJ zu mir. So tanzten wir noch den ganzen Abend lebensfroh über den Markt und ließen uns vom Nachtleben treiben. Zwar ohne Ukulele, aber mit dem Gefühl, den Beginn einer Freundschaft gefunden zu haben. Vor fast genau einem Jahr feierten
wir dann meinen Geburtstag  mit Singha Bier
und Pizza aus dem Wok. Weihnachten zelebrierten wir unter Palmen mit Plätzchen
aus der Heimat. Es war die beste Zeit meines bisherigen Lebens.

Auch wenn wir uns nicht täglich sehen und wenn wir wissen,
dass ein Wiedersehen nach nur fast einem Jahr über diese Distanz nicht selbstverständlich
ist, so wissen wir doch, dass unsere Freundschaft etwas ganz Besonderes ist und
wir immer aufeinander zählen können. Wir haben uns unter besonderen Umständen
kennengelernt. Eine Begegnung, wie es das Schicksal wollte. Wir fühlten uns miteinander
verbunden. Auf derselben Wellenlänge getragen. Ich war zu Beginn die
Vernünftige, AJ das pure Leben. So blieb die Ukulele auf meinen Rat in
Thailand, unserer peinlicher Auftritt an jenem Abend aber für immer in unserer
Erinnerung.

12:00 Uhr: Die Türen des Terminals öffnen sich. Hinaus
strömt eine ganze Menge an unterschiedlichen Menschen. Inmitten der Menge eine
kleine New Yorkerin mit viel Gepäck und einem Strahlen im Gesicht. Ich spüre
unsere unveränderte Verbundenheit in unserer langen, innigen Umarmung inmitten
des Flughafengetümmels, inmitten all der unvergesslichen Erinnerungen. Seit
wenigen Tagen ist AJ wieder in Amerika und wir fühlen uns noch immer verbunden.
Und wer weiß,
vielleicht geben wir eines Tages tatsächlich noch ein Ukulele-Konzert als Zeichen unserer Freundschaft.

Text: Laura Schurer

Foto: Yunus Hutterer