Gemeinsam statt einsam

Josie-Claire Bürkle, 26, Sängerin der Band Claire, ist Botschafterin der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München. Für Samstag, 17. März, hat Josie ein Benefizkonzert mit ihrer Band Claire, den Kytes, Umme Block und Nihils im Bahnwärter Thiel auf die Beine gestellt. Der Konzertabend dient einem guten Zweck und ist gleichzeitig auch das einzige Konzert, das Claire in diesem Jahr spielen wird.

SZ: Wie ist es zur Zusammenarbeit mit der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München gekommen?

Josie-Claire Bürkle: Das Kinderhospiz ist auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich als Botschafterin dabei helfen möchte, das Thema bekannter zu machen und die Menschen auf die Arbeit der Stiftung aufmerksam zu machen. Nachdem ich mich mit den Mitarbeitern der Stiftung unterhalten habe, habe ich gemerkt, dass die Arbeit der Stiftung ein Thema ist, das ich für sehr wichtig halte.

Welches Thema?
Die Stiftung kümmert sich um lebensbedrohlich und schwersterkrankte Kinder und deren Familien. Sie ermöglichen den Kindern Ausflüge mit unbeschwerten Stunden – wie zum Beispiel einen Besuch im Sealife – und auch, dass sie so lange wie möglich einen normalen Alltag im familiären Umfeld erleben können. Sterben gehört zum Leben dazu. Dass eben auch Kinder und Jugendliche unheilbar krank sein können, das bekommt in der Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit. Die Betreuung von Familien mit kranken Kindern ist außerdem vor allem in einer so teuren Stadt wie München ein riesiger Kostenfaktor. Manchmal kann ein Elternteil nicht mehr zur Arbeit gehen. Ein Gehalt fehlt dann in der Familie. Hier kann die Stiftung eine Entlastung sein.

Wie wurden die Bands für den Benefizabend ausgewählt?
Mir war es wichtig, dass es Bands sind, mit denen wir Schnittmengen haben. Unser Gitarrist hat zum Beispiel mal mit den Kytes zusammen geschrieben und Nihils waren schon mit uns auf Tour. Die Mädels von Umme Block habe ich kennengelernt und es hat direkt gepasst. Als ich den anderen Bands von der Idee erzählt habe, waren sie sofort überzeugt und dabei. Es wird ein bisschen wie ein Abend unter Freunden. Außerdem spielen wir alle nur ein Microset. Das ist dann schon eine besonders intime Atmosphäre.

Und gemütlich. Ihr spielt ja im Bahnwärter Thiel.
Es sollte eine Location sein, die gemütlich sein kann, ja. Und da ich ja in München wohne, sollte es auf jeden Fall in dieser Stadt stattfinden. Der Bahnwärter Thiel ist einer von vielen Orten, zu denen wir eine besondere Verbindung haben. Die Planung des Events läuft schon seit Ende des vergangenen Jahres – es ist das erste Mal, dass ich eine Show organisiere. Ich freue mich riesig darauf, es macht total Spaß.

Was wird mit den Einnahmen des Benefizkonzertes gemacht? Gibt es konkrete Pläne?
Nein, es gibt kein bestimmtes Projekt, für das der Erlös des Abends gedacht ist. Da geht es vielmehr darum, mit den Einnahmen bei alltäglichen Aufgaben anzusetzen, die die Stiftung für die kranken Kinder und Jugendlichen und deren Familien leistet. Mir ist es wichtig, hier zu helfen, denn in München gibt es nicht sehr viele Hilfsplattformen, die auf so etwas spezialisiert sind.

Es wird das einzige Konzert sein, das Claire in diesem Jahr spielt.
Wir haben uns dazu entschlossen dieses Jahr eine Live- und Kreativpause einzulegen. Wir waren jetzt sechs Jahre lang nonstop unterwegs und man wird zu so einer krassen Familie. Das ist total schön, aber wir wollen uns diese Pause gönnen. Manchmal ist es gut, sich Zeit für sich zu nehmen – dann ist es umso toller, wenn man wieder zusammen ist. Die Jungs waren mit meiner Idee zum Benefizkonzert sofort einverstanden. Dennoch: Keiner von uns könnte einfach so Ciao zur Musik sagen.

Was steht stattdessen in diesem Jahr im Vordergrund?
Bei mir wird vor allem im Bereich Studium und Arbeit viel laufen. Darauf möchte ich mich konzentrieren. Es stehen auch ein paar Features mit anderen Künstlern an.

Was erhoffst du dir für den Benefizabend?
Ich wünsche mir, dass es voll und gemütlich wird. Die Leute sollen sich verlieren können. Der Abend soll nicht traurig oder negativ sein, sondern positiv. Das Motto ist ja auch ein Positives: gemeinsam statt einsam.

Foto: Christoph Schaller

Interview von Ornella Cosenza

„Der Tod ist für mich etwas Normales“

Johannes Wegmann, 23, hat ein Jahr in einem Kinderhospiz gearbeitet. Jetzt gibt er seine Erfahrungen weiter.

Johannes Wegmann (Foto: OH) denkt für sein Alter sehr häufig an den Tod, das Thema ist für ihn so gegenwärtig wie für wenig andere junge Leute. Ein Jahr arbeitete der 23-Jährige in einem Hospiz für todkranke Kinder. Diese Zeit, wie sollte es anders sein, hat ihn nachhaltig geprägt: Er warf seine Pläne eines naturwissenschaftlichen Lehramtsstudiums über den Haufen und schrieb sich für Soziale Arbeit in München ein, um die Arbeit mit Sterbenden weiter zu verfolgen. Darüber hinaus arbeitet er noch immer für das Hospiz im Allgäu, ehrenamtlich. Auch zu den Familien seiner ehemaligen Patienten hat er noch Kontakt.

Die Einrichtung steht in seinem Heimatdorf Bad Grönebach, die Entscheidung, dort hinzugehen, lag nahe. In das Kinderhospiz St. Nikolaus kommen Familien mit „lebensbegrenzt erkrankten“ Kindern. Allerdings selten, um dort die letzten Tage des Kindes zu begehen, sondern vielmehr, um eben diese Familien zu entlasten, ihnen die häufig dauerhafte Betreuung und Pflege der Kinder für ein paar Tage abzunehmen. Zu Beginn empfand Johannes Wegmann die Aufgabe als schwierig. „Ich war aufgeregt, die Arbeit mit oft schwer Behinderten war ein völlig neues Terrain für mich.“ Allerdings sei schnell alles zur Normalität geworden. Das Kinderhospiz ist kein Ort, an dem eine ständige Thematisierung mit den Kindern über ihre Situation stattfindet. Johannes Wegmann zeichnet ein Bild von einem lebendigen, hellen Ort, an dem Familien zusammen kommen und für Ablenkung gesorgt wird. Dies sei möglich, obwohl der ernste Hintergrund natürlich niemals vergessen werde.

Normalität, das ist auch das Wort, mit dem Johannes Wegmann seinen eigenen Umgang mit dem Tod beschreibt. „Ich denke, mir ist die Normalität des Sterbens irgendwann klar geworden“, sagt er. Sein Blick auf den Tod sei eher distanziert, allerdings ohne dass ihn das Thema kalt lasse. „Der Tod ist für mich etwas Normales, obwohl es oft schmerzhaft ist oder unfair erscheint. Dass ich sehr viel über meine Arbeit und Erfahrungen spreche, ist der Grund, warum ich insgesamt entspannt bleibe.“ Im Gespräch wirkt er genau so. Immer wieder versucht er, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, es rational zu erklären, ohne dabei dessen emotionale Sprengkraft zu leugnen. Denn eine intensive Beziehung zu einigen Kindern des Hospizes habe er aufgebaut. Und auch zu den Familien hat er noch heute Kontakt, man schreibt und trifft sich sogar.

Johannes Wegmann sagt über das Thema Sterben: „Ich würde das alles nicht so dramatisieren, obwohl ich schon finde, dass es sehr im Hintergrund steht.“ Seine eigene Erfahrung zeigt ihm, dass es weniger Desinteresse als eine gewisse Angst mit dem richtigen Umgang ist, die junge Menschen davon abhält, sich mit dem Sterben auseinander zu setzen. Dass das Sterben oft vielmehr ein Prozess als ein punktueller Vorgang ist, das wird von vielen überhaupt nicht gesehen, sagt der 23-Jährige. Dieses Unverständnis mache den richtigen Umgang dann auch so schwierig.

Eine ähnliche Motivation war auch die Grundlage für das interdisziplinäre Projekt „30 junge Menschen“, das unter anderem von der Universität Witten/Herdecke in den Jahren 2012 und 2013 initiiert wurde. Nach intensiver Vorbereitung haben junge Menschen mit Sterbenden und deren Angehörigen gesprochen. Die Gespräche dieses „Diskursprojekts“ können online eingesehen werden, ein Buch und ein Film sind in Arbeit. „Junge Leute sollten sich mit der Tatsache auseinander setzen, dass sie sterblich sind. Es geht darum, zum Thema Tod eine Haltung zu gewinnen“, sagt Professor Martin Schnell, einer der Leiter des Projekts, in einem Interview.

Diese Einschätzung teilt Johannes Wegmann. Allerdings denkt er nicht, dass es das einzig brennende Thema der Gegenwart dieser Generation sein sollte. „Es braucht den richtigen Zugang, und auch Erfahrung spielt eine Rolle“, sagt er. Dass er diese Erfahrungen machen konnte, will er nun nutzen, um weiterzugeben, was er in der Hospizarbeit gelernt hat. Er freut sich über den Austausch mit Gleichaltrigen, über Interesse und Fragen, die das Thema Sterben wieder stärker in das allgemeine Interesse rücken. Er weiß, dass er einen von vielen Zugängen gewählt hat, um über den Tod zu sprechen. „Das hier ist meine Perspektive, und es gibt noch tausend andere. Über den Austausch bringen wir sie zusammen.“ Valentin Feneberg

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