Zeichen der Freundschaft: Heitere Heiratsanträge

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Kitschige Teenie-Filme in Endlosschleife und unverkrampftes Philosophieren über die ungewisse Zukunft: Unsere Autorin steht ihrer guten Freundin so nah, dass bei den beiden sogar schon Hochzeitsstimmung aufkommt.

Sie fällt vor mir auf die Knie. Mitten auf der
Tanzfläche. Und streckt mir einen meiner eigenen Ringe entgegen. „Willst Du
mich heiraten, Kathi?“ ruft mir Heide über Bilderbuchs
„Maschin“ hinweg zu. Ich nicke, hüpfe vor Freude auf und ab und falle ihr
stürmisch um den Hals. Von den umstehenden Menschen ernten wir verwirrte
Blicke.

Es ist Samstagabend. Oder wahrscheinlich eher
Samstagnacht. Eine gewisse Menge Bier und die aus den Boxen strömende Euphorie
der Musik sind uns ein wenig zu Kopf gestiegen und haben uns wohl graduell
übermütig werden lassen. Es ist nicht der erste Spaß-Heiratsantrag, den Heide
mir macht. Es gab schon einige. In ähnlichen Situationen und ähnlicher
Umgebung. Und das, obwohl es gerade einmal knapp drei Jahre her ist, als wir
uns einander als schüchterne Erstsemester vorstellten.

Heute wohnen wir im gleichen Haus – nur drei
Stockwerke voneinander entfernt – und verbringen so viel Zeit miteinander, dass
es uns tatsächlich manchmal wie eine Ehe erscheint. Ich wüsste nicht, mit wem
ich sonst zum eintausendsten Mal die gleichen kitschigen Teenie-Filme anschauen
würde. Wem ich lieber die Reste meiner in maßloser Selbstüberschätzung
gekochten, viel zu großen Portion Nudelauflauf geben würde. Wer mir sonst die
herrlichsten und kuriosesten Geschichten der letzten Nacht erzählen würde. Und
mit wem ich sonst so unverkrampft und offen über die Zukunft, die Liebe und die
grausame Welt philosophieren könnte.

Ernsthaftes Heiraten und die Ehe sind in unserer
Generation irgendwie out. So kommt es mir jedenfalls vor. Die Menschen haben
Angst, sich aneinander zu binden oder erachten das Ganze als ein
rückschrittliches Konstrukt. Auch Heide erklärt mir jedes Mal, wenn wir das Thema
in ewigen Diskussionen über unsere jeweilige Zukunft anschneiden, dass sie niemals
heiraten will, während ich an meinen vielleicht etwas naiv-spießigen Träumen
von einer Zukunft mit Mann und Kindern festhalte. „Es gibt doch eh keinen
G’scheidn“, stellt sie dann seufzend fest.

Trotzdem und eigentlich gerade deshalb freue ich
mich jedes Mal über den immer wiederkehrenden, alkoholgeschwängerten Heiratsantrag
von Heide. Wenn sich die Menschen in unserer Generation nicht mehr dazu
entschließen aus Liebe zu heiraten, warum dann nicht einfach aus Freundschaft?


Text: Katharina Würzberg

Foto: Yunus Hutterer

EP-Kritik: Amanda Naughton – Meanders EP

Eine Wiese im Sommer. Im
Hintergrund das leise Geräusch vorbeifahrender Autos. Eine junge Frau mit
langen braunen Haaren sitzt mit geschlossenen Augen im Gras. Sie singt – sich
selbst auf der Gitarre begleitend – mit klarer und gleichzeitig brüchiger Stimme
vom einander Nah- und zugleich Fern-Sein.

Amanda Naughton, die sich im
vergangenen Sommer noch in perfekter Singer-Songwriter-Manier präsentierte, hat
am Samstag ihre neue EP „Meanders“ veröffentlicht und sich hierfür entschlossen,
eine ganze Band zusammenzustellen. Entstanden ist eine ehrliche, direkte
Folk-Pop-Platte, bei der sie ihren Wurzeln treubleibt. Mit Natürlichkeit im
Arrangement und der Gestaltung ihrer Songs kehrt sie der meist überproduzierten
Popmusik unserer Zeit entschlossen den Rücken zu. Lockere mehrstimmige
Gesangsharmonien, rhythmisches Klatschen im Hintergrund, eine wehmütige Melodie
auf der Mundharmonika, lässige Gitarren-Riffs und unbeschwerte Schlagzeug-Beats
begleiten das klassische Songwriting der Wahlmünchnerin. Sie lässt sich in
ihrer Musik nicht stressen und zeigt das auch im entschleunigten Aufbau ihrer
Songs.

„Meanders“ von Amanda
Naughton klingt nach Sommer, weiter Landschaft und Freiheit und überzeugt mit
einer Bodenständigkeit und Authentizität, die man sich in der heutigen Popmusik
manchmal öfter herbeiwünscht.

Von: Katharina Würzberg

Foto: 

Dimitris
Chantzaras

The King of Cons X Lil’ L – neue EP Change

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Etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes schaffen – für viele Künstler der Schlüssel zum Glück. Auch die beiden Musiker The King of Cons und Lil’ L haben diesen Schritt gewagt und wollen mit der Musikrichtung Munich Soul, wie sie es selbst nennen, und ihrer EP Change eine Stil-Lücke in der Münchner Musiklandschaft schließen.

Rastlosigkeit ist eine Eigenschaft, die viele Musiker verbindet. Sie sind scheinbar nie zufrieden. Immer auf der Suche nach neuen Sounds und Klängen – einer neuen Herausforderung. Etwas Neues schaffen. Für etwas ein Publikum finden, das vorher noch nie so dagewesen ist. Für Musikschöpfer scheint das der Schlüssel zum Glück zu sein. Dafür erfinden sie sich auch gerne mal komplett neu.
Franko von Lankeren alias The King of Cons hat in diesem Zusammenhang mit seiner neuen EP nahezu eine 180 Grad Wendung hingelegt und dem bodenständigen Klang aus roher Akustikgitarre und Mundharmonika den Rücken zugekehrt. Auf seiner neuen Veröffentlichung Change, die er zusammen mit seinem Freund Lennart Stolpmann, a.k.a. Lil’ L, produziert hat, singt er mit Kopfstimme zu Synthesizer-Flächen untermalt von R’n’B-Drum-Pad-Beats. Ein Stückchen vom Singer-Songwriter-Dasein ist dank gezupfter E-Gitarre und dem klassischen Aufbau der Songs jedoch geblieben. Es entstehen fünf in sich sehr stimmige, poppige, etwas sphärische Tracks, die mit viel Liebe zum Detail produziert wurden. Verfremdete und gedoppelte Stimmen, Soundschnipsel von Stadtgeräuschen, perfekt harmonierende Synthesizer-Klänge. Die Falsett-Stimme Frankos hat zum Teil etwas leicht Kitschiges – ergibt aber im Zusammenklang mit den Trap-Beats und den erschaffenen Soundwelten auf wundersame Weise wieder vollkommen Sinn.
The King of Cons X Lil’ L, wie sich die beiden Musiker in ihrer Zusammenarbeit bezeichnen, wollen mit ihrem selbst betitelten Munich Soul eine Stil-Lücke in Münchens Musiklandschaft schließen und machen mit ihrer EP Change den ersten Schritt in die richtige Richtung. 

Die EP erscheint heute, Freitag den 26.02.2016.

Von: Katharina Würzberg

Foto: Christoph Philadelphia

Von Freitag bis Freitag München – mit Katharina

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Eine gewisse Struktur – ein
Grundgerüst – ist vorhanden, außenrum wird improvisiert! Auch Katharina kämpft sich in dieser Woche durch den Prüfungsstress am Semesterende! Doch zum Glück bietet auch diese Münchner Woche genug Ablenkung vom Lernstress: 10. Mittelmeer Filmtage, Kostümverkauf im Gärtnerplatz-Theater, William McCarthy im Feierwerk und, und dund..Und zwischendrin darf auch ein bisschen geträumt werden – von federleichten Sommertagen, ohne Lernstress.

Ende Januar, 14 Wochen des Semesters sind geschafft. Was hab ich in den
letzten dreieinhalb Monaten gemacht? Schon irgendwie viel. Aber nichts für die
Uni. OK, fast nichts – ich war immerhin ab und zu mal in der Vorlesung. Man muss seine Prioritäten setzen können.
Hier und da hab ich sie wohl im Laufe des Semesters falsch gesetzt – nein
nicht falsch. Suboptimal. Strategisch unklug. Strategie und Zeitmanagement waren noch nie so meine Stärken.
Das bekomme ich jetzt angesichts des Berges an Klausurstoff bitter zu spüren.
Aber bloß keine Hysterie! Knapp zwei Wochen hab ich ja noch.

Trotzdem muss ich mich am Freitag
dann doch den wirklich wichtigen Dingen widmen. Im Gasteig finden noch bis Ende
des Monats die 10. Mittelmeer Filmtage statt. Hier dreht sich alles um den Lebens- und Kulturraum im
Süden Europas. Auch das Thema der Flüchtlingsströme über
das Mittelmeer nach Europa ist hiermit
unweigerlich verknüpft. Deshalb zeigen die Veranstalter heute das Drama
„Mediterranea – Refugees Welcome?“ ,
das die fiktive Geschichte zweier Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa
erzählt. Hochinteressant und hochaktuell!

Am Samstagmorgen
klingelt um acht Uhr mein Wecker. Ich mache mich schnell auf den Weg
zum Theater am Gärtnerplatz. Ich muss mir unbedingt rechtzeitig eine
Wartenummer für den Kostümverkauf ergattern. Fasching steht schließlich vor der Tür und ich bin
mit meiner Planung mal wieder viel zu spät dran. Im Anschluss daran mach ich
noch einen kleinen Abstecher ins Prinzregententheater zum Tag der offenen Akademie der Theaterakademie August Everding. Hier lerne ich bestimmt,
wie ich mich mit meinem neuen Outfit am besten in Szene setze und alle anderen
in den Schatten stelle. Außerdem kann ich mich ein bisschen nach
alternativen Studienmöglichkeiten umsehen, falls das mit dem Lernen doch nichts
mehr wird.

Es ist Sonntag. Ich glaube,
das mit dem Studiengangwechsel ist doch keine gute Idee – Prüfungen sind
einfach unvermeidbar. Nachdem ich mich durch meine suboptimale Prioritätensetzung gestern
mal wieder fein aus der Affäre gezogen hat, muss ich mich heute wirklich mal an
den Schreibtisch setzen. Obwohl, heute ist ja der letzte Tag der
Fotoausstellung Genesis im Kunstfoyer der Versicherungskammer. Sebastiao Salgado
bekannt für seine kontrastreichen Schwarz-Weiß-Fotografien – präsentiert hier
seine beeindruckenden Bilder von Mensch und Natur aus der ganzen Welt.  

Am Montag lässt mich
die Ausstellung nicht ganz los. Fotograf müsste man sein. Einfach um die
Erde reisen und unbekannte Orte entdecken. Oder natürlich Musiker. Das wäre
noch besser. So wie William McCarthy – besser bekannt als Frontman der
Augustines. Der ist auch die ganze Zeit auf Achse. Heute kommt er mit seiner
Solo-Show ins Feierwerk. Das ist ja fast ein Pflichttermin für mich. Es
gibt wohl kaum jemanden, der live so viel Emotion und Ausdruck in seine Musik
packt, wie Mr. „Bill“ McCarthy.

Mit leichten Gänsehaut-Rückständen erwache ich am Dienstag. Der Musikrausch hat
mich mal wieder gepackt. Dagegen hat Uni-Stoff einfach keine Chance. Na gut, in
die Vorlesung heute kann ich trotzdem gehen. Wenigstens für’s Gewissen. Und
wenn ich gut aufpasse, lern ich auch gleich noch was dabei. Das heißt, ich muss
später weniger lernen. Eigentlich eine einfache Rechnung. Aber wie gesagt, mit strategischer Strenge hab ich’s nicht so. Da bin ich am Abend in der Milla wohl genau
richtig. Hinds aus Spanien sind zu Gast – eine vierköpfige Mädels-Band, die
einfach vollkommen unbeschwerten Sound machen. Ihre Musik – ein bisschen Garage Rock,
ein bisschen Strand – ungeschliffen und taff.

Mittwoch  – nach gestern Abend habe ich ultimative Laune auf einen federleichten Sommer bekommen. Aber nein – ich stecke in der
Wintersemesterprüfungsphase. Meine Laune sinkt wie die Temperaturen auf dem
Thermometer. Eigentlich sollte das Wetter draußen Motivation genug sein –
schließlich gibt es nicht wirklich etwas zu verpassen, außer ein bisschen
Schneematsch und Minusgrade. Aber das ist immer so eine Ansichtssache – streng
genommen nämlich schon. Zum Beispiel heute bei der Surf Film Nacht im Rio Filmpalast. Drei verschiedene, preisgekrönte Filme zeigen hier die Suche nach den perfekten Wellen  – von Italien über
Bornholm nach Island. Bei letzterem bin ich dann schon froh, dass ich im Warmen
sitze und nicht im Neoprenanzug durchs Eis stapfen muss. Um auch noch für die
richtige Temperatur im Inneren zu sorgen, mache ich mich danach noch auf ins
Bahnwärter Thiel zum Schienen-Bus-Konzert mit Liann, Carmina Reyes und Clea Charlotte. Hier dauert es wirklich nicht lange und mir ist wohlig warm ums Herz.

Frei nach dem Motto „Ich habe so lange ein Motivationsproblem, bis
ich ein Zeitproblem habe“ starte ich in meinen Donnerstag. Langsam wird’s immer knapper. Ich verbringe den ganzen
Tag mit Lernen. Das kann ganz schön anstrengend sein. Am Abend muss dann
doch noch ein bisschen Abwechslung her. Ich begebe mich ins Lost Weekend, in
dem heute die Launch Party der Cog!to-Zeitschrift  – ins Leben gerufen von Studenten der Philosophie steigt. Mich erwarten spannende
philosophische Themen, Live Musik von Claire
Jul
und ein Philo Slam. Mein Kopf durchbricht beim Nachdenken so viele
verschiedene Metaebenen, dass es für mich danach ein Klacks ist, auch die
Schallmauer zu durchbrechen und mit Überschallgeschwindigkeit zum Supersonic Thursday in den Cord Club zu düsen.

Und täglich grüßt das Murmeltier. Hinterher ist man immer
schlauer. Das merke ich am Freitag. Vielleicht sollte ich doch mal ein Buch über
Zeitmanagement lesen oder meine Strategie ändern. Obwohl ich ja bis jetzt auch
immer so ganz gut durchgekommen bin. Ich sehe da gewisse Parallelen zwischen
mir und den Musikern bei der Live Musik
Jam Session
in der Kongress Bar heute Abend. Eine gewisse Struktur – ein
Grundgerüst – ist vorhanden, außenrum wird improvisiert.

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Katharina

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Studentenleben, vor allem am Anfang des Semesters, ist kein Sahneschlecken: Katharina kämpft schon in der ersten Woche des Wintersemesters mit Übermüdungserscheinungen. Kürzer treten wird sie in ihrer Freizeitgestaltung deswegen aber keineswegs: Ob das Spielart Festival, der Supersonic Thursday im Cord oder die Charity Veranstaltung der Asian Charity Organization – Katharina ist am Start und denkt auch noch fast nicht an Winterschuhe und Weihnachten. Also fast.

Zwei Wochen Wintersemester habe ich jetzt hinter mir und ich bin vollkommen geschafft und durchgefroren. Hatten wir nicht gerade noch 30 Grad? Jetzt laufen alle auf einmal mit Winterschuhen, dicken Schals und Daunenjacken rum, trinken Tee aus der Thermoskanne und freuen sich auf Weihnachten. Das geht mir irgendwie ein bisschen zu schnell. OK – das Wintersemester heißt nun mal Wintersemester, weil der größte Teil des Semesters im Winter stattfindet. Aber der gute Winter muss es ja auch nicht gleich übertreiben. Wo ist der Herbst geblieben? Wie soll mein Körper einen derartigen Temperatursturz überhaupt überstehen? Aber das Gejammer hilft ja auch nichts. Ich muss mich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass ich eine Jacke brauche, wenn ich vor die Tür gehe – meine Chucks werden aber noch nicht durch Winterschuhe ersetzt. Irgendwie muss man dem Ganzen ja trotzen. Immer schön langsam, lieber Winter, eins nach dem anderen.

Um die Sommerstimmung noch ein bisschen in Erinnerung zu halten, entschließe ich mich am Freitag zu einem Festivalbesuch. Heute ist der erste Tag des Spielart Festivals in München. An verschiedenen Orten in der ganzen Stadt präsentieren internationale Künstler ihre Werke. Von Ausstellungen, über Performances und Parties bis zu Installationen ist in den nächsten 16 Tagen alles dabei. Beim Lesen des Programms springt mir sofort die Ankündigung der Videokunstinstallation „Perhaps All The Dragons“ ins Auge und ich mache mich auf den Weg in die Falckenbergstraße zur Kammer 2 der Münchner Kammerspiele. Hier verfolge ich auf dreißig Bildschirmen den unglaublichen Geschichten von dreißig verschiedenen Menschen aus der ganzen Welt. Echt kurios und beeindruckend!

Ich muss zugeben: Es sind nicht nur die Temperaturen, die meinem Körper und Geist zu schaffen machen, sondern auch die Tatsache, dass die Ferien vorbei sind und ich mich langsam wieder ans Semester gewöhnen muss. Das hat meine innere Uhr, die irgendwie immer noch im Ferienmodus tickt, noch nicht so ganz verstanden. Zum Glück ist heute Samstag – mein Lieblingstag der Woche. Morgens ausschlafen und abends ohne schlechtes Gewissen spät ins Bett gehen, egal ob Ferien sind oder nicht. Der heutige Tag gestaltet sich außerdem auch noch unglaublich produktiv. Wir, also meine Band THE LIVING und ich, spielen auf der ACO-Benefiz Veranstaltung im Willi-Graf-Gymnasium. Die Asia Charity Organization (ACO) sammelt für verschiedene Hilfsprojekte in Vietnam und wir dürfen heute auch unseren kleinen Beitrag dazu leisten. Abends genießen wir das leckere asiatische Essen und machen danach noch einen kleinen Abstecher zum Freiheiz. Wir schaffen es zum Glück noch rechtzeitig zum Auftritt von der Lischkapelle und Swallow Tailed, die hier heute im  Rahmen der Neuhauser Musiknacht auf der Bühne stehen. 

Ich glaube das Schicksal hat mein Gejammer gehört. Denn als ich am Sonntag erwache und auf die Uhr schaue, fällt mir ein, dass uns ja heute eine Stunde geschenkt wird. Die kann ich in meinem Projekt „Gewöhn dich ans frühe Aufstehen – die Semesterferien sind vorbei“ gut gebrauchen. Nach einem schönen entspannten Sonntagsbrunch ist mal wieder Zeit für ein bisschen Kunst. Auf der Kunstmesse Stroke in der Säulenhalle an der Hackerbrücke bewundere ich in einer riesigen Schar aus Hipstern die Kleidung junger Münchner Designer und beobachte fasziniert die Präzision und Detailverliebtheit der Tatookünstler.

Es ist Montag und ich kann ausschlafen. Halt! Da stimmt irgendwas nicht. Hab ich mich im Wochentag geirrt? Ich überprüfe meine Stundenplan und tatsächlich: Mein erster Unitag der Woche beginnt erst um vier Uhr nachmittags. Das ist ja gar nicht mal so schlimm. Was beklage ich mich eigentlich die ganze Zeit? Da höre ich lieber mal ein paar jungen Leuten zu, denen wirklich etwas auf der Seele brennt. Beim Isar Slam im Ampere sind heute preisgekrönte Poetry Slammer aus ganz Deutschland und der Schweiz zu Gast. Die Wortwellen der Sprechkünstler schwappen mir entgegen und nehmen mich so in ihren Sog auf, dass ich ganz verblüfft bin, als ich mich am Ende des Abends in einer jubelnden Menge wiederfinde.

Am Dienstag hat sich der ganze Schlafüberschuss vom Wochenende – wenn man überhaupt von etwas derartigem reden kann – schon  wieder relativiert. Nur mit viel Kaffee kommt mein Kopf einigermaßen in Gang. So kann ich wenigstens die ersten paar Stunden des Tages einigermaßen konzentriert überstehen. Doch schon mittags ist die Konzentration wieder hinüber. Ich schaue aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel und träume vom weißen Strand, warmer Sonne und Sommerluft. Bis mich auf einmal meine Freundin in die Seite stupst und fragt: „Sag mal, hast du verstanden, was der Professor genau damit meint?“-  Professor? Was? Ich schrecke aus meinen Tagträumen hoch und befinde mich in einem vollen Vorlesungssaal. OK – so kann das echt nicht weitergehen. Ich bekomme ja gar nichts mehr mit. Irgendwas muss ich an meinem Schlafverhalten ändern. Vielleicht sollte ich einfach mal früher ins Bett gehen. Aber heute klappt das sicher nicht. Ich muss unbedingt zur Aufführung des Performance-Stücks Amarillo in die Muffathalle. Es erzählt die Reise eines Mexikaners durch die Wüste nach Texas. Seine Sinneseindrücke und Erlebnisse stellen die Künstler aus Mexiko mit Hilfe verschiedener Mittel – von Choreographien bis Filmprojektionen – dar. Vollkommen fasziniert vom Geschehen, merke ich gar nicht wie müde ich eigentlich war.

Erst als ich mich am Mittwoch verschlafen aus dem Bett quäle, fällt mir mein doch eigentlich so vernünftiger Plan wieder ein. Naja, vielleicht lege ich einfach später nach der Uni noch ein kleines Nachmittagsschläfchen ein, bevor ich mich dann abends mal wieder in Richtung Ampere aufmache. Langsam kennen meine Füße den Weg dorthin von ganz allein. Sales aus Florida bringen mit ihrer Musik sofort wieder warme Sommerstimmung auf und lassen auch meine kalten Füße schnell wieder auftauen. Vielleicht sollte ich doch langsam mal überlegen, meine Winterschuhe aus den tiefen Winkeln meines Schranks zu befreien.

Der Donnerstag startet mal wieder viel zu früh. Ich glaube mein Plan des Früh-ins-Bett-Gehens war dann doch ein bisschen zu optimistisch – oder sollte ich sagen realitätsfern? Eine Planänderung muss her. Neues Motto: Wenn nichts mehr geht, dann geht noch was. Das klingt doch auch sehr optimistisch. Ich trink mir über den Tag hinweg einen Cola-Rausch an und steuere abends zum Supersonic Thursday in den Cord Club. Ich tanze so lange, bis ich Seitenstechen bekomme und meine Füße weh tun. Auf dem Nachhauseweg lässt dann auch langsam mein Koffeinpegel nach. Zu Hause falle ich mit Klamotten ins Bett und bin sofort weg.

Der Wecker ist echt eine unnötige Erfindung, vor allem wenn er nach weniger als sechs Stunden Schlaf klingelt. Aber an einem Freitag kann ich selbst über diese Tatsache hinweg sehen. Ich bin in Hochstimmung. Nur ein ganz kurzes, kleines Seminar in der Uni und dann steht das Wochenende vor der Tür. Zwei Tage Zeit, um ausreichend Schlaf für die nächste Woche zu sammeln. Nach dem gestrigen Abend gehe ich das ganze ein bisschen langsamer an. Was passt da besser als ein Besuch auf dem eat&style-Festival im Zenith? Ich schlemme mich durch verschiedene kulinarische Köstlichkeiten und hole mir Anregungen für unser Weihnachtsessen. Ups, eigentlich wollte ich da ja noch nicht daran denken, aber jetzt, wo ich schon mal hier bin…

Katharina Würzberg

Foto: Lorraine Hellwig

Ein Abend mit: Jan Salgovic

Heute vor einer Woche hat die
Münchner Band The Capitols im
ausverkauften Strom ihre Debüt-EP präsentiert. Für ihren Gitarristen, Jan
Salgovic, 20, dreht sich auch abseits des eigenen Schaffens alles um die Musik, besonders
an einem perfekten Abend.

Hier beginnt mein Abend: Bei mir oder guten Freunden zu Hause.

Danach
geht’s ins/zu:
 Am liebsten zu einem Konzert, gerne auch in eine Bar in Schwabing oder
im Glockenbachviertel.

Mit
dabei ist immer:
Musik, ein gutes Buch,
Stift & Papier

An
der Bar bestelle ich am liebsten:
Horse’s
Neck

Mein
Lieblingsgesprächsthema:
Alles, am
allerliebsten Musik

Der
Song darf auf keinen Fall fehlen:
(Später
am Abend:) Foals – Late Night

Mein
Tanzstil in drei Worten:
Ganz ganz
schrecklich

Der
Anmachspruch zieht immer:
Kein
Anmachspruch zieht jemals. Blicke sagen oft eh mehr als Worte!

Meine
dümmste Tat im Suff war:
Dem Irrglauben
nachzugehen, sich bei Nacht in einer fremden Stadt alleine ohne Handy
auszukennen.

Das
beste Katerfrühstück gibt’s bei
 … mir zu
Hause

Diesem
Club/dieser Bar trauere ich nach:
Atomic
Café, zwar nicht wirklich schön, doch legendär!

Internetseite: www.the-capitols.net

Katharina Würzberg

Foto: Kai Neunert

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Katharina

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Eine Woche voller Wochenenden – Katharina macht aus ihrem letzten Ferienmonat einen täglich grüßenden Samstag und lässt sich von viel Musik das Leben versüßen: Flowerstreet Festival, EP-Release-Party von The Capitols und das Streetlife Festival sind der Soundtrack dieser Woche. Aber auch interaktive Kunst auf dem Olympus Photography Playground und die erste heiße Schokolade des Wintersemesters sind mit dabei.

Spätestens wenn der
Studienausweis für das neue Semester im Briefkasten liegt, merkt man, dass sich
die Semesterferien dem Ende zuneigen. Ein leicht melancholisches Gefühl
schleicht sich in die sonst so ungetrübte Ferienlaune, das auch mit einem Blick
aus dem Fenster in den wolkenverhangenen Himmel nicht so recht verschwinden mag.
Doch wie Kraftklub so schön singen: „Ein bisschen Melancholie ist manchmal OK“.
Und wenn schöne Dinge nicht irgendwann vorbei wären, würden sie ja auch
irgendwie ihren Reiz verlieren. Bevor ich jetzt allzu philosophisch werde, wage
ich es lieber, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Einmal im Kalender blättern,
verrät mir, dass ich ja doch noch gut einen Monat Zeit habe, den ganzen Tag das
zu machen, wonach mir gerade der Sinn steht.

Beflügelt von diesem Gefühl
stürze ich mich am Freitag gleich
mal rein ins Vergnügen. Ab auf den Spielplatz – oder besser gesagt den Olympus
Photography Playground
im Mixed Munich Arts. In dem ehemaligen Heizkraftwerk, das nachts seine Pforten
für Clubgäste öffnet, findet derzeit eine interaktive Kunstausstellung mit
verschiedenen Installationen statt.
Am Eingang bekomme ich, anstatt
Eintritt zu zahlen, eine Kamera samt Speicherkarte in die Hand gedrückt. Mir wird
erklärt, dass es darum geht, die Kunstwerke durch die Linse der Kamera zu
betrachten und eigene Fotos zu schießen. Die Speicherkarte darf  ich dann am Ende kostenlos mit nach Hause
nehmen. Das hört sich gut an! Also schnappe ich mir eine und fange gleich an,
wild drauf los zu knipsen. Echt faszinierend, aus wie vielen unterschiedlichen
Perspektiven man die Installationen bestaunen kann und wie aus den Fotos neue
Kunstwerke entstehen können. Jetzt heißt es aber erstmal: Ab nach Hause. Ich
bin gespannt, wie die Bilder geworden sind.      

Es ist Samstag. Gut, dass ich gestern Abend früh im Bett war, denn heute
muss ich fit sein. Wir, also meine Band THE
LIVING
und ich, fahren zum Aufnehmen ins Studio in die Nähe von Augsburg. Dort sind
wir den ganzen Tag damit beschäftigt, an unserer neuen EP zu basteln.
Auf dem Nachhauseweg müssen wir
aber unbedingt noch einen Zwischenstopp einlegen. Wie jedes Jahr im September lockt
das Flowerstreet Festival mit einem tollen Line Up zahlreiche Gäste ins Feierwerk. Mit einem Bändchen am
Handgelenk werde ich sogleich von den einfühlsamen Folk-Klängen von The Red Aerostat verzaubert, lausche Chinese Silk and
Videotape
 beim Erzeugen ihrer vielschichtigen Soundwelten und werde von den verzerrten
Gitarren von Elektrik Kezy Mezy und Lem Motlow mitgerissen. Als das Duo von I’m Not A
Band
 aus Berlin das Feierwerk mit ihrem clubähnlichen Electrosound erfüllt, können
meine Füße und die aller um mich herum nicht mehr still stehen. Das ändert sich
auch nicht, als der letzte Act die Bühne betritt. Schmutzki aus Stuttgart, die auf dem diesjährigen Southside das ganze Festivalgelände und
alle Besucher mit ihren roten Schmutzki-Stickern
tapeziert haben, verwandeln das komplette Publikum mit ihrem Mix aus Punk,
Indie und Alternative in eine tobende Menge. Vollkommen erschöpft und mit „Wir
sind Schmutzki“-Gesängen im Ohr falle ich zu Hause in mein Bett und schlafe
sofort ein.

Am Sonntag morgen erwache ich mit einem herrlich euphorischen Gefühl
und beschließe, dass es an diesem Wochenende noch nicht genug Musik gewesen
sein kann. Ich schwinge mich in meine Jacke, schlüpfe in meine Schuhe und
steuere auf die Ludwigstraße zu. Vom Odeonsplatz bis zum Siegestor und noch
weiter sind zahlreiche Stände und Bühnen des Streetlife Festivals aufgebaut. Der Singer-Songwriter Daniel del Valle mit seiner Band Sleepwalkers Station lockt mich mit seiner melancholischen Stimme untermalt von leisen
Gitarrenklängen auf die Lastenradbühne. Verträumt und nachdenklich werde ich weitergetragen.
DayDreamer auf der M94.5 Bühne lassen mich in meinen Erinnerungen an den Sommer schwelgen
und Finn Nelé zieht mich mit seiner unverwechselbaren Stimme in seinen Bann.

Montage sind immer so eine Sache. Das Wochenende ist mal wieder
viel zu schnell vorbeigegangen und der Alltag geht wieder los. Aber halt! Es
sind ja noch Ferien! Das heißt, das Wochenende geht quasi nie vorbei – also
fast nie. Das muss ich ausnutzen. Das Motto für den heutigen Tag lautet
allerdings nicht Musik, sondern Poetry Slam, was mich ins Lyrik Kabinett
München zum Poetry in Motion
 führt. Hier sind heute international
erfolgreiche Künstler aus Berlin, Hamburg und München zu Gast, die mit ihren
Gedichten und ihrer Redekunst auf höchstem Niveau um die Wette eifern.

Am Dienstag, der sich immer noch so anfühlt als wäre Wochenende, mache
ich mich auf den Weg ins Stadtmuseum und gleichzeitig eine Zeitreise in die
60er Jahre. Die Ausstellung „New Yorks 60s“ zeigt Bilder des Münchner Fotografen Sepp Werkmeister, der vor allem für seine
Fotografien von berühmten Jazzmusikern bekannt ist. Die ausgestellten Bilder zeigen
Szenen aus den Straßen des New Yorks der 60er Jahre mit all seiner
gesellschaftlichen Komplexität.
Für mein Abendprogramm bleibe ich
da doch gleich weitestgehend beim Thema. Das Jazz-Institut der Musikhochschule
München veranstaltet heute seinen monatlich stattfindenden Jazz-Jam im Milla. Durch die Virtuosität der Musiker und die Kelleratmosphäre des Milla
fühle ich mich gleich ins Chicago der 50er und 60er Jahre zurückversetzt. Es
würde mich nicht wundern, wenn gleich Louis Armstrong auf der Bühne erscheint. Beschwingt
von der Musik, steppe ich schließlich im Swing-Achtel-Rhythmus nach Hause.

Ich muss zugeben: Irgendwie freue
ich mich doch schon wieder auf die Uni – interessante Vorlesungen, meine Leute,
Fachschaftsparties und alles was sonst noch dazu gehört. Zur Einstimmung darauf
treffe ich mich am Mittwoch mit
einer Freundin im Deli-Star einem Bagel-Laden hinter der LMU. Wir schauen zu, wie unsere Bagel frisch
gemacht werden und genießen zur Vorbereitung auf das Wintersemester eine Heiße
Schokolade – unserer Meinung nach die beste in ganz München. Danach schlendern
wir noch ein bisschen durch die Gegend und machen einen Abstecher zum
Breitengrad,
einem Laden voller Krimskrams, in dem man aus dem Stöbern nicht mehr raus kommt
und in dem wir schon ganze Mittagspausen verbracht haben. Apropos Uni. Da fällt
mir ein, dass ja heute der letzte Tag ist, an dem ich mich in meine Kurse für
das neue Semester eintragen kann. Das muss ich jetzt daheim unbedingt noch erledigen.

Ein Tag Konzertpause muss einfach
reichen. Bevor ich noch anfange, an Entzugserscheinungen zu leiden, ist mein
Ziel am Donnerstag Abend wieder
einmal das Feierwerk. Und das nicht ohne Grund. Nachdem ich zwei Jahre damit
verbracht habe, mir im Internet YouTube-Videos von ihnen anzuschauen, sind Life in Film aus London heute Abend endlich für ein Konzert in München. Als sie schließlich anfangen
zu spielen, breitet sich ein unbeschreiblich wohliges Gefühl in mir aus – und dieser
britische Akzent – einfach wunderschön!

Auch am Freitag ist mein Bedarf an Musik immer noch nicht ganz gedeckt.
Diesmal jedoch aus einer anderen Perspektive. The Capitols aus München feiern heute ihre EP-Release-Party im Strom und ich spiele mit meiner Band THE
LIVING
 als Support. Deshalb packen wir nachmittags unser Zeug zusammen und düsen zum
Soundcheck. Gegen 20 Uhr füllt sich der Club langsam und unsere Aufregung
steigt – wandelt sich aber, sobald wir die Bühne betreten, in Euphorie um. Viel
zu schnell ist unser Auftritt vorbei und The
Capitols
übernehmen. Den Abend lassen wir schließlich bei ausgelassener
Stimmung mit dem Mix von MOMENTUM ausklingen und ich merke, dass eigentlich gar keine Zeit bleibt, melancholisch
zu werden oder den Ferien nachzutrauern.

Katharina Würzberg

Foto: 

Heide Fischer