Täglich porträtieren wir an dieser Stelle eine(n) der 20 mitwirkenden
KünstlerInnen unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen – mal
Fotograf, mal Modell. Heute: Fotograf Jean-Marc Turmes.
Der gebürtige Luxemburger Jean-Marc Turmes,
Jahrgang 1991, kann von Theater einfach nicht genug bekommen: Wenn er
sich damit nicht gerade wissenschaftlich in seinem Studium
auseinandersetzt, fotografiert er das Bühnengeschehen einfach für die
Ewigkeit – und das mit großem Geschick.
Er selbst bezeichnet seine
Fotos als „billigen Abklatsch von Peter Lindberghs Arbeiten.“ Turmes
ist kein Fan von bearbeiteten Fotografien: „Alle produzieren dasselbe
und merken es nicht einmal. Man sieht nur tot-retuschierte Gesichter,
Titten, Ärsche, knallige Farben und Motorräder“, sagt er. Seine
Aufnahmen sind mal schwarz-weiß, mal farbig, wirken jedoch nie künstlich
oder unnatürlich. Er hält dabei nicht nur die großen Momente auf den
Bühnen fest, sondern geht auch mal hinter die Kulissen und fotografiert
im Ballettunterricht an der Theaterakademie August Everding.
Lange
Zeit war die Studiobühne der Theaterwissenschaftler in der Ludwigstraße
28 so etwas wie Turmes zweite Heimat. Ein Ort, mit dem er und andere
Studierende viel verbinden: Freundschaften, Exzesse, Kunst. Jetzt
entsteht hier das Philologicum, die Studiobühne gibt es in den
Räumlichkeiten so nicht mehr. Jean-Marc jedoch hat sie verewigt: mit
Fotos aus Blickwinkeln, die man vielleicht nur in ihrer Emotionalität
begreifen kann, wenn man selbst einmal auf der Studiobühne gespielt hat.
Die Ausstellung “10 im Quadrat” ist an allen Wochenenden im Mai, samstags von 16 – 22 Uhr, sonntags von 16 – 20 Uhr, im Feierwerk Farbenladen geöffnet. Neben den Fotografien werden Konzerte, Lesungen und Diskussionen veranstaltet. Für weitere Infos klickt unsere Junge-Leute-Facebookseite. Der Eintritt ist frei.
Der von der Junge-Leute-Seite gemeinsam mit Flowerstreet Records organisierte Abend “Freundschaftsbänd” wird zu einem wahren Fest der Bandfreundschaften. Neun Münchner Bands Covern sich gegenseitig- und so manche musikalischen Gegensätze prallen direkt aufeinander
Als die beiden Herren von Elektrik Kezy Mezy die Bühne betreten, müssen sie sich erst einmal entschuldigen. Für das, was sie mit elektronisch verzerrter Gitarre gleich aus dem freudig-erwartungsvollen Song L’éléphant von Henny Gröblehner alias Pour Elise machen werden. Die Sängerin selbst muss allerdings lachen. Sie freut sich einfach auf diese etwas andere Version ihres Liedes.
„Freundschaftsbänd“ heißt der Abend im Cord-Club. Die neun Künstler des Abends spielen nicht nur ihre eigenen Songs. Jeder hat die Aufgabe, ein Stück eines weiteren Künstlers des Abends in eigener Interpretation aufzuführen. Die Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung hat das Festival gemeinsam mit der Münchner Plattenfirma Flowerstreet Records organisiert. „Abende wie diese sollen den Münchner Bands eine Plattform geben, um sich als Kollektiv zu präsentieren“, sagt Amadeus Böhm, der nicht nur mit seiner Gitarre für Elektrik Kezy Mezy die Wände erzittern lässt, sondern auch als Gründer von Flowerstreet Records das Festival mitkuratiert hat.
Und so verwandelt sich der Samstagabend im Cord Club in eine Art musikalischen Kreisel: Ein Künstler spielt ein eigenes Stück in Originalfassung, das von der darauffolgenden Band gecovert wird. Die gibt dann ebenfalls einen eigenen Song zum Nachspielen frei. Den Abschluss macht der Singer-Songwriter Flonoton, der Claire Juls düster wummernden Elektro-Soul-Pop in eine fröhliche Ballade verwandelt. Und – als wäre das keine große Sache – hat er den englischen Originaltext für diesen Auftritt ins Deutsche übersetzt.
Bereits beim Soundcheck sind viele der Künstler aufgeregt. Weil die andere Band direkt mitbekommt, „was man aus ihrem Song, aus ihrem Herzblut gebastelt hat. Das ist wirklich aufregend und sehr intim“, verrät Verena Lederer, die als Klimt auf der Bühne Flonotons gehetzt-verzweifeltes Lied „Prellung“ in eine ruhige mit hübschen Melodieläufen ausgestattete Klavierballade verwandelt. Ihr persönlich ausgearbeiteter Stil rückt selbst beim Covern deutlich in den Vordergrund.
Und genau das ist es, was diesen Abend der Band-Freundschaften so besonders macht. Alle Künstler geben sich größte Mühe, das ihnen anvertraute Lied in ganz neuem Licht zu präsentieren. „Dabei musste man den Song komplett auf das Wesentliche herunterbrechen und sich dann überlegen: Wie würde ich das schreiben?“, sagt Kilian Unger alias Liann, der wohl eine der härtesten Aufgaben zu bewältigen hat. Gemeinsam mit der Cellistin Elisa von Wallis verwandelt er Elektrik Kezy Mezys wummernde Blues-Rock-Nummer „This Is How“ in ein andächtiges Liebeslied. Statt lauten Gitarrensoli setzt Liann auf punktiertes Picking am Cello. Und das funktioniert hervorragend, auch die Zeilen des Refrains „This is how I love you / This is how I make you cry“ bekommen eine ganz neue Bedeutung. Die bildmalende Poesie des Liedermachers trifft auf harte Bluenotes der Münchner Garage-Rocker – derartige musikalische Kontraste gibt es an diesem Abend viele. Mola etwa, die Klimts intensives Stück „Loneliest Person On Earth“ in eine groovige Soul-Nummer verwandelt. Und so zeigen die Künstler einmal mehr, dass in München genauso großartige, bunte musikalische und kulturelle Impulse gelebt werden wie in anderen Städten.
Auch mit einem weiteren Stereotyp räumen die Münchner Künstler auf. Noch immer hört man das Vorurteil, dass sich aufgrund des hohen Konkurrenz- und Erfolgsdrucks in der Szene eine Art Ellenbogengesellschaft gebildet habe. Dass die Bands hier mehr gegeneinander als für- und miteinander arbeiten würden. Wer am Samstagabend allerdings auf die Hingabe achtet, mit der sich die Künstler an den ihnen anvertrauten Liedern zu schaffen machen, der kann bezeugen, dass zwischen den Musikern eine ganz besondere Bindung herrschen muss.
Besonders nach diesem einmaligen Konzert ist diese Vertrautheit überall spürbar. Es wird gelacht, gedankt für die neuen Impulse, die jeder Künstler aus den Coverversionen mitnehmen kann. Karlo Röding etwa, Frontman der Indie-Band The Living, hätte Sängerin Claire Jul den eigenen Song „Sweet Melody“ fast geschenkt, als er ihre Version zu hören bekommt.
Auch das Publikum zeigt sich begeistert vom extrem kurzweiligen Verlauf des Abends. Viele Zuschauer wünschen sich eine Fortsetzung, besonders weil sich die Münchner Bandszene so familiär und freundschaftlich verbunden gezeigt hat. Bei all den neuen Eindrücken und Bekanntschaften freuen sich Bands und Publikum selbstverständlich auch über die ausgefalleneren Kontrastpunkte, die etwa Dobré setzen kann. Mit Cajons und Westerngitarre verwandeln sie Molas Electro-Pop in eine entspannte Lagerfeuerhymne. Und auch Pour Elise zeigt sich von der verzerrten Up-Tempo-Version ihres unbeschwerten Akustik-Songs begeistert. „Ich konnte noch immer alles mitsingen“, sagt die Sängerin. Und für den Stilbruch haben sich Elektrik Kezy Mezy ja bereits entschuldigt.
Text: Louis Seibert
Fotos: Jean-Marc Turmes
Weitere Bildergalerien des Abends gibt es hier und hier.
Der 25-Jährige Fotograf hat schon die ein oder andere Party gecrashed, doch welche war wohl am peinlichsten? – Neben diesem Geheimnis gibt Jean-Marc noch weitere Tipps für Samstagabende.
Hier beginnt mein Abend:
@home im Dollhouse
Danach geht’s ins/zu:
Dolleck
Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge
ich sie vom Gegenteil:
„Lass noch zu Toni!!!“
Mit dabei ist immer:
P-Core und s1 Patenkind H-Boy
An der Bar bestelle ich am liebsten:
Ein Helles
Der Song darf auf keinen Fall fehlen:
„The Right Stuff“ von Noel Gallagher
Mein Tanzstil in drei Worten:
Absolut genial peinlich!
Der Spruch zieht immer:
„Du kannst auch auf meinem Schoß
übernachten!“
Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist:
„Gute Nacht Wurst“ an der Fraunhoferstraße!
Meine dümmste Tat im Suff war:
Premierenparty in Füssen gecrashed (war
peinlich).
Das beste Frühstück nach einer durchfeierten
Nacht gibt`s im/bei:
Die Studiobühne in der Ludwigsstraße, war lange zweite Heimat für Jean-Marc Turmes, 24. Die kleine Bühne der Theaterwissenschaftler ist ein sehr persönlicher Ort für ihn und viele andere. Nun muss sie einer Bibliothek weichen. Deswegen hat das Bild abseits technischer Aspekte einen ganz persönlichen Wert für Jean-Marc.
Jahrelang war die Studiobühne in der Ludwigstraße 25 die zweite Heimat von Jean-Marc Turmes. Wochen und Monate verbrachte der Student auf und hinter der kleinen Bühne der Theaterwissenschaftler. Jetzt muss die Studiobühne einer Bibliothek weichen. „Während den Proben zu einem Stück im vergangenen Sommer wurde mir auf einmal bewusst, dass die Studiobühne nicht für immer bestehen wird“, erzählt Jean-Marc, 24, etwas wehmütig. Während einer Pause stand er am Ende des Korridors und hielt die Erinnerung fest. „Mit diesem Ort verbinde ich einfach so viel: Freundschaften, Exzesse, Kunst, egal ob gut oder schlecht“, sagt der junge Fotograf.
Der Korridor ist auf ersten Blick sehr unscheinbar. Aber: „Das Foto ist sehr persönlich, aus einem einfachen Grund: Dieser Blickwinkel ist nicht der eines Besuchers, eines Fremden auf die Studiobühne – es ist die Sicht der Menschen, die die Studiobühne kennen“, erklärt Jean-Marc. „Die Tür links, halb offen, halb zu, steht für alle Aufführungen, alle Proben, alle Freundschaften, die ich an diesem Ort erlebt habe.“
Normalerweise sind Jean-Marc die technischen Aspekte hinter einem Foto sehr wichtig. „In diesem Fall nicht“, verdeutlicht der 24-Jährige, „dieses Foto ist sehr emotional und aus dem Affekt geschossen. Wenn man es sich anschaut und nie auf der Studiobühne gespielt hat, kann man nicht das gleiche Gefühl dabei empfinden.“
Müdigkeit, Aufmerksamkeit – und Durst! Jean-Marc Turmes, 24, möchte die Realität durch seine Fotos neu interpretieren. In diesem Falle das Audimax der TU. Hier trifft die Gleichmäßigkeit der horizonalen Linien, auf die ungleichmäßigen Sitzpositionen der Studenten.
„Mich reizt der Aspekt einer Fotoreportage, aber immer mit künstlerischem Anspruch“, sagt Fotograf Jean-Marc Turmes. Deshalb sind seine Fotos nie eine Abbildung der Realität, sondern seine Interpretation davon. „Ich will reale Momente festhalten, die durch mein Foto noch etwas hinzugewinnen – eine Art magische Aura.“
Genau das ist dem 24-Jährigen im Audimax der TU München gelungen. Bei einer Studentenveranstaltung wollte Jean-Marc eine allgemeine Perspektive haben, um die Geschichte der Diskussion besser erzählen zu können. Von oben auf dem Balkon schoss er das Foto mit einem Teleobjektiv. „Mir gefiel gleich die Gleichmäßigkeit der horizontalen Linien in Kombination mit der Ungleichmäßigkeit der Menschen und Wasserbecher“, beschreibt es der gebürtige Luxemburger. Trotz der Vogelperspektive zeigt das Foto die Gefühlslage der Menschen. An Haltung und Sitzposition erkennt man Müdigkeit, Aufmerksamkeit – und Durst.
Jean-Marc hat sich der Porträtfotografie verschrieben. So kam er vor vielen Jahren überhaupt erst zum Fotografieren: „Als ich ungefähr acht Jahre alt war, hatte ich eine kleine, pinke Kamera – natürlich analog und ohne Zoom. Auf Schulausflügen, wenn andere die Umwelt fotografierten, schoss ich Fotos von den Menschen.“ So begann Jean-Marc, die Realität durch Fotos neu zu interpretieren. Im Idealfall, so hofft er, ist diese Interpretation dann künstlerisch.
“Jetzt kennen wir uns und können uns gegenseitig unterstützen und zusammen Bier trinken“ – sagt Fotograf Jean-Marc Turmes, einer der 20 Mitwirkenden unserer “10 im Quadrat”-Ausstellung im Farbenladen. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.
Worum geht es bei deinem Konzept? / Wie bist du darauf
gekommen? Mein Konzept ist
ein billiger Abklatsch von Peter Lindberghs Arbeiten. Ich verachte
Ausdrücke wie “Beauty”, “sexy”, “Look” usw… Alle produzieren dasselbe und
merken es nicht einmal. Man sieht nur tot-retuschierte Gesichter, Titten,
Ärsche, knallige Farben und Motorräder. Kein Wunder, dass die Kluft zwischen
kommerzieller und künstlerischer Fotografie immer größer wird (um das Bashing
fair zu halten: was ein Schwarz-Weiß-Foto einer Kuh mit Kunst zu tun hat,
verstehe ich auch nicht – selbst als Theaterwissenschaftler!! ). Ich finde es schade,
wenn ein so tolles Ausdrucksmittel wie die Fotografie dazu gebraucht wird, um
unidirektionale Aufgeilung zu betreiben: guck, hier, das ist das
Schönheitsbild. Jetzt bitte geil werden. Oder depressiv. Dazwischen gibt’s
nicht so viel. Ich war noch nie ein Fan der Psychoanalyse, deswegen
interessieren mich in meinen Portraits vor allem die Grautöne, die
Zwischenstufen, das Menschliche als universelles Gefüge auf Papier. Jetzt wo
das gesagt ist: dieser Text ist keineswegs notwendig um meine Bilder zu
“verstehen”. Es soll sie auch niemand verstehen. Wenn Sie sagen: also
die Bilder vom Turmes sind für mich das fotografische Pendant zu Lacan, dann
ist das auch ok.
P.S.: Wenn Sie
das wirklich finden, sollten sie umgehend mit mir darüber reden. Vielleicht
gibt’s da ‘nen Vaterkomplex.
Wie war es, so viele unterschiedliche Leute für eine
Bild-Serie zu fotografieren? Geil. Herausfordernd.
Welche Begegnung hat dich am meisten beschäftigt? Ich habe bisher
jede Begegnung sehr genossen. Ich kann und möchte daher nicht werten. Seht es
als Kompliment an eure Auswahl der zu Fotografierenden: alles nice Girls und
Boys!
War es schwieriger, z.B. einen Schauspieler/Musiker zu
fotografieren (also selbst “Künstler”), als professionelle Models und
wenn ja, inwiefern? Es gibt keine
professionellen Models. Es gibt nur Leute die Bock haben, was von sich zu
zeigen. Den Bock hatten alle. Gut, Rahmatullah war zunächst ein wenig
schläfrig, aber dann hab ich ihn ein bisschen provoziert und dann ging’s.
Bist Du auch mal an Deine Grenzen gestoßen? / Musstest Du
Deine Vorstellung/ Dein Konzept über den Haufen werfen, weil es schlichtweg
nicht ausführbar war? Meine Grenzen
sind hauptsächlich körperlicher Natur. Also: nein. Ein wirkliches
Konzept habe ich nicht. Also auch hier: nein.
Nimmst du die Szene dieser Stadt nach dem Projekt anders
war? Braucht es mehr Vernetzung? Das Projekt hat
auf jeden Fall was gebracht. Es gibt so viele nice Leute, die aber oft
untergehen im Schall & Rauch der Gegenwart. Jetzt kennen wir uns und können
uns gegenseitig unterstützen und zusammen Bier trinken.
Mit Licht gemalt: Theaterwissenschaftsstudent Jean-Marc Turmes blickt fotografisch auf das Münchner Siegestor.
Ein Auto zieht am Siegestor vorbei. Auf dem Bild von Fotograf Jean–Marc Turmes, 23, ist es durch die lange Belichtungszeit nur noch als Lichtstreifen zu erkennen. „Ich habe mit Licht geschrieben“, sagt er über das Foto, das vergangenen Sommer entstanden ist. Das Siegestor ist für ihn ein Stück München: Wenn er von seiner Wohnung in die Stadt rein fährt, dann fast immer über die Leopoldstraße. „Wenn ich dort vorbeikomme, denke ich oft, okay, jetzt bin ich wieder in München.“ Jean-Marc, der ursprünglich aus Luxemburg kommt, fotografiert seit er 16 ist. Der Theaterwissenschaftsstudent arbeitet dokumentarisch, will in seinen Bildern Momente einfangen, die etwas erzählen – wie jenen Moment, in dem die Autos durch die Nacht gleiten.