Foto: Chiara Toki

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Luca

Jeden Abend nur ein Feierabendbier an der Isar zu trinken, kann eintönig werden.
Unser Autor Luca hat deswegen vielseitige Veranstaltungen für die kommende Woche parat. OpenAir, Kino, Tanz und ganz viel Kunst.
Von Filmklassikern am See bis hin zu einer Ausstellung, auf der man synthetisch hergestellte Muttermilch sehen kann. München hat viel zu bieten!

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Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Jana

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Bei unserer Autorin dreht sich kommende Woche ganz viel um Theater – kein Wunder als Studentin der Theaterwissenschaften. Interessieren tut sie sich aber natürlich auch für anderes: zum Beispiel für das “Digital ist besser”-Festival von M94.5.

Dass Mitte Juli ist und sich sowohl das Sommersemester als auch die Spielzeit am Theater gleichzeitig dem Ende zuneigen, merke ich am trefflichsten, wenn sich die spannenden Lektüren in meinem Zimmer stapeln, dafür die Tasche mit der Sekundärliteratur für Hausarbeiten täglich schwerer wird, wenn der Kalender an allen Ecken und Enden überquillt und ich darin einfach keinen Platz mehr für ein Treffen mit meinen Freunden finde.

Am Freitag schlage ich diesen Kalender auf und das Gekrakel darin erinnert mich daran, dass dieses Wochenende auch für mich die Sonne scheint. Meine kleine Schwester kommt zu Besuch! Welcher Film aus den Achtzigerjahren bringt Familien zuverlässig gemeinsam auf die Couch? Ganz genau: La Boum – die Fete! Als Kinder sahen meine Schwester und ich uns den Film an und die junge Sophie Merceau wurde unser Vorbild für die anstehende Pubertät, während meine Mama in nostalgischer Stimmung keinen Gedanken daran verschwendete, dass ihr ähnliche Konflikte wie im Film bald mit ihren eigenen Töchtern bevorstehen würden. Ich hole meine Schwester also am Bahnhof ab und wir gehen schnurstracks zum Open Air Kino auf dem Mars Markt. La Boum wird dort heute gezeigt – und für uns in alten Zeiten geschwelgt.

Am Samstag kommen wir gar nicht schnell genug aus dem Bett, denn eine
Freundin von mir hat uns eingeladen, mit ihrer Gruppe bei der Christopher Street Parade mitzulaufen. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Außerdem müssen wir heute unbedingt ins Lothringer13 Florida. Cana Bilir-Meier stellt dort aus – in Erinnerung an ihre Tante, die sich 1982 in Hamburg selbst in Brand steckte, um auf den herrschenden Rassismus aufmkersam zu machen. Da ich erst neulich einer spannenden Diskussion über den NSU-Komplex beiwohnen durfte, in dem auch die Aktion von Canas Tante Semra Ertan behandelt wurde, ist dieser Ausstellungsbesuch für mich heute besonders wichtig. Anschließend gehts in die Glockenbachwerkstatt – dort spielt unter anderem KLIMT. Die Musik ist zwar gut, aber noch besser finden wir es, hier gelandet zu sein, als wir erfahren, dass alle Einnahmen an “Hungry for Music” gespendet werden. Die Organisation spendet Musikinstrumente an Kinder aus aller Welt, die sich selbst keine leisten können.

Am Sonntag ist noch einmal Quality-Time angesagt, bevor ich meine kleine
Schwester wieder an den Bahnhof bringen muss. Zähneknirschend stimme ich zu, dass wir zum Tischtennistunier ins Import Export gehen. Ich weiß, dass ich
haushoch verlieren werde, denn schon als Kind musste ich mich bei diversen
Tischtennis-Kräftemessen im Familienkreis immer mit dem letzten Platz zufrieden geben. Ich beschließe, die anstehende Niederlage gelassen über mich ergehen zu lassen, bevor dann am Abend Abschiednehmen angesagt ist.

Der Montag beginnt so friedlich und ruhig wie schon lange nicht mehr: mit einem Spaziergang zur Uni. Dort angekommen überstehe ich sogar die Zeit im stickigen Seminarraum gut, zumindest mit der erfreulichen Aussicht auf ein Kaffeetreffen im Englischen Garten im Anschluss. Weil ich mich an so viel Gelassenheit in meinem Alltag durchaus gewöhnen könnte, möchte ich mir heute Abend im Lost Weekend den Vortrag zur 32-Stunden-Woche für alle anhören. Der Titel schreit für mich geradezu nach Entschleunigung im Arbeitsalltag – ein Aufruf, dem ich mich gerne anschließen will. Beim Stichwort Entschleunigung denke ich sofort an meinen anstehenden Urlaub, der dieses Jahr ein Surftrip sein wird. Zur Einstimmung fahre ich nach dem Vortrag ins Viehhof-Kino: Dort zeigen sie heute Abend nämlich den Film Biarritz Surf Gang.

Um die anstehende Spielzeitpause im August gut überstehen zu können, will ich
diese Woche unbedingt noch ganz viel Theater tanken. Am Dienstag sehe ich mir Balkan macht frei im Residenztheater an, der Regisseur Oliver Frljic ist bekannt dafür, provokativ zu inszenieren. Ich bin gespannt auf einen eigensinnigen Regisseur, der mit seiner sozialkritischen Stückentwicklung, dessen Muse er sich selbst war, schon in der vergangenen Spielzeit sein München-Debüt gab.
Bald sind Ferien? Irgendwas habe ich da wohl missverstanden, denn ich stelle mit Erschrecken fest, dass ich ja schon in ein paar Tagen in die Steiermark fahre – um zu arbeiten!

Am Mittwoch holt mich der Alltagstress, den ich die jüngsten Tage so
gut von mir abwenden konnte, wieder ein. Schlaftrunken sehe ich dem Kaffee auf dem Herd zu, wie er langsam hochkocht und die Kanne füllt. Ich wünsche mir, meine Akkus ließen sich auch mal so eben füllen. Stattdessen schleppe ich mich im Niedrig-Level durch die Stadt. Ich darf nicht vergessen, die Bücher zurück in die Bibliothek zu bringen, meine Hausarbeiten abzugeben, den Zug zu buchen, zu packen… Es scheint mir, die Liste wird immer länger. Egal, auch wenn die Zeit rennt, heute Abend habe ich was besseres vor, als mich mit so langweiligem Organisations-Kram zu beschäftigen. Denn im Volkstheater spielen sie paradies.fluten. Der Regisseurin Jessica Glause durfte ich vor einiger Zeit assistieren und habe sie als Künstlerin sehr schätzen gelernt. Umso mehr Vorfreude, endlich mal wieder etwas von ihr zu sehen.

Nachdem ich mich den ganzen Donnerstagvormittag in der Uni mit Theatertexten rumgeschlagen habe, freue ich mich umso mehr, heute Abend wieder Theater zu gucken, anstatt zu lesen. Ich habe eine Karte für MAUSER, wiedermal inszeniert von Oliver Frljic am Residenztheater. Was ich bisher so von begeisterten Freunden gehört habe, ist dieses Stück eine gelungene Abwechslung zum sonst eher klassischen Schauspiel am Resi.

Wie immer beginnt mein Tag auch am Freitag viel zu früh, und ich brauche wie
jeden Morgen erst einmal Radio in Extralautstärke. Aufwachen mit M94.5 ist
bereits fester Bestandteil meines Alltags. Wie soll das nur von Herbst an werden, wenn ich nicht mehr im Halbschlaf nur eine Taste drücken muss, um einen guten Start in den Tag zu haben? Beim Zähneputzen beschließe ich, meine Sorgen auf den Herbst zu verschieben und mich heute ausschließlich auf das “Digital ist besser” – Festival im Feierwerk zu freuen. Dass die Menschen von M94.5 einfach einen guten Musikgeschmack haben (und deshalb ein Recht auf ihre Frequenz hätten!) haben sie mal wieder bewiesen, als sie Drangsal für ihr Festival gebucht haben.

Text: Jana Haberkern

Foto: Privat

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Max

Was macht man bei Schnee und Kälte? Daheim bleiben- oder möglichst exponentiell viel Zeit in den Bars und Clubs der Stadt verbringen. Unser Autor Max verrät euch, wo man in der kommenden Woche gut dem Winter trotzen kann.

Schnee, Eiseskälte, und auch noch Klausurenzeit.
Eigentlich alles Gründe, in der nächsten Woche keinen Fuß vor die Tür zu
setzen. Doch zum Glück bietet München mal wieder ausreichend Gegenargumente, so
dass es mich doch auf die ein oder andere Veranstaltung zieht. Also Schlechtwetter-Sneakers
angezogen (das Festere meiner zwei Paar Schuhe) und ab in die Stadt.

 Mein Kampf gegen die Kälte beginnt mit einem
Kampf der Giganten. Am Freitag gibt es gleich zweimal Rockmusik, nämlich
im Import Export auf der Grande Rock Night und auf dem PestFest im Feierwerk. Dagegen tritt an: die Deutsche Box Poetry Slam
Meisterschaft
im Muffatwerk. Im Duell
glühende Gitarren gegen herzerwärmende Lyrik entscheide ich mich für Letzteres.
Zumal ich diese Woche noch genug Musik hören werde.

 Der Reißverschluss meiner Winterjacke ist
kaputt. Deshalb hält die leider nur noch sehr begrenzt warm. Ich versuche also
meine Zeit draußen auf ein Minimum zu begrenzen. Das gelingt mir am Samstag
schon mal nicht.

Obwohl ich eigentlich leidenschaftlicher
Carnivore bin, starte ich meinen Tag beim We Love Vegan Brunch im So Ham. Zum Glück ist Tee vegan, so werde ich
wenigstens von innen gewärmt, auf dem Weg zum nächsten Event. Die Konferenz Sensible Daten in den Münchner Kammerspielen thematisiert drei Tage
lang die Kunst der Überwachung. Bei Workshops zu den Themen WikiLeaks, NSA und
Big Data vergeht der Nachmittag recht schnell, und am Abend wartet noch das Highlight
der Veranstaltung. In der Gala „Pfeifen auf die Freiheit?” ist Whistleblower
Edward Snowden per Video zugeschaltet. Nach dem Ende der Gala renne ich. In die
Glockenbachwerkstatt, zum OneBeat SampleSlam. Denn Musiker, die aus kurzen Musikschnipseln
musikalische Kunstwerke erschaffen – das klingt genau nach meinem Geschmack.
Jetzt ist mir wenigstens nicht mehr kalt.

 Nachdem es beim SampleSlam dann doch etwas
länger wurde, freue ich mich, dass ich am Sonntag ausschlafen kann.
Einen weiteren Tag Sensible Daten packe ich nicht. Nicht nach diesem Abend.
Obwohl es doch wieder interessante Vorträge zu hören gäbe. Aber heute mache ich
nichts anderes als zu entspannen. Und wo geht das besser, als bei ein bisschen
Unplugged-Musik auf den Sunday Sessions im Lost Weekend?

 Es ist Montag – und sowohl Muffathalle
als auch Feierwerk sagen ihre heutigen Events ab. Was muss das für ein schrecklicher
Tag sein? Ich mache vorsichtshalber nichts. Vielleicht nutze ich die freie
Zeit, um mir im Schlussverkauf eine neue Winterjacke zu ergattern. Aber im
Internet, denn vor die Tür geh ich lieber nicht.

 Am Dienstag beschließe ich, doch mal was
für meine Klausuren zu tun. Aber nicht zu viel, denn am Abend muss ich noch
Energie übrig haben. Für Kristian Brakel, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung
Istanbul. Der spricht nämlich im Lost Weekend. Worüber? Ich denke der Titel „Wohin steuert die Türkei?” ist selbsterklärend.

 Im Lost Weekend könnte ich eigentlich gleich
übernachten. Denn am Mittwoch findet hier die Winterausgabe des Future Shorts Kurzfilmfestivals statt. Das will ich mir unbedingt
geben – wäre da nicht die Singer & Songwriter
Open Stage
im Import Export, und auch
noch das SchienenBusKonzert im Bahnwärter Thiel. So unentschlossen war ich schon
lange nicht mehr. Also pendele ich zwischen allen drei Veranstaltungen. Bei der
Kälte zwingt das sogar die Winter-Sneakers in die Knie.

 Deshalb nutze ich mein letztes verbleibendes
Paar Schuhe, um am Donnerstag ins Sophia’s zu kommen. In der Serie Sophia’s goes Jazz spielt diesmal der hervorragende Bassist Gabriel
Barreira mit seiner Band. Die Schuhe sind alles andere als kältefest, deswegen
pendele ich heute nicht. Auch nicht in die Garage Deluxe zur Bernard Allison Group.

 Denn Blues, Funk und Soul bekomme ich zum Glück
auch am Freitag. Die Jamsession in der
Kongress.Bar
ist wahrscheinlich eine
der niveauvollsten Sessions in München. So reibungslos wie hier die Abläufe
funktionieren könnte man meinen, die Musiker hätten doch heimlich geprobt. Ein
würdiger Wochenabschluss!

 Was ich in dieser Woche schon wieder alles
erlebt habe, war die verschlissenen Kleidungsstücke und halb erfrorenen
Körperteile auf jeden Fall wert. Und jetzt habe ich ja genug Zeit zur
Regeneration. Denn die nächsten Wochen werde ich wohl hauptsächlich am
Schreibtisch verbringen – Klausurenzeit.

Text: Maximilian Mumme

Foto: Serafina 

Ferizaj

Ministerin für Ein- und Aussatz

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Elena Anais Lorscheid promoviert in Germanistik und gibt Schreibworkshops. Als sie nach München kam, war sie vom Angebot der männerdominierten Leseszene enttäuscht – und gründete die Rationalversammlung.

Von Theresa Parstorfer

Schreiben ist ein ekliger Prozess. Findet zumindest Elena Anais Lorscheid. Wie eine Art von Vokabeln-Lernen, durch das man sich eigentlich nicht um des Lernens willen, sondern um des Danach-Könnens willen quält. „Man muss alleine sein können, wenn man schreibt. Und man muss seine eigenen Gedanken aushalten können“, sagt sie.
Elena ist 28 und eigentlich wollte sie in diesem Alter schon ihren ersten Roman fertig geschrieben haben. „Das hat leider nicht geklappt“, sagt sie und lächelt dabei. Aber in diesem Jahr will sie fertig werden mit dem Buch. Und dann, im Laufe der nächsten zwei Jahre soll es erscheinen. Wenn man sich so anhört, was Elena sonst noch alles auf die Beine stellt neben ihrer Promotion in Germanistik, ist es ohnehin erstaunlich, dass sie noch die Zeit findet, einen Roman zu schreiben.

Immer wieder gibt sie Schreibworkshops, und seit vier Jahren organisiert sie einmal im Monat zusammen mit anderen die Rationalversammlung. Das ist eine Lesebühne, die von Anfang an ausverkauft war und vor Kurzem aufgrund steigender Besucherzahlen vom Rationaltheater ins ImportExport umgezogen ist.

Lesebühne. Das ist ein Wort, das oft fällt, wenn man sich mit Elena unterhält. Sie bewegt sich in der „Lesebühnenwelt“ wie andere im Musikjargon. Sie kennt alle Bühnen und die meisten Autoren. Schon während ihres Germanistik-Bachelorstudiums in Marburg hatte sie drei Jahre lang eine solche Veranstaltung geleitet, bei der Autoren ihre Texte vorlesen können. Als sie dann für ihr Studium der Komparatistik nach München zog, sei sie ein wenig enttäuscht gewesen vom Angebot der Münchner Leseszene. So entstand die Idee der Rationalversammlung. Auch wenn alle der sechs Veranstalter Hintergründe im Poetry Slam haben und die Grenze zwischen dem, was in der Rationalversammlung gemacht wird und klassischem Poetry Slam teilweise fließend ist, sind Elenas Gefühle, was den Slam angeht, gemischt. Sie erzählt davon, wie schwer sie es als Mädchen hatte, als sie anfing, an Wettbewerben teilzunehmen. „Sexismus im Poetry Slam ist vielleicht ein heikles, aber doch sehr interessantes Thema“, sagt sie. Eigentlich sei ihr schon immer klar gewesen, dass das Slammen nicht das war, was sie wirklich machen wollte. „Wenig erhebend“ habe sie es gefunden, sechs Stunden zu Contests fahren zu müssen, um dann fünf Minuten auf der Bühne zu stehen. Und dann im schlechtesten Falle die niedrigste Bewertung zu bekommen, weil man eben „zu leise, zu nachdenklich“ sei.

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass es auch anderen jungen Autorinnen so geht. Sich nicht trauen, sich selbst nicht für gut genug befinden und von der Männerwelt an die Wand geschrieben und geslammt werden. „Das ist in München auch noch mehr so als in anderen Städten. Berlin oder Leipzig. Da gibt es sehr viel mehr Frauen auf den Bühnen.“ Deshalb will sie als nächstes Projekt eine Frauen-Lesereihe organisieren. „Composita“ soll diese Reihe heißen und wie ein Sprungbrett funktionieren, denn „Mädchen mit wenig Texterfahrung würden sich wahrscheinlich erst einmal nicht mit vier Jungs wie denen auf die Bühne trauen“, sagt Elena.

Es ist der zweite Dienstag im Monat und die Rationalversammlung tagt. Die ImportExport Kantine ist gesteckt voll, auch die Fensterbretter sind belegt und der Geräuschpegel der Gespräche übertönt beinahe die Beats des DJs. Elena trägt ein schwarzes Kleid mit weißen Punkten und lacht, als Heiner Lange sie als „Ministerin für den Ein- und Aussatz“ ankündigt.

Mit acht Jahren hat sie ihre
erste Geschichte für ihre
Schwester geschrieben

Sie sagt, sie selbst sei schüchtern, ihre Texte seien verträumt, speziell, nicht auf lustiger Pointen-Suche und Lacher-Jagd. Aber dennoch: „Ich schreibe keine Frauenliteratur. Ich suche mir oft Situationen, die jeder kennt, und lasse die dann so abdrehen, dass einem unwohl wird dabei.“ Familienszenen seien so ein Beispiel. „Da ist es manchmal so, dass vorne rum so getan wird, als hätten sich alle lieb und als würde man zusammengehören. Bei aller Kuscheligkeit ist natürlich jeder auch auf seinen eigenen Vorteil bedacht.“ Oder Vegetarier mit Lederschuhen. Sie will auf kleine Abgründe aufmerksam machen, die in jedem von uns schlummern. Auch der Text, den sie auf dieser Rationalversammlung liest, trieft vor böser Ironie. „Die Welt ist ja schlimm. Aber das Internet zeigt mir immer wieder die Klugheit der Leute. Ehrlich. Die halten die Schlimmheit der Welt im Zaum, und dann rege ich mich gar nicht mehr auf. Dann bin ich komplett beruhigt, weil die Leute einfach so klug sind“, kündigt sie ihn an. Ein endloser Facebook-Posting-Thread folgt. Die Klugheit der Leute im Netz, die genau wissen, was passiert und was es bedeutet, wenn Putin Anspruch auf den Nord- und den Südpol erhebt. Das Publikum johlt.
Ein bisschen wird es darum auch in ihrem ersten Roman gehen. Um eine orientierungslose Gesellschaft, um Jugend, und um Wege und Pläne, die sich am Ende doch immer ändern. Auf einmal wirkt Elena sehr selbstbewusst. „Ich glaube schon, dass er ganz gut ist“, sagt sie. Nach einem Verlagspraktikum habe sie gemerkt, dass sie nicht als Lektorin arbeiten, sondern selbst von einer betreut werden wollte.

Elena landet immer wieder beim Schreiben. Sie ist keine Slammerin, keine Kabarettistin, keine Lektorin, sie will nach der Promotion auch nicht an der Uni bleiben. Sie weiß, in 90 Prozent der Fälle kann man nicht hauptberuflich als Autorin überleben. Nicht in einer Stadt wie München.

Aber Schreiben gehört einfach zu ihr. Seit sie mit acht Jahren eine erste Geschichte für ihre kleine Schwester geschrieben hat. Über einen Igel, einen Dachs und einen Fuchs, die gemeinsam Abenteuer erleben. Vielleicht ist daran auch ihre Mutter Schuld, die ihr den zweiten Namen Anais gab, nach der französischen Schriftstellerin Anais Nin, die Mitte des 20. Jahrhunderts für ihre Tagebücher und erotischen Erzählungen bekannt wurde. Ein wenig kalt habe sie diese Art von Literatur immer gefunden, sagt Elena. Aber irgendwie schön sei es dann doch, nach so einer Frau benannt worden zu sein. Deshalb nennt sie sich auf der Bühne auch so. Elena Anais.
Elena würde das Schreiben nicht einmal als Hobby bezeichnen. „Wenn ich nicht immer geschrieben hätte, hätte ich andere extreme Sachen gemacht, um mit meinen Dingen klar zu kommen“, sagt sie und lacht. „Aber vielleicht ist Schreiben ja auch etwas Extremes.“ Ein extremer, ekliger Prozess eben, an dessen Ende man sich aber doch immer besser fühlt.

Foto: Martin Moser