Ein Punk in Hollywood

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Für sein Filmdebüt hat Matthias Raffeis eine Produktionsfirma aus LA gefunden. Als Darsteller hat der 26-Jährige gleich mal eine deutsche Musik-Größe angefragt.

Matthias Raffeis, 26, ist das Klischee. Das sagt zumindest der weiße, handgeschriebene Schriftzug auf dem Rücken seiner Lederjacke. Matthias sitzt in der gleißenden Wintersonne vor dem dunkelgelben Holz des runden Hangers, in dem sich die Kulissen der „Unendlichen Geschichte“ verbergen. Hier, auf dem Gelände der Bavaria-Filmstudios, hat Matthias Filmregie studiert. Vor beinahe zwei Jahren hat er das Studium an der privaten Medienakademie abgeschlossen. Er träumt wie so viele von einer Karriere, am besten in Hollywood. Nur ist er, anders als viele, schon ein wenig näher dran. Denn er hat eine renommierte und in den USA ausgezeichnete Produktionsfirma für seinen ersten Film gefunden. 

Matthias, schwarz gefärbte, in alle Richtungen abstehende Haare bis auf eine sorgfältig nach unten gegelte Strähne, trägt Springer-Stiefel und einen Nieten-Gürtel. Früher hat er sich jeden Tag einen schwarzen Balken über die Augen geschminkt. Warum? Habe ihm damals gefallen.                                            Aus Klischee-Punker wird Klischee-Filmemacher. Er möchte Hollywood erobern. In seinem Film „Island of Individuals“ wird es um eine Gruppe Jugendlicher gehen, kaum überraschend sind es Punks, die sich in einer düsteren Zukunftsvision im Jahr 2089 von der Gesellschaft absetzen und auf eine Insel flüchten. Eine Insel, auf der ihre Individualität, symbolisiert durch grell-fröhliche Neonfarben, wieder sprudeln kann. Die Welt der ernsten Erwachsenen dagegen wird in schwarz-grauem „Sin-City-Look“ gehalten werden, sagt Matthias.

Für den 26-Jährigen bestehen keine Zweifel an der Umsetzung des Drehbuchs, für das er die Idee schon im ersten Studienjahr hatte. In Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Roll Call Productions, die ihren Sitz in München und in Los Angeles hat, soll der Film spätestens in vier Jahren in die Kinos kommen. „Am Anfang, als herauskam, dass ich den Film tatsächlich machen darf, hatte ich Tränen in den Augen“, sagt er. 

„Selbstverständlich ist es oft noch sehr emotional für Matthias, wenn es um seine Ideen geht. Das ist sein Baby und da will er sich natürlich nicht reinreden lassen“, sagt auch Heide Fliegner, die Leiterin der Produktionsfirma, die in den USA bereits für mehrere ihrer Independent Filme ausgezeichnet wurde. „Island of Individuals“ ist in dem Sinne ein besonderes Projekt für sie und ihre Firma, als dass sie mit Matthias mit einem sehr jungen und auch unerfahrenen Partner zusammenarbeiten. „Aber da er aus einer speziellen Ecke kommt und die Idee an sich sehr groß angelegt ist, sind wir von dem Projekt überzeugt und werden es mit den höchstmöglichen Standards umsetzen“, sagt Fliegner.

Aus einer speziellen Ecke kommt Matthias für Fliegner, weil er bis zu seinem zwölften Lebensjahr selbst in Kalifornien gelebt hat und deshalb die jeweiligen Maßstäbe kennt, an denen Filme in beiden Ländern gemessen werden. „Da es einfacher ist, von englisch auf deutsch zu synchronisieren und es in Hollywood eine sehr viel größere Auswahl an Schauspielern gibt, soll der Film auch dort produziert werden“, sagt Matthias. Zuhause fühlt er sich in den USA trotzdem nicht mehr. „Es war sehr schwer, von dort wegzugehen, als meine Eltern wegen ihrer Arbeit mit meinem Bruder und mir umgezogen sind, und ich bin jemand, dem Heimat sehr wichtig ist“, sagt er und blinzelt in die Sonne. 

Für seinen Film hat Matthias auch eine Crowd-Funding-Kampagne gestartet. „Ziel war, die damit verbundene Facebook-Gruppe auf 10 000 Mitglieder zu erweitern. Ich dachte, wenn jeder einen Euro spendet, hätte ich schon einmal 10 000 Euro mehr, um gute Effekte sicherstellen zu können“, sagt Matthias und wirkt dabei enttäuscht. Die Kampagne läuft nämlich nicht so: Die Gruppe umfasst zwar 9500 Mitglieder, aber nur knapp 3000 Euro wurden gespendet.
Das ist möglicherweise die Kehrseite des Klischees. Matthias ist bewusst, dass er allein durch sein Aussehen aneckt. Immer wieder bekommt er in der U-Bahn abfällige Blicke zugeworfen, zusammen mit den Vorurteilen über Punks: die gehen nicht arbeiten, nehmen Drogen, duschen sich nicht. Das verhärtet sein eigenes Vorurteil gegenüber der Gesellschaft.

Matthias macht sich Gedanken darüber, ob Kinder ihre Individualität freier ausleben können als Erwachsene. Und auch darüber, ob Kinder ohne Erwachsene, die ihnen Regeln und Verbote auferlegen, zurechtkommen würden. Wie sich die Geschichte in seinem Film entwickeln wird, will er noch nicht verraten.

Matthias träumt von einem Ende der „Ellbogengesellschaft“. Ihm ist bewusst, dass seine Nietengürtel und Springer-Stiefel etwas Uniform-artiges sein können. Deshalb wird es in „Island of Individuals“ vielleicht auch eine kleine Hommage an die wahren Punks geben: Man sei mit dem Agenten von Campino von den Toten Hosen im Gespräch, für die Rolle eines der Erwachsenen. Da lacht er. Ja, für ein Punk-Kind wäre der leider schon zu alt.

Von: Theresa Parstofer

Foto: Catherina Hess

Am seidenen Faden

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Eine Insel mit zwei Bergen: Filmstudentin Eva Merz will in ihrem Abschlussfilm „Strings of Hope“ die Geschichte
der Augsburger Puppenkiste erzählen. Gedreht wird in den USA. Doch nun droht das Projekt zu scheitern.

Urmel aus dem Eis, die Katze mit Hut, kleiner König Kalle Wirsch. Die Figuren der Augsburger Puppenkiste haben jahrzehntelang das Leben deutscher Kinder geprägt. Wer konnte es nicht mitsingen, das Lummerlandlied? So bekannt die Marionetten selbst sind, so wenig kennt man ihre Macher. Die Menschen, die sie schnitzen, sie liebevoll einkleiden, sie mit puppenspielerischem Können an den Fäden führen. Das möchte Filmstudentin Eva Merz nun ändern. Die 27-Jährige arbeitet derzeit an ihrem Abschlussfilm „Strings of Hope“, der die Geschichte von Walter Oehmichen und seiner Familie erzählt, den Begründern der Augsburger Puppenkiste.
 Doch Eva dreht nicht in Schwaben, sondern in Los Angeles. Mit amerikanischen Schauspielern. „Ich wollte keinen deutschen Film für deutsches Publikum drehen“, sagt sie, „sondern ein Stück deutsche Kultur in die Welt tragen.“ Die Puppenkiste sei in den USA kaum bekannt, erklärt Eva, die dort seit 2013 lebt und studiert.

Eva, geboren in Weilheim, hatte in München zunächst Fotodesign studiert, doch eigentlich wollte sie immer zum Film. Zwei Mal bewarb sie sich an der Filmhochschule in München. Zwei Mal wurde sie nicht genommen. So etwas kratzt am Selbstbewusstsein. Doch aufgeben, das konnte Eva nicht. Als Abschlussprojekt ihres Fotodesign-Studiums realisierte sie den Kurzfilm „Mondnacht“ basierend auf einem Gedicht von Joseph von Eichendorff. Über Jahre hatte sie versucht, Sponsoren und Förderer für den Film zu finden. Vergebens. Sie zahlte ihn letztlich aus eigener Tasche.

Eine gute Entscheidung, denn Mondnacht brachte sie in jenes Land, das für viele Filmemacher das Eldorado des Kinos ist: die USA. Sie hatte sich mit dem Film an mehreren Filmschulen dort beworben, gleich zwei lockten mit Stipendien, weil sie von der Arbeit der jungen Frau begeistert waren. Eine neue Erfahrung für Eva. „Mir wurde in Deutschland immer erzählt, was ich alles nicht machen kann“, sagt sie, „die Lebenseinstellung in L.A. ist viel motivierender. Hier glauben die Leute an ihre Träume.“ Das tat auch Eva – und wanderte 2013 aus, um am American Film Institute Conservatory zu studieren, zu dessen Absolventen Regisseure wie David Lynch zählen. Aber der Traum vom Filmemachen klang schöner, als er war: Nach einem Jahr Studium wurde Evas Stipendium nicht verlängert. 50 000 Dollar hätte sie allein für die Studiengebühren aufbringen müssen. Zu viel für Eva. Sie brach das Studium ab.

Manch anderer wäre enttäuscht nach Deutschland heimgekehrt. Nicht so Eva. Für Menschen wie sie gibt es das schöne Wort „Stehaufmännchen“. Das sind Puppen mit rundem Unterkörper, deren Schwerpunkt so liegt, dass sie sich immer wieder von selbst aufrichten, egal in welche Schieflage sie geraten sind. Eva hat sich wieder aufgerichtet: Mittlerweile ist sie im UCLA Extension-Programm, einer Art Fortbildung, um eine zusätzliche Expertise im eigenen Job zu bekommen. Solche Kurse gibt es auch für Regie. Um ein Zertifikat dafür zu bekommen, muss Eva nun ihren Abschlussfilm realisieren.

In „Strings of Hope“ versucht sie, die Entstehung der Augsburger Puppenkiste nachzuzeichnen. Es ist eine Geschichte, die 1945 beginnt. Da gibt es den Augsburger Schauspieler Walter Oehmichen, der bereits während des Krieges den Traum vom eigenen Figurentheater hegt und nun versucht, aus dem Nichts ein Theater hochzuziehen. Doch wie soll das nur funktionieren, wo Deutschland in Schutt und Asche liegt? Wie soll man damit eine Familie ernähren? Hinzu kommt: Oehmichen war im Dritten Reich der NSDAP beigetreten, um seinen Job als Oberspielleiter am Theater Augsburg zu behalten, wurde später sogar Landesleiter der Reichstheaterkammer. „Er wollte verhindern, dass ein hochrangiger Nazi auf diesen Posten kommt“, erklärt Geschichtswissenschaftler Matthias Böttger der seit mehr als einem Jahrzehnt die Geschichte der Puppenkiste aufarbeitet, „doch das hat sich später sehr gerächt.“ Oehmichen, der bereits 1945 den Antrag stellt, die Puppenkiste eröffnen zu dürfen, wird von den amerikanischen Besatzern zunächst als verdächtig eingestuft. Die Genehmigung für das Theater gibt es erst mal nicht. Drei Jahre dauert es, bis es zu einer Anhörung kommt. Er wird freigesprochen. Vermutlich auch, weil er während des Dritten Reichs Stücke inszenierte, die eigentlich verboten waren. 1948 kann die Puppenkiste eröffnet werden.

Diese Dinge richtig wiederzugeben, das ist Eva wichtig. Sie hat Oehmichens Erben getroffen, mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen, Einblick in Familienalben bekommen. Mehr als ein Jahr recherchiert sie nun schon. „Deutsche in Hollywood sind oft die bösen Nazis“, sagt Eva, „da gibt so ein Schwarz-Weiß-Denken.“ Ihr gehe es darum, in ihrem Kurzfilm auch die „Grautöne“ wiederzugeben, die Brüche in der Biografie ihrer Figuren sichtbar zu machen. Oehmichen, so formuliert Historiker Böttger es, sei im Dritten Reich tatsächlich eher unpolitisch gewesen, „aber die Erfahrung der Kriegswirren hat ihn stark geprägt. Er war später sehr links.“

Trotzdem erzählt „Strings of Hope“ vorrangig eine Familiengeschichte. Eva geht es um die Interaktion zwischen Oehmichen und seiner Tochter Hannelore, die jene liebgewonnenen Figuren wie das Urmel geschnitzt hat, mehr als 6000 Stück. Die Eltern hatten Hannelore, 1945 fast noch ein Kind, zunächst das Schnitzen verboten. Der Film beschäftigt sich mit genau diesem Konflikt. Und mit der Hoffnung, die Theater in einer Zeit der Not geben kann. „Ich bin großer Fan von Märchen, Mythen, Puppenspiel, weil ich glaube, dass das heilende Wirkung hat. So etwas gibt einem Kraft in Zeiten von Krieg oder Hunger.“

Wenn Eva das sagt, weiß man, warum der Film ihr am Herzen liegt. Sie hat es selbst so oft erlebt, das Scheitern. Den ständigen Neustart. Das Gefühl, aus dem Nichts etwas schaffen zu wollen. Momentan versucht sie, für Strings of Hope eine Finanzierungsmöglichkeit zu finden. 26 000 Dollar wollte sie über die Plattform Kickstarter sammeln, doch es kam nicht annähernd genug Geld für den Kurzfilm zusammen. Strings of Hope hängt buchstäblich am seidenen Faden. In den kommenden drei Wochen muss sie das Geld auftreiben, sonst scheitert das Projekt. Eva wirkt nicht verbittert oder gar deprimiert, wenn sie das ausspricht. Man merkt, sie will das, unbedingt. Irgendwie wird es gehen. Muss es gehen. Denn Eva hat Großes vor: Falls ihr Projekt gut ankommt, will sie die Geschichte noch einmal erzählen. Als Spielfilm. Gedreht wird dann aber nicht nur in den USA, sondern auch in Schwaben. 

Von: Carolina Heberling

Foto: Steffanie Helmchen

Abgedreht

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An der Hochschule für Fernsehen und Film in München wurde Eva Merz (Foto: Oliver Seidl) zwei Mal abgelehnt. Jetzt bekommt sie doch noch die Chance, ihren Traum wahr werden zu lassen. Ausgerechnet in Hollywood.

Nach Hollywood gehen – das ist ein Lebenstraum, bei dem viele
zu Recht belächelt werden. Für Eva Merz, 24, hätte es nicht unbedingt
Hollywood sein müssen. Ihr Traum war immer einfach nur, ihren
Lebensunterhalt als Regisseurin zu verdienen. „Ich muss nicht groß,
reich und berühmt werden“, sagt Eva. „Ich möchte nur Filme machen, mit
denen ich etwas erzählen kann.“ Aber das allein ist schwierig genug: An
der Hochschule für Fernsehen und Film in München wurde sie zwei Mal
abgelehnt. Auch an einer Londoner Schule wollte man sie nicht aufnehmen.
Jetzt bekommt Eva doch noch die Chance, ihren Traum wahr werden zu
lassen – und zwar ausgerechnet in Hollywood.

Die 24-Jährige zieht Anfang August in die USA. Sie hat ein Stipendium
erhalten, um am American Film Institute Conservatory in Hollywood ihren
Master in Filmregie absolvieren zu können. Die Liste erfolgreicher
Absolventen ist lang: Eva wird in die Fußstapfen von Darren Aronofsky
(„Black Swan“), David Lynch („The Elephant Man“), Patty Jenkins
(„Monster“) und Kathryn Bigelow („Tödliches Kommando – The Hurt Locker“)
treten, um nur einige Namen zu nennen.
Eva will schon lange die Filmkunst zu ihrem Beruf machen. Und das am
besten so schnell wie möglich. Sie überspringt die 10. Klasse – und noch
während der Abiturvorbereitungen dreht sie den Bewerbungsfilm für die
Münchner Filmhochschule. Die Frage, wieso sie es bereits im Alter von 18
Jahren so eilig hatte, beantwortet die 24-Jährige bestimmt: „Ein Jahr
weniger Schule hieß ein Jahr mehr Film.“

Die HFF jedoch sieht das anders: Obwohl den Zuständigen ihr Film sehr
gut gefällt, wird sie abgelehnt. Sie sei zu jung, solle mehr
Lebenserfahrung sammeln und es später einfach noch einmal versuchen.
Doch nach zahlreichen Praktika an professionellen Filmsets scheitert
auch die zweite Bewerbung. Diesmal ohne Begründung.
Eva beginnt ein Fotodesign-Studium in München und arbeitet gleichzeitig
an dem Film, der sie später nach Hollywood bringen wird. Natürlich
frustriert sie die Ablehnung an der HFF. Aber die jungen Frau aus
Weilheim gibt nicht so schnell auf. „An Drehtagen, an denen keiner Zeit
hatte, mir zu helfen, kam es auch schon mal vor, dass ich in der einen
Hand das Mikro gehalten, in der anderen die Kamera geschwenkt und mit
der Nase Regieanweisungen gegeben habe“, erzählt sie und lacht.

Auch die Produktion ihres Kurzfilms „Mondnacht“ – nach dem
gleichnamigen Gedicht von Joseph von Eichendorff – gestaltet sich als
schwierig. Eva weiß ganz genau, wie dieser Film aussehen soll – und dass
er teuer werden wird. „Mondnacht“ wechselt zwischen Realität und
Phantasie, zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Der Film handelt von
der 18-jährigen Natalie, die nach dem Tod ihres Vaters zwischen Trauer
und Wut schwankt. Die Mutter ist bereits gestorben, als Natalie acht
Jahre alt war, ihr Vater, ein Straßenmusiker, ist daraufhin dem Alkohol
verfallen und hat sie misshandelt. Nach seinem Tod hilft ihr erst eine
ungewöhnliche Begegnung mit einem Mann aus einer anderen Zeit, der sich
als Joseph vorstellt, das Vergangene zu verarbeiten und sich von ihrem
Vater zu verabschieden.

Vier Jahre sucht Eva nach Finanzierungsmöglichkeiten. Vergeblich. Für
eine Jugendförderung ist sie zu alt, für viele Sponsoren einfach zu
jung. Als sie kurz davor ist, das Projekt auf Eis zu legen, entdeckt sie
auf einem Kurzfilmfestival einen kleinen, unscheinbaren Flyer, auf dem
für den Filmwettbewerb „Die Blaue Blume“ der beste romantische Film
gesucht wird.  

„Mondnacht“, „Die Blaue Blume“, zwei Gedichte von Eichendorff – das
musste ein Zeichen sein. Also finanziert Eva den Film, den sie als
Bachelor-Arbeit dreht, aus ihren Ersparnissen. Wieder lässt der Erfolg
auf sich warten: Der Film gewinnt weder einen Preis beim Wettbewerb „Die
Blaue Blume“, noch wollen große deutsche Filmfeste wie die Hofer
Filmtage oder die Berlinale ihn zeigen. Lediglich drei, vier kleinere
Festivals lassen den Film außer Konkurrenz laufen. Das war für die junge
Filmemacherin die herbste Enttäuschung von allen. So viel Zeit, so viel
Geld, so viel Mühe – und dann so wenig Anerkennung. „Natürlich denkt
man irgendwann, man ist vielleicht gut, aber nicht gut genug.“ Doch noch
ist Kapitulieren keine Lösung für sie.

Anstatt sich weiter über das geringe Interesse an ihrem Film in
Deutschland zu ärgern, schickt sie ihn einfach nach Kalifornien – und
gewinnt prompt den Hauptpreis in der Kategorie „Best Student Short“ beim
„California International Shorts Festival“. Die Idee, sich in Amerika
an den Filmschulen zu bewerben, ist für Eva zu diesem Zeitpunkt eher ein
Spaß. „Dann hast du wenigstens nichts ausgelassen“, sagt sie sich.
Amerika ist ihr letzter Versuch, auf eine Filmschule zu kommen. Plan B
wäre gewesen, vielleicht irgendwann einmal quer in die Branche
einzusteigen.

Sie bewirbt sich mit „Mondnacht“, dem Film, den in Deutschland
niemand zeigen wollte. In den USA allerdings weckt er das Interesse der
USC School Of Cinematic Arts und des American Film Institute
Conservatory. Plötzlich reißen sich die Institute, die sich im Ranking
des Hollywood Reporter jährlich um den ersten Platz als beste Filmschule
streiten, um die junge Filmemacherin aus Deutschland. Die USC versucht
Eva mithilfe einer Führung durch den Campus zu überzeugen, der Direktor
der AFI bietet ihr ein Stipendium schon für das erste Lehrjahr an, das
normalerweise erst vom zweiten Jahr an vergeben wird. Ihm habe ihr
Bewerbungsfilm von allen Einsendungen am besten gefallen – der Film, den
sie fast nicht mehr gedreht hätte.
Grund für das Interesse der Amerikaner an der deutschen Filmemacherin ist womöglich ihr unverwechselbarer Stil.

Eugen Gritschneder, Student an der HFF, stand für zwei ihrer Filme,
so auch für „Mondnacht“, hinter der Kamera. Er weiß mittlerweile sehr
gut, welche Bilder Eva will: „Evas Stil ist elegant, klar und klassisch.
Sie hat ein gutes Gespür für schöne Bilder – und mir gefällt der
Pathos, der in ihnen steckt.“

Einen Groll gegen die Filmhochschule in München hegt Eva nicht. An
das Aufnahmegespräch erinnert sie sich sogar mittlerweile amüsiert
zurück. Auf die Frage, welche Bücher sie gern lese, antwortete sie, ihr
gefielen englischsprachige Romane, sie möge die englische Sprache sehr
gern. Daraufhin entgegnete einer der Professoren, der während des ganzen
Gesprächs kaum ein Wort von sich gegeben hatte: „Sie glauben doch wohl
nicht, dass sie direkt nach der Uni nach Hollywood kommen?“

Gabriella Silvestri

Foto:

Oliver Seidl