Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Laura

Der Herbst begrüßt uns Münchner mit Regenwetter und Wiesn-Anstich. Unsere Autorin behält selsbtverständlich dennoch gute Laune und mischt sich ein buntes Wochenprogramm aus Besuchen im Milla, Lovelace und dem
Museum Fünf Kontinente.

Es ist nass. Dicke Regentropfen fallen auf die Straßen.
Überall geschäftiges Treiben, bunte Regenschirme an grauen Tagen. Die Stadt
spiegelt sich in großen Pfützen. Der Sommer scheint sich verabschiedet zu
haben. Doch auch der Herbst hat seinen Reiz: Tage, die drinnen schöner als
draußen sind und ganz viel Spätsommerlicht.  

Meinen Freitagabend verbringe ich deshalb im Lovelace. Dort
lädt das Hotel auf Zeit zur „Public Roof Night“. Ich erhoffe mir einen Abend,
an dem die Sonne noch einmal die Dächer der Stadt in ihr goldenes Licht taucht.
Anschließend geht’s ab ins Milla. Dort diggen an diesem Abend die DJ´s Dr.
Getdown, Rolf S. Royce, Kesch und Pryme tief in ihren Musiksammlungen, ganz
gemäß dem Motto „Musik, die keiner kennt, ist nicht gleich Musik, die keiner
mag!“
.

Am Samstag findet im Lovelace eine Lesung der Süddeutschen
Zeitung statt. Alexander Gorkow (Seite Drei), Kathleen Hildebrand (SZ.de
Kultur), Juliane Liebert (Feuilleton) und David Pfeifer (Langstrecke)
unterhalten sich über den Soundtrack des Lebens. Vorgelesen werden die besten
Absätze aus der neuen Ausgabe der „SZ Langstrecke“. Dazu spielt die Lovelace
Coverband die Lieblingslieder, die nie oder selten im „Feuilleton“ auftauchen
und die von Menschen geliebt und von Journalisten gehasst werden. Alternativ
findet im Strom an diesem Abend ein Indie- und Elektro-Konzert statt. Für die
Augenblicke im Leben, in denen sich alles perfekt fügt, entsteht ein Momentum
und genau solche Momente sollen dort geschaffen werden. Die richtige
musikalische Untermalung soll einem nichtigen Ereignis ungeahnte Intensität
verleihen.

Nicht vergessen darf man an diesem Wochenende natürlich den
Wiesn-Anstich. Und mit dem Oktoberfest beginnt auch schon wieder für den ein
oder anderen die fünfte Jahreszeit. Ein schneller Jahreszeitenwechsel, der mit
Sicherheit nicht jedem gleicht gut bekommt.

Den Sonntag verbringe ich im Museum Fünf Kontinente, einem
Ort den ich nicht nur an herbstlichen Tagen wie diesen stundenlang aufsuchen
könnte. Doch an diesem Sonntag darf ich mich auf einen spannenden und
interessanten Vortrag der Leiterin der Abteilung
Südasien, Südostasien und Australien, Dr. Michaela Appel freuen. Es geht um
Angkor Wat, Kambodschas strahlender Vergangenheit. Der Vortrag ist Teil und
zugleich das Ende der Ausstellung „Shaded Memories – Der Schatten über
Kambodscha
“, eine Fotografie-Ausstellung von den Spuren der dunklen
Vergangenheit Kambodschas. Die Arbeiten der Fotografin
Ann-Christine Woehrl sind persönliche und intime Reflexionen, die jeden
Betrachter sofort in ihren Bann ziehen.

Am Montag verbringe ich meine Zeit wieder einmal im
Lovelace. Dort findet die Veranstaltung „Movienight“ mit der Hochschule für
Fernsehen und Film statt. Gezeigt werden an diesem Abend drei Arbeiten von
HFF-Studierenden. Im ersten Film „Moonjourney“ von Chiara Grabmayr wird in 120
Sekunden die Geschichte eines sechsjährigen syrischen Mädchens gezeigt, das mit
ihrem Vater flüchten muss. Um ihr die Angst zu nehmen, erzählt der Vater seiner
Tochter, dass es sich um eine Reise zum Mond handle. Der nächste Film
„Invention of Trust“ von Alex Schaad geht es um einen Gymnasiallehrer, der nach
einer rätselhaften Nachricht um sein verletzte Vertrauen in seine Mitmenschen,
aber auch um seinen eigenen Ruf kämpfen muss. „Find Fix Finish“ von Mila
Zhluktenko und Sylvain Cruiziat wird als letzter Film bei der Movienight
gezeigt. Es wird ein expliziter Einblick in die Mittel der Überwachung gegeben
und Erfahrungen gezeigt, die dabei gemacht werden. Es wird spannend!

Das Provisorium feiert am Freitag seine Wiedereröffnung. Am
Dienstag findet dort im Lesesaal die Vernissage zur Ausstellung von
Dreihundertsechzig
statt. Echte 360° Aufnahmen in HQ.  Es ist die erste “Tiny
Planet/360°”-Ausstellung, die vom 19. – 23.09.2017 in München zu sehen
sein wird.

An diesem Mittwochabend startet das Milla wieder mit dem
Milla Song Slam
in die neue Saison. Startplätze sichern lohnt sich!

Am Donnerstag geht es für mich die Vernissage  „ A World of My Own“ von Laura Zalenga und
Korbinian Vogt. Die Gallerie von Ingo Seufert bietet aktuelle Kunst junger
Fotografen, wobei größter Wert auf qualitativ hochwertige und anspruchsvolle
Arbeiten gelegt wird. Ich freue mich auf die beiden und ihre Werke!

Der Startschuss fürs Wochenende fällt für mich im Milla.
Funk Related:
Florian & Ana Ana
heizen dort mit richtiger Anti-Mainstream Musik ein. Von Funk über Boogie, von
Rap zu Soul, bis hin zu Reggae und Jazz ist alles dabei. Egal ob neu oder alt,
eine Reihenfolge gibt es nicht!

Genauso buntgemischt wie die Musikwahl im Milla geht für
mich die Woche zu Ende. Der Herbst mit seinem bunten Meer aus Blättern, den
kühlen Regentagen und letzten Sonnenstrahlen wird wohl aber noch ein bisschen
bleiben.

Text: Laura Schurer

Foto: Privat

Band der Woche: Tiny Tim

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Die Weilheimer Band Tiny Tim ist nach einem Exzentriker benannt: dem amerikanischen Pop-Entertainer Herbert Buckingham Khaury. Oder auch einer Figur aus Charles Dickens “A Christmas Carol”. Ihre Musik schmiegt sich jedoch hoch emotional an die Herzen seiner Hörer und ist doch komplexer Pop, der bei allem Understatement der Band in Staunen versetzt.

Exzentrik ist im Pop-Geschäft das, was man haben muss. Allein schon, damit man ein wenig heraussticht. Doch in den meisten Fällen wirkt sich ein gewisser Hang zum Extraordinären auch positiv auf die Kunsterschaffung aus, schlicht weil es abseits der Norm beginnt, spannend zu werden – egal in welchen Bereich man sich befindet. Ein einfaches Rezept. Doch da hört das mit dem Hit und der Berühmtheit nach Rezept auch schon auf. Denn wie diese Exzentrik aussieht, das hängt von Mode, Zeit und Trend ab. Und ob mit der Exzentrik, die um die Künstlerfigur herum gebaut wird, etwas getroffen wird, was einerseits genug Anbindung an die Gegenwart und deren Vorlieben hat, aber andererseits schräg und visionär genug ist, um als Türöffner für die Musik zu funktionieren, dafür braucht es ein kaum erlernbares Gespür. Einfacher ausgedrückt ließe sich da vielleicht von Talent sprechen, das über die musikalische Begabung herausgeht.

Die ursprünglich in Weilheim gegründete Band Tiny Tim (Foto: Matthias Fleischmann) hat dieses Problem geschickt umgangen, indem sie sich einfach nach einem der ganz großen Exzentriker benannt haben. Der amerikanische Pop-Entertainer Herbert Buckingham Khaury alias Tiny Tim war ein wenig der Prototyp der Hipster, bevor es Hipster gab. In engen Karo-Anzügen sang er in fast unerträglich lächerlichem Falsett unerklärlich vielschichtig arrangierte Songs, die zwischen Schönheit, Düsternis und Zirkus schwankten. Tiny Tim ist aber auch eine Nebenfigur in Charles Dickens „A Christmas Carol“. An sich ein unscheinbarer, etwas schwächlicher Junge, aber ganz entscheidenden Einfluss auf die Handlung nimmt.

Mit diesen beiden Polen hat sich das Weilheimer Quartett also die beiden Ausprägungen von Exzentrik im Pop-Biz in den Namen geschrieben: das Schräg-obskure, das sich abseits der Norm positioniert, und sich gleichzeitig hoch emotional an die Herzen seiner Hörer schmiegt. Und das kleine Unscheinbare, dessen äußerliches Auftreten irrelevant ist, und das Welten aus dem Hintergrund heraus bewegt.

Musik, die sich ernst nimmt, kommt bei Tiny Tim aus diesen Kopplungen heraus. Die Musiker lernten sich noch zu Schulzeiten in der Bigband kennen, was ihnen ein Songwriting nahe brachte, das über das Aneinanderfügen von drei Akkorden hinausging. Und auch jetzt haben sie es gerne ein wenig komplizierter, obwohl sie den Jazz-Orchester-Stil längst hinter sich gelassen haben. In einer Indie-Besetzung spielt die Combo um Sänger Adrian Ludwig nun: Gitarre, Bass und Schlagzeug. Doch über die sechs Jahre, in denen sie nun schon zusammen Musik machen, wurde dieses Tonspektrum schließlich zu wenig. Vor einem Jahr erweiterten sie ihre Besetzung um diverse Synthesizer und Sample-Pads. Denn um dem komplizierten, verwobenen und sphärischen Sounds von Bands wie Sigur Ros oder Radiohead, die sie sich zum Vorbild nahmen, entsprechen zu können, braucht es mehr Klangfarben. Sonst würden die Songs ja auch gar nicht über eine Länge, die über das gängige Drei-Minuten-Schema hinausgeht, tragen. Und das alles ist erst einmal überhaupt nicht exzentrisch. Doch zu diesem College-braven und hochwertigen Edel-Pop-Einfluss mögen sie halt einerseits auch den Jazz eines Charles Mingus und andererseits den Hipster-Zukunftsentwurf von Soul der Australischen Band Hiatus Kaiyote. Und da Tiny Tim sich als Band so wahnsinnig unscheinbar und uninszeniert gibt, breitet sich all diese Exzentrik und der Wille, möglichst viel zu verkleben, in ihrer Musik aus. So veröffentlichten sie bisher jazzige Orgel-Licks vermischt mit Komplex-Pop und braven Indie-Riffs dazwischen. Am Mittwoch, 30. September, treten sie damit im Münchner Cord-Club auf.  

Stil: Komplexer Pop

Besetzung: Adrian Ludwig (Bass,
Gesang, Synthesizer), Julian Jaser (Gitarre), Joscha Arnold
(Synthesizer), Ludwig Wandinger (Schlagzeug, Pad)

Aus: Weilheim / München

Seit: 2009

Internet: www.tiny-tim.bandcamp.com

Rita Argauer

Foto: 

Matthias Fleischmann