„Wir sind die neuen Alten“

John Christopher Lack animiert mit seinem Song “Deine Stimme zählt” zum Wählen.
Ein Gespräch über Politikverdrossenheit, den Umgang mit anderen
Meinungen und den Zusammenhang von Kunst und Politik, gerade jetzt vor
der Bundestagswahl:

Sein Song beginnt groovig und hört sich nach Gute-Laune-Musik an. Das Lied und das zugehörige Musikvideo von John Christopher Lack, Student der Kulturwirtschaft in Passau, der sich selbst „Topher“ nennt, klingen zuerst nach „Love, Peace and Happiness“: Ein junger Mann mit Hippie-Attitüde, Bart und zusammen gebundenem Haar fährt mit seiner umgeschnallten Gitarre Fahrrad. Eine Gruppe gut gelaunter Jugendlicher begleitet ihn bei seinem Sprechgesang. Hinter Tophers Lied steckt jedoch mehr als bloße Unterhaltung. Der Titel des Liedes ist auch sein Programm. „Deine Stimme zählt“ nennt sich der Song des 21-jährigen Münchners. Er soll junge Menschen zum Wählen animieren. Ein Gespräch über Politikverdrossenheit, den Umgang mit anderen Meinungen und den Zusammenhang von Kunst und Politik, gerade jetzt vor der Bundestagswahl.

SZ: Andere Singer-Songwriter schreiben Lieder über Partyexzesse und Herzschmerz, du über Politik. Warum?
John Christopher Lack: Ich mache auch Songs zu anderen Themen. Liebe spielt da immer eine große Rolle, auch gute Abende mit Freunden, Feierei oder Schlagsahne. Auch Mal Dinge, die wenig Sinn machen. Dennoch mache ich gerne Musik, die zum Denken und Handeln anstößt.

Du möchtest junge Menschen zum Wählen auffordern. Wieso mit Musik?
Musik ist meine Sprache. Andere Menschen drücken sich durch Kunst oder Texte aus. Musik ist ein prima Mittel, um gerade junge Menschen anzusprechen.

Wirklich? Mit Zeilen wie: „Weg von später und nie, entflieh der Lethargie“ oder „Lassen wir Rechts-Populisten und Faschisten in die Parlamente rein? – Nein!“ Wie ist denn dieses Lied entstanden?Gar nicht direkt für die Bundestagswahl jetzt, sondern ich wollte grundsätzlich an jeden appellieren, an sich und seine Ideen zu glauben und sich auch einzumischen, denn es ist doch einfach so: Jede Stimme zählt.

Und wie kam es zu dem Video?
Im März war ich bei einer Jugendleiterfortbildung und habe dort meinen Song am Lagerfeuer gespielt. Eine junge Frau hat mir vorgeschlagen, mich bei dem Bundesjugendring zu melden. Die veranstalten immer die U-18 Wahlen. Das habe ich getan. Es folgte eine Aufnahme im Tonstudio und der Videodreh.

Wieso sollten deiner Meinung nach gerade junge Menschen wählen gehen?
Dazu fällt mir dieser Spruch ein: „Die Alten meinen, dass mit ihnen die Welt aufhört, und die Jungen, dass sie mit ihnen beginnt.“ Wenn aber eines von beiden fehlt, entsteht ein Ungleichgewicht. Schließlich sind wir die neuen Alten. Man sollte nie seinen Optimismus verlieren und denken, man sei gegenüber dem Leid der Welt völlig ohnmächtig. Schließlich kann man sich zumindest mit einem Kreuzchen politisch engagieren.

Reicht das aus?
Wählen zu gehen, das ist für mich das Mindestmaß an Dankbarkeit dafür, dass wir in einer Demokratie leben dürfen. Allerdings gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren.

Der Jugend ist Politik angeblich egal.
In meinem eigenen Umfeld sind viele engagierte Menschen, die sich ehrenamtlich einsetzen. Allerdings gilt das nicht für jeden. Oft bekomme ich auch das Gegenteil mit, Menschen, die sich mehr Gedanken um ihre Kleidung machen als darüber, wie es den Menschen in ihrer Nachbarschaft geht. Viele junge Leute nutzen ihre Stimme nicht, da ist schon was dran.

Woran liegt das deiner Meinung nach?
Ich denke, dass Politik für viele Menschen einfach unsexy ist. Wenn die Thematik aber gut aufgearbeitet wird, zum Beispiel durch ein künstlerisches Projekt, dann fängt man an, sich darüber Gedanken zu machen und es wird cool. Ein anderer Punkt ist mit Sicherheit die Tatsache, dass in den Augen vieler Leute die Versprechen der Politik zu langsam umgesetzt werden. Dann denkt man: Lass mal die da oben machen!

Wie gehst du mit politischen Meinungen um, die deiner eigenen widersprechen?
Man kann niemandem das Wort verbieten. Wichtig ist, sich nicht vor den Meinungen anderer Menschen zu verschließen. Man sollte nie pauschal abstempeln. Die Konfrontation und das Gespräch sind wichtig, auch wenn man am Ende nach wie vor mit unterschiedlichen Meinungen auseinander geht. Es sollte auch möglich sein, dem Gegenüber mit guten Argumenten entgegen zu kommen, anstatt mit polemischen Parolen.

Hast du darüber nachgedacht, deinen Song aus Werbezwecken an eine Partei zu verkaufen?
Ich möchte mich zwar politisch positionieren, allerdings ohne Parteifarbe zu bekennen. Der Grundgedanke ist: Demokratie stärken und schützen. Dieses Ziel verfolgen viele etablierte Parteien.

Das Musikvideo sieht dennoch so aus, als könnte es eine Werbekampagne sein.
Es entstand in einer Kooperation mit dem Deutschen Bundesjugendring und „jup! Berlin.“ Die beiden Organisationen haben mich finanziell unterstützt.

Und wie waren die Rückmeldungen bislang?
Auf Facebook hat das Video mittlerweile mehr als 16 000 Aufrufe. In den Kommentaren habe ich durchgehend viel Positives gelesen. Menschen haben sich verstanden gefühlt und mich und die Botschaft des Projekts unterstützt.

Interview: Anastasia Trenkler

Foto: Patrice Grosskreuz

Zeichen der Freundschaft: Küchenliebe

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Essen verbindet. Gemeinsames Träumen auch. In ihrer Kolumne erzählen unsere beiden Autoren von einer ganz besonderen Küche, vollgestopft mit Gewürzen aus aller Welt und ganz viel positiver Stimmung.

Wir sind schon
ein wenig träge. Während sich die restliche Münchener Jugend in den neuesten,
abgefahrensten, teuersten und angesagtesten Clubs dieser Stadt tummelt,
entscheiden wir uns am Otto-Normal-Samstagabend – für Adams Küche. Kein Megaevent
im Blitz, keine Mondfinsternis und kein kostenloses Musikfestival können uns
umstimmen, wenn wir mal wieder richtig Bock auf Adams Küche haben. Und auf Ihn
natürlich.

Adam, der
immer schon die Wohnungstür öffnet, unmittelbar bevor man sie erreicht hat. Der
grinsende Lockenkopf empfängt uns mit einer dicken Umarmung und seinem
typischen „Naa?!“ in seiner kleinen, nach Ebenholz und sanften Gewürzen
duftenden Wohnung. Das Wohnzimmer lassen wir links liegen. Wir folgen ihm in
die kleine, meist mit Musik, Essen und Menschen prall gefüllte Küche.

Kitschige
Backformen in den verschiedensten Formen aus den verschiedensten Jahrzehnten
schmücken die Hinterwand. Die Fensterbank ist vollgestellt mit Kräutertöpfen,
auf dem Tisch steht eine Wasserkaraffe mit dem Schriftzug „Liebe“. Einmal quer
durchs Zimmer führt eine Leine, auf der seit vielen Jahren die verschiedensten
Kräuter, Chilis und undefinierbaren Naturprodukte trocknen. Wüsste man es nicht
besser, könnte man meinen, die Küche gehöre einem sesshaft gewordenen
Waldschamanen.

Soweit das
das äußere Erscheinungsbild. Das eigentlich Anziehende, der Grund warum wir beide
uns in Adams Küche noch wohler fühlen als in der Wasserbettenabteilung von Segmüller,
ist aber natürlich vor allem Adams Gesellschaft. Er ist nicht nur ein
unglaublich einfühlsamer und respektvoller Mensch mit unvergleichlichem
Gerechtigkeitssinn, dem man die merkwürdigsten Geschichten anvertrauen kann.
Adam ist für uns genialischer Gitarrenspieler, Schulbanknachbar der ersten
Stunde, unverzichtbarer Freund und Horizonterweiterer. Er liebt es, viele
Menschen um sich herum zu haben, sie zu bekochen und zu verwöhnen. Je mehr
Leute sich in seiner kleinen Wohnung versammeln, umso
fröhlicher ist er – egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Ausgedehnte
stundenlange Katerfrühstücke sind genau wie hitzige Schafkopfrunden oder
gemütliche Spieleabende nirgends so schön wie bei Adam in der Küche. Sie steht
dem Raum der Wünsche in Hogwarts in nichts nach. Sie stillt unseren Drang, die
Außenwelt auszusperren und ihre Absurdität einfach mal belächeln zu können.

Zu guten
Gesprächen gesellt sich noch besseres Essen – mal aus Polen, dem Heimatland
seiner Eltern, mal international. Immer viel. Immer lecker. Außer wenn jemand
wieder die getrockneten Chilis unterschätzt und eine Pizzaparty zum
tränenreichen Schärfekontest mutiert. Und da Essen nicht alles ist, laufen im
Hintergrund CDs. Blues aus Mali. Irgendwas wie Post-Rock aus den 80ern. Oder
eine Playlist, mitgebracht von einem Roadtrip nach Polen.

Es ist aber
nicht nur ein Ort der Völlerei, der Wollust und der Exzesse. Sie ist gleichzeitig
eine Wohlfühloase, ein Ort der Einkehr und der vollkommenen Zufriedenheit. Sie
bedeutet für uns Konstanz in einer sich viel zu schnell drehenden Welt. Und ist
vielleicht sogar der Grund, warum unser Freundeskreis in zehn Jahren noch nicht
auseinandergebrochen ist.

Man kann das
durchaus als Kleister einer Freundschaft ansehen, die uns ganz bestimmt zu den
Menschen geformt hat, die wir heute sind.
Anfangs lernten wir dort Lateinvokabeln. Irgendwann wurde Liebeskummer
dort geheilt, Reisepläne geschmiedet und neue Musiker-Idole entdeckt. Als wir
noch zusammen zur Schule gingen, heckten wir Pläne für die Zeit nach dem Abitur
aus. Wir wollten alle Dasselbe – Musikkarriere machen oder zumindest
Musikjournalist werden, mit dem Bus nach Marokko fahren, die Welt erkunden und
verbessern. Die Klassiker eben. Die Realität macht einem dann doch immer einen
Strich durch die Rechnung – diese Küche übt einen seltsamen Sog auf uns aus. Dass
sich all das in einem gerade so zehn Quadratmeter großen Zimmer abspielt, macht
nichts. Denn selbst Trägheit kann wunderbar sein, ist man nur von den richtigen
Menschen umgeben.

Text: Tilman
Waldhier und Louis Seibert

Foto:

Yunus Hutterer