The Living: Märchenkonzert im WG-Garten

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The Living spielte Donnerstagabend noch im Strom – Samstag dann in kleiner gemütlicher Atmosphäre bei unserem WG-Konzert. Viel Grün, viel Märchen, mehr gute Musik. 

Von Marina Sprenger

Langsam wird es dunkel im Wohnzimmer und die Leute tanzen barfuß im Gras. Statt einem Lagerfeuer dreht sich alles um die fünf Musiker, die mit Lichterketten-behängten Instrumenten unter den Bäumen stehen und gerade zum zweiten Mal eine Zugabe spielen. „Das muss einfach sein, wenn das Publikum so laut klatscht und jubelt, kein Problem, wir spielen nochmal “Valerie”. Weil da alle mitsingen können, und tanzen sowieso.“

Dann beendet der Sänger, Karlo Rödinger, 23, und seine Band The Living eines der schönsten Konzerte dieses Sommers. In München sind sie fester Bestandteil der jungen Musikszene, erst Donnerstag haben sie im Strom gespielt, aber das war ein Konzert, das sich um Lichtjahre von diesem Abend unterscheidet. Konzertsaal versus Lagerfeuer-Romantik. Zwei Geschwisterpaare plus eins, das ist die Band, zwei Kathis, Katrin Röding, 20, und Katharina Würzberg, 20, am Schlagzeug und dem Keyboard, Simon Holzinger, 20, an der Gitarre, Johannes Würzberg, 22, der Bruder der einen Kathi, am Bass und Karlo, der Bruder der anderen Kathi, der Sänger mit der Stimme wie Joe Cocker.

Wenn man die WG in der Reutterstraße betritt, trifft man sicher schon am Eingang ein paar Leute, denen man nicht ins Haus, sondern in den Garten folgen kann. Dort wird schon seit dem Nachmittag gegrillt und The Living sind seit Stunden am Aufbauen, sie haben ein neues In-Ear-Monitoring und müssen sich erst mal mit der Technik vertraut machen.

Am Keyboard und am Schlagzeug hängen schon jetzt Lichterketten, aber um acht Uhr abends ist es noch zu hell dafür. Auch in den Bäumen hängen Lichterketten, auf dem Gras stehen Gartenstühle und alte Sofas mit abgewetzten Brokatbezügen. Die Stimmung hat etwas Märchenhaftes, mit diesen ungewöhnlichen Sitzgelegenheiten und dem kleinen Garten, der von Bäumen umschlossen wird.

In der WG wohnen acht Leute, in den Räumen sieht es nach bewohntem Chaos aus, in vielen Zimmern stehen Instrumente, die Wände sind mit Unterwasserwelten bemalt, weil Jenny so gut malen kann. Die wohnt hier mit ihrer Schwester Vicki, mit Jonas, Lisa, Jon, Andi, Mona und Vinzent. Ein Haus mitten im Grünen, wie eine kleine Hippie-Kommune, und so sind die Bewohner auch, ungeschminkt, echt, ausgelassen – barfuß tanzen unter dem Sternenhimmel ist hier sicher keine Seltenheit. “Das kommt mir so surreal vor hier, wie im Paradies”, sagt Jonas über sein WG-Haus mit Garten, “und dass wir hier so ein Konzert haben ist natürlich das Sahnehäubchen auf dem I-Tüpfelchen”

Während die WG-Bewohner noch über die Einrichtung ihres Outdoor-Wohnzimmers reden, ist die Band langsam bereit. Die Sofas umrahmen eine kleine Tanzfläche direkt vor der Band, im Hintergrund läuft noch die Grillparty, vom Dach aus ruft man nach den Nachbarn, die sollen doch auch rüber kommen. Dann legen The Living los. “Wenn ihr nicht sitzen wollt, könnt ihr gerne aufstehen und tanzen und Spaß haben”, sagt Karlo in seinem typisch bluesig angehauchten Tonfall. Diese Aufforderung hätte es eigentlich schon nicht mehr gebraucht. Anfangs wird zwar noch etwas verhalten getanzt, aber schnell sind die Sofas leer und die Tanzfläche ist voll.

Auch mitsingen sollen alle, die Band macht es vor, alle machen mit, “bis die Nachbarn kommen”, ruft Karlo, und dann kommen tatsächlich die Nachbarn – Nehmen sich einen Stuhl, stellen sich dazu, setzen sich mit ihren Kindern aufs Dach und feiern mit. “Die sind schon einiges gewohnt”, erklärt jemand aus der WG. Trotzdem (oder deswegen?) ist das Verhältnis zu den Nachbarn super, einer will sogar die Kontaktdaten der Band und sie selbst für ein Fest buchen, besser könnte es also gar nicht laufen. Auf den Lautsprechern steht eine Seifenblasenmaschine, die alle paar Minuten nachgefüllt werden muss, Karlo tanzt mit Tambourin auf der Tanzfläche mit, auch auf dem Dach wird getanzt und das Bier aus den Kästen in der Badewanne schmeckt immer noch, obwohl es schon nicht mehr richtig kühl ist.

Es wird dunkler und die Lichterketten werden angemacht, und alle, die vorher noch eher in gemütlicher Grillparty-Stimmung waren, sind mittlerweile auch aufgestanden. Es wird wilder getanzt, je mehr sich Gläser und Flaschen leeren, und egal, wen man fragt, es ist niemand anwesend, der nicht absolut begeistert ist. Es ist ja auch etwas besonderes, so eine Band im WG-Garten, das gibt es nicht jede Woche, obwohl die Musiker so selbstverständlich mit ihren Instrumenten den Platz zwischen den Bäumen füllen, als wäre hier jedes Wochenende ein Konzert geboten. Die Songs von The Living sind aber auch einfach wie geschaffen für genau diese Atmosphäre, nicht zu aufgeregt, aber schnell und laut genug, dass man tanzen kann, eine Mischung aus Blues und Indie, ein bisschen Folk, ein bisschen Rock und damit die perfekte Mischung, um nicht nur die WG-Bewohner und ihre Freunde, sondern auch die Nachbarn jedes Alters glücklich und den Abend unvergesslich zu machen.

Nach dem letzten Song „Head over Heels“ ist noch niemand bereit, aufzuhören, alle stehen noch vorne und die Band hat keine andere Chance, als noch einen Song zu spielen, den hatten wir zwar schon, aber ist ja egal, es ist einfach zu schön, um jetzt schon aufzuhören. Also wird der Song wiederholt, und auch danach lässt niemand das Argument gelten, dass die Band keine weiteren Songs hat – dann spielen sie eben nochmal „Valerie“. Als das Konzert dann vorbei ist, sind alle wie entrückt, Gelächter liegt in der Luft, die Sofas werden langsam wieder in Beschlag genommen und die Band ist sichtlich zufrieden. Mit dieser Begeisterung und Stimmung hätten sie nicht gerechnet, „Es war einfach total geil“, sagt Johannes Würzberg und grinst, der Rest der Band stimmt lachend zu. Dann picken sie eine verirrte Nacktschnecke vom Schlagzeug, Katharina Würzberg kühlt mit einem Bier einen Mückenstich und die WG-Kasse wird geplündert – natürlich müssen die Jungs und Mädels ein Album von The Living kaufen.

Foto: Anne Gerstenberg