In München überschneiden sich die verschiedensten Welten. In der kommenden Woche wechselt unsere Autorin Carolin Wittmann zwischen den Universen der Film- & Medienlandschaft, japanischer Karaoke, Münchner Tradition und Gesellschaftsphilosophie. Eines ist jedoch nicht dabei: Langeweile.
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Die Partyszene liegt seit Anfang des Jahres lahm. Auch unsere Autorin Amelie ist auf Tanzentzug. Den bekämpft sie – ganz im Sinne der Kontaktbeschränkungen – tanzend in der WG-Küche beim Techno-Stream oder mit Besuchen bei kleinen Konzertbühnen.
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Als Kunstfigur Josephine Frey schreibt eine Drehbuchstudentin über Alltagsdramen und Momentanaufnahmen von Gefühlen. Jetzt ist daraus sogar ein Buch entstanden.
Mit gerade einmal 21 Jahren schreibt Lisa Reich bereits Drehbücher für das ARD-Vorabendprogramm. Ihr großer Traum ist es jedoch, irgendwann einmal die Kinosäle dieser Welt zu füllen, denn die junge Münchnerin ist bekennende Mainstream-Liebhaberin.
Ein Jogger rennt durch die Straßen von Wolfratshausen. Er ist splitternackt, zwei Polizisten mittleren Alters sind ihm keuchend auf den Fersen. Einer versucht eine Abkürzung über den Friedhof zu nehmen, um dem Sportler den Weg abzuschneiden, als er plötzlich vom Erdboden verschluckt wird. Gefallen ist er in ein offenes Grab – und natürlich direkt auf eine verschüttete Leiche. Denn als sein Kollege dem Gestürzten heraushelfen will, bemerken die beiden eine leblose Hand, die aus der Erde ragt.
Humorvoll wie immer beginnt auch der Auftakt dieses Falls für „Hubert & Staller“ aus der gleichnamigen Krimiserie, die aktuell durchschnittlich 2,5 Millionen Zuschauer im Vorabendprogramm der ARD verfolgen. In den Hauptrollen: Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau. Doch die Folge mit dem Titel „Wer anderen eine Grube gräbt“, die am 9. März ausgestrahlt wird, ist außergewöhnlich: Geschrieben hat sie Lisa Reich, eine 21-jährige Drehbuchautorin – unterstützt hat sie Daniel Rohm, mit 27 ebenfalls noch sehr jung.
Stolz stehen sie am Rand des Sets und beobachten, wie ihr Drehbuch zum Leben erwacht. Viele Autoren warten ihr Leben lang auf so einen Erfolg. „Das ist ein tolles Gefühl zu sehen, wie ein professionelles Fernsehteam das verfilmt, was man selbst geschrieben hat“, sagt Lisa. „Da muss man sich immer wieder dran erinnern: Das ist wirklich unser Drehbuch.“ Nach vielen Szenen kommen die Darsteller zu den beiden herübergelaufen, fragen nach ihrer Meinung. Dass Lisa noch so jung ist, wundert hier keinen mehr. Das Skript hat ein Bewerbungsverfahren mit vielen Stufen hinter sich. Wer das meistert, bekommt sozusagen eine qualitativen Stempel aufgedrückt. „Ich war total froh, dass es egal war, wie alt ich bin und niemand pauschal gesagt hat: ‚Das nehmen wir nicht’“, erzählt sie. Angst, nicht ernst genommen zu werden, hatte sie trotzdem.
Lisa ahnt zwar, dass es eine Besonderheit ist, ein Drehbuch für ein Millionenpublikum zu schreiben, noch bevor sie überhaupt studiert hat – doch sie bleibt bescheiden. Immer wieder betont die 21-Jährige, selbst noch in den Kinderschuhen zu stecken und in die Filmwelt erst noch „reinwachsen“ zu müssen.
Andere finden hier klarere Worte: „Dieser Erfolg ist in so jungen Jahren sehr ungewöhnlich“, urteilt Andres Gruber, hauptamtlicher Professor der Abteilung Kino- und Fernsehfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Erfahrungsgemäß würden die meisten erst mit ihrer Abschlussarbeit an der HFF ihre ersten Erfolge feiern. Um so ein Drehbuch zu schreiben, brauche man schließlich vor allem Lebenserfahrung.
Seit Oktober 2015 studiert Lisa Reich unter anderem bei Gruber Regie. Beworben hat sie sich mit ihrem ersten eigenen Kurzfilm überhaupt: „Win Win“ – ein Kammerspiel über Machtspiele und Geldgier. Die ersten Ahnung, dass sie zum Film will, hatte Lisa vor vier Jahren in Venedig. Damals ging sie noch ins Gymnasium in Freising. Auf einer Studienfahrt sollte die Klasse zur Kamera greifen. Kulisse und Kostüm: eine kitschige Dachterrasse, venezianische Masken und Abendkleider, in denen eine Verfolgungsjagd durch die engen Gassen gedreht wurde. „Viel zu übertrieben, typisch erster Film“, sagt Lisa dazu heute und lacht. Trotzdem: Die Schülerin ist froh, ihr „eigenes Ding“ gefunden zu haben. Ihre große Schwester Anne schließt bald ihr Gesangsstudium am Mozarteum in Salzburg ab. Lisa wurde oft gefragt: Na, was ist mit dir? Singst du auch? Mit dem Filmen hatte sie nun ein Ziel, dass sie ebenso eisern verfolgen wollte wie ihre Schwester das Singen.
Schon parallel zur Oberstufe machte sie eine Ausbildung zur Kamerafrau und Cutterin an einer privaten Akademie in München und gründete ihre eigene kleine Produktionsfirma für Imagefilme und Kinowerbungen. Wenn sie sich an den freien Wochenenden Kameras auslieh, sollte es dann aber doch fiktiv und träumerisch statt gewerblich sein. „Man muss eben unterscheiden zwischen Auftragsarbeiten und dem, woran das Herz hängt“, sagt Lisa. Zum Beruf gehört für sie aber beides: „Nur vom Kino leben können ja die wenigsten.“ Nach dem Abi fing sie bei der kleinen Produktionsfirma „Rovolution Film“ als Praktikantin an und arbeitete sich nach oben – bis sie hier auch die Chance zu dem Drehbuch bekam, mit dem sie es nun ins Vorabendprogramm schafft. In Lisa schlummere viel kreatives Potenzial, sagt Daniel Rohm, Mitgründer der Firma und Co-Autor. „Da hab ich sie gefragt, ob sie mit mir ein Buch schreiben will.“
Doch auch das Schreiben hat manchmal seine Grenzen: „Man versucht so viel Situationskomik wie möglich dort hineinzupacken, aber viele wirklich lustige Momente entstehen aus dem spontanen Humor am Set– das hätte man gar nicht schreiben können.“
In nächster Zeit heißt es aber erst mal weiter Textarbeit statt am Set abzuhängen. Der Erfolg mit „Huber & Staller“ hat ihr Selbstbewusstsein für kommende Projekte gegeben: Weitere Drehbücher sind in Planung, auch im Langfilmbereich. Für die junge Autorin ist das aber alles nur Mittel zum Zweck, Lisa will später als Regisseurin arbeiten. Und dann? „Ich bin bekennende Mainstream-Liebhaberin“, gibt Lisa zu. Christopher Nolan-Filme oder die „Tribute von Panem“ sind Werke, die ihr Herz höher schlagen lassen. „In der Branche wird man dafür oft belächelt, aber ich hoffe, dass ich auch irgendwann solche Kinofilme machen kann, in die die Leute in Massen rein rennen.“
Fotos: Jonas Egert (Portrait), ARD/TMG/Christian Hirschhäuser (Fotos aus dem Film)