Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Serafina

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Diese Woche steht bei unserer Autorin ganz im Zeichen der Kunst. Eingestimmt durch die Ausstellung “Faces of India” geht es weiter zur Stroke Art Fair und am Dienstag zu “souls x faces” im Provisorium. Aber auch Filmliebhaber und Indiefans werden fündig.

Die Semesterferien neigen sich dem Ende zu. Bevor es in
einer Woche wieder mit den Seminaren losgeht, möchte ich noch meine Freiheit
ausnutzen. Mein Indie-Herz freut sich am Freitagabend
auf eine neue Runde Up
The Bracket
im Strom Vorher geht es
aber in die Galerie Benjamin Eck zur Ausstellung Faces of India.
Der Fotograf, Snowboarder und Surfer Tobias Strauss hat auf seiner Reise durch
ganz Indien Menschen aus den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen porträtiert.
Diese Bilder möchte er nun in der Galerie vorstellen und ich freue mich, in
diese Kultur eintauchen zu können. Musikalisch untermalt wird die Ausstellung
mit dem Münchner DJ Duo Tokio x Shrink.

Meine Asienreise geht am Samstag im Backstage weiter: Jugendliche und Erwachsene haben
ehrenamtlich die Benefizveranstaltung Taste of Asia
organisiert, bei der sie unter dem Motto „Experience Today. Change Tomorrow“
mit einem kleinen Unkostenbeitrag Kultur und Charity verbinden möchten. Charity
ist immer eine gute Sache. Bin gespannt, was ich dort alles sehen und welche
Spezialitäten ich probieren werde. Meine zweite Portion Indie an diesem
Wochenende hole ich mir anschließend im Milla bei Fancy Footwork – Indiedisco mit Zucker und Amore.

Den Morgen danach verbringe ich im Lovelace beim Table Brunch,
der nun jeden Sonntag organisiert
wird – I’m in love! Nach dem herzhaften Katerfrühstück geht es anschließend ins
Werksviertel zur Stroke
Art Fair
, bei der zeitgenössische
Kunst präsentiert wird, um dem Zuschauer eine „frische Vision von Kunst, Design
und urbanem Lebensgefühl im 21. Jahrhundert näherzubringen.“ Zugegeben habe ich
das Konzept noch nicht verstanden. Facebook und die Homepage helfen mir da
leider nicht weiter. Und auch Veranstalter sind sich anscheinend selbst noch
nicht im Klarem, was sie da genau ausstellen: Laut eigener Aussage könne man Stroke nicht erklären, sondern man müsse es
live erleben. Meine Neugier ist jedenfalls geweckt. Den Sonntagabend lasse ich anschließend
zu den Klängen von Fvzz Popvli, Corona
Diver
und Heroine
Twin
in der Garage Deluxe laut
ausklingen.

Am Montagabend
verschlägt es mich wieder ins Lovelace zur zweiten Videonight
zum Thema „Rettung der Popkultur“, bei der experimentelle und außergewöhnliche
Musikvideos der letzten vier Jahrzehnte präsentiert und die „Vielfalt eines im
Internet hochaktuellen Formats“ festgehalten werden. Auch hier bin ich mir
nicht ganz klar, was mich erwartet, aber bin gespannt, was auf mich zukommen
wird.

Am Dienstagabend
habe ich viel vor. Im Lost Weekend
liest der Autor Pascal Richmann aus seinem Werk „Über Deutschland, über alles“
vor. In diesem Buch spricht der Schriftsteller mit Menschen aus der rechten
Szene und befragt sie nach ihren Deutschlandbildern. Dabei berichtet er unter
anderem von Wahnvorstellungen und absurden Beobachtungen. Anschließend gibt es
die Möglichkeit, ein Gespräch mit dem Autor und Lektor des Buches zu führen und
Fragen zu stellen. Ich bin sehr gespannt, vor allem da das Thema aktueller denn
je erscheint. Später treffe ich mich mit einer Freundin zur Vernissage der
Ausstellung souls x faces
im Provisorium. Das Portfolio aus den Bereichen Portrait- und
Fashion-Fotografie der Fotografin Jacky Vifer,
der es nun nach München verschlagen hat (Servus!), werden in großformatigen
Fine Art Prints ausgestellt.

Der Mittwoch
wird sehr musikalisch: Tiger
Tiger
und die Gaddafi
Gals
spielen im CHARLIE. Der
Abend ist auch die perfekte Einstimmung für das bald anstehende Sound of Munich Now,
bei der Tiger Tiger auch auftreten wird…

Nach so viel Musik, Fotografie und Literatur in den
letzten Tagen ist am Donnerstag nun
Film an der Reihe. Bei der HFF findet die Festivaleröffnung zum 2. Queer Film Festival
statt. An diesem Abend werden ein Vorfilm, HFF-Kurzfilm und ein Eröffnungsfilm
von drei jungen Filmemachern aus Deutschland, Polen und Israel präsentiert.
Anschließend wird in der Minna Thiel gefeiert, bevor in den nächsten vier Tagen
viele internationale Filme vorgeführt und die Zuschauer zu Diskussionen zu den
Themen sexuelle Orientierung und Identitätsfindung angeregt werden.

Nun ist wieder eine Woche rum. Der Start ins neue Semester
und die Seminare sind eine Woche näher gerückt. Bedeutet jedoch nicht, dass ich
weniger Veranstaltungen besuchen werde, dafür gibt es zu viele coole Konzerte,
Lesungen und Ausstellungen. Am Freitagabend
beispielsweise spielen Inside Golden in
der Milla. Ich kann da als Bluesrock-Fan nicht nein sagen und lasse mir das
Konzert nicht entgehen.

Text: Serafina Ferizaj

Foto: Privat

Veränderter Blick

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Paulina Glocker und Leo Simon sind den Flüchtlingen entgegengereist. Ihre Fotos und Tagebucheinträge haben sie für eine Ausstellung aufbereitet.

Von Theresa Parstorfer

Den Geruch, den wird Paulina Glocker nie wieder vergessen. Den Geruch in einem Flüchtlingscamp irgendwo an der serbisch-mazedonischen Grenze. Den Geruch, den Tausende von Flüchtlingen jeden Tag ertragen müssen, während sie neben Müllbergen in einer Warteschlange stehen. Sie warten, um irgendwann, nach Stunden, nach Tagen, die schriftliche Erlaubnis ausgestellt zu bekommen, von der mazedonischen Grenze im Osten des Landes an die Grenze im Westen transportiert werden zu dürfen.

Paulina Glocker und Leo Simon, 23, haben diesen Sommer einen etwas anderen „Urlaub“ unternommen: Sie sind den Flüchtlingen entgegengereist, die derzeit Richtung Europa, Richtung Deutschland strömen. Was sie dort, in Griechenland, Kroatien, Serbien und Mazedonien gesehen und erlebt haben, lässt die beiden Studenten nicht mehr los. Die Fotos, die Leo aufgenommen hat und die Tagebuchtexte, die Paulina geschrieben hat, haben sie für die Ausstellung „München – eine Weltstadt zwischen Herz und Hetze“ aufbereitet. Sie wird am Dienstag, 3. November, um 19 Uhr im Provisorium in der Lindwurmstraße eröffnet und ist sechs Tage lang zu sehen. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung statt.

„Diesen Geruch sollte jeder auch nur für eine Stunde aushalten müssen, der heute davon redet, Zäune zu bauen und Abschiebe-Verfahren zu beschleunigen“, sagt Paulina. Sie hat dunkle, große Augen. Ihr schwarzes Haar, von dem manche Strähnen von bunten Stoffbändern umwickelt sind, ist auf einer Seite kurz rasiert. Sie ist 21 Jahre alt und studiert Politik an der Hochschule.
Wenn sie über die „Flüchtlingskrise“ redet, über den Hauptbahnhof in diesem Sommer und über das, was so mancher Pegida-Anhänger von sich gibt, gestikuliert sie. Ihre Hände unterstreichen, dass Paulina nicht nichts tun kann, angesichts einer humanitären Krise, wie sie sich in den vergangenen Monaten in ganz Europa zugespitzt hat. 

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„Es macht schon wütend
zu sehen, wie gut
wir es hier haben.“

Deshalb war sie in diesem Sommer auch eine der Ersten, die zum Hauptbahnhof fuhr, als die ersten Züge voll mit geflohenen Menschen ankamen. „Da war alles noch sehr unorganisiert. Wir waren nur so eine Gruppe von Leuten, noch gar keine Logistik dahinter“, sagt Paulina. Erstaunt habe es sie, wie schnell dann aber eine Struktur in die Koordination der Hilfsbereitschaft gekommen sei. Am Hauptbahnhof lernte sie auch Leo kennen. Schon an diesem ersten Tag hatte er sein Kamera-Equipment dabei. Und als Paulina ihn fragte, für welche Zeitung er denn arbeitete, „da hat er mir gleich seine Karte gegeben“, sagt sie und lacht. Über den Sommer habe man sich dann besser kennengelernt und dann irgendwann, als Paulina beschlossen hatte, Richtung Süden zu reisen, kam Leo einfach mit.

Auch er fand die Idee gut. Auch er wollte in diesem Sommer nicht irgendwo am Strand liegen, während anderswo Menschen ertranken, und da Paulina gerne jemanden dabei gehabt hätte, der ihre Reise dokumentierte, packte Leo auch hier wieder seine Kamera ein. Das Fotografieren hat er von seinem Vater, der professioneller Fotograf ist, gelernt.
Leos Fotografien sind voller Bewegung. An den Rändern verschwimmen die Farben, doch die Menschen sind scharf umrissen. Die Farben wirken gedeckt, beinahe düster, und beschönigen nichts. Da schlafen zwei junge Männer vor einem Zelt und neben dem Müll. Ein kleiner Junge, kaum fünf Jahre alt, schiebt eine Schubkarre – voll mit Müll.

Nach diesen Erfahrungen kommt Leo und Paulina das Alltagsleben hier in Deutschland auf einmal anders vor. „Es macht schon wütend zu sehen, wie gut wir es hier haben und wie wenig wir es doch zu schätzen wissen“, sagt Paulina. Aber schnell rutsche man dann auch wieder in seinen alten Trott. Paulina hat sich vor wenigen Tagen aus ihrer Wohnung ausgeschlossen. Sie lächelt und hebt die Schultern. „Klar, da habe ich mich auch aufgeregt. Aber wenn man dann daran denkt, wie einfach sich Dinge hier normalerweise regeln lassen, dann sind das alles keine wirklichen Probleme mehr.“

„Wir wollten auf keinen Fall,
dass das so eine Art
Flüchtlingstourismus wird.“

Ziel der Reise war es, zu sehen wie es ist, an „Europas Grenzen“, dort wo die Flüchtlinge ankommen. „Aber wir wollten auf keinen Fall, dass das so eine Art Flüchtlingstourismus wird“, sagt Leo. Auch seine Haare und seine Augen sind dunkel, auch er studiert Politik und auch er engagiert sich politisch. Aber er ist sehr viel ruhiger als Paulina. Während der jungen Frau manchmal die Tränen in die Augen steigen, wenn sie von all den Menschen berichtet, die eigentlich keine Chance mehr haben, blickt Leo nachdenklich in seinen schwarzen Tee. „Deshalb war es auch ganz gut, dass wir am Ende mit dem Auto gefahren sind und nicht, wie irgendwann mal geplant, mit dem Zug“, fügt er hinzu. Es sei nicht darum gegangen, nachzuempfinden, was es heißt, ein Flüchtling zu sein. „Das kann man nicht. Niemand von uns kann sich vorstellen, wie es sich anfühlt, fliehen zu müssen, weil man in seinem Heimatland einfach nicht mehr leben kann, aus welchen Gründen auch immer“, darin sind sich die beiden einig. Ihnen ginge es mehr darum, auf diese paradoxen Ungleichheiten hinzuweisen. „Eigentlich sind die Menschen doch alle gleich, aber dann gibt es doch so viele Unterschiede“, sagt Paulina. „Ich meine, wir hatten Glück, dass wir hier in Deutschland geboren wurden. Warum hatte das ein Medizinstudent aus Afghanistan nicht, obwohl er vielleicht ähnliche Vorstellungen und Ansichten, eine ähnliche Ausbildung und Lebensplanung hatte?“

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Geschichten von solchen Einzelschicksalen können die beiden viele erzählen, doch das Anliegen in ihrer Ausstellung ist eigentlich ein etwas anderes: Auf Leos Lieblingsbild sieht man nur die Füße einer Familie, die sich unter eine Plastikplane vor dem Regen schützt. „Das sagt irgendwie total viel: Man sieht keine Gesichter. Das sind ganz viele Einzelschicksale, aber gleichzeitig auch in einer Allgemeinheit, denn dieses generelle Schicksal wird von so vielen geteilt“, sagt er.

Zwölf Tage waren die beiden unterwegs. Sieben Länder haben sie in dieser Zeit gesehen und Tausende von Menschen ohne Heimat. Wenn sie in einem neuen Camp ankamen, packten sie mit an. „Nicht helfen ging da nicht“, sagt Paulina und Leo fügt hinzu: „Was uns selbst immer wieder erschreckt hat, ist, wie schnell die Situation sich ändern kann.“ Während es an einem Tag völlig ruhig war, konnten am nächsten Tag auf einmal 2000 neue Flüchtlinge ankommen und das Lager völlig überschwemmen und überfordern.
Dass die Menschen einfach so lange in diese Lager gesteckt werden, das ist für Leo vielleicht das Schlimmste. Flüchtlinge sind für Politiker nur Nummern, Zahlen. Kostenfaktoren, und keine Einzelschicksale. „We are only numbers“, habe einer der Flüchtlinge einmal zu ihnen gesagt. Aber Leo ist auch sehr pragmatisch. „Auch wenn es platt klingt, muss man doch sagen: Demokratie wirkt. Diese Menschen werden kommen und niemand wird sie aufhalten können. Wir müssen nur sehen, wie wir damit umgehen.“

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Fotos: Leonhard Simon

Neuland

Die Ausstellung des neugegründeten Künstlerkollektivs   „

Die Baustelle” findet am 11. Juli in 

„Das Provisorium“ statt. Die Besonderheit: es wird ein Kunstwerk geben, an dem alle Besuche mitarbeiten können

„Die Baustelle“ – so nennt sich das neu gegründete Künstlerkollektiv der Münchner Studenten Cara Hilliges, 21, Thomas Pützschler, 22, Charlotte Bastam, 21, Nicholas O’Connell, 20, Filippo Steven Ferrara, 22, und Maxime Weber, 21. Die künstlerische Bandbreite der Gruppe erstreckt sich über viele verschiedene Bereiche, jeder der Studenten bringt sich mit anderen Interessen und Fähigkeiten ein: „Die Baustelle symbolisiert die Heterogenität der Werke, also die Kunst, die sich ständig im Aufbau befindet, nie jedoch eine vollendete Form bildet“, erklärt Nicholas O’Connell das Konzept.

Das neu gegründete Künstlerkollektiv veranstaltet von Dienstag, 7. Juli, bis Samstag, 11. Juli, seine erste gemeinsame Ausstellung in der Kunstbar „Das Provisorium“ an der Lindwurmstraße 37. Neben Fotografien, Bildern und Kurzfilmen wird es auch Lesungen von Gedichten und Kurzgeschichten geben. Die Gruppe plant, zusammen mit ihren Besuchern ein „Totem“ zu errichten, eine Skulptur, an der jeder mitarbeiten kann, egal mit welchen Materialien oder Gegenständen.  

Philipp Kreiter