Rote Katzen, zarte Astronauten

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„Von Weitem muss es reinknallen, aus der Nähe braucht es den Schmunzeleffekt“. Junge Designer entwerfen jeden Monat Plakate für Münchner Elektro-Clubs – eine Spurensuche.

Bei Elektro denkt man zuerst an Neonröhren, an Blitzlicht und Videoinstallationen in dunklen Clubs. Oder an rote Katzen, an zarte Linien und gefettete Schrift – das Werk junger Designer, die jeden Monat für Münchner Elektro-Clubs Plakate entwerfen und damit nicht nur die Szene, sondern auch das Stadtbild nachhaltig prägen. Eine Spurensuche.

Dass sie ihr Geld mit Kunst und Design verdienen will, war Annette Granados Hughes schon früh klar. Heute sitzt die junge Designerin am Schreibtisch eines Gemeinschaftsbüros in Schwabing, das sie sich mit 14 anderen Kreativen teilt. „The real life“ steht auf ihrem Sweater, der aus dem eigenen Modelabel Womom stammt und mit dem Annette Mode für junge Mütter macht. Es ist ihr neuestes Projekt, aber nur eines von vielen. Denn als selbständige Grafikerin und Illustratorin hat sich Annette vom CD-Cover-Design bis zum Entwerfen von Pizzakartons breit aufgestellt.

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Eine ständige Konstante seit zwölf Jahren sind dagegen die Plakate für den Techno-Club Rote Sonne. Ihr Lieblingsprojekt, wie sie betont. Nicht nur, weil sie früher selbst mit ihrer Band High Voltage Humans dort aufgetreten ist und dem Club emotional sehr nahe steht. Sondern auch, weil sie sich bei den Plakatentwürfen künstlerisch austoben kann und immer wieder positives Feedback bekommt. „Es gibt Leute, die alle Plakate aufheben und sammeln“, sagt sie. Mindestens einmal pro Monat braucht es eine neue Idee. „Irgendwann sind die klassischen Partymotive aufgebraucht“, sagt Annette. Mit ihren Plakaten setzt die Grafikerin daher lieber auf Unerwartetes, auf Farbe und Wiedererkennungswert. „Von Weitem muss es reinknallen, aus der Nähe braucht es den Schmunzeleffekt“, sagt sie. Insgesamt mag sie es lieber gröber und beschreibt ihren Stil als „tiefgründig-naiv“. Genau das Widersprüchliche daran interessiert sie. Eine tanzende Heizung („Gonna make you sweat“), ein gefangener High Heel im Spinnennetz („No escape“): „Für die Rote Sonne war immer die Verbindung aus Spruch und Illustration wichtig – und das Plakative natürlich“, sagt Annette.

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Plakativ sind auch die Arbeiten von Public Possession – auch wenn man sie überhaupt nicht mit dem Stil von Annette vergleichen kann. Seit fünf Jahren haben Valentino Betz und Marvin Schuhmann ihr Hobby zum Beruf gemacht und sind sich einig: „Eigentlich ging es immer nur um Musik.“ Sie waren auf derselben Schule, haben zusammen gewohnt, seit zehn Jahren legen sie gemeinsam auf, seit fünf Jahren haben sie das eigene Label und den Plattenladen in der Klenzestraße. Hier hat alles seinen Platz, wirkt durchdacht, aufgeräumt. Einmal im Monat treten sie im Charlie auf, gestalten dafür ihre eigenen Plakate, von denen eine Auswahl auch sauber nebeneinander aufgereiht hinter ihrem Verkaufstresen hängt. Die Zusammenschau macht es deutlich: In ihrem Plakat-Design setzen Public Possession nicht auf konkrete Formen oder knallige Farben, sondern vor allem auf Text: Schwarze Schrift auf buntem Kopierpapier – weil das billiger ist – hier fett, da kursiv, mal in dicken, mal in kalligrafischen Lettern. „Wir machen, worauf wir Bock haben, was gut aussieht“, sagt Valentino, der an der Kunstakademie in München studiert hat. Da kann dann schon mal nur „Offizielles Party-Plakat“ prangen oder mit dickem roten Filzstift Ort, Zeit und Veranstalter notiert sein. Das Konzept: einfach. „Wir wollen, dass die Leute unseren Namen hören und wissen, wer und was sich dahinter verbirgt“, erklärt Valentino. Das klare Ziel des DJ-Duos ist es, zur Marke zu werden. Und eigentlich sind sie das ja auch schon. Von ihrem Label, dem Laden, den Auftritten können sie leben. Ihre Produkte verkaufen sie weltweit. Besonders gefragt seien sie in Australien und Amerika, zuletzt gab es Bestellungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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Den Namen Public Possession nutzen sie als Filter, mit dem sie all ihre Ideen und Projekte bündeln. Das kann die eigene Musik, das kann Plakat-Design, das kann aber auch Mode sein. Die überschaubare Auswahl an Platten und Merchandise-Produkten in ihrem Laden folgt keinem bestimmten Muster, sondern der persönlichen Selektion. Ambient, Techno, House, Disco. Daneben Sweater und T-Shirts. Und: selbstdesignte Schals. Auch in diesem Jahr wieder der Verkaufsschlager. „Für den Moment fühlt sich einfach alles gut so an, wie es ist.“

Ganz ähnlich sieht das auch Tanja Leithe. Auch sie ist der Kunst als Berufung gefolgt, macht sich dabei keine Sorgen um die Zukunft und verzichtet auf kreatives Chaos. So clean wie ihre Schwarz-Weiß-Zeichnungen ist auch ihre Dachgeschosswohnung, die mehr nach Ausstellungsraum als nach Atelier aussieht. Aber hier, zwischen weißen Möbeln und den eigenen sauber gerahmten Zeichnungen, wohnt und arbeitet die junge Frau. Dabei ist sie seit drei Jahren der kreative Kopf hinter den Plakaten des Techno-Clubs Harry Klein. 

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Sie entwirft Zeichnungen mit klarer Linie und schraffierter Figürlichkeit. Bärenköpfe, Tänzerinnen, Astronauten. Dabei verfolgt Tanja mit ihren Motiven und ihrer Plakatkunst keinen genauen Plan. „Ich setze mich hin und mache einfach, was mir in den Kopf kommt.“ Gerne Auftragsarbeiten, mit klaren Vorgaben, solange sie ihrem Stil dabei treu bleiben kann. Zwischendurch entwirft sie für Lokale großflächige Wandbemalungen, auch wird Tanja häufig nach Tattoo-Entwürfen gefragt, für die sich ihre linearen Zeichnungen gut eignen. Auch sie selbst trägt einige davon auf der Haut. 

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Tanja hat ihren Stil gefunden. Auch wenn sie ihn nicht so recht benennen kann. „Eine Mischung aus realistisch und surrealistisch vielleicht?“ Aber um das zu sagen, sei sie gar nicht kunstaffin genug. Dennoch hat sie sich nach dem Abschluss bei der Kunstfachoberschule München ziemlich schnell für die Selbständigkeit als Künstlerin entschieden. Und einen Plan B gab es sowieso nie. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Talent machen würde“, sagt sie.

Text: Franziska Rentzsch

Fotos: Marco Fumolo, Conny Mirbach, Melanie Liebert

Schluss mit Touri-Techno

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Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Impulse aus München mit dem famosen DJ-Duo COEO.

Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Denn der Blick auf die Hauptstadt sei „einfach ein bisschen Panne“, sagt Florian Vietz. Gemeinsam mit Andreas Höpfl steckt er hinter dem DJ-Duo COEO, das man beim „Sound Of Munich Now Electronica“ dieses Jahr live erleben kann. Angefangen haben die Künstler aus der Nähe von Deggendorf mit einem „30-Euro-Programm zum Musikbasteln“. Mittlerweile in München angekommen, gelten COEO als erfolgreichster Act des Labels Toytonics, das seit vier Jahren Dance-Musik in Richtung Disco- und Funk-House veröffentlicht und vor allem Künstler aus München betreut.

Und das wird gefeiert: mit einer Labelparty zur Eröffnung des LIT am 17. November im Werksviertel. Denn der Erfolg spricht für sich: 2016 belegte das kleine Label Platz drei der „Bestselling Deep-House Labels“ auf der Online-Plattform Beatport, dem Gradmesser für elektronische Musik. Darin sieht Label-Chef Matthias Modica Anzeichen für einen weitläufigeren Trend: eine Gegenreaktion zum düsteren Berliner Techno, hin zu soul- und funkinspiriertem Elektrosound. München scheint in dieser Gegenreaktion bereits angekommen zu sein, für Modica dank des „positiven, sommerlichen Vibes“, den die einstige Discometropole München verströmt. Auch COEO fühlen sich hier wohl: Die Stadt sei einfach schön und habe die richtige Größe, „um alles zu kriegen, was man kulturell braucht“.

Wahrscheinlich ist München eben genau das Dorf, über das man wahlweise schimpft oder schwärmt – und wer sich zu vernetzen weiß, kann Erfolg haben. Das weiß auch Moritz Butschek, selbst DJ und Betreiber des München-Blogs „Tow in a Row“. Für ihn steht fest, dass „sowohl der funky Sound, als auch ganz neue Ausrichtungen elektronischer Musik koexistieren und regen Zulauf haben. Es gibt tolle etablierte Locations, immer wieder spannende Zwischennutzungen und vor allem für fast jeden Geschmack eine Szene mit tollen DJs und Live-Acts.“ Matthias Modica allerdings wünscht sich, dass die großen Münchner Clubs aufhören, den Berliner „Touri-Techno“ zu imitieren. „Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es in München weniger Clubs, dafür mehr Vielfalt. Impulse aus München gingen in die Welt“, sagt er. Mit COEO scheint dieser Trend nun hoffentlich wiederbelebt zu sein. 

Text: Yvonne Gross

Foto: Kerstin Rothkopf

Ein Abend mit: COEO

Auf COEO am Sound Of Munich Now Electronica freuen wir uns sehr. Wo man das DJ-Duo sonst noch so antrifft und was dabei noch so abgeht, kann man hier lesen.

Name: Andreas Höpfl
& Florian Vietz

Alter: 30 bzw. 31

Beruf: Musikproduzenten und DJs

Internetseite: soundcloud.com/coeo

Hier beginnt unser Abend:

An der Isar bzw. Reichenbachbrücke. Von dort aus ist es
nicht weit in unser Studio in der Au, aber wir treffen uns dort auch oft mit
Freunden, um in einen der hiesigen Plattenläden – am liebsten ins Public
Possession – zu gehen oder im Flaschenöffner Fußball zu kucken. Danach gibt’s
meist noch nen Snack im Türkitch oder Bergwolf.

Danach geht’s ins/zu:

Awi oder samstags ins Charlie

Unsere Freunde haben andere Pläne. So überzeugen wir sie vom
Gegenteil:

In solchen Situationen fallen oft Sprüche wie „Nur auf ein
Bier…“ und so weiter. Jeder kennt das. Von Erfolg sind diese aber nicht immer
geprägt…

Mit dabei ist immer:

Unsere First Ladies sind immer dabei. Außer beim Fußball
schauen. Und in den Plattenläden. 🙂

An der Bar bestellen wir am liebsten:

Wir beginnen mit Bier und bleiben im Laufe eines Abends auch
meist dabei.

Der Song darf auf keinen Fall fehlen:

„Skip Mahoney – Janice (Don’t be so blind to love)“

Unser Tanzstil in drei Worten:

Bloß nicht shuffeln!

Der Spruch zieht immer:

„Hey DJ, könntest du bitte den Song von… spielen?“ 😉

Nachts noch einen Snack. Unser Geheimtipp ist:

Einen wirklichen Geheimtipp haben wir da nicht. In München
ist spätnachts die Auswahl ohnehin arg begrenzt.

Unser kuriosestes Erlebnis beim Feiern war :

Flo: Ich wurde mit 17 einmal von der eigenen Party, auf der
wir aufgelegt haben, geschmissen, weil ich noch nicht volljährig war…

Andi: Als ich auf der eigenen Party, auf einmal alleine
auflegen musste, da Flo um Mitternacht rausgeschmissen wurde, weil er noch
nicht volljährig war.

Das beste Frühstück nach einer langen Nacht gibt’s im/bei:

Bett

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach:

Der alten Registratur trauen wir definitiv am meisten nach.


Foto: Kerstin Rothkopf