Neuland

Ruenouvelle, so heißt der Blog der drei jungen Münchnerinnen Anne, Marie und Julie, der vor einem Monat online ging. In ihrem Blog sollen verschiedene kreative Bereiche miteinander verbunden werden.

Ruenouvelle, so haben drei junge Münchnerinnen ihren Foto-Blog getauft, der Ende April online ging und unter ruenouvelle.tumblr.com zu erreichen ist. „Die Liebe zur Ästhetik“, das ist es, was die drei Bloggerinnen – neben ihrer gemeinsamen Muttersprache Französisch – verbindet und sie zu ihrem Blog inspiriert. Die Köpfe dahinter sind Anne, ihre Schwester Marie und ihre Freundin Julie (Foto: Marie Gryczka). Anne Gryczka, 22, ist, ebenso wie ihre Schwester Marie, in München geboren und studiert Grafik-Design an der Hochschule München. Marie Gryczka, 24, hat Fotografie studiert und Julie Van Gucht, 20, ist gebürtige Belgierin, lebt seit zwölf Jahren in München und möchte Mode-Management studieren. Das Ziel ihres Blogs ist die Verbindung verschiedener kreativer Bereiche: Marie fotografiert, um das Artwork kümmert sich Anne, und Julie ist für die Organisation der Shootings und das Styling zuständig.  

Stephanie Albinger

Foto: 

Marie Gryczka

Burgfräulein mit Internetzugang

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Rauf auf die Burg! Jessica Schober wird Burgenbloggerin – und zieht dafür in die mittelrheinische Pampa.

Mit Rheinblick, hohen Zinnen und Schießscharten thront sie auf einem Felsen: die Burg Sooneck im Mittelrheintal. Vom 1. Mai an wird das Jessica Schobers neue Heimat sein. Die junge Journalistin ergreift demnächst einen ungewöhnlichen Beruf: Sie wird Burgenbloggerin im Mittelrheintal. Jessica hat sich damit gegen 700 andere Bewerber durchgesetzt. Ausgeschrieben wurde die Stelle von einer Zeitung, einer Entwicklungsagentur und einer Kultureinrichtung – wohl, um Werbung für die strukturschwache Region Mittelrheintal zu machen.

SZ: Du hast die Deutsche Journalistenschule in München absolviert und arbeitest seit 2012 als freie Journalistin. Und jetzt ziehst du für ein halbes Jahr in die Pampa, um in einer Burg zu wohnen? 

Jessica Schober: Es ist ja Premium-Pampa. Ich fand die Idee charmant, auf einer Burg zu leben und Geschichten zu erzählen. Das klang für mich nach dem perfekten Anschlussprojekt nach meiner „Wortwalz“.

Wortwalz?

Ich bin vergangenes Jahr durch deutsche Lokalredaktionen gewandert, in Anlehnung an die Tradition des Gesellenwanderns.

Und jetzt die Burg. Wuchtige Steinwände, hohe Zinnen, Blick auf den Fluss: Das sieht ja erst mal nach Rheinromantik aus. Aber bietet das Mittelrheintal genug Stoff, um jeden Tag darüber zu schreiben?

Es kann nicht nur um die Burg gehen, sondern vor allem um die Menschen. Da gibt es viele interessante Fragen: Warum hat der letzte Bäcker im Dorf zugemacht? Warum gibt es keine Busse, die den Hang hochfahren? Warum ist das Touristenziel gleichzeitig eine strukturschwache Region? Es gehört zu diesem Experiment dazu, sich für ein halbes Jahr in eine Region reinzuwerfen.

Der nächste Ort liegt drei Kilometer weg und hat nicht mal einen Supermarkt …

Die Herausforderung für mich besteht eigentlich nicht darin, in die Provinz zu ziehen, sondern mal sesshaft zu werden. Ich habe in Eichstätt studiert, das ist die kleinste Uni Deutschlands. Vergangenen Sommer war ich bei der „Walz“ ständig unterwegs. Jetzt werde ich mich mal darauf einlassen, ein halbes Jahr dort zu bleiben. Einsam wird es dort nicht, es haben sich viele Freunde angekündigt.

Wie bist du dort untergebracht?

Ich wohne nicht im historischen Teil der Burg, den man sich bei einer Museumsführung anschauen kann. Mein Domizil ist eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung über der Burgschänke.

Wie schaut es mit Internet aus?

Dass das klappt, ist die Hauptbedingung! Aber ich bin da guter Dinge.

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„Die Welt“ nannte das Mittelrheintal eine „Traumlandschaft zum Davonlaufen“. Die Region ist strukturschwach, viele Bewohner ziehen weg … Als Burgenbloggerin wirst du von der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz gesponsert. Darfst du da überhaupt kritisch sein?

Es ist wichtig, sich diese Transparenzfrage zu stellen, auch auf dem Blog. Ich bin meine eigene Chefredakteurin, ich habe einen Freibrief, über alles zu berichten. Außerdem werde ich nicht nur darüber schreiben, wie schön es ist, auf der Burg zu leben. Das hat sich schnell auserzählt. Es gibt neben der Burg – sehr symbolisch – einen riesengroßen Steinbruch, der tierisch laut ist. Es gibt Licht und Schatten. Und vieles, wo man kritisch hingucken muss.

Bei deiner Wortwalz hast du ja auf Laptop und Handy verzichtet, um möglichst authentisch auf Gesellenwanderung zu gehen. Was kommt diesmal in den Koffer? 

Ich werde mein Akkordeon mitnehmen. Und mein Notizbuch.

Was sagen denn die Freunde dazu?

Ich muss oft darüber lachen, wenn ich ständig Dinge höre wie: „Lässt du dir jetzt die Haare wachsen? Du musst doch Rapunzel spielen!“ Ich werde nach diesem halben Jahr sehr müde sein von allen Ritter-, Burgen- und Dornröschenklischees, aber ich werde sie fröhlich ertragen. Das gehört eben auch dazu.

Interview: Elsbeth Föger

Fotos: Jens Weber

Zu lesen gibt es Jessicas Erfahrungen auf http://www.burgenblogger.de/

Der Stoff der Freiheit

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Es ist ein schweres Thema: In ihrer Bachelorarbeit beschäftigt sich Bloggerin und Modedesignerin Alice M. Huynh mit der Flüchtlingsgeschichte ihrer Eltern. So ist die Kollektion “Fresh off the Boat” entstanden, die mit funktionalen Schnitten und dunkeln Farben versucht, die Vergangenheit der Eltern spürbar zu machen.

Lädierte Stoffe, ausgewaschene Farben, Risse oder beschmutzte Stellen wären zu offensichtlich gewesen. Zu plakativ für die ernste Thematik, die Alice M. Huynh, 24, in ihrer Bachelorarbeit aufgegriffen hat. Zum Abschluss ihres Modedesign-Studiums an der Akademie für Mode und Design München arbeitete Alice ein schweres Stück Familiengeschichte auf. Ihre Abschlusskollektion mit dem Titel „Fresh off the Boat“ erzählt von den Flüchtlingserfahrungen ihrer Eltern während des Vietnamkriegs. Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater mussten in den Siebzigerjahren aus Vietnam fliehen. Für ihre Abschlussarbeit führte Alice mit beiden Interviews und erfuhr dabei bewegende Details, die sie anfangs nur unter Tränen weitererzählen konnte.

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Im Alter von 17 Jahren gelang ihrer Mutter und ihrer Familie die Flucht vor den Kommunisten. Nachdem sie sich mehrere Tage in einem kleinen Fischerdorf versteckten, kamen sie auf See. Nach sechs Tagen und sechs Nächten landete die Familie in Japan, wo sie nach langem Warten ein Visum für Deutschland erhielten. Auch der Vater, der aus einer chinesisch-stämmigen Familie kommt, war gerade einmal 17 Jahre alt, als er ganz allein aus Vietnam floh und ebenfalls sechs Tage und sechs Nächte auf See verbrachte. Daran erinnernd, besteht die Abschlusskollektion aus zwölf Looks. Für zehntausend Dollar besorgte der Großvater ihrem Vater einen Platz auf dem Flüchtlingsboot. Seine Erzählungen haben Alice besonders geprägt. „Niemand möchte hören, wie der eigene Vater miterlebt hat, dass Frauen vergewaltigt worden sind“, sagt Alice. Das Boot, auf dem sich ihr Vater befand, wurde jede Nacht von Piraten gekapert oder von der Marine angehalten. Frauen wurden missbraucht, Männer erschossen oder ins Meer geworfen. Alice erzählt, dass dem Vater selbst ein Maschinengewehr ins Gesicht gehalten wurde und zeigt dabei mit den Händen, wie groß die Waffe gewesen sein muss. Nachdem er schließlich zwei Nächte am abgesperrten Strand vor Malaysia im seichten Wasser verbrachte, kam er auf eine Flüchtlingsinsel und – nach einer langen Wartezeit auf ein Visum – nach Deutschland. 

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„Es ist ein dunkles Kapitel meiner Eltern. Trotzdem sollte die Mode nicht traurig oder dramatisch werden. Die Kollektion ist supermodern, vielleicht sogar ein bisschen witzig durch die ungewöhnlichen Stoffe und Schnitte“, sagt Alice. Ihr Anspruch an die Kleidung: Tragbarkeit. „Wenn ich mich nicht wohlfühle oder in meinen Bewegungen eingeschränkt bin, ist das kein gutes Kleidungsstück“, sagt sie. Darum setzt „Fresh off the Boat“ auch auf Funktionalität. „Für mich war zentral: Sie sind geflohen und hatten nur das am Leib. Es musste praktisch sein“, erklärt die Designerin. Das zeigt sich in ihrem geradlinigen, minimalistischen Stil, den sie ihren westlichen Einflüssen zuschreibt.
 Erst beim genauen Hinsehen findet man Details, wie zum Beispiel die Taschen an einem Kleid. Der Hintergedanke: „Du musst etwas verstecken!“ Ihr Vater hatte vor der Flucht Geld in seinen Hosenbund eingenäht. Aber ebenso hat Alice traditionelle Elemente wie einen Kimonoschnitt aufgegriffen. Auch die weiten, langen Ärmel hat sie sich in der asiatischen Modekultur abgeguckt. In ihrer Kollektion stehen sie für das Gefühl der Verlorenheit. 

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Alice hat sich schon selbst oft gefragt, zu welcher Kultur sie gehört. Geboren und aufgewachsen ist sie in Oberstdorf im Oberallgäu, wo ihre Eltern asiatische Restaurants betreiben. Dennoch komme immer wieder die „Wurzelfrage“, wie sie es nennt, auf: „Bin ich vietnamesisch, chinesisch oder deutsch? Ich habe einen deutschen Pass und werde trotzdem immer wieder gefragt: Was bist du? Ich antworte dann: Deutsch. Aber das Fragen geht weiter.“ Ein Cardigan aus der Kollektion, der nur eine Hälfte des Oberkörpers bedeckt, soll genau auf diese Zerrissenheit hinweisen. 

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Bis auf zwei Teile ist alles komplett in Schwarz gehalten. Wer Alice und ihren erfolgreichen Mode-Blog „I heart Alice“ kennt, weiß, dass sie selbst hauptsächlich Schwarz trägt. Eintönig? Nicht für Alice: „Schwarz kann sowohl zurückhaltend als auch total laut sein. Eine Farbe wie Rot drückt immer nur ein Signal aus. In einem schwarzen Kleid kannst du hingegen elegant, bieder oder eine Femme fatale sein. Schwarz ist kein Gefühl, sondern ein Zustand“, erklärt sie. Die zwei farbigen Ausnahmen der Kollektion sind in einem Gold-Kupfer-Ton gehalten und repräsentieren den letzten Hoffnungsschimmer der Flüchtlinge.

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Um die verwendeten Materialien noch besser zu erklären, holt Alice ein Album, ebenfalls in Schwarz, aus ihrer schwarzen Handtasche. Ihr Inspirationsbuch mit Bildern, Skizzen und Stoffmustern. „Bei diesem hier wusste ich erst nicht, ob er hässlich ist“, sagt Alice und streicht mit dem Zeigefinger über ein Stück Stoff mit Kreisen, an denen dichte, schwarze Fäden befestigt sind. Darin sieht Alice die Hinterköpfe und wehenden Haare von flüchtenden Frauen. Solche Szenen habe sie mehrmals in Dokumentationen und auf Bildern gesehen. Wieder blättert Alice in ihrem Buch, zwei Seiten vor und drei zurück. Hier befindet sich ein Fetzen Moiré, ein Stoff mit baumstammähnlicher Musterung. Auch hierzu hat Alice eine Geschichte parat. Während des Wartens auf das Visum bekam ihr Vater eine Wochenration von einem Sack Reis, einer Büchse Sardinen und etwa zehn Liter Süßwasser. Als er sich so sehr nach Vitaminen und frischer Kost sehnte, aß er Blätter und Baumrinde. 

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Die gesamte Kollektion ist unisex, für die Abschlusspräsentation ihrer Arbeit wählte sie männliche und weibliche Models. Sie alle gingen barfuß und mit Frühlingsblumen im Mund über den Laufsteg. Alles sollte natürlich sein.Dass sie schließlich den Titel „Best Graduate“ erhielt, hatte sie nicht erwartet. Eine von der Schule unabhängige Jury wählte die drei besten Absolventen aus. Auch die Einladung zur Fashion Week im Sommer kam überraschend. Trotz dieses Erfolgs hat sich Alice dazu entschlossen, nicht als reine Designerin durchzustarten. Sie träumt weder von Selbständigkeit noch von einer eigenen Boutique. Sie sagt: „Ein Store ist schön und gut. Aber brauche ich das heutzutage wirklich noch?“ Seit acht Jahren pflegt sie ihren Mode-Blog, bei dem sie auch ihre eigene Kleidung präsentiert. Das möchte sie jetzt weiter ausbauen, eventuell mit einem Online-Shop zum Verkauf handgefertigter Kleidungsstücke. Auch Teile von „Fresh off the Boat“ möchte sie dann zum Kauf anbieten.

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Aus dem Schicksal der eigenen Familie ein Geschäft machen? Ein heikles Unterfangen, das weiß Alice. Doch gerade die Eltern sind es, die Alice in diesem Vorhaben unterstützen: „Mein Vater vergleicht es immer mit den Vögeln: Die brauchen am Anfang auch Hilfe von ihren Eltern, bis sie es alleine schaffen und auf eigenen Beinen stehen“, sagt Alice. Hilfe, das ist in Alice’ Familie: Viel darüber reden, was damals passiert ist, die Geschichte weiter tragen, zeigen, dass man „trotz all des Leids letztendlich noch glücklich werden kann“. Das tut Alice – mit ihren Kleidern. Inzwischen hat sie das so oft gemacht, dass sie auch nicht mehr weinen muss, wenn sie von den Eltern und der Flucht erzählt. „Ich habe es nicht miterlebt“, erklärt Alice, „aber ich kann im Gesicht meiner Mutter sehen, wie hart es damals gewesen sein muss.“  Bettina Pfau

Fotos: TheAlphaKiks, Christoph Schaller

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Alice’ Blog ist unter http://www.iheartalice.de zu erreichen.

Humor im Teufelskreis

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Drohungen machen ihm keine Angst: Maxime Weber schreibt in seiner Heimat Luxemburg einen der wichtigsten antifaschistischen Blogs des Landes. Nun will er in seinem Blog auch rechte Aktivitäten an seinem Studienort München aufgreifen.

Irgendwann wurden die Drohungen dann gewaltsam und persönlich. „Ich kenne deine Adresse“, hieß es – Maxime solle sich in Acht nehmen. In dem Milieu, mit dem sich Maxime Weber (Foto: Floh K.) auf seinem nach ihm benannten Blog auseinandersetzt, sind solche Drohungen keine Seltenheit – denn Maxime ist einer der einflussreichsten antifaschistischen Blogger Luxemburgs.

Der 21-Jährige studiert Philosophie an der LMU München, spielt in einer Band, dreht Filme und schreibt Bücher, aber sein wichtigstes Projekt ist der Kampf gegen Rechtsextreme in seiner Heimat Luxemburg. Seit seiner Kindheit schreibt er viel, zunächst Kurzgeschichten oder Berichte über neue Alben seiner Lieblingsbands. Mit der Zeit werden seine Texte jedoch zunehmend politisch. Die rechte Szene in Luxemburg sei in den vergangenen Jahren immer aktiver und aggressiver geworden, erklärt Maxime. „Deren hanebüchenen Argumenten“ wollte der Philosophiestudent etwas entgegensetzen.

Diese Szene profitiert von einer einzigartigen gesellschaftlichen Konstellation: Bei einer Einwohnerzahl von gerade einmal 550 000 Menschen hat Luxemburg einen Ausländeranteil von 45 Prozent. Das entspricht knapp 249 000 Einwohnern. Hinzu kommt: Seit Jahren gibt es eine Debatte über die Landessprachen – neben Luxemburgisch fungieren auch Deutsch und Französisch als offizielle Amtssprachen. Über eine gefühlte „Ausrottung“ des Luxemburgischen wird im rechten Spektrum der Bevölkerung hitzig diskutiert.
 Bekannt wurde Maxime vor allem durch seinen Beitrag „Liebe luxemburgische Patrioten“, der im Zusammenhang der Sprachen-Debatte entstanden ist. Der Blogeintrag hat bis heute mehr als 23 000 Aufrufe – eine beachtliche Zahl.
 Wenn Maxime über Nationalismus bloggt, ist seine Vorgehensweise oft ähnlich: Die rechte Szene Luxemburgs, erklärt er, sei eine lose, schlecht vernetzte Verbindung. Doch gerade über das Internet werden immer wieder nationalistische Ressentiments geschürt. Maxime versucht, solche digitale Sammelbecken zu finden und zu dokumentieren. Er analysiert rechte Artikel oder Kommentare und dekonstruiert sie, indem er ihnen mit Fakten entgegentritt. Seine beißend-ironische Sprache bringt ihm immer wieder Anfeindungen ein.

Maxime klärt auf über Rechtsextremismus. Damit ist er nicht der einzige. Die Stimmung in Luxemburg hat sich verändert in den vergangenen Jahren: So gibt es zum Beispiel die Kampagne “Making Luxemburg” – sie zielt darauf ab, die Vielfalt der luxemburgischen Gesellschaft durch verschiedene kulturelle Angebote zu zeigen. Außerdem soll sich jeder beteiligen und ein Zeichen gegen Rassismus setzen können. Zum Beispiel durch personalisierte T-Shirts. 

Maxime kooperiert bereits mit einigen Zeitungen und Fernsehsendern des Landes: Er versorgt Journalisten mit Screenshots und Informationen aus der rechten Szene. Im Zuge der Sprachendebatte wurde er auch in Talkshows eingeladen. Der luxemburgische Blogger Claude Biver sagt über Maxime: „Seine antifaschistische Arbeit im kleinen Luxemburg trägt seine Früchte, denn nach wie vor tun sich die Rechten sehr schwer, sich zu gruppieren, was nicht zuletzt auf Maxime zurück zu führen ist“. 

An seinem Studienort München lobt Maxime die gut organisierten Initiativen, die sich den Kampf gegen Rassismus zur Aufgabe gemacht haben. Trotzdem gäbe es in München rechte Organisationen, die deutlich öffentlicher auftreten als in Luxemburg. Deshalb will Maxime seine Blogtätigkeiten nun auf München ausweiten. Vor Kurzem kündigte er auf seinem Blog das neue Format einer Webshow an, in der er konkret auf die Situation in München eingeht. Seine Botschaft will er durch satirische Videos nach außen tragen. Dem „Teufelskreis“, den Bagida und Konsorten ausgelöst haben, könne man am besten durch Humor entkommen, glaubt er.

Ob Maxime in Zukunft auch mit Drohungen aus der Münchner Szene rechnen muss? Sicher kann er nie sein. Der Mann aus Luxemburg, der behauptete, Maximes Adresse zu kennen, wird so etwas jedenfalls so schnell nicht mehr machen. Einem Gericht in Luxemburg wurden dessen wüste Drohungen gegen verschiedene Leute im Internet zu viel. Er sitzt mittlerweile in Haft. 

 Philipp Kreiter

Neuland

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Schreiben wird überbewertet, findet Itje Kleinert – und hat deshalb den Musikblog Tune Art auf die Beine gestellt, der fast ganz ohne Text auskommt. „Es ist in Deutschland üblich, nur zu schreiben und die Bildsprache nicht zu benutzen“, erzählt Itje, die als Fotografin unter dem Künstlernamen Käthe deKoe bekannt ist. „Ich wollte mal was Anderes machen!“ 

Visuelles Musikmagazin nennt sich ihr Blog, der seit Anfang Februar online ist. Tune Art (www.tune-art.com) bietet Konzertfotos und Videos. Itje selbst ist aus der Münchner Indie-Szene mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Seit 2009 fotografiert sie regelmäßig auf Konzerten und hat schon Hunderte Bands abgelichtet. Auch die Junge-Leute-Seite hat ihre Bilder oft abgedruckt – beispielsweise vom Atomic Café, in dem sie Stammgast war. 

Das Visuelle verrät viel über die Künstler, findet die Bloggerin: „Wenn man meine Bilder genauer anguckt, errät man die Musikrichtung, ohne die Band zu kennen.“ Itje, die in einer Bildagentur für Illustration arbeitet, schreibt ohnehin ungern. „Für fünf Sätze brauche ich eine Stunde, weil ich zu viel überlege.“

Gewagter Schritt

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Als Model zeigt sich Simon Lohmeyer oft im Jackett, Rollkragenpulli oder Karohemd. Auf seinem Blog präsentiert er sich jetzt nackt – und als Aktfotograf

München – Simon Lohmeyer, 24, ist seit sieben Jahren ein durchaus gut gebuchtes Männer-Model bekanntes Gesicht in der internationalen Model-Branche. Jetzt will er auch hinter der Kamera Karriere machen. Dafür hält er auf seinem Fotoblog Dirtydirty.me seinen nackten Hintern vor die Linse: Das Model fotografiert sich und vor allem andere nackt – privat und auch an öffentlichen Plätzen.

SZ: Läuft das Modeln nicht mehr so gut? Oder warum ziehst du dich und andere für die Kamera aus?
Simon Lohmeyer:
Ich habe relativ früh begriffen, dass das Model-Business nicht mein Lebensinhalt ist. Viele meiner Freunde in der Branche sind um einiges älter und modeln immer noch. Das ist nichts für mich. Wenn ich 35 Jahre alt bin, möchte ich nicht nur vor der Kamera posiert haben, sondern auch was anderes können. Deswegen habe ich vielen Fotografen, mit denen ich gearbeitet habe, über die Schulter geschaut. Meine „nackigen Projekte“ hatte ich schon immer im Hinterkopf.

Deine Fotografien sind sehr freizügig. Soll Dein Blog als Pornoheftchen im Zeitalter Web 2.0 gesehen werden? Glaubst du, du könntest nicht anders auf dich aufmerksam machen?
Mit meiner Kunst möchte ich nicht schockieren. Ich will keine Fotos wie Terry Richardson Schwanz-Bilder machen. Meine Bilder sollen noch wohnzimmertauglich sein. Sie sollen die Menschen zum Nachdenken anregen. Die heutige Gesellschaft ist mir zu spießig und unehrlich: Jeder trägt doch nur eine Maske und traut sich nicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Mit den Fotografien versuche ich sie zu demaskieren. Man muss noch über sich selbst schmunzeln können.

Meinst du nicht, dass du es in zehn Jahren bereust, Nacktfotos von dir ins Internet gestellt zu haben?
Nein, ich bin unkonventionell aufgewachsen. Meine Eltern waren Hippies. Als ich ein Kind war, sind wir mit dem VW Bus durch Deutschland getourt und haben an schönen Orten gehalten. Dort konnten wir uns in allen Facetten frei fühlen, Nacktheit war etwas Selbstverständliches. Mir gefällt es, nackte Menschen zu fotografieren es ist nicht meine Absicht Klamotten zu verkaufen. Ich habe mit Nacktheit kein Problem, ich könnte mich auch jetzt ausziehen und auf den Tisch setzen und ein Foto von mir machen.

Nicht jeder ist da so offen. Wie bekommst du die Mädels dazu, sich für dich auszuziehen? Bezahlst du sie?
Angefangen hat es damit, dass ich mich und meine damalige Freundin nackt fotografiert habe. Nachdem ein paar Freundinnen von ihr das Ergebnis gesehen haben, wollten sie sich auch von mir fotografieren lassen. Mittlerweile bekomme ich täglich Anfragen von Frauen und Männern, die sich gerne von mir nackt ablichten lassen wollen. Auf Shootings frage ich auch mal die Models, wenn sich die Situation ergibt, und ich glaube, dass etwas Schönes dabei rauskommen könnte. Eine Gage zahle ich nicht – die Bezahlung ist das Foto.

Hatte deine Ex-Freundin keine Bedenken, wenn sich vor deinen Augen nackte Frauen rekelten? War Eifersucht da ein Problem?
Am Anfang schon. Aber dann hat sie gesehen, dass alles professionell abläuft. Es ist nur ein nackter Körper vor der Kamera. Während der Aufnahmen bin ich weniger Mann, sondern ganz Fotograf. Ich will einfach ein schönes Bild.
Wie kann man sich ein Foto-Shooting bei dir vorstellen. Die Motive entstehen oft aus einer spontanen Situation. Bei einer Motorradtour durch einen Tierpark in Kambodscha habe ich das Model nackt in das Maul einer Löwenstatue gehoben. Das musste super schnell gehen! Die Zähne waren total spitz und haben sich in den Hintern von ihr gebohrt. Sie hat ganz schön gelitten. Zum anderen war dieser Platz gerade in diesem Moment nicht stark besucht und wir wollten nicht erwischt werden.

Gab es schon mal Ärger wegen deiner FKK-Fotografie?
Ärger zum Glück nicht. Bei einer Wasserbombenschlacht in Österreich haben die Nachbarn mal die Polizei gerufen. Die kamen vorbei, haben gelacht und uns gebeten, dass wir uns wieder anziehen. Ein anderes Mal habe ich in den Tempeln von Angkor Wat in Kambodscha mit einer Maske auf einem Podest ein Selbstporträt geschossen, ein paar Touristen sahen es, aber mehr, als dass sie mir kurz auf den Hintern geschaut haben, ist nicht passiert.

Foto: Simon Lohmeyer

Stefanie Witterauf

München statt Mädchenkram

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Schluss mit dem eigenen Blog. Es lebe das eigene Blogazin. Antonia Wille, 26, Amelie Kahl, 21, und Milena Heißerer, 22, gehören zu Münchens bekanntesten Bloggern. Jetzt haben sie ein gemeinsames Projekt: „amazed“

Die drei jungen Frauen sind in der Fashion-Blogger-Szene fest etabliert. Jede von ihnen bloggt seit fünf Jahren und hat mehr als tausend Follower. Jetzt starten Antonia Wille, 26, Amelie Kahl, 21, und Milena Heißerer, 22, ein gemeinsames Projekt, sie gründen „amazed“ – ein Zusammenschluss, der das Ende für die jeweils eigene Plattform darstellt (Foto: Christoph Schaller).

SZ: Ihr zählt zu den bekanntesten Bloggerinnen Münchens und seid auch bei deutschlandweiten Ratings vorne dabei.Warum führt ihr eure Blogs nicht auch in Zukunft alleine weiter? Woher stammt eure Motivation zu der Fusion?
Milena Heißerer:
Jede von uns bloggt schon seit fünf Jahren. Das ist ganz schön lange. Wir haben gemerkt, dass wir auf der Stelle treten und dass unsere Ansprüche gewachsen sind. Jeden Tag zu bloggen zum Beispiel, aber das ist alleine nicht realisierbar. Das wollen wir ändern. Mit amazed, ein Blog mit einem richtigen Konzept, anders als bisher auf unseren Blogs.

Was wollt ihr? Mehr Leser?
Amelie Kahl:
Es geht uns nicht vorrangig darum, durch den Zusammenschluss mehr Follower zu gewinnen oder um Geld, sondern, dass wir mehr Content haben.
Milena Heißerer: Die Posts sollen sich verbessern, regelmäßiger sein. Mindestens einmal täglich ist unser Ziel. Man kennt es ja von seinem Lieblingsblog. Da wartet man immer auf einen neuen Eintrag – und ist enttäuscht, wenn man eine Woche warten muss, bis wieder was Neues da ist.

Was erhofft ihr euch außer regelmäßigeren Posts?
Antonia Wille:
Amazed soll ein sogenanntes Blogazin mit professionellem Konzept sein. Es wird die typischen Outfits-Posts geben, Posts aus dem Fashion- und Beauty-Bereich. Aber es wird auch Interviews und Porträts geben. Professionalität ist das Stichwort. Schon von Anfang an soll ein durchdachtes Schema bestehen, nicht wie bei den Blogs.
Amelie Kahl: Da hat sich das erst nach und nach entwickelt. Es ist wie nach dem Abitur in die Uni zu gehen.

Bitte?
Amelie Kahl:
Es ist ein Neuanfang. Wenn man sich ältere Posts anschaut, da waren wir teilweise 16 Jahre alt, merkt man einfach, dass man sich verändert hat. Man fühlt sich wie eine neue Person. Und für die soll es auch eine neue Plattform geben.
Milena Heißerer: Wir wollen einfach nicht der Vergangenheit nachhängen.

Was ist das Besondere?
Antonia Wille:
Für München existiert so etwas nicht. Es gibt nur Fashion- und Beauty-Blogs. Wir wollen mehr. Wir zeigen unsere Lieblingsorte. Stellen Münchner Designer und interessante Personen aus allen Bereichen vor. Wir wollen noch mehr den Fokus auf Mode und München legen.
Amelie Kahl: Damit wir mal beweisen, dass hier auch viel los ist und nicht nur in Berlin.
Milena Heißerer: Das Blogazin zeigt München aus unserer Sichtweise, was uns an der Stadt gefällt.

Aber es gibt ja schon viele Blogs, die sich mit München beschäftigen.
Milena Heißerer:
Anders als die anderen Seiten über München kommen wir aus der Modeblog-Ecke. Damit haben wir andere Schwerpunkte als zum Beispiel die Partyblogs, die über die Stadt herrschen.
Antonia Wille: Wir heben uns durch längere, intensivere Texte ab, wie es vielleicht fürs Internet ungewöhnlich ist.
Milena Heißerer: Außerdem wollen wir es sehr persönlich machen. Wir wollen unser München zeigen.

Was wollt ihr mit eurem Blogazin erreichen?
Amelie Kahl:
Wir wollen damit nicht die Welt verändern. Amazed ist für Leute, die uns kennen und Spaß an schönen Dingen haben.
Antonia Wille: Wir wollen regelmäßiger, besser und durchdachter posten.
Milena Heißerer: Und vielleicht gewinnen wir so neue Leser, die unsere Ästhetik teilen.

Amelie und Milena, ihr habt schon einmal gemeinsam einen Blog geführt, aber Zwillingsgestirn ist recht schnell eingeschlafen. Warum sollte das mit amazed nicht ähnlich ablaufen?
Amelie Kahl:
Wir unternehmen viel miteinander. Deswegen haben wir oft über das Gleiche geschrieben. Viele Leser haben sich deswegen beschwert, dass sich die Einträge ähneln. Zwillingsgestirn haben wir 2009 gestartet, da hatten wir nur den Anspruch, einen Platz für uns beide zu haben, indem wir nur teilen, was wir gemeinsam erlebt haben. Doch es hat gezeigt, dass es schwierig ist, zwei Blogs gleichzeitig zu betreuen. Eine Sache kommt zu kurz. Deswegen führen wir unsere Blogs nicht mehr weiter, sondern ziehen um.

Wie unterscheidet sich euer Zusammenschluss von dem Trend der Bloggernetzwerke, die momentan überall im Internet auftauchen?
Milena Heißerer:
Wir sind kein Netzwerk, da führen andere eher ihren eigenen Blog weiter, erreichen mehr Leser und haben eine höhere Reichweite. Sie ändern nicht ihr Konzept.
Antonia Wille: Wir bündeln unsere Kräfte und ziehen etwas komplett Neues auf. Wir sehen uns eher als Blogger-Team.

Wenn dieses neue Konzept nicht akzeptiert wird, kehrt ihr dann zu euren alten Blogs zurück?
Amelie Kahl:
Es wird kein Scheitern geben. Selbst wenn wir weniger Leser haben sollten, ist es für uns angenehmer, so weiter zu machen.
Milena Heißerer: Zurückgehen geht nicht. Wir wollen mit amazed nicht reich oder berühmt werden, sondern eine neue Plattform für unsere Texte und Fotos haben.

Das Blogazin von Antonia Wille, Amelie Kahl und Milena Heißerer findet man seit Sonntag unter www.amazedmag.de.

Rollenspiele

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Anika Landsteiner ist eine junge Schauspielerin. In diesem Beruf
versucht sie sich gerade zu etablieren. In ihrer Freizeit schreibt sie
einen Blog. „Als Schauspielerin schlüpfe ich immer in Rollen, beim
Schreiben meines Blogs bin ich dagegen ganz ich selbst“, sagt sie.

Am liebsten denkt Ani an Vergangenes. An Schönes, was
sie einmal erlebt hat. Wie es war, in einem Café zu sitzen, in einer
anderen Stadt, oder an einen einzelnen Kuss. Oft ist es nur ein feiner
Gedanke, um den herum sie dann eine der kleinen Geschichten spinnt, die
man seit einigen Monaten auf ihrem Blog www.anidenkt.blogspot.com lesen kann.

Anika Landsteiner, wie Ani vollständig heißt, ist Schauspielerin.
Nach ihrem Abitur hat die 24-Jährige eine Schauspielausbildung in
München gemacht. „Dass ich Schauspielerin werden wollte, stand schon
immer fest“, sagt Anika, „einen Plan B habe ich nicht.“ Hätte sie einen
Plan B, sagt sie, würde sie ja schon davon ausgehen, dass Plan A nicht
klappen könnte. Und: Es könnte funktionieren. Vor kurzem, am Ende eines
für Anika turbulenten Jahres, hat sie eine Agentur gefunden, die ihr
Kontakte zu großen Projekten vermitteln kann. „Es geht jetzt in die
Richtung, dass ich von meiner Schauspielerei leben kann.“ Bisher war das
gar nicht so leicht. Die Zeit nach ihrer Ausbildung füllten
hauptsächlich Bewerbungsschreiben und Agenturabsagen. Das sei zwar
frustrierend gewesen, aber nur auf Premierenfeiern zu gehen, um Kontakte
zu knüpfen, sei nicht ihre Art.

“Ich habe es nicht einmal übers Herz gebracht, als ich Marcus H.
Rosenmüller getroffen habe, zu sagen, dass ich Schauspielerin bin.“ Also
setzte sie sich an den Computer und schrieb Bewerbungen. Zwei Jahre
dauert es im Schnitt, um als Schauspieler Fuß zu fassen. Der Markt ist
überschwemmt, gerade was junge Frauenrollen betrifft. Doch Anika sieht
der Zukunft optimistisch entgegen.

Die Ideen ihrer hübschen Blog-Kolumnen kommen Anika im Alltag: Es
sind kleine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, die sie hierzu
inspirieren. Um diese Bausteine herum errichtet sie dann eine
Geschichte. „Ich weiß nie, worauf es hinauslaufen wird, wichtig sind mir
nur ein Rahmen und der rote Faden.“ Und der Humor. Ihre Leser sollen
schmunzeln, wünscht sie sich: „Das ist mein Anspruch, schon deswegen,
weil es schwierig ist, witzig zu sein.“

Anika sieht ihren Blog als Teil ihres Berufs, sie möchte Schreiben
und Spielen nicht streng trennen, gerade weil beides sich gegenseitig so
gut ergänzt. Zum einen als unterschiedliche Möglichkeiten
künstlerischen Ausdrucks, zum anderen aber auch als Ausgleich: „Als
Schauspielerin schlüpfe ich immer in Rollen, beim Schreiben meines Blogs
bin ich dagegen ganz ich selbst.“

Von: Anna Sophia Hofmeister