Neuland: Eigene Beats

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Der Beat-Produzent Clap Cotton aka Hans Schoetz will zusammen mit Florian Malzer aka Flow One am Bass im Winter ein Album herausbringen. Das Besondere: Bei der Produktion kamen keine Samples zum Einsatz. 

Clap Cotton hatte bereits den bayerischen Mundart-Rapper Bbou für seinen Internet-Hit „Aromatherapie“ mit dem Beat versorgt. Die Botschaft der Macher und des Albums: Beats können auch ohne Fremdmaterial warm und oldschool klingen.

Das ist deshalb so neu, weil es bei Hip-Hop-Instrumentalen auf Youtube oder Soundcloud immer um die Frage der „Sample-ID“ geht: Welches ursprüngliche Musikstück hat der Beat-Produzent „gesampled“, also aus welchem Song hat er Klangschnipsel gezogen, um diese dann für seinen Track neu zu arrangieren? Die Praktik ist im Hip-Hop gang und gäbe. Viele Produzenten riskieren so für den warmen Sound alter Jazz- oder Soulplatten eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie nicht für die verwendeten Elemente bezahlen.

Einen Teaser zu dem Albun gibt es bereits auf Youtube: „Clap Cotton x Flow One – Beat tape teaser #1“ – ganz ohne Samples, versteht sich. 

Von:  Hubert Spangler

Foto: Tomek Czochanski

Münchens kleinste Bühne

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Hans Kohler und seine Freunde veranstalten DJ-Gigs in seinem WG-Zimmer und veröffentlichen sie anschließend im Internet. Das Konzept ist nicht neu. Allerdings hat „Hansi’s Room“ seinen ganz eigenen Charme.

Chris, Künstlername C-Ras, drückt auf Play. Der Plattenspieler beginnt zu rotieren. Ein tiefer Bassschlag wabert durch den Raum. Darauf folgt eine knackige Snare-Drum. Das Ganze wiederholt sich mit kleinen Variationen. Dann setzt ein Sample ein. So baut sich innerhalb weniger Sekunden ein Hip-Hop-Beat auf. Die Anwesenden beginnen mit dem Kopf zur Musik zu nicken. Sie hören zu, unterhalten sich, reißen Witze. Man merkt, dass sie untereinander befreundet sind – die Stimmung ist ausgelassen.

C-Ras legt nicht in einem Club auf, sondern in einem WG-Zimmer in Haidhausen. Im Zimmer von Hans Kohler, 28. „Beats kommen daheim besser rüber“, sagt Hans und lächelt. „Im Club hat man das Gefühl, man muss tanzen.“ Hier, in „Hansi’s Room“, tanzt niemand. Sie hängen ab, entspannen und sitzen auf der durchgesessenen Couch, während sich im Hintergrund die Plattenteller drehen.
 

Neben den Tischen, auf denen Plattenspieler und Mixer stehen, thront das Plattenregal. Die Sammlung besteht aus mehreren hundert Platten. Im gesamten Zimmer kleben Sticker, Poster und – wie soll man sagen – Sonstiges an der Wand. Zum Beispiel eine alte Soundkarte oder ein großer Karton-Scheck, den man typischerweise aus Gameshows im Fernsehen kennt: Er steht für das Preisgeld für eine gewonnene Breakdance-Battle. Was aber viel wichtiger ist, sind die Einrichtungsfreunde, sind die Freunde im Zimmer. Sie trinken Bier, haben Spaß und nicken mit dem Kopf zur Musik.
 

So weit, so normal. Allerdings haben es die Konzerte in diesem WG-Zimmer zu einer kleinen Berühmtheit gebracht. Denn Hans und seine Freunde filmen die Auftritte und laden sie anschließend ins Internet. So ist das Zimmer über die Zeit zu einer Plattform für lokale Produzenten und DJs geworden. C-Ras aus München etwa spielt an diesem Abend hauptsächlich Tracks seiner neuen Platte. Auch internationale Künstler haben in Hans’ Zimmer schon ihre Musik zum Besten gegeben.
 

Hans tanzt seit Langem Breakdance und ist somit eng mit Münchens Hip-Hop-Szene verbunden. Mit der Zeit beschäftigt er sich immer mehr mit der Musik und beginnt aufzulegen – vor allem Hip-Hop, Funk und Boogie. Hans und sein Mitbewohner Alexander Starck, 29, hängen oft in seinem Zimmer ab, hören Musik und laden immer wieder Freunde ein. Dabei wächst die Plattensammlung stetig. Sie legen auch immer öfter gemeinsam auf, vor dem Weggehen oder einfach so. So kommt es, dass Hans und Alex beginnen, die Gigs zu filmen. Hans erinnert sich: „Wir sind verkatert aufgestanden – es waren ja eh immer irgendwelche Leute da – und haben dann einfach angefangen aufzunehmen.“ Das war im März 2014.
 

Mittlerweile waren schon zahllose Musiker zu Gast. An diesem Abend ist es C-Ras. Neben Hans und Alex sitzt auch Stephen Nayat, 23, Spitzname Monte, auf der Couch und hört zu. Seit die Jungs angefangen haben, ist er für die Technik zuständig. „Der ursprüngliche ,Boiler Room‘ kommt am nächsten an das hin, was wir machen“, sagt Monte über ihr Projekt.
 

Der Boiler Room. Das ist eine der größten Erfolgsgeschichten innerhalb der elektronischen Musikszene in den vergangenen Jahren. Ein großer Vergleich also. Denn die Musikplattform, die damit angefangen hatte, DJ-Gigs im Internet zu streamen, ist inzwischen ein millionenschwerer Konzern. Es gibt Boiler-Room-Videos aus allen Ecken der Welt – von New York über Barcelona bis Peking. Fast jeder halbwegs angesagte DJ hatte dort schon einen Auftritt. Allerdings hat auch dieses Projekt klein angefangen, in einem winzigen Heizungsraum (zu englisch: boiler room) im Osten Londons. Ein paar Freunde mit guten Verbindungen zur Kreativszene hatten spaßeshalber begonnen, befreundete DJs einzuladen und die Auftritte im Internet zu veröffentlichen. Aus diesem Blickwinkel versteht man, was Monte meint, wenn er vom „ursprünglichen“ Boiler Room spricht. „Auf keinen Fall sind wir bloß eine Boiler-Room-Nachmache“, sagt Hans. „Die Anfangsidee ist dieselbe.“ Also Musik mit Freunden zu machen und die Atmosphäre dann noch per Internet zu verbreiten. „Wir wollen aber beibehalten, dass man Spaß hat“, ergänzt Alex. Denn für Hans und seine Freunde geht es nicht darum, erfolgreich zu sein. Für sie steht die Musik weiterhin im Vordergrund.
 

Das merkt man auch am Namen des Projekts: Hansi’s Room – analog zum Boiler Room, benannt nach dem Ort, an dem alles stattfindet. Dabei schwingt natürlich Ironie mit, denn zum Zeitpunkt des Namensgebung war der Boiler Room bereits allseits bekannt. Hans’ WG-Zimmer hingegen kannten bis dato nur Freunde. Doch das hat sich inzwischen geändert.
 

Mittlerweile gibt es eine Liste mit Musikern, die bei Hans im Zimmer spielen wollen. Zu ihnen kommen sie meistens über Empfehlungen von Freunden. „Es geht auch darum, Leute kennenzulernen“, sagt Hans. Natürlich hat Hans noch Verbindungen in die Hip-Hop-Szene. Obwohl die Jungs alle selbst eher aus dieser Richtung kommen, sind sie auch für anderes offen – „Hauptsache: gute Musik“. So ist ein kleines Netzwerk entstanden, mit durchaus ungewöhnlichen Abzweigungen. So waren digitalluc, der Beats für Edgar Wasser produziert, und erst kürzlich die Münchnerin Lisaholic bei Hans zu Gast – die selbst ernannte „Königin von Bayern“ spielte eine knapp 45-minütige Session ein. Auch internationale Künstler wie Sono aus Brasilien oder DJ Flake aus den USA haben schon Hans’ Zimmer beschallt.

Die Zugriffszahlen sind ordentlich – oft sind sie im fünfstelligen Bereich. Auch die Resonanz auf ihr Projekt ist international. „Manchmal schreiben mir irgendwelche Leute auf Englisch so Sachen wie: Danke, dass ihr mich durchs Studium gebracht habt“, sagt Hans. Vor kurzem gab es auch eine Anfrage aus Portugal, ob man nicht ein paar Hansi’s-Room-Aufkleber haben könnten. Das freut sie natürlich, trotzdem denken die Jungs nicht daran, ihr Projekt kommerzieller zu gestalten. Obwohl auch schon die erste Zahlung für Klicks auf einer Videoplattform bei ihnen eingegangen ist – elf Cent.

Von: Lukas Haas

Foto: Lukas Haas

Band der Woche: Bloomfeld

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Beats sind die Welt von Hubert Spangler, der seit 2012 als Bloomfeld in München seine Musik produziert. Im Gegensatz zu Beats, die normalerweise als Unterlage für Raps dienen, steht Bloomfelds Musik für sich:  „Um Collabos mit Rappern habe ich mich, um ehrlich zu sein, noch nie bemüht.“

Es ist ein brutales Bild: Ein Gesicht, anstelle der Lippen ein Reißverschluss, schmerzhaft ins Fleisch gegraben, so stellt man sich das zumindest als Betrachter vor. Eine äußere Sperre, die verhindert, dass das Sprechorgan Laute von sich gibt. Doch irgendwie passt das Bild in dieser Radikalität des versperrten Mundes, der nur von außen wieder geöffnet werden kann. Es ist ein Statement, das der Beat-Bewegung gut steht. Denn hier geht es nicht um die sich – wenn auch etwas drogenbenebelt – vehement äußernden Beatniks der Sechzigerjahre, hier geht es um Popmusik, die sich der leitenden Funktion einer Gesangsstimme völlig entzogen hat.

Ein wenig ist es auch eine Schicksalironie, dass einer der Beat-Köpfe in München von seinem siebten Lebensjahr an frühe musikalische Erfahrungen im Tölzer Knabenchor sammelte, um dann der Vokalmusik umso stärker den Rücken zu kehren. Nun bringt der mittlerweile 19-jährige Hubert Spangler Tracks heraus, die etwa „Silent Beauty & Beast Opus“ heißen, und garniert dieses File auf seiner Soundcloud-Seite mit eben jenem Bild vom Reißverschluss-versperrten Mund.

Bloomfeld nennt er sich als Musiker. Und auch hier blitzt wieder ein kleiner, vielleicht fieser Kommentar durch – immerhin prägen Jochen Distelmeyers Wortkaskaden die deutsche Indie-Klassiker-Band Blumfeld in einem ganz erheblichen Maß. Auf Wortkaskaden kann man bei Huberts Musik lange warten, denn der Beatproduzent hat sich auch von den Rappern entfremdet. Die sind bis vor kurzem Hand in Hand mit der Entwicklung neuer Beatmusik gegangen: Der Beat als groovende, pumpende Unterlage für die Worte. „Um Collabos mit Rappern habe ich mich, um ehrlich zu sein, noch nie bemüht“, erklärt hingegen Hubert, seine Musik sei ohnehin oft recht komplex, sodass sie vom Gerappten ablenken würde und im Großteil der Fälle gar keinen Raum für eine Stimme lasse.

Anders herum ist diese Emanzipation der Beats von der Stimme bei Hubert ein musikalischer Genuss. Denn seine Beats sind keine stoisch gleichbleibenden Loop-Phrasen, seine Beats blühen voll musikalischer Ideen. Da entwickeln sich Motive aus Rhythmus- und Harmoniefragmenten, da verwandeln sich die perkussiven Klänge innerhalb der Tracks – die ganz bewusst nicht als Songs bezeichnet werden können, denn singen tut hier ja niemand, die aber in ihrer Ausarbeitung über die Skizzenhaftigkeit, die dem Wort Track als einfache Soundspur inne liegt, weit hinausgehen. Denn das sind richtiggehend ausgearbeitete Werke, die der junge Musiker da auf seiner Soundcloud-Seite veröffentlicht.

Synkopen und rhythmische Verschiebungen, die dem Vier-Viertel-Takt-Diktat anarchisch ins Gesicht lachen, gibt es etwa im Stück „3x Bumm“, das mit den Fragmenten einer klassischen Gesangsstimme beginnt, die aber von den Dominanz des Beats überrollt wird. Brutal ist das, wären die Klänge von Hubert nicht so charmant, dass man ihnen gerne folgt und über das Abwürgen der Stimme schnell hinwegsieht. Deutlicher ist diese Bewegung noch in „Close to Jolene“. Das Flehen der ursprünglichen Version von Dolly Parton zerbrachen schon die White Stripes in ihrer Version zu wütendem Frust. Hubert besticht in seiner Version mit den rührseligen Harmonien des Originals, über welches das Wort „Jolene“ wie die Erinnerungssplitter an früher textgetragene Songs gestreut wird. Instrumental Hip-Hop nennt er seine Musik. Hubert bekam einst ein billiges Keyboard geschenkt und begann von da an, damit die verquersten Klänge zu produzieren. Die Szene in München wächst jedoch, etwa im Milla oder im Kiddo, wo mittlerweile regelmäßig Beat-Abende und -Battles veranstaltet werden. 

Stil: Beat / Instrumental
Hip-Hop
Besetzung: Hubert Spangler
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.soundcloud.com/bloomfeld

Von: Rita Argauer

Foto: Privat