In der Welt zu Hause

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Noah Agha Schüler, 21, ist Reisebloggerin. 18 000 Follower hat sie bei Instagram. Auf ihrem Blog “noahamywhite” berichtet sie nicht nur über das Reisen, sondern auch über Mode und Kulinarisches. Als Influencerin zeigt sie nicht nur hübsche Fotos auf Instagram, sondern vermittelt zusätzlich ein Bewusstsein für Interkulturelles. Sie selbst ist in München mit mehreren Kulturen aufgewachsen.

SZ: Wo fühlt sich eine Reisebloggerin zu Hause?

Noah Agha Schüler: Überall. Ob in München oder Teheran. Eine besondere Verbindung habe ich zu Rio. Dort bin ich geboren.

Also schon früh herumgekommen. Ist so auch die Idee zum Blog entstanden?

Seit ungefähr zweieinhalb Jahren reise ich regelmäßig. Irgendwann habe ich gesehen, dass auf Instagram die Kombination von Bild und Text von Reisen gut ankommt.

Und offenbar auch die Themen Mode und Essen, über die Du auch schreibst.

In jedem Land gibt es unterschiedliches Essen, verschiedene Mode und Arten sich zu kleiden. Auch diese Seiten zeige ich, weil jedes Land da seine Eigenarten hat.

Was zum Beispiel zeigst Du?

Im Iran zum Beispiel, dem Land, aus dem mein Vater stammt, müssen sich Frauen in der Öffentlichkeit ganz anders kleiden, als in europäischen Ländern. Also zeige ich das auch auf meinem Instagram-Profil und thematisiere das auf dem Blog. Sie müssen ein Kopftuch tragen, was aber nicht bedeutet, dass sie automatisch weniger offen sind als Mädchen bei uns.

Trotzdem müssen die Frauen dort strengen Regeln folgen.

Man sieht daran, dass sie nicht so frei sein können. Viele junge Menschen wollen das Land auch verlassen. Einmal wollte ich im Iran ein Foto mit meiner Cousine machen, vor einer Touristenattraktion. Dabei ist mir das Kopftuch runtergerutscht. Sofort kam ein Polizist zu mir, aber es ging alles gut. Mir ist bewusst, dass man dort für Regelverstöße bestraft wird oder sogar ins Gefängnis kommt. Ich möchte dennoch zeigen, dass sich eine Reise in den Iran für junge Menschen lohnt. Es ist nicht alles negativ und man kann sehr viel über die Menschen und die dortige Kultur lernen.

Was denn?

Viele denken bei Iran sofort an den Islam. Im Iran leben auch andere religiöse Gruppen, etwa Juden. Es gibt Synagogen. Das wissen wenige. Sogar mein Geschichtslehrer wusste das nicht.

Deine Mutter ist Brasilianerin und jüdisch. Hat das Jüdische dich geprägt?

Meine Geschwister und ich bekamen Hebräisch-Unterricht, wir haben jüdische Feste gefeiert und machen das heute noch. Wenn ich an einen Ort reise, gehe ich aber überall hin. In Kirchen, Moscheen und Synagogen. Außerdem bin ich ja mit drei Kulturen aufgewachsen: Mein Vater hat Farsi mit mir gesprochen, meine Mutter brasilianisches Portugiesisch und in München bin ich groß geworden.

Wie finanzierst Du dir deine Reisen?

Manchmal kooperiere ich mit Reiseveranstaltern oder Hotels. Ich darf dann in den Hotels übernachten, wenn ich etwas darüber poste oder schreibe.

In Hotels bekommt man aber doch nicht viel von der einheimischen Kultur mit.

Meistens versuche ich zusätzlich bei anderen Familien vor Ort unterzukommen. So bekomme ich viel mehr mit von den Ländern und den Menschen, die dort leben.

Wie war es für dich, mit den Kulturen deiner Eltern in Deutschland aufzuwachsen?

Nicht immer einfach. Besonders in der Schule nicht, weil mir meine Eltern nicht so gut helfen konnten, da es manchmal sprachliche Probleme gab. Zu Hause haben wir kaum Deutsch gesprochen. Ich hatte zum Glück Nachhilfe.

War das komisch?

Etwas schon, aber mittlerweile hat sich das geändert. Die Leute gehen ja heute größtenteils sehr gut damit um, wenn jemand einen Migrationshintergrund hat. Ich möchte trotzdem, dass die Leute wissen: Es gibt viele Menschen in unserer Gesellschaft, die mit mehreren Sprachen und Kulturen aufwachsen und ich mag es, mich mit anderen darüber auszutauschen. Deshalb auch die Reisen und der Blog.

Interview: Ornella Cosenza

Foto: Alex Seifert

Strandkinder

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Cornelia Heißig und Raphael Buchberger entwerfen Schmuck aus Muscheln. Nun wollen sie ein junges Kollektiv gründen.

Fast drei Stunden sind sie mit dem Roller quer durch den Dschungel gefahren, ohne genau zu wissen, was sie erwarten würde. Erst einen Tag zuvor ist ihre erste Schmuckkollektion endlich fertig geworden, haben Location und Models dem Fotoshooting zugesagt. Am Ende des Tages sind die ersten Bilder für ihr Lookbook fertig und C

ornelia Heisig und Raphael Buchberger überglücklich. Die beiden erzählen so lebhaft von ihrem kleinen Abenteuer, als wäre es gestern gewesen. In Wirklichkeit hat die Reise nach Bali bereits letztes Jahr stattgefunden.

Cornelia und Raphael reisen gerne, am liebsten gemeinsam und ans Meer. “Wir sind beide Strandkinder”, sagt die 24-Jährige. Von ihren Reisen bringen sie immer Andenken mit, vor allem Muscheln. Einige Male hat Cornelia auch probiert, aus den mitgebrachten Muscheln Schmuck zu basteln, aber nie war das Ergebnis zufriedenstellend. Bis sie schließlich auf die Idee kam, eine Halterung zu entwickeln, mit der man die Muschel an einem Armband befestigen kann, ohne sie kaputt zu machen. Als sie Raphael von ihrer Idee erzählt, präsentiert der 25-Jährige ihr gleich am nächsten Abend ein Logo und eine fast fertige Homepage. Die Idee Pöf Pöf Jewelery war geboren.

Pöf Pöf? “Ich habe mindestens 100 Spitznamen für Conni und einer davon ist Pöf”, sagt Raphael. Was der Kosename bedeuten soll, wissen die beiden, die seit knapp zwei Jahren auch privat ein Paar sind, selbst nicht mehr so genau. Fest steht nur: Statt einen Namen zu nehmen, der komplett austauschbar ist, wollten sie einen Namen für ihr kleines “Herzensprojekt”, wie sie es nennen, der persönlich ist. Ein Name, der etwas mit ihnen und ihrer Leidenschaft, dem Reisen, zu tun hat.

Allein mit einem Namen und einer Homepage war es aber natürlich nicht getan, das wussten Cornelia und Raphael. Denn mit der Herstellung von Schmuck kennen sie sich zwar nicht aus, dafür aber umso mehr mit Marketing. Er, der große, junge Mann mit dem braunen Wuschelkopf, der Creative Technology mit Schwerpunkt Design studiert hat und schon seit er 19 Jahre alt ist neben seinem festen Job als Freelancer arbeitet. Sie, die zierliche Blondine, die erst eine Ausbildung zur Marketingkauffrau gemacht hat und jetzt Tourismus-Management an der Münchner Hochschule studiert und nebenbei als Werksstudentin jobbt. Nachdem klar wird, dass Pöf Pöf nicht nur eine Idee bleiben soll, überlegen sich die beiden, wie man die erforderliche Halterung aus Fimo-Knetmasse basteln kann.

Mit einem ersten Modell geht Cornelia zu einer Münchner Goldschmiedin. Das Ergebnis ist schön, soll aber fast 500 Euro kosten. “So viel wäre niemand bereit gewesen zu zahlen”, sagt Raphael, der Pragmatiker des eingeschworenen Zweier-Teams. Die beiden erinnern sich schließlich an die Straßen auf Bali in Ubud, in denen sich Silberschmied an Silberschmied reiht. Zufälligerweise ist Raphaels Bruder gerade vor Ort und macht eine Schmiedin für die beiden ausfindig, die erste Samples anfertigt. Raphael und Cornelia sind begeistert und buchen sofort einen Flug. Vier Wochen verbringen sie auf Bali, arbeiten bei 30Grad im Schatten und kehren schließlich mit ihrer ersten eigenen Kollektion nach Deutschland zurück. Im Gepäck viele Armbänder mit Herzmuscheln und Schneckenmuscheln – für andere Muschelformen gibt es aktuell noch keine Halterung.

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Das Paar arbeitete anfangs noch mit Muscheln, die sie selbst gefunden haben. Nun beziehen sie diese aber auch von einem französischen Hersteller, der Muscheln importiert. Langfristig sollen ihnen, so die Idee, die Kunden aber selbst gesammelte Muscheln schicken, die sie zu ganz persönlichen Schmuckstücken fertigen. “Wear your memories” lautet das Motto. Ein solches Armband kostet dann zwischen 60 und 80 Euro. Billiger könnten sie die Bänder nicht verkaufen, sagen sie, denn die Schmiedin auf Bali fertige die Verschlüsse und Halterungen, in Deutschland setzt Cornelia jedes Armband zusammen – alles per Hand. Dem jungen Paar ist bewusst, dass sich damit keine Millionen erwirtschaften lassen, doch sie haben schon neue Pläne: Pöf Pöf soll irgendwann nicht mehr nur ein Schmuck-Label sein, sondern für einen Lifestyle stehen.

“Fast jede Woche wird in München ein neues Start-up gegründet”, sagt Raphael. Ihr Ziel sei es, all diese jungen Kreativen zu vernetzen, denn bislang gebe es kaum Austausch, sagt Raphael. Angst, jemand könnte ihre Idee klauen, haben sie nicht und verstehen deshalb auch nicht, warum diese Angst in Deutschland so verbreitet ist. Die Hilfsbereitschaft untereinander sei deshalb leider häufig gering. Auch von der Stadt München würde sich Cornelia, vor allem für junge Mode- und Schmucklabels, mehr Unterstützung wünschen. Die Unterstützung von jungen Kreativen beschränkt sich für ihren Geschmack zu sehr auf die Musikbranche und technische Innovationen. Im Sommer planen sie deshalb eine erste Veranstaltung zum Thema Reisen, bei der sich junge Menschen über ihre Reiseblogs und andere Ideen austauschen können. Langfristig ist auch eine Art Kollektiv geplant. Der Name steht schon fest: Kartell di Monaco. Wer genau diesem Kollektiv angehören soll und wofür es stehen wird,ist allerdings noch unklar. Cornelia und Raphael, die ihre Sätze gerne gegenseitig beenden, planen nicht gerne lange im Voraus – weder auf ihren zahlreichen Reisen noch bei der Arbeit.

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Die meisten Kooperationspartner, die sie angeschrieben haben, seien begeistert von ihrer Idee, dass man gemeinsam mehr erreichen könne als alleine, sagt Cornelia. Natürlich sei das nicht immer so gewesen. “In den meisten Fällen wartet niemand auf dich und deine Idee”, sagt Cornelia. Gerade am Anfang sei das schon teils sehr frustrierend gewesen. Denn trotz dem geringem finanziellem Risiko – gemeinsam haben sie bislang 4000 Euro Eigenkapital in Pöf Pöf investiert – steckt viel Zeit und Herzblut in dem Projekt.

Doch es hat auch Vorteile, wenn das Team nur aus zwei Menschen besteht, die sowieso gerne Zeit miteinander verbringen: Man kann gemeinsam aus seinen Fehlern lernen, an ihnen wachsen und vielleicht sogar irgendwann das gemeinsame Hobby zum Beruf zu machen. So weit in die Zukunft wollen die beiden jungen Münchner aber nicht planen – noch nicht.

Text: Jacqueline Lang

Fotos: Privat

250 Zeichen Wut: Wohnungsglück

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Ungerechtigkeit ist manchmal Glückssache, auch was den Münchner Wohnungsmarkt angeht. Unsere Autorin beklagt sich über diese nervigen “Glückspilze” mit Wohnungen in Maxvorstadt und im Glockenbach.

„Also ich hatte einfach totaaaaal Glück“, sagt sie und nickt
ganz heftig. Glück hatte sie, weil sie ja super zufällig und super spontan
diese super günstige super 1,5-Zimmer Wohnung in der super Maxvorstadt(oder:
Haidhausen, Glockenbachviertel usw.) gefunden hat. Alles super hier. Schon
klar. Der obligatorische Bali- oder Südostasien-Urlaub („Also da ist alles sooo
günstig und die Natur ist sooo toll“) ist natürlich trotzdem drin. Hohe Mieten?
Die Eltern, die fast die ganze Miete für die super Wohnung zahlen, werden in
solchen Gesprächen nie erwähnt. Immer wieder schieben sie aber mal was rüber.
Zeit für’s Studium muss ja auch noch sein. Voll supi.
Leckt mich doch am Arsch mit eurer scheinheiligen Selbständigkeit und dem super
Glück bei der Wohnungssuche. Papi zahlt schon.

Text: Ornella Cosenza

Zeichen der Freundschaft: Ferne Freunde

Unsere Autorin erinnert sich diese Woche an die Zeit mit ihrer ehemals beste Freundin. Die Betonung liegt ein wenig auf dem Wort ehemals. Denn manchmal werden auch die früheren besten Freunde im Laufe der Jahre nur noch zu Bekannten.

„Wir waren mal beste Freundinnen“ – mit diesem Satz eine
Geschichte über Freundschaft zu beginnen, ist wohl nicht das beste Zeichen. Und
dennoch ist es ein Zeichen der Freundschaft. Der Freundschaft zwischen Lara und
mir. Meiner ehemals besten Freundin und immer noch Freundin.

Wir kennen uns schon seit der 6.Klasse, da waren wir aber
noch in verschiedenen Cliquen und kamen nicht wirklich viel in Kontakt. So
richtige Freundinnen wurden wir dann in der 10. Klasse und da wurde es gleich
eine sehr enge Freundschaft. Wir hatten fast nur noch gemeinsame Freunde,
telefonierten jeden Abend etwa zwei Stunden – obwohl wir uns manchmal den
ganzen Tag schon in der Schule gesehen hatten – und scherzten
irgendwann nur noch über Insider-Witze. Ständig steckten wir zusammen, halfen
uns gegenseitig mit der Schule, Lara war gut in Chemie, ich in Mathe. Wir
machten gemeinsam Abitur und schworen uns auf dem Abschlussball die ewige
Freundschaft. Natürlich war auch damals nicht immer alles „Friede, Freude,
Eierkuchen“ aber wir waren einfach auf einer Wellenlänge. Nach dem Abitur
reisten wir noch gemeinsam nach Bali und hatten eine super Zeit mit Partys am
Strand, Entdeckungstouren durch Tempel und Affen auf der Schulter.

Doch irgendwann, ich weiß gar nicht mehr genau wann, entwickelten
sich nicht nur unsere Vorstellungen vom Leben, sondern auch unsere Charaktere auseinander. Ich zog erst für einige Monate nach Spanien und dann
nach München, Lara blieb bei ihren Eltern in einem Vorort wohnen, wechselte den
Studiengang und hatte immer noch ihren Freund in unserem Heimatdorf. Ich lernte
viele neue Leute kennen, Lara blieb eher bei unseren Kumpels von zuhause.

Es ist wohl einfach ganz normal, dass sich Kinder- und
Jugendfreundschaften auseinander entwickeln. In der Schule hat jeder die
gleichen – oder zumindest ähnlichen – Probleme, Träume und Lebensweisen.

Und das ist keine Geschichte über eine ehemalige
Freundschaft: Lara und ich sind immer noch Freundinnen und werden es wohl auch
immer bleiben. Uns verbindet so viel, so viele Erinnerungen und Geheimnisse.
Immer wenn ich ein Lied höre, zu dem wir damals getanzt und mitgesungen haben, dann
schicke ich es sofort an Lara: „Hey weißt du noch als wir in London waren und
dieser komische Typ uns geholfen hat in den Club reinzukommen? Da war das doch
das erste Lied, das drinnen lief.“ Und sie antwortet: „Haha ja klar erinnere
ich mich. Das war so ein guter Abend.“ Dann bringen wir uns auf den neusten
Stand und schwören uns, dass wir bald mal wieder was unternehmen. Meistens gerät
das dann wieder in Vergessenheit, aber das ist schon okay so. Wir haben eben irgendwie beide unser eigenes Leben ohne allzu viele Schnittstellen. Aber zu
jedem Geburtstag laden wir uns ein und auch mit unseren alten Freunden
unternehmen wir bei Gelegenheit was. Und wer weiß, vielleicht sage ich ja irgendwann
wieder „meine beste Freundin Lara“.

Text: Antonia Franz

Foto: Yunus Hutterer