Die Jungs von
Django S bezeichnen ihren Musikstil als „Bavarian Madness“. Sie feiern politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben.
Dass Bayern in Pop-Deutschland mal wenigstens so ein bisschen beliebt werden konnte, überrascht. Bayern zeigte sich ja bisher eher glanzlos im Vergleich zu den deutschen Pop-Städten Berlin und Hamburg. Und auch, wenn da auf der nördlichen Seite viel Selbstüberschätzung und auch ein bisschen ignorante Arroganz dabei gewesen sein durfte: Mit Ausnahme von solch ausgesprochen geschmackssicheren und gleichzeitig mit hübschestem Understatement ausgestatteten Gruppen wie Slut aus Ingolstadt oder The Notwist aus Weilheim, hatte Bayern bis Mitte der Nullerjahre deutschlandweit relativ wenig zum aktuellen Pop-Geschehen beizutragen.
Mit dem Understatement war es dann jedoch schlagartig vorbei, als plötzlich auch die Rest-Republik auf den protzig-prolligen und Blaskapellen-geschulten La-Brass-Banda-Sound tanzte. Wenn schon Bayern, dann richtig Bayern. Plötzlich gab es diverse Tubas, Trompeten oder Posaunen, alle mit einfachen Vor- oder Nachschlägen, die die mehr oder weniger lustigen Mundart-Texte der jeweiligen Sänger antrieben.
Nun, diese Zeit ist jetzt auch schon wieder vorbei. Deshalb wirkt es auch fast ein wenig rückwärtsgewandt, wenn Django S ihren Musikstil weiterhin vehement als „Bavarian Madness“ bezeichnen, die sie dann auch gleich zu Lebenseinstellung und Lifestyle erheben. Wenn man jedoch in deren neues Album „Mund auf, PU-Schaum“ hineinhört, katapultiert es einen eigentlich gleich noch ein Jahrzehnt weiter nach hinten. Von den früheren Misch-Versuchen von Balkan- und Bayern-Beat hat sich das Septett mittlerweile verabschiedet. Auf dem neuen Album wird ein Stil revitalisiert, der Ende der Neunzigerjahre zuletzt an der Pop-Oberfläche schwamm: Ska-Punk, also Bläser und verzerrte Gitarren, die geballte Faust auf dem Albumcover im Stil sozialistischer Wahlplakate der Weimarer Republik sowie der Eröffnungsbrüller „Geld oder Leben“. Dessen Text darf man hier durchaus mehr metaphorisch und weniger im Wild-West-Stil verstehen: Django S machen in diesem Song den Gegensatz zwischen einem guten Leben und einem gut bezahlten Job auf. Da klingelt einem die provokativ-assoziale Hymne „Unemployed“ der Deutsch-Punk-Band Wizo in den Ohren, hinzu kommen breitbeinig rockistische Gitarren und eine Stimme, die mit Absicht ein bisschen tiefer gedrückt wird, als sie eigentlich klingen könnte. Eine ziemlich prollige Angelegenheit. Das erinnert rein musikalisch an Neunzigerjahre-Bands wie Dog Eat Dog. Oder eben aktuell an Kraftklub, was auch zum aktuellen britischen Hooligan-Look von Django S auf deren Fotos passt.
Genauer betrachtet ergibt das alles Sinn: Django S befinden sich gerade an der Grenze vom Studenten-Dasein zum Berufsleben. Das bedeutet nicht nur, dass sie das Ende der Neunzigerjahre noch als Pop-Hörer und frühe Teenager mitbekommen haben dürften, sondern auch, dass der Lebenslauf in diesem Alter in ein Arbeitsleben kippt, das im Normalfall weniger vom Party-Band-Dasein bestimmt wird. Django S sind eigentlich ganz bürgerlich aufgestellt: Alle Mitglieder haben entweder einen Ingenieurs-Beruf studiert oder studieren so ein Fach gerade noch. Doch bevor die Entscheidung zwischen Geld oder (Rocker-)Leben letztlich getroffen werden muss, feiern Django S noch einmal politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben. Das dürfte auch schon arbeitenden Menschen gefallen. Als Ausbruch. Etwa auf einem Konzert, am Freitag, 6. Oktober, im Münchner Backstage. Ein passender Ort, an dem solche Musik sowieso nie aufgehört hat und seit den Neunzigerjahren wunderbar existiert.
Stil: Ska/Rock/Brass/Punk Besetzung: Leonard „Dr. Faxe“ Spies (Gesang, Gitarre), Klaus „Motschep“ Moser (Bass, Gesang), Martin „Maschd“ Brandl (Gitarre), Valentin „Vallus“ Limmer (Schlagzeug), Simon „Seamon“ Maier (Trompete), Raphael „Azrael“ Opperer (Posaune), Simon „Vladi“ Ladner (Trompete) Aus: Rosenheim, München Seit: 2010 Internet: www.suridjangos.de
King Pigeon begeistert mit Indie-Gitarrenmusik. Ihre Songtexte handeln von
zwischenmenschliche Beziehungen und den großen und kleinen Geschichten, die das Leben so schreibt.
Dass München ein Problem mit Zuordnungen hat, ist nichts Neues. Es gibt hier nicht den einen popmusikalischen Stil, der über die Stadtgrenzen hinaus so bekannt wäre, dass er für die Stadt stehen würde. Münchner Bands müssen sich also mehr über sich selbst als über ihre Stadt vermarkten, wenn sie denn außerhalb der Stadt Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Das letzte Mal, dass die Stadt München eine stilistische Profil-Schärfung im Pop-Sektor aufzuweisen hatte, war vor etwa zehn Jahren.
Da existierte so etwas wie eine münchnerisch-britische Freundschaft, angetrieben von Christian Heine und vollzogen in dessen Club, dem Atomic Café. In der Zeit, als diese neue Welle an Indie- und Britrock-Bands aufrauschte und gitarrengetriebene Musik wieder in den Aufmerksamkeitsfokus gelangte, spielten all diese Bands im Atomic Café, bevor sie irgendwo anders in der Stadt auftraten. Auf die Münchner Szene hatte das einen gewissen Effekt: Bands wie Exclusive, die dem damaligen Namensgebungstrends dieser Bands entsprechend noch The Exclusive hießen, verpackten das gleich in ihre erste Single: „Atomic Atomic“ ging der Refrain, der sich wohl nicht nur auf irgendwelche atomaren Begebenheiten bezog, sondern auch als ein Sehnsuchtsruf in Richtung der Indie-Bühne der Stadt funktionierte. Und während sich Exclusive von dieser Art der Musik im Laufe ihrer Karriere völlig verabschiedeten, gibt es heute immer wieder Bands, die so etwas wie die Nachhut dieses Stils sind.
Das Atomic Café ist mittlerweile geschlossen, früher aber haben dort auch die Bandmitglieder von King Pigeon in ihrer späteren Jugend gelernt, wie Indie-Gitarren-Musik klingt. Und genau solche spielen sie jetzt auch. „Wir sind alle mehr oder weniger in den Nullerjahren aufgewachsen und somit entsprechend musikalisch sozialisiert“, erklären sie, „dadurch sind wir alle am Indie und seinen Facetten hängen geblieben.“ Also schreiben sie Lieder über zwischenmenschliche Beziehungen und die „großen und kleinen Geschichten, die das Leben so schreibt“. Heraus kommt dabei Musik, die die gleiche verschrobene Leichtigkeit atmet, die den Film „Garden State“ zum Feel-Good-Movie der Prä-Hipster-Generation machte. Doch weil die Popkultur sich immer schneller entwickelt, klingt das heute schon fast so nostalgisch wie das klirrende Gitarrenriff, das den Song „My Girl“ auf der ersten EP von King Pigeon eröffnet. Die erschien 2016 unter dem Titel „Sonic Fields“ und darauf findet man alles, was vor zehn Jahren durch den Club in der Neuturmstraße rauschte: etwas vertrackte Liebesgeschichten, treibendes Schlagzeug samt Bass, funkig-kratzige Gitarrenriffs, ein etwas aufgerauter Grundklang und melodiöser Gesang.
Diese Art der Indie-Gitarren-Musik entstand in einer Zeit, unmittelbar nach 9/11. Es ist Musik, die den Feel-Good-Vibe der Neunzigerjahre noch kennt, die jedoch schon ein wenig unter dem, was weltpolitisch darauf folgen könnte, erschaudert. Heute hat sich das verändert, die Attitüde ist deutlich pessimistischer, man geht eher beinahe davon aus, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht. Umso extremer zeigen sich die musikalischen Formen: Sei es überproduzierter Bubblegum-Pop oder düsterste Experimente. Die unbeschwerte Indie-Gitarren-Musik wirkt aus heutiger Sicht beschwichtigend oder wohltuend. Je nach Perspektive. Man kann das auch live erleben, wenn King Pigeon am Samstag, 5. August, beim Free & Easy im Backstage auftreten, bevor sie sich ihrer neuen EP widmen, auf der sie planen, mit etwas Elektronik zu experimentieren. Vielleicht reißt sie die Gegenwart schließlich doch noch an sich.
Stil: Indie / Gitarre Besetzung: Christian Schön (Gesang, Rhythmusgitarre), Marius Werani (Leadgitarre, Gesang), Fabian Betzmeier (Bass), Moritz Eckermann (Schlagzeug) Aus: München Seit: 2014 Internet:www.king-pigeon.com
nächste Woche lieber nach bunten Events. Dazu wird er zum Beispiel im Lost Weekend, in der Unterfahrt oder im Kyeso fündig.
Es
ist Ostern. Doch statt nach Eiern und Osternestern suche ich nächste Woche nach
Events. Und stelle mit Freude fest: Auch am Osterwochenende geht in München
richtig viel.
Sogar am Karfreitag. Gleich morgens nutze ich den stillen Feiertag, um mir die
Ausstellung “Wildlife
Photographer of the Year” anzusehen. Die Wanderausstellung
des prestigeträchtigen Wettbewerbs ist noch bis zum 28. Mai im Museum Mensch
und Natur zu Gast. Abends hab ich’s dann schon ein bisschen schwerer. Wenn
wegen des Tanzverbotes sogar der Night Club im Bayerischen Hof “Geschlossen” hat, dann hat man auf
der Suche nach wilder Feierei ein echtes Problem. Also gibt’s diesen Freitag
eben Kultur. Wie gut, dass gleich zwei Münchner Chöre Werke von Johann
Sebastian Bach aufführen. Der Münchner Motettenchor singt die Johannes-Passion, der Münchener Bach-Chor
die Matthäus-Passion.
Auf den Samstagabend freu ich mich schon. Denn endlich gibt es eine
Plattform für Leute wie mich. Leute, die nicht aufhören können, ihre Umwelt mit
ausgelatschten Flachwitzen und mehr oder weniger tiefsinnigen Wortspielen zu
beglücken. “Awkward
Silences – Open Mic Comedy” im Lost Weekend – für mich ein
Pflichttermin. Und weil ich danach natürlich bis aufs Höchste belustigt sein
werde, geht’s noch weiter zum Feiern. Als Fan von Partys abseits der
elektronischen Musik bietet sich für mich die “Freak Out!
Alternative Party” im Backstage an.
Ausschlafen
ist am Sonntag leider nicht drin. Ich muss schleunigst heim zur Familie,
sonst verpass ich den Osterbraten. Und abends muss ich ja schon wieder in
München sein, denn das IsarFlux-Festival steht an. Im Gasteig geben
sich unter Anderem Ni Sala und die Monday Tramps die Ehre. Nebenbei gibt’s auch
noch Ausstellungen verschiedener Künstler. Und das Ganze für umsonst! Auch
wenn’s wehtut, dafür lass ich doch glatt die Jamsession in
der Unterfahrt mal ausfallen.
Nicht
so schlimm, denn in die Unterfahrt komm ich am Montag noch. Heute spielt
dort die Earforce
Bigband.
Eigentlich im Funk- und Fusion-Bereich angesiedelt, präsentieren sie am
Ostermontag zum ersten Mal ein lateinamerikanisch angehauchtes Programm. Mehr
Jazz, um genau zu sein Swing, aus den 20er und 30er Jahren, gibt es gleichzeitig
auch noch in der NachtKantine, wo die US-amerikanische Jazz-Combo Good Co zu Gast ist.
Die
Osterfeiertage sind vorbei, doch dass München auch an Werktagen was zu bieten
hat, ist ja eh klar. Eine Attraktion am Dienstag ist Carlo Drechsel.
Unter dem Motto “Chase Your
Dream”
spricht der Abenteurer im Bahnwärter Thiel über seine achtzehnmonatige
Afrika-Expedition. Dass er mit seinem Programm in anderen Städten schon Hallen
mit hunderten Leuten gefüllt hat, lässt großes erwarten.
In
der Containerburg des Bahnwärters könnte ich gleich übernachten, denn am
Mittwoch verschlägt es mich schon wieder dorthin. In der Serie “Schienen-Bus-Konzert” gibt es heute Blues
und Rock mit The Curl, Shilo Gold und dem Veranstalter der Konzertreihe selbst,
Martin Lidl.
Am Donnerstag
zieht es mich zunächst ins Kino. Das Event “Kino der Kunst” ist eine Mischung aus
Filmfestival und Kunstausstellung und untersucht das Verhältnis von bildender
Kunst zu Film. Würde es mir heute nicht gerade gut passen, hätte ich sogar noch
bis Sonntag die Chance, Filme aus einem der zahlreichen
Programmpunkte zu sehen. Am Abend muss ich mich dann entscheiden –
zwischen zwei Münchner Bands. Im KYESO ist die aufstrebende Indie-Truppe Peak To Peak am Start, während
gleichzeitig Flonoton und
Ama Pola
das Mellow bespielen. Immer diese Zwickmühlen…
Gerade
die eine Entscheidung getroffen, da steht auch schon die nächste an. Am Freitag beschließe ich, das Versäumnis vom stillen Feiertag letzte Woche nachzuholen
und mal wieder richtig die Sau rauszulassen. Aber wo? Im Gegensatz zum letzten
Freitag sind die Angebote zahlreich. Drum’n’Bass mit Sustain! im Corleone, Hip Hop mit Solemafia im Crux, Keith Carnals Techno im MMA, oder doch
die alternative Party “Geh tanzen” im Ampere?
Als
ich am Samstag aufwache, bin ich mir sicher: Ich hab die richtige Entscheidung
getroffen. Und auch mit meiner Woche bin ich zufrieden. Denn obwohl man im
Gegensatz zur österlichen Eiersuche niemals all die versteckten Veranstaltungen
finden kann, hab ich mir doch wieder eine gute Sammlung zusammengestellt.
Ein Veranstalter nannte sie „die Sunnyboys der Münchner Metalcore-Szene“: An einem Abend mit May The Tempest scheint es viel Pfeffi und so manche unvergessliche Peinlichkeit zu geben.
Im Sommer wahlweise an der Reichenbachbrücke, im Englischen oder ans „HeyLuigi“ mit Bier in die Sonne flacken, auf der Hackerbrücke dem Sonnenuntergang entgegen blicken.
Danach geht’s ins/zu:
Diversen Konzerten (ob groß oder klein), ins Backstage, ins Flex, WG-Partys, oder uns verschlägt es irgendwo ganz anders hin. Eine Apotheke zum Abschluss im HeyLuigi ist auf jeden Fall immer drin, was sich am nächsten Tag als keine gute Idee herausstellt.
Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil:
Erste Runde auf mich.
Mit dabei ist immer:
Pfeffi, Bier, Musik, Frisbee.
An der Bar bestelle ich am liebsten:
3 Bier und 20 Pfeffi bitte!
Der Song darf auf keinen Fall fehlen:
Michael Dietmayr – I hob koa Bier mehr.
Mein Tanzstil in drei Worten:
Einzigartig, blickfangend, schwindelerregend.
Der Spruch zieht immer:
Hau mer rum mir is wurscht.
Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist:
Bazi’s.
Meine dümmste Tat im Suff war:
Schöne Geschichte, die Einem der Bandmitglieder passiert ist (möchte nicht genannt werden, man kann sich aussuchen zu wem diese Geschichte am besten passt): Wir waren also in diesem Club in dem sich von den 50 Leuten ungefähr 3 wirklich für unsere Musik interessiert haben. Der Rest hat kopfschüttelnd von der Bar rübergeschaut. Also will man natürlich nach dem Gig das Beste draus machen… Und Alkohol umsonst bietet eine schöne Möglichkeit dafür. War auch ein sehr witziger Abend bis es zur Taxifahrt zum Motel kam. 90 % der Taxifahrt waren sehr entspannt, alle waren müde und wollten einfach nur schlafen. Doch auf den letzten 10 Metern hat es Einer der Insassen nicht mehr halten können und dekorierte das Taxi mit seinem Mageninhalt. Nach langer Diskussion haben sich die, die noch reden konnten und der Taxifahrer auf 100€ geeinigt (Glück gehabt). Dann folgte eine halbe Stunde Magenentleerung vor dem Motel worauf sich der Witzbold dann ausgezogen hat und nackt durchs Motel gelaufen ist, mit dem Ausruf: „Meine Kleidung stinkt, ich will duschen“. (Wo sein Zimmer war, hat er nicht gewusst). Das Ende vom Lied war, dass von den 10 mitgereisten Bandunterstützern, die man davor aber noch nicht alle kannte, alle mal sein bestes Stück betrachten durften. Eine hatte sogar das Glück die Lobby zu wischen und Einer durfte beim duschen assistieren. Am nächsten Tag als man sich in der Lobby wieder getroffen hat, war ihm die Scham ins Gesicht geschrieben, aber alle Anderen fanden’s doch sehr amüsant.
Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei:
Noch eine Woche, dann ist der diesjährige Weihnachts-Wahnsinn auch wieder überstanden. Doch wie jedes Jahr schafft unser Autor es erneut kurz vor Weihnachten, gefallen an den ganzen Lichtern zu finden. Wurde ja auch Zeit.
Stille Nacht, stressige Nacht: Weihnachten steht direkt vor der Tür, glückliche Paare schlendern genügsam unter den funkelnden Weihnachtsdekorationen der Geschäfte hindurch, während ich in regelmäßigen Abständen zum Opfer heimtückischer Panikattacken werde. Einerseits schlägt mir die seit Wochen ununterbrochene Dauerbeschallung dieser längst ausgewrungenen, als “klassisch” verdudelten Weihnachtssongs stark aufs Gemüt. Andererseits habe ich noch kein einziges Weihnachtsgeschenk besorgt- was in eine noch intensivere Auseinandersetzung mit diesem Weihnachtsklamauk zu münden droht.
Trotzdem- oder gerade deshalb- gehe ich dem ganzen erst einmal schön aus dem Weg. Den Freitagabend verbringe ich im ganz und gar unweihnachtlichen Feierwerk. Der Jugendradiosender M 94.5 stellt hier die Jahrescharts dieses musikalisch bunten Jahres vor- mit ordentlich Unterstützung. Die Münchner Indie-Rocker Die Sauna werden bei Laut Indie Stadt live spielen, genauso Leoniden aus Kiel, der Ringer aus Hamburg und der Rapper Mittelkill aus Berlin. Ich freue mich, den ganzen Weihnachtsstress in bester Gesellschaft mit bester Musik hinter mir zu lassen. Und dank der Afterschow-DJs vom ehemaligen Atomic und vom Cord muss ich heute auch auf keinen Fall früh heimkommen.
Doch alles rächt sich irgendwann, und so wache ich am Samstag mit Schädel und Justin Timberlake im Kopf auf- What goes around comes around. Ich beschließe, nun doch etwas für mein Charma zu tun und verbringe den Rest des Tages auf dem Tollwood– hier weihnachtet es zwar auch, aber immerhin international. Und originelle Weihnachtsgeschenke finde ich hier in Unmengen- von Marokkanischen Chillisaucen bis zu nepalesischen Ponchos werde ich sicher etwas für den Christbaum finden. Danach geht es gleich bunt weiter. Im Cord Club findet ein Charity-Konzert zugunsten der Forschung über Autoimmunerkrankungen statt. Susanne Augustin, Bassistin bei der Indie-Band Splashing Hill leidet selbst an zwei Autoimmunerkrankungen und hat sich deshalb entschlossen, diesen Abend gemeinsam mit den Singer-/Songwritern LIANN und Pour Elise auf die Beine zu stellen. Gute Musik für den guten Zweck- da bin ich dabei. Später geht’s noch in den Keller der Milla, wo der zweite Geburtstag der Fancy-Footwork-Partys mit viel Gin und sogar Zuckerwatte all night gefeiert wird. “Denn in der Nacht sind alle Katzen bunt”, verkünden die Veranstalter. In dieser auf jeden Fall.
Den Sonntag verbringe ich kuschelig warm eingewickelt mit Tee und Plätzchen daheim. Immerhin brennen inzwischen schon alle vier Kerzen auf dem Adventskranz und eigentlich ist es eh viel zu kalt zum Rausgehen. Wenn doch nur jeder tag in der Vorweihnachtszeit so schön ruhig und beschaulich wäre.
Am Montag wird mir wieder einmal bewusst, dass es bis Weihnachten keine Woche mehr hin ist, und so hetze ich mich zum -hoffentlich- letzten Mal durch die verschiedenen Weihnachtsmärkte. Für irgend wen aus der Familie muss man immer noch etwas besorgen… Ablenkung finde ich am Abend im Marstall-Theater. Vom Stück “Balkan Macht Frei” des Bosnischen Regisseurs Oliver Frljić habe ich bereits viel gehört und gelesen- schockierte, überwältigte, verängstigte Zuschauer sollen das Theater regelmäßig vor Vorstellungsschluss verlassen haben. Der Regisseur hat wohl auch in der Vergangenheit selten ein Blatt vor dem Mund gehabt- ich bin gespannt.
Dienstag. So langsam finde ich Weihnachten eigentlich doch ganz schön- zum Glück passiert das jedes Jahr wenige Tage vor dem Großen Fest, und nicht danach. Deshalb genieße ich die Kälte heute einfach einmal – mit einem dampfenden Glühwein zwischen den Händen fällt das ja auch nicht allzu schwer. Schließlich wird mir doch kalt. Ich spaziere die Isar entlang um mich warm zu halten und stoße auf das Museum Lichtspiele-Kino, in dem der neue Star-Wars-Film “Rogue One” anläuft. Warum nicht, denke ich mir und mache es mir mit einer großen Portion Popcorn auf den dicken Sesseln gemütlich.
Kurz vor Weihnachten habe ich es tatsächlich geschafft, meine Geschenke-To-Do-Liste vollständig abzuarbeiten und so kann ich mich endlich einmal wieder so richtig entspannen. Deshalb schaue ich heute Abend, am Mittwoch, im Bahnwärther Thiel vorbei. Hier findet eine neue Ausgabe der wunderschönen Schienenbus-Konzerte statt. Und mit dabei sind gleich einige vertraute Gesichter: KLIMT kenne ich schon vom Freundschaftsbänd-Abend im Cord und auch Ziggy McNeill hat sich inzwischen in der Münchner Musikerszene etabliert.
Am Donnerstag bin ich dann den ganzen Tag über so sehr mit dem Einpacken von Weihnachtsgeschenken beschäftigt, dass ich erst kurz vor Sonnenuntergang vor die Tür trete. Aber das mit gutem Grund: Unter dem Motto “Angst- Sicher Ned! Wir sind alle von wo” lädt das Bündnis für Flüchtlinge Bellevue di Monaco auf den Max-Joseph-Platz ein, um gegen Hass und für Humanismus, Einheit und eine offene Gesellschaft zu demonstrieren. Und allein die musikalischen Zwischenspiele der Veranstaltung sind höchst vielversprechend: Keno von Moop Mama wird auftreten, ebenso die Alternative-Band The Notwist, der Syrische Friedenschor, der Rapper Maniac und Willy Astor. Noch einmal vor Weihnachten will auch ich dieser derzeit unumgänglichen Endzeitstimmung trotzen und zum Jahresende noch einmal ein positives Signal in die Welt setzen. Die Welt hat es sicher nötig.
Und dann ist die Woche schon rum, morgen ist Heiligabend. Und bevor es morgen ruhig und besinnlich wird, folge ich der guten alten Freitagabend-Maxime von Alex Turner, Sänger der Arctic Monkeys: “Put On Your Dancing Shoes!” Und dann ins Bahnwärter Thiel auf die Christmasdisko mit Bartellow? Oder ich entfliehe doch dieser schrecklich-allgegenwärtigen Kälte und tanze zu karibischen Off-Beats bei der Jamaican-Thing-Party im Backstage? Laute Nacht, heilige Nacht.
Die Pokemon sind los! Du hast schon alle gefangen? Oder nicht? Vielleicht findest Du sie ja an einem unserer Orte, die wir Dir zum Weggehen empfehlen? Tolle Pokemons gibt es auf dem Tollwood-Festival, auf dem 20.Geburtstag von M94,5 in den Kammerspielen, wo diese Woche ohnehin viel geboten wird, auf dem Sommertheater in der Glyptothek und auf dem Free&Ease-Festival im Backstage. Der beste Ort ist allerdings unser Stadt-Land-Rock-Festival auf dem Tollwood, das am Donnerstag beginnt.
Diese Woche habe ich leider keine Zeit wegzugehen. Punkt. Ist so. Nicht wegen Klausuren oder sowas, im Master muss ich keine mehr schreiben. Aber mir fehlen mindestens noch 120 Pokémon. Und das ist kein Zustand, also werde ich die folgende Woche mit Jagen verbringen. Zumindest bis sich erstmal der Server und dann mein Handyakku verabschiedet. Sei’s drum, die Münchner Kulturszene ist irgendwie doch cooler als ein Handyspiel, auch wenn es noch so schöne Kindheitserinnerungen auslöst.
Und gleich der Freitag lässt mich an meiner geistigen Gesundheit zweifeln, wenn ich darüber nachdenke, was ich fast wegen Pokémon verpasst hätte. Auf dem Tollwood stehen Henrik Freischlader, die Blues-Legende Warren Haynes zusammen mit Munich’s finest Jesper Munk unter der Motto „The Blues Explosion“ auf der Bühne der Musik-Arena. Das wird fantastisch. Und falls ich nicht so bluesig unterwegs bin an dem Abend, geht es eben zur 20 Jahres Party von M94,5 . Hier kann man Die Sterne, Drangsal, KYTES und Monday Tramps bewundern. Yeah!
Etwas ausgelaugt wache ich dann am nächsten Morgen auf und beginne den Tag damit, im Bett erstmal ausgiebig die Lektüre meines gestern angefangenen Buches fortzusetzen. Bei allem Monsterjagen hatte ich glatt vergessen, wie viel Spaß das machen kann. Mittags rum blicke ich dann hoffnungsvoll aus dem Fenster, weil ich schauen will, ob das Wetter passt. Denn ab heute ist das Gärtnerplatz Open Air, das eine spannende Auswahl an Musikern und Orchestern bietet, wo vorallem Opern- und Musicalfans Spaß daran haben sollten. Ich komme eher für die Atmosphäre – und für die Kunst, denn die Ausstellung SENSEVEN des Studienjahrgangs „Kunst und Multimedia“, findet am selben Tag statt, wäre also vielleicht auch einen Besuch wert.
Weil ich in dieser Woche schon mehr als nur kleine Veranstaltungen brauche, um mich von Pokémon abzulenken, gehe ich am Sonntag zu dem Festival Body Talk in den Kammerspielen. Der Untertitel „Ein Festival über Körper und Märkte, Geschlecht und Sichtbarkeit im 21. Jahrhundert“ macht mich neugierig – und ein wenig ratlos. Aber auf dem Programm stehen Performances, szenische Interventionen, Konzerte, da wird schon was für mich dabei sein.
Auch am Montag habe ich immer noch kein Blitza gefangen, dabei war das doch immer mein Lieblings-Pokémon. Als Entschädigung beschließe ich mir etwas gute Laune zu gönnen und gehe in die Kammerspiele. Dort findet die Veranstaltung GästeSpiele statt, eine Benefizveranstaltung für den Verein Kulturraum München e.V. Auf der Bühne kann man mit der Spider Murphy Gang, Schicksalscombo, Weapon & Stahl einiges an Abwechslung erwarten. Außerdem ist Pour Elise dabei, die mich schon im Farbenladen dieses Jahr begeistert hat. Und als alten Franz Ferdinand Fan freut es mich besonders, dass das Lunsentrio mit Franz-Ferdinand-Musiker Nick McCarthy am Start ist.
Diese Woche war bisher sehr Musik – und ihr wisst schon was – lastig, daher gibt es heute mal Theater. Das traditionelle Sommertheater in der Glyptothek startet heute, zur Aufführung kommen “Der Sturm” und “König Ödipus” von Sophokles. Für Studenten kostet das auch nur 13€, im Preis sind Brot und Wein inbegriffen. Kann man also mal machen.
Zumal es am Mittwoch schon wieder musikalisch weitergeht und das schon wieder mit einem Festival. Das Free&Easy startet im Backstage, dort ist heute einiges geboten. Und so tingel ich zwischen Flonoton, Monaco F und Roger & Schu (Blumentopf) hin und her und versuche nichts zu verpassen. Außerdem läuft noch Fußball, wenn auch nix wichtiges, aber nach der EM bin ich so bisschen auf Entzug. Egal, der Abend bietet auch so genug.
Am Donnerstag habe ich Pokémon schließlich aufgegeben, ich kann mein Handyakku gar nicht so schnell wieder aufladen wie er sich leert, außerdem fehlt mir ein bisschen die Motivation. Ich lese jetzt wieder Bücher in der Bahn. Diese Bahn nutze ich auch, um abends auf Tollwood zu fahren, schließlich startet heute endlich unser großes „Stadt, Land, Rock“-Festival. Auf den ersten Abend freue ich mich fast am meisten, dabei sind nämlich Newcomer Paul Kowol, die aufstrebenden Jungs von Vertigo und von den Charles und mit den Black Submarines auch wieder ein paar alte Bekannte aus dem Farbenladen. Danach kann ich auch nicht mehr laufen und Pokémon suchen, Beine tun weh, zu viel getanzt.
Auch am Freitag könnte ich wieder in die tanzbar gehen, schließlich sind auch heute wieder coole Bands auf dem Stadt, Land, Rock. Mit Sweet Lemon, mola, Nick Yume und Clea Charlotta sind wieder einige Hochkaräter am Start. Heute höre ich aber eher entspannt zu als übermäßig abzudancen, meine Beine sind unter der Belastung der letzten Wochen etwas angegriffen. Oder ich gehe ins Café Marat, wo SZ Junge Leute Kollege Maxime mit seiner Band Malaise eine luxemburgische Hardcore Band supportet. Klingt abgefahren, sollte man mitnehmen!
Weichgespült sind die neuen Songs von So Not Seventy mit einiger Sicherheit nicht. Trotz harter Konkurrenz an diesem Samstag feiern die vier jungen Männer ihre neue EP “Please Rewind” mit Headbanging und harten Gitarrenriffs – und am Ende einem Regen aus Luftballons.
Die Konkurrenz ist hart an diesem Samstag. Das muss erst einmal gesagt werden. Sogar innerhalb des Backstage-Geländes. „Äh… Ne, ich will zum Emergenza“, heißt es immer wieder mit mehr oder minder verwirrtem Blick auf das Schild, das So Not Seventy plus Vorband City Kids Feel the Beat aus Ulm ankündigt. “Zum Band-Contest die Tür auf der anderen Seite”, so die bald standardisierte Antwort. Draußen, im strömenden Regen beginnt die Südkurven-Meisterfeier nach dem FC-Bayern-Sieg in der ersten Bundesliga. Immer wieder müssen rotbeschalte-rotbejackte-rotbewangte Fußballfans aus dem Eingangsbereich gebeten werden. Aber dennoch: wenn die Tür zum Club aufgeht, in dem So Not Seventy die Release-Party ihrer neuen EP „Please Rewind“ feiern, schwappen laute Musik und verschwitzte-geheadbangte Köpfe in den Vorraum.
Immer wieder beobachtet man ja eine interessante Weichspülung einstmalig „harter“ Rockmusik im Laufe der Veröffentlichungen bis hin zu Mainstream-Radio-Tauglichkeit. Erfrischend ist es da allemal, wenn eine Band von sich selbst behauptet, die neue EP sei „vom Sound her etwas härter als das vorherige Album 2014“. So ist es aber in der Tat bei „Please Rewind“ von So Not Seventy. Während auf der alten Platte „Every Goddam Sunday“ die Stimme des Sängers Tommy Eberhart noch klar und deutlich zu verstehen war, in beinahe ordentlichen Arrangements und immer mal wieder so etwas wie einer Ballade, sind die neuen Songs eine Weiterentwicklung Richtung noch lauterer, noch schrammigerer und hin und wieder von elektronischen Eingriffen überlagerter Gitarrenriffs. Gleichzeitig wird mit mehrstimmigem Gesang experimentiert, in dem hin und wieder Dinge wie „Take that Motherfucker“ ins Mikrophon gebrüllt werden – ganz in authentischer Hard-Rocker-Manier.
Aber was herauskommt ist spannende und vor allem ehrliche Rockmusik, von Musikern, die ganz bestimmt wissen, was sie da machen. Das merkt man spätestens bei einer mehr als hart-gespülten Version von “Love Yourself” von Justin Bieber. Dazu passen auch die Texte, die sprachlich von einiger Raffinesse und Originalität zeugen, und auch thematisch irgendwie zusammenpassen: Da geht es um „Not the brightest Kids in School“ und um „`Till someone gets fucked up“. Allerdings ist der Titel der EP „Please Rewind“ durchaus programmatisch zu verstehen: Einmal Hören reicht da nicht, weil es beim ersten Mal beinahe nicht möglich ist, alle Strukturen der Musik zu erfassen, die beim zweiten Mal Hören an den richtigen Stellen doch melodische Teile aufweist. Aber auch das ist ja positiv – als Abwechslung zu weichgespülter Rockmusik. Somit ist die EP-Release-Party von So Not Seventy mit Sicherheit eine mehr als annehmbare Alternative, sowohl zu Meisterfeiern als auch zu einem grandiosen Abend Fremdschämen beim weichgespülten Euro-Vision-Song-Contest. Und Luftballons-Konfetti-Regen gibt es auch bei ihnen.
Rock’n’Roll hat es schwer
heutzutage, was früher Gitarrenmusik, Alkohol und zerstörte Instrumente waren,
ist heute häufig zu Synthiepop, Autotune und veganer Bio-Limonade geworden. Höchste
Zeit also, dass jemand etwas gegen diesen Missstand unternimmt.
Im gut gefüllten Club im
Backstage machen sich an diesem Abend die Black Submarines daran, den
Rock’n’Roll für einige Stunden zurück nach München zu bringen. Unterstützung
erhalten sie bei ihrer Albumreleaseparty von den Newcomern von Inside Golden,
einem Bluesrockquartett, das man nicht nur wegen des brillianten Jesper Munk
Drummers Clemens Finck von Finckenstein im Auge behalten sollte. Das durchaus
bunt gemischte Publikum quittiert ihren Auftritt dann auch entsprechend mit
langem, wohlwollendem Applaus.
Rock’n’Roll ist auch
immer extrem lässig und das wissen die Black Submarines. Als sie anfangen
wollen, fangen sie einfach an, Gitarrist Benny May, Bassist Charly Muschol und Drummer
Sascha Dick stehen auf der Bühne und fangen versetzt an zu spielen – es könnte
eine Jamsession sein. Erst dann kommt Leadsänger Richy Lee Strobl auf die
Bühne, mit einem Kaffee in der Hand, als wäre er nur zufällig vorbeigekommen.
Mit wenigen Handbewegungen zieht er das zunächst etwas schüchterne Publikum
direkt vor die Bühne und singt dann mit sanfter und doch kraftvoller Stimme die
melancholischen Texte.
Gleichzeitig explodiert
die restliche Band, reißt das nun komplett gelöste Publikum zu immer wilderen
Tanzeinlagen mit. Schon nach drei Liedern schreit Gitarrist Benny das erste Mal
wie heiß ihm sei und wirklich, die Band spielt sich die Seele aus dem Leib.
Auffällig dabei der Kontrast zu Sänger Richy, der sich wenig bewegt und meist
mit geschlossenen Augen und hochkonzentriert die Lieder singt, während um ihn herum
alles wogt.
Spätestens als die
Submarines die Lieder ihrer neuen Platte “Opals” spielen, bewegt sich
wirklich der ganze Raum zur Musik. Und als dann noch ein Gast-Tamburin Spieler
die Bühne betritt und das Instrument bearbeitet als gäbe es kein Morgen, kommt
die alte Vorstellung von Rock’n’Roll langsam zurück: denn auch der Tamburin-Spieler
weiß, dass Rock’n’Roll immer auch Anarchie ist und so schmettert er sein
Instrument nach dem Lied auf den Boden, dass es in 1000 Teile zerspringt. Das
Publikum ist hell auf begeistert, ein Alt-Rocker hebt wie in Extase die Faust,
das muss Rock’n’Roll sein.
Klar dann auch, dass nach
Ende des Konzerts nicht nur eine Zugabe gespielt wird, sondern die Menge die Band,
aufgeheizt von Whiskey Foundation Frontman Murat Kaydirma auch noch ein drittes
Mal auf die Bühne holt. Zum Abschluss darf der Bassist Charly noch eine launige
Nummer zum Besten geben und die Black Submarines verabschieden sich wieder – wieder
extrem lässig mitten im letzten Lied, dann einmal der Chorus und die Lichter
gehen an.
Friederike trotzt dem November, der sich langsam doch dazu entschieden hat, sein goldenes Herbstlicht in nebliges Grau zu verwandeln. Eine dickere Jacke anzuziehen, daran muss sie sich aber erst gewöhnen. Aber bei einer Woche prall gefüllt mit Flohmarkt, Weihnachtsbasar, Lesung, Kunst und Party kann man schon mal vergessen, dass ein dünnes T-shirt nicht mehr ausreicht.
Eigentlich hatte ich mich gerade ziemlich gut mit der Tatsache arrangiert, dass der November ein Sabbatical einlegen wollte. Jeden Tag diese wunderschönen 7-Uhr-Sonnenaufgänge und ständig sommerliche Temperaturen. Ich möchte weiter Bärlauch essen und Pilze sammeln. Und im T-Shirt aus dem Club nach Hause gehen. Doch nun hisst der Sommer schließlich doch sehr bestimmt die Segel und macht den nassgrauen Novembertagen Platz. Um da heile rauszukommen, plane ich mir eine schöne Woche und trotze damit dem Grau.
Ich fange gleich heute damit an. Es ist Freitag und im Audimax der TU findet die alljährliche, immer gut besuchte Geographenparty statt. Die Preise sind niedrig und die Party wild. DJ XX legt sehr tanzbaren Sound auf und ich packe mir eine Winterjacke für den Rückweg ein.
Am Samstag merke ich, dass meine Jacke zu dünn war. Ein verkaterter Tag eignet sich wunderbar zum Stöbern und Schlendern. Der Gute Nacht Flohmarkt im Backstage findet ab 17:00 Uhr statt und bietet neben privaten Ständen Streetfood-Produkte an, die meinen Heißhunger auf Fettiges und Würziges mit Sicherheit stillen werden. Gestärkt radle ich dann ins Lost Weekend. Ein hippes Studentencafé in der Schellingsstraße. Das lädt unter dem Titel FLUCHT zu einer arabisch-deutschen Lesenacht ein. Es gibt Musik und Texte aus beiden Welten von Wajiha Said, Ramo Ali und Nora Schüssler und Das Ding ausm Sumpf. Aber das ist noch nicht alles an diesem Samstag: Bevor ich – mit neuer Jacke – wohlig warm nach Hause fahre, mache ich noch einen Abstecher auf den Giesinger Berg und feiere das 10-jährige Jubiläum von Giesinger Bräu. Und dann wäre da noch die Eröffnung vom Bahnwärter auf dem Abrissgelände des Schlachthofs. Musik liefert DJ Max Mausser von YumYum und Biedermann&Brandstifter. Alles ist ein bisschen provisorisch. Das ist Aktivismus pur und viel frische Luft. Wenn mir jetzt nicht klar wird, dass ein T-Shirt allein zu dünn ist, weiß ich es auch nicht mehr.
Sonntag empfehle ich möglichst viele Sonnenstrahlen einzufangen, Ordnung auf dem Schreibtisch zu machen, in meinem Fall Arabisch Hausaufgaben anzufangen und abends den Tatort zu schauen. Wie immer! Wie immer, schön gediegen. Gute Begleitung für den Sonntag bietet übrigens Ella Josaline, eine der derzeit größten Münchner Musikhoffnungen.
Am Montag schaue ich im Lyrikkabinett vorbei. Dort werden Fluchtgeschichten vorgelesen, die zuvor gemeinsam mit Münchner Autorinnen und Autoren und Geflüchteten aufgezeichnet wurden. Im Anschluss haben wir die Möglichkeit mit den hier Angekommenen ins Gespräch zu kommen.
Umstimmung statt Stillstand: Ich lasse ein bisschen Weihnachten in meine Seele. Das Wintertollwood auf der Theresienwiese öffnet am Dienstag wieder seine Tore. Diesjähriges Motto ist „Na sauber“, alles rund um den Müll. Find ich gut. Da gibt’s doch sicher ein paar recycelte Handschuhe für mich, langsam wird’s beim Radeln nämlich ungemütlich. Danach treffe ich die Organisatoren von BreakOut, einer Veranstaltung, bei der für den guten Zweck getrampt und mit jedem Kilometer Geld gespendet wird. Ich war diesen Sommer selbst begeisterte Teilnehmerin und habe mit meiner Freundin Stefi auf dem Weg nach Schweden beinahe 10.000 Euro gesammelt. Im Juni 2016 ist die nächste Chance zur Teilnahme!
Am Mittwoch wird ab ab 20 Uhr im Rationaltheater Stadt, Land, Fluss gespielt. Als Geographin muss ich das natürlich selbst ausprobieren!
Mein Donnerstag beginnt auf einer Ausstellung in den stillgelegten Waschräumen auf dem ehemaligen Gelände der Luitpoldkaserne. Hier zeigen 16 junge Künstlerinnen und Künstler unter dem Titel M O O S ihre Werke, kuratiert von der wals.gallery. Weiter geht es im Cord: Ein letztes Mal Indielektro, ein letztes Mal mit T-Shirt vor der Tür! TIGERKID und Monaco Fiasco werden nochmal ordentlich einheizen, meine neue Jacke ist wohl trotzdem nicht verkehrt.
Am Freitag bin ich schon fast in November – und Weihnachtsstimmung. Der Märchenbazar im Schlachthof wird mir letzte Zweifel nehmen. Mit alten Jahrmarktbauten und viel Glühwein. Er öffnet unter der Woche immer um 16 Uhr, am Wochenende schon morgens. Da gibt es dann auch Weißwurstfrühstück!
Umstimmung ist gut, Novemberblues mit akuter Lesen-im-Bett-Sucht muss nicht mehr sein. Deshalb werde ich mich am Freitagabend erneut unter Leute mischen, auf einer Geburtstagparty, mit Glühwein und neuer Mütze, aber im T-Shirt auf dem Balkon stehen und durch graue Schleierwolken nach den Sternen suchen – ach, du hässlicher November, ein Sabbatjahr hätte dir so gut zu Gesicht gestanden. Ich hatte mich fast in deine Sonnenaufgänge verliebt.
Die Temperaturen dieses Hochsommers lassen sich sehen, und auch wenn Matthias sich in der Sternschnuppennacht am Mittwoch einen kilometerlangen Sandstrand für München wünscht, gibt er sich erst einmal mit dem Kulturstrand am Deutschen Museum zufrieden und genießt dort die Jason Serious Band. In der Glockenbachwerkstatt träumt er mit Meanders von irischen oder auch brasilianischen Stränden und auch im Theatron und beim Sommerwiesen-Open-Air gibt es unter freiem Himmel die unterschiedlichsten Musikrichtungen zu hören. Nicht einmal für Kino muss er sich dem Nachthimmel fern fühlen: Im Backstage wird Open-Air eine Doku über Kurt Cobain gezeigt.
Ich fühl mich heute jung. In der Zeit zurückgeworfen. Am Freitag ist mein Bruder in
München – hoher Besuch, und zwar für sein Eignungsgespräch an der Uni. Ich fühl
mich heute jung, auch weil ich mich selber sehe, etwas nervös, und unsicher, was
mich erwartet, in einem Raum voller Menschen, die entscheiden, ob ich selbst die
nächsten Jahre meines Lebens in dieser Stadt verbringen werde oder nicht.
Aufregend, ja, aber auch ernüchternd – wo geht die Zeit hin? Ich versuche,
nicht daran zu denken. Mit Bruder im Gepäck mache ich mich auf zum Backstage,
Open Air Kino. Heute mal mit der S-Bahn, nach 18 Uhr darf ich ja. Bruder muss
zahlen, ha! Es läuft eine Doku über Kurt Cobain, über Leben und Aufstieg des
blonden Engels. Das Ende kennen alle. Ich überhöre mehr als einmal: „Mann, so lange ist das schon her? Wo geht
die Zeit hin?“ – manche Dinge ändern sich eben nicht.
Samstag morgen: Cobain ist tot, ich wache auf – immer noch begeistert. Open Air Kino, hat
irgendwas von alten US-Filmen. Popcorn und Techtelmechtel im Autokino. Der
Trend kommt auch wieder zurück, keine Sorge. Bis dahin denke ich kurz wieder an
die Uni, diesmal nicht an die Vergangenheit. Wie die meisten sozial- und
geisteswissenschaftlichen Studenten muss ich noch hausarbeiten. Das Verb
gefällt mir. Darf man ja heutzutage, neue Wörter erfinden. Vielleicht kommt so
mal das Jugendwort des Jahres dabei heraus. Wie gutenbergen, oder merkeln. Ich
plane natürlich weder Plagiatsverbrechen noch will ich heute einfach nichts
tun. So denke ich großphilosophisch darüber nach, wie ich mein Gewissen
überreden kann, mich morgen erst mit Hannah Arendt zu beschäftigen. Vor lauter
Gedanken fahre ich bei der Radlnacht mit dem Strom Richtung Hauptbahnhof,
stolpere ins Kong, besser gesagt, man zerrt mich hinein. Hodini is back in
town, so lautet das Motto. Soll bekannt sein in der Szene – ich denk mir meins,
aber lass mich darauf ein. Ein letztes Mal mit allen feiern, bevor sich die
Einzelteile der Gruppe in ihre respektiven Heimatdörfer verabschieden –
Wanderstudenten auf dem Weg in die Sommerpause.
In meinen – so red ich mir ein – bereits ewigen Studienjahren habe ich mich
nie an sie gewöhnt, die elektronische Musik, den ständigen Begleiter von
Sonnenstraße über Sonntagsgefühl bis hin auf die Sommerwiese. Am Sonntag dröhnt es mir
immer noch in den Ohren von gestern, aber es hilft ja nichts. Ich rolle mit der
Welle, schwappe zur Infanteriestraße, nah am Olympiapark. Auf der Sommerwiese
wird entspannt, getanzt, gesonnt und, nein, nicht gebadet. Die Entspannung ist trotzdem
auf den Gesichtern sichtbar, egal ob sonnencremeweiß oder britische Röte. Noch
hat die Musik mich nicht in ihren Bann gezogen, ein Bier, zwei vielleicht, dann
wird das schon. Karodecken werden ausgerollt, ich nehme ganz ungeniert Platz
und döse so langsam ab. Kann ja auch beruhigend wirken, so Dance Music, Baby.
Der Samstag holt mich ein, ich drifte ab in die Welt der Träume – unz, unz,
unz…
Montag? Montag. Ich stehe auf, sehr früh, Waschmaschine an, heute wird ein
guter Tag – ich lege mich wieder hin. Ich habe mich überschätzt. Kommt vor, aber
kein Problem. Ein weiser Mann hat mal gesagt, die Definition von Glück sei es,
keine Termine zu haben, dafür aber leicht einen sitzen. Das Wetter schreit nach
Terrasse, nach rumsitzen, nach Zeitung lesen. Oder mit der Zeitung Luft
zufächern, jedem das seine. Ich entscheide mich für den Hinterhof der Glockenbachwerkstatt. Wie sooft in der Glocke wird es bald auch musikalisch.
Streets of Minga, so heißt das Album von Meanders, irisch-brasilianische
Singer-Songwriterin. „Come on and be part of this“, singt sie – gerne doch, sie
spricht mich ganz klar persönlich an. Bald habe ich dann auch leicht einen
sitzen, drunk on love, wahrscheinlich.
Nach einem Wochenende Elektro hat mir der Genrewechsel gestern gut getan. Am Dienstag schreien Kopf
und Körper nach mehr, und ich bin gewillt, der Versuchung nachzugeben.
Dafür muss ich aber eine – für München-Verhältnisse – weite Reise auf mich
nehmen. Wie Bilbo Baggins packe ich nur das Nützlichste in einen Beutel und
mache mich auf ins Abenteuer. Nur wenige Tage nach meinem Ausflug in die Nähe
des Olympiaparks muss ich es heute schaffen, die Grenze ins Hügelparadies zu
überqueren. An Loth- und Infanteriestraße vorbeigehuscht, lasse ich die
Schwere-Reiter-Straße schneller hinter mir als ein (gedopter) Radprofi und
schon bin ich am Olympiastation. Zum ersten Mal in diesem Sommer schaffe ich es
zum Theatron. Zu Gast im kleinen Amphi am See sind heute The Moonband, Folkmusiker
aus München. Die Klänge klingen über die Wasseroberfläche, langsam versammeln
sich die Menschen rund um die Bühne und schaukeln mit. Ich drifte ab, zurück in
die Welt der Träume – kein unz, unz, unz…
Es gibt ja diese Menschen, die ganz große Fans von Sternen sind. Eigentlich von allem, was man vor allem nachts und mit Teleskop sieht. Klingt so, also würde ich von Spannern reden, jetzt wo ich so darüber nachdenke. Jedenfalls überzeugen diese Menschen mich regelmäßig von der Schönheit des großen Nichts über uns, seien es Planeten oder Sterne oder ein Käfer, der sich auf die Linse des Fernglases verirrt hat. Ich lasse mich am Mittwoch Abend wieder entführen, in die
weite, schwarze Ferne – heute ist Sternschnuppennacht. Warmer, klarer Himmel –
wenn die SWM jetzt noch den Hebel von der Stromversorgung umlegt, wird es noch
romantischer. Den großen Wagen erkenne ich, einige andere Sterngebilde werden
mir beigebracht, und irgendwo meine ich, ET gesehen zu haben. Und dann, die
erste Sternschnuppe. Noch eine. Da, wieder – ich vergesse vor Begeisterung, mir
etwas zu wünschen. Aber dafür habe ich jetzt drei Wünsche auf Lager… verrate ich aber nicht!
Okay, ich verrate einen, den kleinsten Wunsch der letzten Nacht – ich
wünschte, an der Isar gäbe es Sandstrand! Meilenweit, weiß wie kolumbianischer
Schnee und so fein, dass er noch Wochen später zwischen den Arschbacken
hervorrieselt – ja, das wär doch was. Die wenigen sandigen Meter an der
Wittelsbacher Brücke sind wirklich toll, versteht mich nicht falsch, nur liegen
da um 6 Uhr morgens schon Handtücher zum reservieren. Mensch! Alles Aufregen
hat keinen Sinn, ob Mallorca oder Balkonia, die Touristen sind doch alle
gleich. Trotzdem sehne ich mich auf einmal nach Sand zwischen den Zehen (und
Pobacken). Also radle ich am Donnerstag zum Deutschen Museum, installiere mich am
Zweitlieblingsbrunnen der Münchner – und genieße den Kulturstrand. Die Jason
Serious Band spielt heute Abend ganz ernste Musik, nehme ich mal an. Ist
übrigens einer der Hauptgründe, warum Menschen eine Band gründen – der Name.
Sandy Sandman kommt mir spontan in den Kopf als alter ego – gebt mir Pick-Up
Truck und Zahnstocher, Kid Country zieht nach Nashville.
Meine utopischen Musikerträume verwerfend steig ich am Freitag zum Start des
Wochenendes erstmal unter die Dusche. Es rieselt, immer noch. Zeigt aber
Wirkung. Genauso wie wenn man nach zwei Wochen Urlaub erst den sonnigen Süden
vermisst, nach der sechsten Staubsaug-Session wegen Strandgut im Schlafzimmer
dann doch froh ist, wieder in der Realität gelandet zu sein. Ich erinnere mich
auf einmal, an Verpflichtungen, an Rechnungen, an Deadlines. Und dann wieder an
meinen Studienbeginn – la Brohème hat die Zusage der Uni bekommen. Ich erinnere
mich an den Tag, als der Postbote mit meiner ankam. Wäre ich hergezogen, wenn
man mich damals mit viel Elektro und wenig Sand gelockt hätte? Blöde Frage,
natürlich wär ich das. Und ich habe es nie bereut – bestes Beispiel: Wo ging
die Zeit hin? Ich weiß es nicht so wirklich, und das kann nur bedeuten, dass
irgendwie, irgendwo immer was los war. Außer heute. Heute mach ich nichts. Ich
kratze mir ein paar Sandkörner aus dem Ohr, und leg mich drauf.