Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Marietta

Der Spätsommer in München neigt sich dem Ende zu. Zeit, noch einmal ordentlich Sonne zu tanken und draußen zu sitzen. Was bietet sich da besser an, als ein Sommerfest mit Lagerfeuer oder ein Abstecher in die Alte Utting? Und dann gibt’s da ja auch noch den Wiesneinzug der Festwirte. Aber auch für kühlere Temperaturen in München bin ich gewappnet. Ich sage nur: Ausstellungen und Livemusik stehen auf dem Programm.  Weiterlesen „Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Marietta“

Ein Abend mit: Ana Saraiva

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Die Bildhauerin Ana Saraiva hört beim Feiern am liebsten “Escape, the Pina Colada Song” von Rupert Holmes. Leider nicht mehr im Atomic. Die 22-Jährige trauert dem Club nach. Hilft alles nichts, Abends ist sie trotzdem unterwegs. 

Hier beginnt mein Abend:

Im besten Falle an unserem Küchentisch oder bei Freunden auf dem Balkon.

Danach geht’s ins/zu:
Bei gutem Wetter auf jeden fall immer raus, eigentlich ganz gleich wohin.

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil:
“Noch eine Runde Liquids in der 14 und dann los?”
(gemeint ist die Robinson Kuhlmann Bar in der Corneliusstrafle 14)

Mit dabei ist immer:

Zigaretten, Zettel + Stift, Kaugummis
An der Bar bestelle ich am liebsten:
Wenn ich richtig gut trinken möchte, sag ich dem Barkeeper was mir so schmeckt und lass ihn zaubern. Ansonsten London Leaves.

An der Bar bestelle ich am liebsten:

Den drink “beirut punch” im kismet

Der Song darf auf keinen Fall fehlen:

Escape, the Pina Colada Song – von Rupert Holmes

Mein Tanzstil in drei Worten:
Mad. Hatter. Dance.

Der Spruch zieht immer:

Hi, mein Name ist…

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist:
Magnesium + Vitamin C Sprudelwasser. Minimum ½ Liter.

Meine dümmste Tat im Suff war:
Fahrrad fahren.

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei:
Mir im Bett mit Kaffee, Tee und Film.

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach:
Ich finde man sollte gerade Clubs oder Bars allgemein nicht nachtrauern. Aber mit dem Atomic Cafe ging ein Stück weit Münchner Musikclubgeschichte (Im Sinne von den abgefahrenen Musikern und Bands, die dort spielten durften und ausgingen).

Foto: Milena Wohjan

Modeln und Modellieren

Der permanente Zwang, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen:
Ana Saraiva, 22, arbeitet als Mannequin und gleichzeitig als Holzbildhauerin – die Geschichte eines Charaktertyps.
 

Zwei Mädchen laufen Hand in Hand durch die Straßen. Sie liegen auf einem Drehrad und schauen in den Himmel. Sie lachen. Sie rauchen. Sie schießen. Im neusten Musikvideo der Münchner Shootingstars Kytes „I got something“ spielt Model und Holzbildhauerin Ana Saraiva eine sorglose junge Frau, die gemeinsam mit ihrer Freundin einen Raub begeht. 

Bereits mit 13 stand die gebürtige Brasilianerin Ana Saraiva, heute 22, vor der Kamera. Zum ersten Mal wurde ihr die Aufmerksamkeit geschenkt, die ihr als der Ältesten von fünf Geschwistern oft verwehrt blieb. Für Ana eine sehr spannende Erfahrung – wenn auch nicht immer nur eine positive. Schnell musste sie lernen, dass sie in das Profil der meisten Agenturen nicht passt – entweder war sie zu klein oder nicht dünn genug. Aber Ana hat auch gemerkt, dass in den vergangenen Jahren ein Umdenken in der Branche stattgefunden hat: Statt menschlicher Kleiderstangen werden immer öfter auch Charaktere gesucht. Menschen mit großem Wiedererkennungswert. Ana hat schwarze, kurze Haare. Sommersprossen auf der Stupsnase und große, braune Rehaugen: burschikos-frech und doch sehr zierlich, fast zerbrechlich.
Manche vermuten, sie komme aus Asien oder aus Russland. Ana selbst fällt es schwer zu beschreiben, welcher Typ sie ist: „Ich weiß nicht, was sie in mir sehen oder sehen wollen.“

Was Ana neben der Möglichkeit, die Welt zu bereisen, am meisten an der Arbeit als Model mag, ist die Tatsache, dass man sehr schnell ein Ergebnis hat, das man sehen kann. Und die körperliche Anstrengung. „Expressives Arbeiten“ nennt sie das. Diese Art zu arbeiten gefällt ihr auch am Beruf Holzbildhauerin besonders gut. Man hat die Möglichkeit, etwas zu erschaffen. Etwas, das Menschen sehen können. Etwas, das sie berührt.

Ana wusste früh, dass sie künstlerisch arbeiten möchte. Schon auf der Realschule hat sie daher den Kunstzweig belegt. Ein konkretes Berufsziel hatte sie damals noch nicht. Einen Besuch beim Arbeitsamt und viele Tests im Internet später war klar: Sie will Holzbildhauerin werden. Dass viele nicht einmal wissen, dass man eine Ausbildung als solche machen kann, stört Ana nicht. Ihr gefällt es sogar, dass es sich dabei um einen aussterbenden Beruf handelt. Beim ersten Betreten der Berufsschule wusste der bekennende Harry-Potter- Freak: „Ich habe mein kleines Hogwarts gefunden.“ 

Nach fast drei Jahren Ausbildung arbeitet sie nun gerade an ihrer Abschlussarbeit. Ihr Ansatz: Der weibliche Körper innerhalb der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Psychoanalyse. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Mitschüler hat Ana sich nicht für ein Werk entschieden, bei dem ihre technischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Ihr geht es vielmehr darum, mit ihrer Arbeit ein Gefühl zu transportieren. „Wie in der Musik, dort sind mir auch die Texte hinter der Musik wichtig“, sagt Ana.

Eigentlich wollte sie sich gerade eine Zigarette drehen, doch weil sie nach den richtigen Worten sucht, klebt der Filter immer noch an ihrer Oberlippe und bewegt sich beim Sprechen mit. Ana scheint es kaum wahrzunehmen. Ihre Aufmerksamkeit ist nach Außen gerichtet.
Mit 16 Jahren wurde Ana für die große Kampagne eines bekannten Elektro-Herstellers gebucht. Regelmäßige Anfragen und Aufträge bekommt sie aber vor allem, seit sie einen Instagram-Account hat. Sie spricht von einem „positiven Shit-Storm“. Ana, deren Laptop seit einem Jahr nicht funktioniert. Ana, die nicht mal einen Fernseher hat. Ausgerechnet sie wird über die sozialen Netzwerke berühmt. Sie versteht es selbst nicht so ganz und sieht den Hype kritisch. „Das Business ist sehr vergänglich“, sagt sie. Trotzdem freut sie sich sichtlich. Wenn sie lacht, werden ihre sonst sehr großen Augen zu kleinen Schlitzen.

Ob die kritische Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper in ihrer Arbeit als Holzbildhauerin und ihre Karriere als Model ein Widerspruch sind? Darüber hat Ana selbst noch nie so wirklich nachgedacht. Als Teenager ist sie in das Model-Business einfach so reingerutscht. Ihr macht die Arbeit vor der Kamera Spaß. Es ist ein Blick in eine andere Welt. Und sie sieht es als Privileg, in diesem Job arbeiten zu dürfen. Trotzdem würde sie nie sagen: Hallo, meine Name ist Ana und ich bin Model. Sie ist schon lange im Geschäft, hat aber nie das Model-Leben geführt, das sich manche Teilnehmerinnen der Casting-Serie „Germany’s Next Topmodel“ wohl erträumen. 

Bodenständigkeit ist ein Wort, das Ana oft benutzt. Es ist wohl einer der Gründe, warum sie sich neben dem Modeln für die Holzbildhauerei entschieden hat. In beiden Berufen ist sie immer dazu gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Natürlich gibt es Tage, an denen das anstrengend ist – aber für Ana gibt es nichts Spannenderes, als sich selbst immer näher zu kommen. Durch die Arbeit als Model hat sie gelernt, sich bewusst zu sehen. Die Arbeit als Holzbildhauerin ist eine Reise in ihr Inneres. Nur durch ihre eigene Kreativität kann ihre Kunst entstehen. Und auch wenn sie es noch zögerlich sagt, die 22-Jährige hat ihr inneres Gleichgewicht schon gefunden: „Ich mag mich, so wie ich bin.“

Von: Jacqueline Lang

Foto: Milena Wohjan