Nackte Körper sind etwas Schönes – in all ihren Formen und mit all ihren kleinen Makeln.
Schlagwort: aktbilder
„Das hat schon fast etwas Therapeutisches“
Jede Aufnahme ein Etappensieg
Korbinian Vogt, 21, fotografiert nackte Frauen. Fast immer in rauen Berglandschaften. Vor dem Shooting wandert der Fotograf mit dem Model – teils stundenlang
Die Frau ist schön, das erkennt man sofort. Ihr Körper ist schlank, zahlreiche Muttermale zieren den Körper. Ihr ist kalt, sie hat Gänsehaut. Über eine nackte Brust fallen wilde, blonde Locken. Überhaupt trägt die schöne Unbekannte keine Kleidung, lediglich ein Bikini-Abdruck erinnert an einen längst vergessenen Sommer.
Ihr Gesicht sehen wir auf dieser Fotografie nicht, ebenso wenig erfahren wir, wer sie ist, woher sie kommt oder warum sie splitternackt vor einem Bergmassiv posiert. Und trotzdem erzählt die aus acht Bildern bestehende Serie eine Geschichte; diese schöne Frau gehört hierher, mitten hinein in die gewaltige Berglandschaft.
Aufgenommen hat die Serie der Fotograf Korbinian Vogt im bayerischen Karwendel. Der Münchner fotografiert nackte Frauen. Fast immer in rauen Berglandschaften, „weil dort alles so unmittelbar wirkt“. Seine eindrucksvollen Fotografien lassen nicht erkennen, dass der Fotograf erst 21 Jahre alt ist.
„Ich möchte das Raue in schöner Weise zeigen“, sagt der Münchner. Sätze wie diese lassen ihn älter wirken, sein junges Aussehen hält dagegen. Er spricht schnell und wirkt leicht nervös, ist wohlerzogen, aufmerksam und heiter. Korbinian umgibt eine gewisse Aura; eine, die man als weltfremd beschreiben könnte – herrlich weltfremd und erfrischend ehrlich. Er ist keiner, der sich in den Vordergrund stellt, seine Bildsprache zielt nicht darauf ab, Follower bei Instagram zu generieren oder irgendeinem Trend zu folgen.
Im Gespräch legt Korbinian eine anfängliche Schüchternheit schnell ab, erzählt von seiner ersten Spiegelreflexkamera, die er im Alter von acht Jahren von seinen Eltern geschenkt bekam. Korbinian wächst in Obermenzing auf, die Schule bricht er ohne Abschluss ab. Er geht nach den Sommerferien einfach nicht mehr hin, in dieses „Gefängnis“. Seine Eltern unterstützen die Entscheidung bedingungslos.
Er widmet sich fortan ganz der Fotografie. Immer wieder zieht es ihn in die Berge, erst ins nahe Karwendel, später nach Island oder Norwegen. Mit 18 fotografiert er erste Aktaufnahmen. Seine Intention: die Schönheit der Natur noch direkter darzustellen.
2015 schießt er in Island eines seiner Lieblingsbilder. Es zeigt eine schlanke Frau mit kurzen braunen Haaren, die auf einen isländischen Gletscher blickt. Sie wendet dem Betrachter den Rücken zu, setzt dabei einen Fuß vor den anderen, als wolle sie gleich loslaufen, in Richtung des Eises. Auf Instagram schreibt Modell Roarie Yum später, wie kalt ihr gewesen sei. Die Fotos, oder, wie sie es nennt, die Kunst, seien es wert gewesen.
„Ich habe vorher immer ein Konzept im Kopf, will eine Geschichte erzählen“, erzählt Korbinian. Das Wandern ist dabei ein integraler Bestandteil seiner Arbeiten: Gemeinsam mit einem Modell wandert der Fotograf – teils stundenlang – durch bergige Landschaften. Die Fotos entstehen nebenbei, jede Aufnahme ein Etappensieg. Bei Schnee und Regen trägt Korbinian dann immer extra Decken und Tee mit ihm Gepäck, damit sein Modell sich nicht unterkühlt. Mehr als 1000 Aufnahmen macht Korbinian während seiner Reisen, nur acht bilden letztlich die finale Serie.
Seine Arbeiten begeistern bereits eine erlesene Auswahl von Sammlern, sie machen seine Arbeit finanziell überhaupt erst möglich. Anders als viele junge Künstler übt Korbinian keinen Nebenjob aus, obwohl er von seiner Fotografie noch nicht leben kann. Lieber verzichtet er dann auf das, was zu viel Geld kostet, geht am Wochenende nicht feiern, sondern feilt stattdessen an neuen Ideen.
Unterstützt wird er dabei von seinem Mentor, dem renommierten, in München lebenden Fotokünstler Olaf Unverzart. Der schreibt im Vorwort zu Korbinians jüngst erschienen, auf 500 Exemplare limitierten ersten Fotobuchs „Narrated Monologue“: „Korbinians Bilder wollen nicht modern oder hip sein. Der Aufnahmezeitpunkt spielt keine entscheidende Rolle.“
Tatsächlich sind Korbinians Fotografien zeitlos. Alle Porträtierten sind nackt, weil Kleidung nur von der immer monumentalen Landschaft ablenken würde. In einer Hinsicht aber muss man Unverzarts Worte ergänzen: Korbinians Bilder sind modern, auch wenn sie es nicht wollen. Denn Korbinian zeigt nackte Frauen ohne Photoshop und Make-up, mit Charakter und Makel. Man mag dafür kaum das Wort „Trend“ benutzen – aber ja, zahlreiche Magazine und Plattformen (zuletzt etwa die amerikanische Ausgabe der Modezeitschrift Glamour) folgen dem Trend, Frauen wieder unverstellt und unbearbeitet zu zeigen.
Das ist gut und ehrlich – und entspricht Korbinians Auffassung von Kunst. Auch wenn er selbst sich nicht als Künstler einordnet. Er möchte lieber Geschichtenerzähler sein. „Jeder hat doch im Leben schon irgendetwas erlebt“, sagt er und wirkt wieder einmal bedeutend älter.
Über Schicksalsschläge, Todesfälle in der Familie und Hindernisse, die er mit seinen 21 Jahren schon erlebt hat, spricht er nicht, nutzt dafür die Fotografie als Eigentherapie. Er braucht kein Rampenlicht, ist viel mehr Strippenzieher und Regisseur, der Natur und Weiblichkeit in seinen Fotografien einen Auftritt schenkt.
Dabei werden viele seiner Modelle zu Wegbegleiterinnen, manche lichtet er immer wieder ab. Zum Beispiel das britische Modell Vincent. Ihre raspelkurzen Haare findet man in seinem Fotobuch mehrmals, mal rekelt sie sich nackt auf einem Sofa, in Island steht sie unbekleidet vor einem Gletscher.
Obwohl Korbinian in München gerade erst langsam größere Bekanntheit erlangt (die Junge-Leute-Seite der SZ etwa zeigte seine Serie „Karwendel“ vergangenes Jahr in der Galerie Farbenladen des Feierwerks), ist Korbinian im Internet kein Unbekannter. Seine Arbeiten wurden bereits auf zahlreichen Plattformen gezeigt, darunter das Kaltblut-Magazin und das P Magazine. Die Foto-Plattform der italienischen Vogue wählte eine seiner Arbeiten auf Platz 56 der wichtigsten 100 Fotos des Jahres 2016. Für einen 21-Jährigen ist das bereits eine beachtliche Leistung, gilt doch insbesondere die Vogue noch immer als Blatt, das Fotografen berühmt macht.
Wohin er als nächstes reist, ist noch unklar. Korbinian ist einer dieser Münchner, die immer wieder raus müssen aus der Stadt – aber auch einer, der immer wieder zurückkommt. Immerhin ein Fixpunkt für 2017 steht schon fest: Von Mai an wird der Fotogalerist Ingo Seufert seine Arbeiten in der Galerie in der Schleißheimerstraße zeigen. Verdient.
Website des Künstlers: http://www.korbinianvogt.com/
Text: Valerie Präkelt
Fotos: Korbinian Vogt