“Durch mehr Zusammenarbeit können wir in dieser sauteuren und verstaubten Stadt echt was reißen und der Farbenladen, also diese Veranstaltung, ist ein sehr guter Anfang“, sagt Schauspieler und DJ Leon Haller, der für unsere Ausstellung
“10 im Quadrat – Reloaded”
als Model vor der Kamera stand. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.
Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?
Völlig in Ordnung und manchmal auch bereichernd, wenn die
Chemie mit dem Fotografen funktioniert. Allerdings finde ich es anstrengend,
wenn versucht wird eine künstlerische Verbindung über platten Smalltalk zu
erzwingen. Wenn’s nicht passt, dann passts nicht.
Hat das Mut erfordert?
Ehrlich gesagt nein. Ich vertraue jemandem, wenn ich mich
vor die Linse stelle.
Bist du auch mal in andere Rollen
geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir kennengelernt?
Nein bin ich eigentlich nicht.
Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?
Jeder Fotograf hat ein eigenes Feld, das er erforscht, und
ich habe einfach versucht dabei mitzuwirken. Das Shooting mit Alina war für
mich die schönste Erfahrung. Wir haben uns einfach sehr gut verstanden, sie hat
eine tolle Präsenz und man fühlt sich schnell wohl bei ihr, ohne bequem zu
werden.
Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen?
Eigentlich nicht.
Brauchen wir mehr Vernetzung in München?
Wir sind eine recht überschaubare Gemeinschaft von
Künstlern, Musikern, Schauspielern, Fotografen, Filmleuten, etc. Durch mehr Zusammenarbeit
können wir in dieser sauteuren und verstaubten Stadt echt was reißen und der
Farbenladen, also diese Veranstaltung, ist ein sehr guter Anfang.
Das Leben als Buch: Akademie-Studentin Asuka Miyahara stellt gemeinsam mit acht jungen Migrantinnen aus.
Mit einem Kurs möchte die Künstlerin die Mädchen dabei unterstützen,
ihre Erlebnisse in Deutschland zu verarbeiten.
Ein Stück gelbes Geschenkpapier klebt auf der ersten Seite von Asuka Miyaharas Autobiografie. Das Buch hat die Kunststudentin nicht nur selbst gestaltet, sondern auch selbst gebunden. Es hat einen blass-grünen Umschlag aus Tonpapier. Unspektakulär. Doch wenn es aufgeschlagen wird, dann erzählt es die Lebensgeschichte einer jungen Frau, 1985 geboren, die aus Tokio nach München gekommen ist für die Kunst. Über dem Papier steht mit Bleistift geschrieben „Tag 0: Ein Blatt von Kei“. Es stammt von dem Abschiedsgeschenk von Asukas guter Freundin Kei und kennzeichnet den ersten Tag der Japanerin in ihrer neuen Heimat Deutschland. Viele Erinnerungen aus den vergangenen zwei Jahren, wie ein Brief von ihrem Vater oder auch einfach nur der Adressaufkleber von einem Paket aus Japan, sind auf den folgenden Seiten der Autobiografie zu sehen. Manche sind auch einfach nur mit verschiedenen Maltechniken gestaltet, wie Marmorierung oder farbenfrohen Mustern. Das Buch ist bunt und außergewöhnlich. Genauso wie Asuka selbst. Die Studentin trägt einen bunten Rock mit Blütenprint und einen modernen Kurzhaarschnitt. Unter ihren Lippen glitzert ein kleines Piercing.
Asukas Autobiografie sollte als Beispiel dienen für den Kurs, den die Künstlerin für junge Migrantinnen aus München organisiert hat. Die vergangenen fünf Monate haben die acht jungen Frauen sich ein- bis zweimal im Monat in den Räumen des Jugendtreffs ClubIn getroffen und an ihren eigenen Büchern gearbeitet.
Vor dem ersten Treffen mit den Teilnehmerinnen war Asuka sehr aufgeregt. „Mein Deutsch ist noch etwas holprig. Deshalb habe ich mir anfangs immer alles aufgeschrieben, was ich sagen will“, sagt sie und schmunzelt. „Aber letztendlich musste ich gar nicht so viel sagen. Die Kunst braucht wenige Worte. Ich konnte ganz einfach zeigen, was ich meine.“ Genau das ist es, was die Japanerin so gerne an ihrer großen Liebe Kunst mag. Sie sagt viel aus und steht für sich selbst.
Die Angst vor dem Unterrichten auf Deutsch hat Asuka auch sehr schnell abgelegt. Das lag zum großen Teil an den jungen Frauen, die jedes Mal begeistert in ihren Kurs kamen und sich auf die nächste Seite ihrer eigenen Geschichte freuten. Die meisten der Mädchen sind als Au-pairs nach München gekommen. Sie stammen aus der ganzen Welt, von Italien, Russland, Peru bis Nepal. Viele von ihnen wollen nach ihrem Au-pair-Jahr hierbleiben und studieren oder arbeiten.
„Ich hoffe, dass ihnen das Projekt dabei hilft, hier anzukommen“, sagt Asuka. Mit ihrem Kurs möchte die Künstlerin die Mädchen dabei unterstützen, ihre Erlebnisse in Deutschland zu verarbeiten und zu dokumentieren. Sie ist stolz auf ihre Schützlinge, die nach kurzer Zeit auch selbständig Ideen eingebracht haben, ihre Bücher zu gestalten und so ihre Lebensgeschichte auf ihre eigene Art und Weise erzählen.
Auch Asuka selbst hat die Kunst geholfen, hier anzukommen. Die anfänglichen Schwierigkeiten mit der Sprache und die fremden Gewohnheiten der Deutschen hätten ihr sicher ohne ihre Kunst mehr zugesetzt. Doch eine Sache wird die Japanerin an den Deutschen wohl nie verstehen: „Sie essen immer so viel Lachs. Keinen anderen Fisch, immer nur Lachs. In Japan ist der nicht so beliebt wie hier.“ Das richtige japanische Essen vermisst sie also hier trotz der Dutzenden Sushi-Restaurants in München.
Seit vergangenem Jahr studiert Asuka nun an der Münchner Kunstakademie. Zuvor hat sie schon in Tokio ihren Bachelor in Kunst gemacht und dort kurzzeitig als Lehrerin gearbeitet. Eigentlich war ihr Plan immer, nach Berlin zu gehen. Die Kunstszene dort faszinierte sie. Doch das Studium in der Hauptstadt war dann ganz anders als erwartet. Zu trocken und der Frontalunterricht schwierig für die Japanerin zu verstehen.
Außerdem war die Konkurrenz im Künstler-Mekka Berlin natürlich riesengroß: „Ich hatte das Gefühl, wenn ich einen Kieselstein werfe, dann treffe ich in Berlin garantiert einen Künstler damit“, sagt Asuka und lacht. Also entschied sie sich für München. Trotz der hohen Mieten und des schlechten Rufs der Münchner Kunstszene – dem die Studentin entschieden widerspricht – ist sie hier glücklich. Das Studium an der Akademie lässt Asuka viele Freiheiten, die meiste Zeit verbringt sie im Atelier. Gerade arbeitet sie dabei viel mit Ölfarben und mag besonders das Dreidimensionale der Gemälde mit vielen Schichten Farbe: „Das gefällt mir eben auch an den selbst gefertigten Büchern. Man kann sie anfassen, durchblättern und spüren.“
Zwei Wochen lang sind die fertigen Autobiografien fortan in den Räumen des Internationalen Jugendtreffs ClubIn zu bewundern. Asukas Geschichte ist jedoch noch lange nicht fertig erzählt. Nach dem Studium möchte die Japanerin gerne als freie Künstlerin arbeiten und immer dort sein, wo sie gerade möchte. Ob in Japan, Deutschland oder sonst irgendwo, die Sprache der Kunst versteht man auf der ganzen Welt, auch ohne viele Worte.
Schon am vergangenen Wochenende im Cord konnte Henny Gröblehner alias Pour Elise die Zuschauer von ihrer Musik, von ihrer Stimme überzeugen. Zur Zeit plant die Sängerin, die einen Popkurs an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg absolvierte, eine Video-EP.
Dass Popmusik jemals akademisch werden würde, hätten sich vermutlich weder die Beatles noch Michael Jackson gedacht. Doch auch Jazz, der einmal zur Zeit seiner Erfindung nur über Autodidaktik funktionierte, landete irgendwann an den Musikhochschulen. Und wenn man eine angestrebte Karriere als Popmusiker etwa über einen Masterstudiengang in Songwriting festigen und sichern kann, warum nicht? Doch kein anderer Musikstil ist so sehr an gewisse Dinge außerhalb der Musikausübung gekoppelt wie die Popmusik. Der Stil, das Image, die Lebenseinstellung formen einen Popsong gleichermaßen wie die Stimme, die Akkorde und die Instrumente. Wäre das nicht so, gäbe es längst ein solch standardisiertes Repertoire in der Popmusik, wie das in der Klassik und im Jazz der Fall ist. Und somit vermutet man hinter Popmusik-Studiengängen also auch ganz schnell Lifestyle-Studiengänge. Lifestyle sollte man allerdings eher im Leben lernen und nicht in der Schule.
Das waren in etwa die Bedenken, die geäußert wurden, als in Deutschland um die Jahrtausendwende ernsthafte Popmusik-Studiengänge eingerichtet wurden. Aber es sind eben doch auch einige ernstzunehmende Musiker da herausgekommen, die eines gemein haben: wirklich herausragend toll arrangierte Musik zu machen. Das Arrangement, also welche Instrumente und welche Stimmen in welchem Rhythmus unter der Hauptstimme spielen, das fällt auf bei ehemaligen Popstudenten wie Get well soon, Mine oder Boy. Das Arrangement fiel auch bei der Münchner Musikerin Henny Gröblehner alias Pour Elise schon auf, bevor sie den Popkurs an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg besuchte. Da schrieb sie mit ihrer, mit ähnlichen musikalischen Fähigkeiten ausgestatteten, Schwester zusammen leicht angejazzte Akustik-Pop-Songs, die zwar nichts neu erfanden, aber eben herausragend arrangiert und deshalb spannend waren.
Seit dem Popkurs, und vermutlich auch schon in der Zeit vor dem Popkurs, hat sich bei Henny aber nun einiges getan. Sie transferierte die Musik von hochmusikalischen Standard-Stücken in Musik, die eine eigenständige Aussage von sich verlangt. Dazu hat sie sich eigentlich erst einmal einer Massenbewegung angepasst. Sie wechselte vom Klavier an die Akustik-Gitarre. Sie ist in der Wahl des Auftrittsortes damit also nun wesentlich flexibler, schwebt aber in der Gefahr, in den vielen, vielen Sängern, die mit Akustikgitarre über sämtliche offene Bühnen wandern, unterzugehen. Doch gleichzeitig hat sich eben ihr individueller Stil in dieser Zeit potenziert. Pour Elise ist nun nicht mehr ein sehr musikalisches, aber auch ein wenig undefinierbares Schwestern-Duo. Vielmehr versieht Henny das bisweilen etwas tröge Songwriter-Genre immer mehr mit einer gewissen Hipness. Das zeigt sich in einer Fokusverschiebung: Pour Elise ist nun mehr Henny Gröblehner und weniger eine fest formierte Band. Sie trete nun auch alleine auf, das sei eine „gute Schule“, außerdem hat sie ihre ersten Tourneen durch Deutschland gespielt und ein Projekt mit Kommilitonen aus dem Hamburger Popkurs gegründet.
Doch interessanter sind tatsächlich noch die Formate. Während sie 2014 ihre Musik noch im herkömmlichen Albumformat veröffentlichte, arbeitet sie derzeit an einer „Video-EP“. Also eine Hand voll Songs, alle live aufgenommen, aber nicht nur den Ton, sondern auch das Bild. Unterstützt wird sie dabei vom Team der Münchner Hauskonzerte. Die Videos werden nach einer geplanten Release-Vorstellung, Henny hofft in einem Kino, von Anfang 2017 an nach und nach veröffentlicht. Da wird Henny selbst in Australien, Neuseeland oder den USA sein. Denn ein halbes Jahr bereist sie alleine diese Länder. Mit Gitarre auf der Suche nach noch mehr Musik. Und vielleicht auch, um ihren Stil nach dem Popkurs-Standard-Training noch einmal zu individualisieren.
Stil: Akustik-Pop
Besetzung: Henny Gröblehner (Sonwriting, Gitarre, Gesang), wechselnde Mitglieder