Zwischen Beats und Liebeskummer

Der letzte Samstag im Farbenladen bei unserer Ausstellung “10 im Quadrat – Reloaded” war abwechslungsreich. Für die Besucher gab es an diesem Tag eine Beatbox-Session, Poetry Slam, eine Lesung und Musik von Paul Kowol.

Bevor es am letzten und Farbenladensamstag mit dem
Programm losgeht, bereiten die Schauspielschüler und Beatboxer Blaise Amada und
Conrad Ahrens ihr Set vor, machen Soundcheck und fangen an, einige Takte zu
beatboxen und zu rappen, während sich der Farbenladen nach und nach mit
neugierigen Besuchern füllt. Als es nach dem frühlingshaften Tag anfängt zu
dämmern, geht es mit dem Programm los. Maximilian Weigl, Gewinner der PULS-Lesereihe,
platziert sich auf den Bierkästen und lässt das Publikum entscheiden, welchen
Text er vorlesen soll. Zur Auswahl stehen der Gewinnertext der Lesereihe, der
Ausschnitt eines Romanentwurfs, sowie der Text, den er für die Lesereihe nicht
eingesendet hat. Für den Gewinnertext stimmt keiner, stattdessen möchte das
Publikum wissen, welchen nachdenklichen und düsteren Text Maximilian nicht
einreichen wollte. Er trinkt einen Schluck von seinem Bier und beginnt, mit
langsamer, monotoner, aber fester Stimme seine Geschichte vorzulesen, in der er
es um einen Attentäter geht. Als er fertig vorgelesen hat, möchte er die
Stimmung mit einem Gedicht über eine Taube auflockern, bei der er das Publikum
mit einbezieht, indem dieses am Ende Gurrgeräusche machen und die Arme in die
Luft heben soll. Nach zwei weiteren Gedichten über „Liebeskummer in Zeiten der
Globalisierung“, sowie darüber, wie man bereits mit Mitte 20 von Migräne oder
Rückenschmerzen geplagt wird, lässt er das Publikum wieder entscheiden, welchen
Text er vorlesen soll. Die Besucher entscheiden sich für einen Auszug aus einem
Romanentwurf, bei dem es um einen jungen melancholischen BWL-Studenten geht,
der sich bei seinem nächtlichen Streifzug über den Stiglmaierplatz in eine Frau
verliebt und sich mit ihr eine Zigarette teilt.

Nach dem großen Applaus beginnt Conrad Ahren mit dem
Beatboxen und fordert das Publikum dazu auf, aufzustehen und näher zu kommen.
Nach einer Einlage steigt Blaise mit dem Rap ein. Das Publikum hebt die Arme
hoch und von draußen schauen vorbeilaufende Passanten neugierig in den
Farbenladen rein und tummeln sich am Eingang. Am Ende ruft das Publikum nach
einer Zugabe und die beiden fangen an zu improvisieren. Conrad und Blaise sind Studierende
des ersten Jahrgangs der Otto-Falckenberg-Schauspielschule und haben sich dort
kennengelernt und bereits in einem Theaterstück performt. Für beide war es eine
neue Erfahrung, vor einem kleineren Publikum aufzutreten, sagt Blaise: „Es ist
schwieriger, ein kleines Publikum zu erreichen, doch es hat richtig Spaß
gemacht, die Stimmung war richtig gut.“

Nach einer kurzen Pause, bei der die Besucher
draußen noch die letzten Sonnenstrahlen genießen, geht es mit dem Programm
weiter: ein kurzes Interview mit der Schauspielstudentin Anouk Elias, die als
Model für die Ausstellung vor der Kamera stand. Sie erklärt, welchen
Unterschied es macht, auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen: „Auf der
Bühne herrscht eine ganz andere und energetische Spannung. Vor der Kamera ist
alles eher modelliert, erfordert aber eine unglaubliche Präzision. Auf der
Bühne sieht man ein Augenzwinkern beispielsweise nicht.“ Doch die Shootings
haben ihr alle großen Spaß gemacht: „Ich kann nicht sagen, welches das schönste
Shooting war. Alle waren superspannend.“

Der nächste Act ist Poetryslammer Philipp Potthast,
der drei nachdenkliche und teils gesellschaftskritische Texte mitgebracht hat,
mit denen er das Publikum zum Lachen bringt. Dazu gehört ein Text, den er in
seiner Zeit in Holland geschrieben hat, als ihn die Sehnsucht nach den bunten
U-Bahnhöfen oder den „besoffenen Australiern“ gepackt hat und so viele
Weißwürste zutzeln wolte, bis er weiß-blau anläuft. Denn das wäre Heimatliebe.
In einem weiteren Text geht es um seine Missgunst gegenüber Witzen, die schon
sehr alt sind wie der vom bekannten BWL-Studenten namens Justus Aurelius,
Merkels Mundwinkeln oder „i bims“. Seiner Meinung nach sollte Humor auch dazu
da sein, kritische Themen anzusprechen und auch „den Finger in die Wunde zu
legen“, ohne dabei frauenfeindlich oder rassistisch zu sein. Der Rat, den er
dem Publikum bezüglich Witzen gibt, die die Halbwertszeit überschritten haben,
lautet: „Bitte lacht darüber nicht“ und bringt damit das Publikum zum Lachen.

Bevor der letzte Farbenladensamstag endet, spielt
Paul Kowol mit seiner Gitarre und singt über die Liebe, bevor er schnellere
Lieder spielt: „nicht dass ihr denkt, ich mach nur Schmuselieder“. Das Publikum
klatscht und die Stimmung ist ausgelassen, als er das dazu auffordert, die
Hände hochzunehmen.

Text: Serafina Ferizaj

Fotos: Serafina Ferizaj

Training für die Lachmuskeln und  Funk im Farbenladen

Trotz des schlechten und vor allem kalten Wetters haben sich
viele Menschen auf den Weg gemacht und sind an dem dritten Sonntag der
Ausstellung

“10 im Quadrat – Reloaded”

in den Farbenladen gekommen.

So auch Michael Mauder. Der Comedian wurde wie neun andere
Künstler zehnmal fotografiert und erzählte in einem Gespräch mit der
Moderatorin Kathi Hartinger von seinen Erfahrungen. Es sei zunächst vor allem
sehr schwierig gewesen mit zehn Fotografen einen Fototermin zu finden. Als
diese Hürden jedoch überwunden waren, entstanden von allen Modellen sehr
unterschiedliche und wunderschöne Fotos. Auch über die Bekanntschaften mit den
anderen Künstlern freute sich Michi sehr. Ob er jetzt seine Comedy Karriere für
den Beruf eines Models an den Nagel hängt, wird man sehen, so der Comedian. Die
Fotos habe er selbst an der Vernissage zum ersten Mal gesehen, da er die
Auswahl doch lieber den Fotografen überlies. Fotograf Luca Imberi war „gleich
wieder weg“. „Er hat hundertmal in zwei Sekunden abgedrückt und weg war er“.
Das hat den Comedian sehr beeindruckt und ist von den Ergebnissen der
Fotografen begeistert.

Es ging mit Julian Beysel lustig weiter. In den fünfzehn
Minuten Auftritt wurden viele unterschiedliche Themen behandelt. Zunächst ging
es um Luther und vor allem über den Lutherfilm. Aber auch über seinen
ursprünglichen Nachnamen, den er dann mit 35 Jahren änderte, dann über
Klopapier. Zu guter Letzt holte sich Julian die Lacher des Publikums indem er
die Nasenpopeltaktik seiner sechsjährigen Schwester erklärte.

Nach dem ersten Comedian folgte direkt der Zweite. Nikola Ljubic.
So zumindest wurde er angekündigt. Eigentlich heißt der „Halbkroate
Halbslowenier Halbmünchner“ wie er sich bezeichnet, der Fehler sei ihm bewusst,
Nikola Ljubic. Warum schwarz eigentlich immer negativ sei und weiß immer positiv,
frage er sich häufig. Das sei doch total rassistisch. Egal ob es um den weißen
Sandstrand gehe oder das Kinderspiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Warum
heißt es nicht „wer hat Angst vorm weißen pädophilen Mann“. Außerdem
integrierte Nikola das Publikum und konnte so die Aufmerksamkeit und das
Gelächter genießen.

Ein Gespräch mit einer anwesenden Fotografinnen, ließ sich
unsere Moderatorin Kathi Hartinger nicht entgehen. Das zentrale Thema von
Fotografin Nadja Ellinger ist die Zerbrechlichkeit. „Man scheitert im Leben und
Sachen funktionieren nicht“, ist das Überthema der Werke der Künstlerin. So
begann sie sich bei den Fototerminen mit den Modellen über das Scheitern zu
unterhalten. Dies wird auf den Werken hervorragend widergespiegelt. Im Sommer geht
es dann für die Fotografin nach London, wo sie ihren Master in Kunstfotografie
machen wird. Doch aktuell ist sie gerade auf der Suche nach einem Verleger, da
sie in Zusammenarbeit mit einer Autorin im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein
Märchenbuch gemacht hat.

Zum Abschluss gibt Cap On ein Konzert. Auch die etwas
poppigeren Lieder der Funk Band überzeugen das Publikum. Im Hofbräuhaus habe
die Band schon gespielt. Dass sie auch dort gut ankamen,
ist gar nicht verwunderlich. Die Zuhörer sind begeistert. Es wird geschnipst
und gewippt. Die zuvor schon guten Launen werden noch einmal zum Ende hin gesteigert.
Cap on wird mit riesigem Applaus und Zugabe-Rufen verabschiedet.  

Text: Annika Kolbe

Fotos: Wolfgang Westermeier

Erst Theater, dann Techno

“Ohne das Publikum ist man nichts”, sagt Leon Haller, 21. Er ist Schauspielstudent an der Theaterakademie August Everding. Wenn er nicht gerade auf der Bühne steht, legt er nachts als DJ auf – und organisiert queere Partys. Manchmal muss er direkt nach dem Club zu den Proben für das nächste Stück

Schwarze Stiefel. Schwarze Hosen. Nackte Oberkörper. Die Räuberbande marschiert im Gleichschritt auf den riesigen Laufbändern des Residenztheaters. “Die Hölle: versunken. Wie Sodom und Gomorrha!”, rufen sie. Drei Stunden dauert die Inszenierung von Ulrich Rasche. Die Räuber sind ständig in Bewegung. Einer von ihnen ist Leon Haller, 21, Schauspielstudent der Theaterakademie August Everding. Für ihn ist der Abend nach dieser Vorstellung noch lange nicht zu Ende. Als DJ wird er im Anschluss bis in die frühen Morgenstunden im Harry Klein auflegen. Keine Zeit zum Durchschnaufen. Keine Zeit für lange Pausen.

Aufgewachsen ist Leon Haller in Bielefeld. Für das Schauspielstudium hat es ihn nach München verschlagen. “Ich bin ein unfassbar fauler Mensch. Wenn mich etwas nicht interessiert, dann mache ich auch nichts dafür”, sagt er. Deshalb wäre ein klassisches Studium mit viel Lernen nicht für ihn in Frage gekommen. Bereits zu Schulzeiten hat er im Jugendclub des Stadttheaters Bielefeld Erfahrungen gesammelt. Die Schauspielerei sei das einzige gewesen, “was mir auch Spaß gemacht hat und worin ich gut war”, sagt er; deshalb war es für ihn die einzige Möglichkeit, sich für ein Schauspielstudium zu bewerben – er wurde auf Anhieb aufgenommen. Nicht nur in “Die Räuber” ist Leon aktuell zu sehen, sondern auch in einer Inszenierung von Alia Luque am Burgtheater in Wien.

Da gibt es aber noch eine andere Leidenschaft in Leons Leben: die Musik. Seit ungefähr vier Jahren legt er auf. Angefangen hat alles bei einem Rave. “Mit 17war ich auf meinem ersten Rave und ich habe diese Musik einfach abgöttisch geliebt”, sagt er. Von seinem Konfirmationsgeld hat er sich die ersten Billig-Plattenspieler gekauft und damit herumexperimentiert. Später ist er über das Theater und Freunde von Freunden an seinen ersten Gig in Bielefeld gekommen: eine Partycrew, die Techno-Partys organisiert. Leon lernt die Veranstalter kennen. Es ergeben sich weitere Möglichkeiten. Er legt bei Vernissagen auf und in verschiedenen Bars. Springt sogar einmal für einen anderen DJ in einem Club ein – alles in Bielefeld.

Dann aber zieht er für das Studium nach München. Da sei man natürlich “erst mal aufgeschmissen”, wie Leon sagt, “weil niemand dich kennt.” Leon ist aber auch in München im Nachtleben unterwegs, zum Beispiel bei den Partys von Tuesday Slump im MMA oder der Roten Sonne. Er kontaktiert die Veranstalterin Petra Weigart, schickt ihr ein Mixtape und legt bald in dem Club am Maximiliansplatz auf.

Im vergangen November war es dann soweit: Leon Haller legt zum ersten Mal bei Garry Klein auf, der schwulen Partyreihe, die immer mittwochs im Harry Klein stattfindet. “Über einen Tipp von Marlene Neumann, die unter dem Namen Proximal als Visual Jockey aktiv ist, bin ich auf Leon aufmerksam geworden”, sagt Peter Fleming, 50, Inhaber und Musik-Booker des Harry Klein. Bei der Auswahl der DJs achtet Fleming darauf, dass die Sound-Ästhetik stimmt. “Es muss schon so sein, dass ich meine Gäste nicht verschrecke”, sagt er.

Wenn Leon von seinem ersten Abend erzählt, bei dem er gleich sechs Stunden durchgehend aufgelegt hat, dann lacht er. “Das erste Mal im Harry war schwierig. Ich habe es geschafft, mitten in der Nacht den kompletten Floor leerzuspielen”, sagt er. Das sei dann schon ein komisches Gefühl gewesen. “Beim nächsten Track sind die Leute aber wieder gekommen”, sagt er. “Da habe ich Leon ein bisschen ins kalte Wasser geworfen”, sagt Peter Fleming rückblickend. Sechs Stunden sind eben lang. “Dass das Publikum weniger wurde, ist nicht Leons Schuld. Das ist so eine Eigenart der Leute. Da kommt und geht immer wieder ein Schwung”, sagt er. Mittlerweile ist Leon angekommen in der Szene in München. Als Mitveranstalter und DJ organisiert er außerdem die queere Clubnacht Helga.

Abends Theater und nachts Techno -ist das nicht anstrengend? Ist man da überhaupt fit genug für Theaterproben am nächsten Tag? Für Leon liegt genau darin der Reiz. “Manchmal ist es toll, um acht Uhr morgens aus dem Club zu kommen. Du bist verschwitzt, gehst duschen, trinkst einen Liter Kaffee, gehst dann zur Probe. Am Ende des Tages fühlst du dich wach und tot gleichzeitig.” Natürlich ist da ab und auch zu die Sorge, nicht fit genug zu sein. Bisher ist das aber nicht oft vorgekommen. Zwei- oder dreimal vielleicht. Manchmal wirke sich diese Müdigkeit sogar positiv aus, findet Leon. So auch im Januar, als er direkt nach der Räubervorstellung ein zweites Mal bei Garry Klein auflegte. “Ich war so müde, dass ich nicht viel nachdenken konnte, sondern einfach gemacht habe. Und es war gut dadurch”, sagt er. Wenn er müde sei, könne er sich nur noch auf das Wesentliche konzentrieren. Auf der Bühne, wie auch im Club.

Obwohl Leon die Müdigkeit als etwas Positives empfindet, ist es dann doch einmal zu viel geworden. Im Laufe eines Schauspielstudiums setzt man sich nicht nur mit verschiedenen Rollen auseinander. Auch mit sich selbst. Man überlegt, wohin man möchte, welche Möglichkeiten es gibt. Arbeitet viel an sich. Macht sich selbst Druck. “Ich habe mir während des Studiums zwei Monate lang eine Pause von allem genommen”, sagt Leon. Die Ausbildung hat damals einen Punkt bei ihm erreicht, an dem er zu viel an sich selbst gezweifelt hat. “Das hat sich destruktiv auf das Spielen ausgewirkt”, sagt er. Die Zeit hat er zu Hause bei seiner Familie und seinem Hund in Bielefeld verbracht, um Abstand zu nehmen und dann mit freiem Kopf wieder durchzustarten.

Trotzdem: Leon weiß, was er will – Schauspieler sein und auflegen. Auf den ersten Blick zwei unterschiedliche Dinge. In beiden Fällen geht es aber darum, Leute mitzunehmen. “Ohne das Publikum ist man nichts”, sagt er. Weder hinter den Plattenspielern, noch auf der Bühne. Für Leon gibt es zwischen diesen Künsten Gemeinsamkeiten. “Ich benutze Musikstücke oder Texte, die andere verfasst haben, und interpretiere diese neu”, sagt Leon. “Es ist wie eine Art Symbiose: ein dynamischer Raum, der sich auftut im Austausch mit dem Publikum. Im Club kann man zum Beispiel mit der ganzen Dramaturgie, die man aufbaut, eine bestimmte Stimmung kreieren”, sagt er. Die Musik, die maschinell, aber verträumt und dumpf sein kann und nichts mit dem Alltag zu tun hat, fasziniert ihn schon immer. “Ich war nie der Typ, der gern Bands gehört hat oder auf Konzerte gegangen ist.”

Ende dieses Jahres steht für Leon als letzte Station im Schauspielstudium das Absolventenvorsprechen an. Es ist die Chance für angehende Schauspieler, sich zu zeigen und ein Engagement zu ergattern. Trotzdem wirkt Leon in den Monaten davor beim Projekt “10 im Quadrat Reloaded” der Junge-Leute-Seite mit. Zehn Shootings mit zehn Fotografen mussten in kürzester Zeit organisiert werden. “So etwas wie den Farbenladen müsste es eigentlich viel öfter in München geben”, sagt Leon. Denn es gibt zwar viele Möglichkeiten, Kunst zu sehen und zu studieren, dennoch sei München, so der Schauspielstudent, eher spießig. “Kunst ist in München nur ein Accessoire.”

Fotos: Diego Reindel / Stephan Rumpf / Lara Freiburger

Text: Ornella Cosenza

Große Themenvielfalt im Farbenladen

Es ist wieder kalt geworden, der Frühling hat sich verabschiedet. Alles ist trüb und grau auf der Hansastraße. Doch der Farbenladen erstrahlt zum Glück als einziger Lichtfleck. Romina Ecker verzaubert das Publikum mit ihren Texten und King Pigeon sorgen für musikalische Untermalung

Zwischen einigen neugierigen Besuchern treffen schon bald
die Jungs von King Pigeon ein. Sie werden später ein Akustik Set spielen.
Vorher muss aber noch aufgebaut und der Sound ausgiebig gecheckt werden: Mikros
werden gerückt und Entfernungen optimal austariert, Dominik platziert eine
Banane neben seinem Cajon, die Nervennahrung darf schließlich nicht fehlen.

Zuvor nimmt aber noch ein zierliches Mädchen mit schwarzen
Zöpfen und roten Lippen an dem kleinen Metalltischchen in der Mitte des Raumes
platz um die Gäste für die nächste halbe Stunde in ihren Bann zu ziehen. Es ist
Romina Ecker, eine junge Drehbuch Studentin der HFF München. Sie wird einige
Texte vortragen, die in ihrer Variabilität sehr gut in den Rahmen der Ausstellung
passen: In so verschiedenen Situationen wie die Models auf den Fotos
präsentiert werden, so breit gefächert sind auch Rominas Themen und Schauplätze.

Ihr erster Text heißt „Tropical Banana“ – der Titel makaber
in seiner Heiterkeit, denn der Text behandelt nichts weniger als dem Kampf mit
dem Tod. Die Erzählung erfolgt in Ich-Form, was den Text umso ergreifender
macht, und ist gespickt von metaphorischen Bildern. Zwischen Knochenfrauen,
Giftbars und Glaskerkern wird die Brutalität deutlich, mit der eine Krankheit
ein Leben beenden kann, und die Unsicherheit, in der so ein Einschnitt die
Personen lässt, wird unterstrichen durch das immer wieder auftauchende Wörtchen
„vielleicht“.

Als Überleitung liest Romina zwischen den Texten je eine
Postkarte vor, und es wird einem schnell bewusst, dass gerade der kurze Text
auf einer Postkarte erneut ausdrückt, wie unterschiedlich  Persönlichkeiten sein können. Der knappe,
dramatische oder gestresste Stil der Karten sorgt bei den Zuhörern für einige
Lacher und trägt somit zur Auflockerung der Stimmung zwischen den schweren
Themen bei. Trotz der Ernsthaftigkeit der Texte ist Rominas Humor überraschend
unvorhersehbar und taucht völlig unvermittelt auf. Die Beschreibungen sind
detailreich und man identifiziert sofort die Drehbuchautorin dahinter, denn es
fällt dem Zuhörer leicht, sich direkt in die Szene hineinzuversetzen. Auch im
letzten  Text „Das 5. Pferd“ sind die
Worte so lautmalerisch gewählt, sodass man sich fühlt, als würde man mit auf
die Kutschfahrt nach Pavia gehen und das Schnauben der Pferde hören.

Nach der Lesung wird direkt angeregt diskutiert. Wie so oft
steht die Frage im Mittelpunkt, wie man als junge Literatin heute ausreichend
Aufmerksamkeit erlangt, besonders in einer Stadt wie München. „Schade, dass
sowas in München immer so am Rande stattzufinden scheint“, sagt auch Romina.
„Man muss die Leute immer erst überreden zu solchen Veranstaltungen zu kommen,
als hätten sie irgendwas zu verlieren. Dabei reden die Leute immer davon, was
alles in München fehlt, aber anstatt einfach mal hinzugehen, und sich
überraschen zu lassen, ziehen sie lieber in eine andere Stadt, in der
vermeintlich mehr los ist.“ Trotzdem ist sie optimistisch, dass ihre Arbeit
auch Aufmerksamkeit erlangt, denn es gibt treues Publikum. Sie empfiehlt die
Webserie „Fett und Fett“, an der sie derzeit mitwirkt. 2019 erscheint die 2.
Staffel, alles frei verfügbar auf Vimeo.

Über die Ausstellung wird natürlich auch noch gesprochen,
denn Alina Oswald, eine der Fotografinnen, ist vor Ort. Mit der Moderatorin
Kathi Hartinger spricht sie kurz über ihre Fotoserie, in der sie Muster auf die
nackte Haut der Models projiziert hat. „Die Arbeit mit den Models war sehr
natürlich und individuell und die Shootings gestalteten sich spontan und
persönlich. Ich habe die Models selbst entscheiden lassen, wie weit sie sich
öffnen wollten.“ Außerdem lobt Alina auch das gesamte Projekt der Ausstellung
„10 im Quadrat“. Die große Diversität an teilhabenden Persönlichkeiten sei eine
wunderbare Gelegenheit für die Entstehung von Vernetzungen in der
künstlerischen Szene Münchens. „Schade, dass sich die Fotografen während des
Projekts nicht so genau kennengelernt haben, aber ich habe mir dennoch viel
Inspiration holen können.“, sagt Alina.

Mittlerweile ist es dunkel vor den großen, einladend
leuchtenden Fenstern des Farbenladens und es hat sogar angefangen zu schneien.
Doch drinnen bleibt die Atmosphäre wohlig warm, denn nun betreten King Pigeon
die Bühne. Obwohl die Band normalerweise zu viert auftritt, scheint es dem
Akustik Set an nichts zu fehlen. Die Gitarrenriffs sind clean, die Stimmen klar
und die Melodien gehen sofort ins Ohr. Der treibende Beat des Cajons verleitet
unvermittelt dazu, mit im Takt zu klatschen und auch wir vom SZ Junge Leute
Team wippen hinter der Bar begeistert auf den Zehenspitzen auf und ab. Ja, die
Musik von King Pigeon macht Spaß und ist durchaus sehr tanzbar. Wer die Band in
voller Besetzung hören will, sollte am 04.04. im Orange House vorbeischauen, da
treten die Jungs als nächstes auf und freuen sich über neue Gesichter.

Doch auch das Akustik Set war für die Jungs sehr lehrreich.
„Es war gar nicht so leicht das zu planen“, sagt Chris. „Wir dachten, wir
treffen uns ein zwei Mal, aber haben im Endeffekt dann fünf mal für den
Auftritt geprobt“. Marius stimmt zu. „Man entdeckt seine eigenen Songs
plötzlich ganz anders. An vielen Stellen muss man variieren und Dinge ersetzen,
wobei man alles nochmal neu überdenkt. Dabei haben wir viel gelernt.“ King
Pigeon bedanken sich bei der SZ Junge Leute Seite für die Einladung und
besonders auch bei dem aufmerksamen Publikum. „Es ist anders, wenn alles hell
ist und man auf einmal ein sitzendes Publikum hat“, sagt Chris. „Da hat man
einfach nicht das direkte Feedback und mit der Situation muss man auch umgehen
können. Das hat für uns aber sehr gut geklappt.“

Auch nach dem Konzert bleiben die Besucher noch lange,
schlendern noch einmal durch die Ausstellung und plaudern mit den Künstlern.
Vernetzungen entstehen, Kontakte werden geknüpft, gemeinsam wird weitergezogen.
Der Samstagabend ist schließlich noch jung und in München ist immer etwas los.

Fotos: privat

Text: Marietta Jestl

Fragen über Fragen – Nadja Ellinger

image

„Durch diese Intimität, die sich durch die sehr persönlichen Vorgespräche eingestellt hat, war jede einzelne Begegnung von Bedeutung für mich. Auch wenn die inneren Dämonen immer individuell sind, ist der Kampf dagegen immer der gleiche

”, sagt Nadja Ellinger, die an unserer Ausstellung “10 im Quadrat – Reloaded” mitgewirkt hat. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Worum geht es bei deinem Konzept? / Wie
bist du darauf gekommen?

“Über die Zerbrechlichkeit” ist ein
Projekt über das Scheitern, Ängste und Verletzlichkeit. Gerade als Künstler ist
die Außendarstellung immer präsent – und sie sollte möglichst eine
Erfolgsgeschichte sein. Das Scheitern, die Unsicherheit wird dabei gar nicht
thematisiert. Doch gerade dies ist das, was uns als Mensch ausmacht, uns öffnet
und Wachstum ermöglicht. Deshalb zeigt diese Serie die Zerbrechlichkeit der
Personen – nicht als etwas Negatives, das es zu vermeiden gilt, sondern als
etwas zutiefst Menschliches und Ehrliches.

Wie war es, so viele unterschiedliche
Leute für eine Bildserie zu fotografieren?

Für mich war es eine sehr intensive
Auseinandersetzung mit dem Thema, da ich es durch so viele unterschiedliche
Blickwinkel erleben konnte. Daneben war es spannend, mich mit anderen Künstlern
über Kunst im Allgemeinen auszutauschen, aber auch mehr über ihr jeweiliges
Fachgebiet zu lernen.

Welche Begegnung hat dich am meisten
beschäftigt?

Durch diese Intimität, die sich durch die
sehr persönlichen Vorgespräche eingestellt haben, war jede einzelne Begegnung
von Bedeutung für mich. Auch wenn die inneren Dämonen immer individuell sind,
ist der Kampf dagegen immer der gleiche. Zu wissen, dass man mit seinen
Unsicherheiten nicht alleine ist, war eine beruhigende Erkenntnis.

War es schwieriger, z.B. einen
Schauspieler/Musiker zu fotografieren (also selbst “Künstler”), als
professionelle Models und wenn ja, inwiefern?

Es war vielleicht sogar einfacher, mit
keinen professionellen Modellen zu arbeiten, da so die Gefahr nicht bestand, in
einstudierte Posen und Gesten zu fallen, da mein Anliegen ja eine authentische
Darstellung der Person war.

Bist du auch mal an deine Grenzen
gestoßen? / Musstest du deine Vorstellung/ dein Konzept über den Haufen werfen,
weil es schlichtweg nicht ausführbar war?

Auch wenn ich eigentlich fest damit
gerechnet habe, dass zumindest einer der Beteiligten sich auf ein so
persönliches Thema nicht einlassen würde, waren alle Künstler sehr offen für
die Idee, haben eigene Ideen mit eingebracht, sodass die Umsetzung des Konzepts
sehr gut durchführbar war.

Nimmst du die Szene dieser Stadt nach dem
Projekt anders war? Braucht es mehr Vernetzung?

Ich bin definitiv froh, diese jungen
Menschen alle kennen gelernt zu haben, mit denen ich ohne dieses Projekt
wahrscheinlich wenig Berührungspunkte gehabt hätte – selbst wenn einer davon
sogar mein Nachbar ist. Für mich war damit 10 im Quadrat eine wertvolle
Gelegenheit zur Vernetzung.

Foto:Selbstporträt / Nadja Ellinger

Fragen über Fragen – Luca Imberi

„Ich denke für jeden Künstler ist es wichtig immer wieder neue Menschen und Dinge aus den verschiedensten Bereichen kennen zu lernen, daher kann mehr Vernetzung nie schaden“, sagt Luca Imberi, der für unsere Ausstellung “10 im Quadrat – Reloaded” als Fotograf mitgewirkt hat. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.

 Worum geht es bei deinem
Konzept? / Wie bist du darauf gekommen?
Alle Models wurden in
komplett abgedunkelten Räumen mit einer roten und einer blauen LED-Röhre in
weißen T-Shirts und im gleichen Bildausschnitt fotografiert. Also alle mit
gleichen bildgestalterischen Voraussetzungen. Trotzdem sollte jedes Foto
irgendwie einzigartig werden. 

Auf die Idee kam ich durch den neusten Star Wars Film und ein Rapvideo an dem
ich mitgearbeitet habe.

Wie war es, so viele unterschiedliche
Leute für eine Bild-Serie zu fotografieren?
Am Anfang etwas verwirrend, da ich keines der Model kannte und man bei der
Terminfindung für’s Shooting echt den Überblick behalten muss. Es war für mich
ungewohnt, fremde Menschen nacheinander für ein Foto in ihrer privaten Wohnung
zu besuchen.
Aber es hat bei jedem sofort entspannt und super funktioniert.

Welche Begegnung hat dich am meisten
beschäftigt?
Alle gleich viel.

War es schwieriger, z.B. einen
Schauspieler/Musiker zu fotografieren (also selbst “Künstler”), als
professionelle Models und wenn ja, inwiefern?
Nein fand ich gar nicht. Alle waren ganz locker und sie selbst und haben
nicht versucht irgendwie zu posen oder so, das fand ich gut und so macht mir
das sogar am meisten Spaß.

Bist du auch mal an deine Grenzen
gestoßen? / Musstest du deine Vorstellung/ dein Konzept über den Haufen werfen,
weil es schlichtweg nicht ausführbar war?
Eigentlich nicht. Mir kamen nur manchmal ein paar andere Konzeptideen, die
ich vielleicht doch lieber in diesem Projekt umgesetzt hätte. Doch im Endeffekt
bin ich wirklich happy mit den Resultaten.

Nimmst du die Szene dieser Stadt nach
dem Projekt anders war? Braucht es mehr Vernetzung?
Ich fand es extrem interessant, auf diesem Weg diese neuen Kontakte zu
knüpfen. Ich denke für jeden Künstler ist es wichtig immer wieder neue Menschen
und Dinge aus den verschiedensten Bereichen kennen zu lernen, daher kann mehr
Vernetzung nie schaden

Foto: Selbstportät/Luca Imberi

Schrecklich schön

Nadja Ellinger, 25, hat das Buch „About A Girl Gone Into The Woods“ illustriert – ein Märchen für Erwachsene,eingebettet in eine düster-schöne Fotostrecke. Die junge Künstlerin wandelt Emotionen in ausdrucksvolle Bilder um.

Ganz sanft, fast schon streichelnd fährt Nadja Ellinger, 25, über den Einband des kleinen Buches in ihrer Hand. Das Material ist schwarz und ähnelt dunklem Holz. Ein Schmetterling ist darin eingeprägt. „Man kann allein schon mit dem Buch an sich so vieles machen. Die Prägung, das Material, die Farbe – in allem steckt eine Bedeutung“, sagt Nadja fasziniert, ohne ihren Blick davon zu lösen. Nicht nur auf dem Einband finden sich Symbole. Alle 132 Seiten von „A Girl Gone Into The Woods“ sind gespickt mit Anspielungen. Autorin Sinem Scheuerer schrieb die Erzählung, die Nadja Ellinger mit ihren Fotografien illustrierte. Entstanden ist eine ungewöhnliche Mischung: ein Märchen für Erwachsene, eingebettet in eine düster-schöne Fotostrecke.

Rückblick: Die beiden Frauen lernten sich während der Arbeit an einem Videoprojekt kennen. „Sinem erzählte mir, dass sie eine Illustratorin für ihre Märchenerzählung suchte. Der Text passte super zu meinem Foto-Konzept“, sagt die junge Fotografin. „Ich hatte mich bereits zuvor viel mit Märchen beschäftigt und mich in die Theorie eingelesen. Das Medium gefiel mir von Anfang an“, sagt Nadja. Ihrer Meinung nach seien Märchen sehr offen, und dennoch gebe es oft einen ähnlichen Ausgangspunkt in den Erzählungen. Der Held oder die Heldin bricht zu Beginn von zu Hause aus und flieht in eine unbekannte Welt, in der Aufgaben und Herausforderungen warten.

Eine solche Dramaturgie verfolgt auch der Erzählstil von „About A Girl Gone Into The Woods“. Ein junges Mädchen verlässt ihr Heimatdorf und betritt den angrenzenden Wald. Wie für ein Märchen typisch, begegnen ihr dort unterschiedliche Gestalten. „Zuerst wird die Protagonistin von Wölfen verfolgt. Sie hat Angst, erkennt dann aber, dass es gar keine Wölfe, sondern Hunde sind, vor denen sie weg läuft. Das Fremde erweist sich als weniger furchteinflößend, wie zu Beginn vermutet“, erklärt Nadja. „Visuell habe ich das so umgesetzt, dass auf den Bildern nachts die drei jagenden Hunde dargestellt werden. Sobald das Mädchen jedoch seine Furcht überwindet, stellt es fest, dass es nur ein harmloser Hund ist, der ihr Begleiter wird“, sagt die Fotografin. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass ein Auge des Hundes zugenäht ist. „Das ist so, weil Sinem selbst in ihrer Kindheit einen Hund hatte, dem ein Auge fehlte. Die Geschichte enthält viele autobiografische Details aus dem Leben der Autorin“, erklärt Nadja.

Sinem Scheuerer schreibt überwiegend Schulbücher für Deutsch als Fremdsprache. Sie möchte in Zukunft auch Romane und Kinderbücher veröffentlichen. „Als ich mit Nadja über das Konzept sprach, wurde schnell klar, dass sie – auch ohne Sachen groß erklären zu müssen – verstand, worum es mir bei diesem Text geht. Die Arbeit an dem Projekt war etwas sehr Persönliches“, sagt Sinem Scheuerer. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit und enthält viele Parallelen zum Leben der Autorin. „Klar versteht nicht jeder die autobiografischen Symbole in den Bildern. Das ist aber nicht weiter schlimm. Die Geschichte spielt auf so vielen unterschiedlichen Ebenen. Jeder kann sie auf seine Art lesen“, sagt die 35-jährige Autorin.

Wenn Nadja durch die Seiten des Buches blättert und jedes einzelne Symbol erklärt, dann scheint es so zu sein, als ob jeder Millimeter der Fotografien bis auf das kleinste Detail durchdacht wurde. „Es sind einige Anspielungen auf Mythen enthalten. Auch der Schmetterling spielt eine zentrale Rolle. Das Symbol wiederholt sich mehrfach im Buch. Er steht für das Gefangensein und die Entfaltung zugleich“, erklärt Nadja. Das Buch soll jedem gewidmet sein, der Mut beweisen muss. Autorin Sinem Scheuerer weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, Angst vor Herausforderungen zu haben. „Manche Dinge scheinen anfangs schlimmer zu sein, als sie in Wirklichkeit sind. Man muss nur begreifen, dass man selbst den Schlüssel zur eigenen Befreiung hat“, sagt sie. Thematisiert wird die Angst vor dem Fremden.

Sinem Scheuerers Geschichte spricht Menschen unterschiedlich an. Der Zugang zum Text der Geschichte, besonders aber zu den Bildern ist sehr individuell. „Bei der Umsetzung des Projekts brachten sich alle Beteiligten auf unterschiedliche Art und Weise ein“, sagt Nadja und zeigt auf eine Buchseite mit einer verschwommenen Fotografie. „Das sind Blätter von Bäumen. Ich war nachts alleine im Wald und habe einige Aufnahmen gemacht. Ich wollte das Gefühl und die Atmosphäre auf mich wirken lassen und so meine eigene Emotion in das Buch packen. Ein Foto-Shooting ist immer eine Art Seelen-Striptease, auch für den Fotografen selbst.“

Obwohl sich die Umsetzung des Projekts anfangs auf Nadjas Bachelor-Arbeit begrenzte, wollen die beiden Frauen das Märchen nun für eine breitere Masse zugänglich machen. Momentan sind sie auf der Suche nach Verlagen und überlegen, eine Crowdfunding-Aktion ins Leben zu rufen. „Das Buch ist sehr speziell, was es aber besonders macht. Ich würde mir wünschen, dass viele etwas damit anfangen können, gerade weil der Zugang zur Geschichte und den Bildern etwas sehr eigenes und persönliches ist“, sagt Nadja.

Charakterstudien und Gefühlswelten ziehen sich wie ein roter Faden durch Nadjas Projekte. Im Rahmen der Ausstellung „10 im Quadrat Reloaded“ der Junge-Leute-Seite im Farbenladen des Feierwerks haben zehn junge Münchner Fotografen jeweils zehn junge Menschen aus der Münchner Kreativen-Szene fotografiert. Jeder der Fotografen entwickelte dazu ein individuelles Konzept.
 Nadjas Arbeit beschäftigte sich mit dem Thema „Zerbrechlichkeit“. Sie traf sich mit jedem der Models zwei Mal. Zuerst zu einem Gespräch, dann erst zum Shooting selbst. „Ich wollte mit jedem individuell über das Thema sprechen und herausfinden, was für ihn oder sie Zerbrechlichkeit bedeutet“, sagt die Fotografin. Beim Shooting selbst spielte sie wieder mit Symbolen. Ihre Bilder zeigen die zehn jungen Menschen mit Obst oder Gegenständen wie Lupe, Messer oder Verband. Die Fotografin setzte ihren Fokus auf den jeweiligen Gegenstand und dessen Zusammenspiel mit dem Körper des Models. So sind ihre Bilder zwar keine Porträts, zeigen aber die unterschiedlichen Persönlichkeiten der jungen Menschen auf eine sehr ausdrucksstarke Art und Weise.

Nadjas Bilder und auch die der anderen neun Fotografen sind noch bis Ende März im Farbenladen zu sehen.

Fotos: Nadja Ellinger

Text: Anastasia Trenkler

Gitarren-Sounds und starke Worte

image

Am gestrigen Samstag spielten Heroine Twin und Willing Selves ein Akustikset mit entspannten Gitarren-Sounds. Poetry Slammerin Meike Harms und Comedian Sebastian Ulrich überzeugten das Publikum im Farbenladen mit starken Worten. So war der zweite Samstag im Farbenladen:

Es herrscht viel Trubel im
Farbenladen. Der hell erleuchtete Raum wirkt im Kontrast zum grauen Wetter
draußen sehr einladend und familiär. Während manche Besucher von einem Foto zum
anderen schlendern, stimmen die Gitarristen von Heroine Twin die ersten Takte
von „Nothing else Matters“ von Metallica an. Um Anton von der Band Willing
Selves steht eine Gruppe junger Leute, die viel lacht und herumalbert. Seine
Schwester Antonia schaut sich währenddessen die Fotos an, doch dafür bleibt
vorerst keine Zeit. Die beiden Geschwister, die seit zwei Jahren in München
auftreten, eröffnen das Rahmenprogramm des zweiten Ausstellungssamstags im
Farbenladen mit einem Akustikset. Während sie spielen, laufen draußen Leute am
Farbenladen vorbei, bleiben stehen und betreten ihn zurückhaltend, jubeln den
Musikern dann am Ende jedes Lieds zu. Für Willing Selves, die in der Regel eher
elektronische Musik machen, ist es das erste Mal, dass sie akustisch spielen
und sind begeistert: „Das war einer unserer besten Auftritte. Nur unsere
Stimmen und die Gitarre waren im Vordergrund. In Zukunft wollen wir auf jeden
Fall mehr in Richtung Akustik gehen.“

image

Nach einer kurzen Pause tritt die
Poetry Slammerin Meike Harms auf. Ihre gesellschaftskritischen Texte, die sich
darum drehen, dass man das Glück daran erkennt, indem man es fotografiert und
es auf Instagram hochlädt, regt das Publikum zum Nachdenken an. Mit ihrem Text
über die sogenannte leistungsorientierte Freude und wie schwierig es sein kann,
richtig glücklich zu sein, möchte sie bewusst die Stimmung kippen, wie sie sagt
und verstellt ihre Stimme jeweils einige Oktaven höher oder tiefer und rollt
das R dabei stark. Auch bezieht sie sich auf die Fotografie, indem die Kunst
grenzenlose Wahrheit schafft und ein Bild mehr als tausend Worte sagt. Auf die
Frage, was das genau bedeute, meint sie, dass jedes Bild eine große Interpretationsfreiheit
besitze und die Wahrheit subjektiv wäre: „Die Fotografen möchten alle etwas
abbilden, doch jede Person sieht das Bild mit anderen Augen und interpretiert etwas
anderes hinein. Daher denke ich, dass ein Foto viele verschiedene Botschaften
rüberbringen kann.“

Danach ist der Comedian Sebastian
Ulrich mit seinem kurzen, aber selbstironischen Programm dran. Auch er stellt
sich die Frage, was die Leute dazu bringt, für ein gutes Instagram-Foto das
heimische Sofa zu verlassen und irgendwo hinzugehen, nur um ein gutes Foto für
Instagram zu bekommen. Er erzählt, wie er auf Open Mic-Stages „grandios
gescheitert“ ist. Spricht viel mit dem Publikum und albert mit den Gästen herum.
Dadurch macht er die gemütliche Atmosphäre noch familiärer: „Wir sind alle als
Freunde hier.“

image

Zum Abschluss gibt Heroine Twin ein
akustisches Konzert. Auch für sie war es neu, in einer gemütlichen Runde ein
Akustikset zu spielen, nachdem normalerweise zwei E-Gitarren und Headbangen zum
festen Repertoire der Auftritte der Band gehören. Haben sie am Anfang noch
leiser gespielt, wird die Gitarre immer lauter und die Stimme der Sängerin
Marina immer kräftiger, die selbst dann kurz vorm Headbangen ist und das
Publikum damit ansteckt. Der Applaus ist nach dem Konzert groß und am Ende
stehen Gäste und Künstler gemeinsam in Gruppen und trinken ein letztes Bier
zusammen.

image

Das Rahmenprogramm des zweiten
Ausstellungssamstags hat gezeigt, dass man außer einer Gitarre oder starken
Worten nicht viel braucht, um den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen und eine
intime Atmosphäre zu schaffen, bei der sich sowohl Künstler als auch Gäste wie
Zuhause fühlen.

Fotos und Text: Serafina Ferizaj

Fragen über Fragen – Lotte Friederich

image

Auf der Bühne sehe ich nicht, wie ich wirke, ich kann nur fühlen. Bei der Fotografie ist das Bild, das ich nach außen trage, festgehalten und auch für mich sichtbar, sagt Sängerin Lotte Friederich, die bei unserer Ausstellung “10 im Quadrat – Reloaded” als Model mitgewirkt hat. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?

Auf der Bühne sehe ich nicht, wie ich wirke, ich kann nur
fühlen. Bei der Fotografie ist das Bild, das ich nach außen trage, festgehalten
und auch für mich sichtbar. Deswegen ist es eine gute Möglichkeit, sich besser
kennen zu lernen.

Hat das Mut
erfordert?

Mut erfordert es nicht wirklich, man ist es ja doch schon
gewöhnt.

Bist du auch mal in
andere Rollen geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir kennengelernt?

Ich denke, es gibt ‚andere Rollen‘ nicht wirklich, alles was
man zeigt, ist irgendeine, wenn auch manchmal versteckte, Seite an sich.

Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?

Keine bestimmte Begegnung, eher das Gesamte und das Gemisch
der unterschiedlichen Charaktere, Geschmäcker und Sichtweisen.

Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen?

Alles war sehr harmonisch und umsetzbar, jeder hat Freiraum
gelassen, dadurch konnte ich das Meiste selbst bestimmen und ich bin nicht an
meine Grenzen gestoßen.

Brauchen wir mehr
Vernetzung in München?

Vernetzung ist Alles, die Kontakte die wir mit dem Projekt
machen konnten sind Gold wert und deswegen mehr davon, ja!

Foto: Anna Heimkreiter

Fragen über Fragen – Michael Mauder

Da ich auf der Bühne immer den größtmöglichen Spaßvogel raus lasse, durfte ich bei diesem Projekt auch mal eine ernstere Seite von mir zeigen, sagt Comedian Michael Mauder, der für unsere Ausstellung

“10 im Quadrat – Reloaded” porträtiert wurde. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.

Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?

Es war eine sehr spannende Erfahrung. Jedes Shooting war
komplett anders und es hat großen Spaß gemacht.

Hat das Mut
erfordert?

Auch wenn ich mich teilweise in wirklich absurde Posen und
Situationen stürzen musste, hat die angenehme Atmosphäre, die bei allen
Shooting geherrscht hat, das sehr leicht gemacht.

Bist du auch mal in
andere Rollen geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir kennengelernt?

Da ich auf der Bühne immer den größtmöglichen Spaßvogel raus
lasse, durfte ich bei diesem Projekt auch mal eine ernstere Seite von mir
zeigen.

Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?

Alle Fotografen sind sehr interessante Typen, und ich konnte
eigentlich von jeder Begegnung etwas mitnehmen.

Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen?

Ich hab mich von Anfang an drauf eingestellt, dass das eine
sehr persönliche Angelegenheit werden würde. Daher war die größte Herausforderung
nur, mir nicht ansehen zu lassen, dass ich bei den Shootings draußen friere.

Brauchen wir mehr
Vernetzung in München?

Es kann nie genug Vernetzung geben. Deswegen ist es toll,
dass mit so einem Projekt junge Leute aus allen kreativen Bereichen zusammen
geführt werden.

Foto: Alina Cara Oswald