Band der Woche: LUX

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Statt seine Autobiographie zu schreiben, hat Lukas Eichhammer alias LUX eine autobiographische Platte namens L.U.K.A.S aufgenommen. Seine Songs bestechen durch eine mutig-lapidare Ehrlichkeit und gliedern sich in den neuen Trend Münchner Rapper ein, auch mal Schwäche zu zeigen.

Man muss schon einigen Mut haben, um seine Autobiografie zu veröffentlichen. Es gehört wohl zu den beliebtesten Small-Talk-Kunst-Gesprächen, gehässig zu fragen, warum denn ausgerechnet der oder diejenige sich denkt, sie müsse der Welt ihren oder seinen Lebensweg erzählen. In der Arroganz dieser Stammtisch-Logik hat damit sowieso niemand die Berechtigung dazu, seine Lebensgeschichte in Schriftform zu veröffentlichen. Außer vielleicht John F. Kennedy oder John Lennon – aber die wohl auch erst, seit sie schon tot sind, was das Projekt Autobiografie in ein abstruses Licht rückt. Nun ist das Aufschreiben der eigenen Geschichte natürlich auch immer ein bisschen narzisstisch, etwas das das sich echauffierende Volk unschön an seinen eigenen Voyeurismus erinnert. Deshalb werden lieber weiter Selfies auf Facebook gepostet und in der hiesigen Jedermanns-Chronik Autobiografisches in Kurzsätzen in die Welt geballert.

Der Münchner Rapper LUX hat sich also ein gefährliches Terrain gesucht. Immerhin widmete er der eigenen Geschichte sein ganzes Debütalbum. Im vergangenen Sommer hat er das veröffentlicht, es trägt seinen Vornamen: „Lukas“. Und schon auf der vorausgegangenen EP fand sich ein Song, in dem er alle Grenzen zwischen Privat-Persönlichkeit und Künstlertum einriss und seine eigene Jugend relativ schonungslos und detailreich in Liedform umriss. „L.U.K.A.S.“ heißt der und darin erfährt man etwa, dass er seinen ersten Zungenkuss in der Grundschule von einer Anna bekam. Dass er nach eigentlich recht erfolgreicher Jugend-Schauspielkarriere leider an keiner Schauspielschule genommen wurde. Dass er zwei Muttermale hat und dass sein Freundeskreis „ziemlich verkifft“ ist. Dass er 1990 in München-Schwabing geboren ist und gerne Leberkas isst. Die Lebensgeschichte eines Münchner Jugendlichen in Reimform über einen lichten, jazzigen Beat seines Produzenten Cap Kendricks.

Hip-Hop war schon immer das Genre der Popmusik, das sich am meisten mit sich selbst beschäftigt und sich mit Freude auf sich selbst bezieht. Die Rapper und Musiker werden so zu ihren eigenen Protagonisten, die sich gekonnt und geschickt zwischen Realness und Kunstfigur inszenieren. Man merkt das etwa daran, wie oft Rapper ihre eigenen Pseudonyme in Texte einbauen. Oder wie sehr sie sich mit diesen Figuren identifizieren, wenn sie in Battles gegeneinander antreten und wie sie auf persönlichen und privaten Schwächen des anderen herumhacken, wenn es darum geht, das Gegenüber zu dissen. Doch Lukas geht mit seinem Album noch einen Schritt weiter und hebt die Frage, inwiefern Popmusik authentisch sein kann oder nicht, auf ein anderes Niveau.

Denn er gibt eigentlich zu viel von sich preis, als dass er in der in der Hip-Hop- Coolness bestehen könnte. „Wenn ich Musik mache, ist es mir wichtig etwas von mir zu erzählen. Wenn ich damit ein paar Leute erreiche und berühre, habe ich schon alles erreicht“, sagt er. Und damit bringt er etwas auf den Punkt, was sich in der Münchner Rap-Szene schon seit einigen Jahren angedeutet hat. Denn auch, wenn das musikalisch und in der Attitüde doch alles recht unterschiedliche Kandidaten sind, eint etwa die Creme Fresh-Splitter Fatoni und Keno, deren Protegé Edgar Wasser oder Manekin Peace und eben LUX etwas: Sie vertreten in ihrer Selbstinszenierung eine Art Underdog-Mentalität. Und die tritt an, als Gegenpol zu all der Coolness. Es scheint als hätte sich unter Münchner Rappern ein Tonfall etabliert, sich selbst in Schwächen und wunden Punkten zu zeigen; mit unter eine ganz humanistische Botschaft: Nicht stärker, weiter, schneller heißt es hier, sondern schaut, was ich nicht kann, und es funktioniert dennoch. Bei Keno in eher intellektueller Form, bei Fatoni schlau, bei Edgar Wasser zynisch. Und bei LUX mit dieser mutig-lapidaren Ehrlichkeit. Gerade arbeitet der an seiner nächste EP. Sein Thema diesmal: Das Älterwerden und Zukunftsängste.  

Stil: Hip-Hop
Besetzung: Lukas „LUX“ Eichhammer (Raps, Texte), Cap Kendricks (Produktion)
Aus: München
Seit: 2012
Internet: www.lux40.bandcamp.com

Foto: Nils Schwarz

Von: Rita Argauer