Der Sound der Münchner Dark Pop Band Fox & Grapes ist geprägt von schwelenden Synthesizer. Mit ihrer Musik stechen sie aus dem gewohnten Synthie-Indie-Pop
heraus.
Madonna wurde eine Zeit lang für ihr Dasein als Chamäleon ziemlich geschätzt. Das war um die Jahrtausendwende und noch vor der Zeit, als die Grande Dame der Popmusik eher durch Seltsamkeiten als durch Musik die Aufmerksamkeit auf sich zog. Damals hieß es, die Dame erfinde sich für jedes Album neu. Da kam sie für ein Lied als Henna-tätowierte Gothic-Raben-Lady („Frozen“) an den Strand, einen Song später landete sie dramatisch und mit allerhand religiösen Symbolen des Judentums ausgestattet beinahe auf dem elektrischen Stuhl („Die another Day“). Ziemlich radikal, provokant und dennoch spannend waren diese Sprünge in der Ästhetik. Anders ist das bei Radiohead. Die gibt es heute auch noch und die machen auch heute noch ziemlich großartige Musik. Doch der fließende Übergang von der Gitarrenband auf „Pablo Honey“ und „The Bends“ zu den elektronisch angereicherten und im Popkontext bis dato eher unerhörten Klängen auf „Ok Computer“, „Amnesiac“ und „Kid A“ beeindruckt. Eine Entwicklung, viel weniger spektakulär als bei Madonna, aber musikalisch entsprechend tiefer greifend.
Ein wenig wirkt es so, als würde die Münchner Band Fox & Grapes diesen Weg musikalisch nachzeichnen. Auf den ersten Blick sieht das Münchner Quartett um Sänger, Gitarrist und Songschreiber Jonathan Haellmayer, das sich am liebsten im blau-gefärbten Gegenlicht ablichten lässt und verträumt-verloren im Leben herumsteht, wie eine weitere Reinkarnation des Dream- bis Dark-Pop der Achtzigerjahre aus. Schwelende Synthesizer prägen auch den Sound der aktuellen Single „Song for U“, Glöckchen-Samples gesellen sich zum echten Schlagzeug, und Jonathan singt über unerfüllte Begierde. Doch beim zweiten Titel der aktuellen EP „Demo XVII“, „Everybody has a Prize“, rauscht eine Gitarre dazwischen. Und plötzlich entsteht dieses akustische Zwielicht zwischen Knister-Beat und Gitarrenwärme, welches Radiohead auf der Platte „Kid A“ perfektioniert hatten. Es ist künstlerisch höchst virtuos, solche Momente zu konstruieren. Doch in dieser Intensität entsteht so etwas wohl am ehesten, wenn man als Musiker selbst diesen Weg von der Gitarren-Band zum elektronisch-avancierten Popprojekt gegangen ist.
Bei Jonathan und seinem Bandkollegen, dem Bassisten Antonio Merker, war das die Gitarren-Band Vaccine. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends spielten sie zwischen der Zurückhaltung der frühen Radiohead und dem ausladenden Harmonie-Gebade von Coldplay. Nach der Auflösung von Vaccine, fanden sich die beiden dann mit dem Schlagzeuger Philip Spiegel und Sabrina Seitz am Synthesizer und Sampler 2015 zu Fox & Grapes zusammen. Und zur jahrelangen Gitarrenband-Erfahrung begannen sie nun auch eine gewisse Faszination für den größenwahnsinnigen Synthie-Symphoniker Jean Michel Jarre auszuleben. „Jarre ist Gott“, sagt Jonathan pragmatisch-ironisch dazu. In der Musik prallen so jedoch eine ganze Menge spannender Unvereinbarkeiten aufeinander: die Künstlichkeit großer Synthie-Flächen und die Nahbarkeit von Gitarren etwa. Oder der warme emotional involvierte Gesang Jonathans und die kühlen reduzierten Disko-Beats am Schlagzeug. Dass das Ganze nicht nach beliebigem Synthie-Indie-Pop klingt, mag wohl an der jahrelangen Entwicklung der Band liegen. Doch ein klein wenig Plan steckt auch dahinter: „Aus unserer völlig subjektiven Sicht gibt es in München einen Überfluss an tanzbarer Partymusik“, erklärt Jonathan, sie hätten jedoch hier auch tolle Freunde gefunden und würden nun das System eben von innen heraus zerstören. Die Trümmer, die sie dabei erzeugen, klingen ganz herrlich.
Stil: Dark Pop
Besetzung: Jonathan Haellmayer (Gesang, Gitarre), Philip Spiegel (Schlagzeug), Antonio Merker (Bass), Sabrina Seitz (Gesang, Synthesizer, Licht)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.foxandgrapes.net
Text: Rita Argauer
Foto: Thomas Lutz