Endlich selbständig

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Nicolas Jakob und Christian Albrecht wollen Jugendlichen das Einkaufen im Internet ermöglichen.
Dafür haben sie eine virtuelle Kreditkarte entwickelt – sie kann aber von den Eltern kontrolliert werden

Ein Handgriff, ein Klick, ein Fingerabdruck – innerhalb von wenigen Sekunden hat Nicolas Jakob seine Restaurantrechnung bezahlt, seinen Kontostand geprüft und eine Überweisung von seinem Vater erhalten. Er legt sein Handy zurück auf den Tisch eines Schwabinger Lokals. „Das war jetzt nur eine Simulation“, erklärt er. Noch sind Rechnungen und Konten fiktiv, „aber genau so wird Wismo in der Endversion funktionieren – alles in einer App.“
Die App, von der Nicolas spricht, wird Jugendlichen eine neue Welt eröffnen – zumindest, wenn es nach ihm und Wismo-Mitgründer Christian Albrecht geht. Die jungen Unternehmer haben ein Start-up gegründet, das die finanzielle Unabhängigkeit von Jugendlichen in den Vordergrund stellt. Wieder fängt Nicolas an zu erklären, er tippt weiter im knalligen Menü der App. Die Farben stechen heraus, türkis und weiß. „Wenn man ein Konto und Kreditkarten hat, wird Online-Shopping eine Selbstverständlichkeit“, stellt er fest, „genau wie Überweisungen. Als Minderjähriger hat man diese Möglichkeiten nicht. Das wird wismo ändern.“ 

Noch ist „wismo“ nicht einsatzbereit, der Launch soll im Frühling erfolgen.

Dass Nicolas ausgerechnet einen Zahlungsdienst entwickelt hat, der Jugendliche ansprechen soll, kommt nicht von ungefähr. Vor drei Jahren, damals war er 16, stand er vor genau diesem Problem – und kam so auf die Idee. „Ich habe mich früh mich Computern beschäftigt, ich programmiere selbst, seit ich zwölf bin“, sagt der heute 19-Jährige. Er kennt die Welt im Netz von klein auf. Er ist ein digital native. 

Seine 19 Jahre sieht man Nicolas an. Sein Gesicht hat weiche Züge. Sein Lächeln, das auf seinen Lippen tänzelt, lässt ihn scheu wirken, als sei er etwas fehl am Platz. Doch wenn er anfängt, über Wismo zu reden und die technischen Hintergründe zu erklären, verschwindet alles Jungenhafte aus seinem Blick. Er redet ruhig, aber bestimmt. Nicolas strahlt Kompetenz aus, man hört ihm zu. Schnell ist er zurück bei seinem Projekt. „Wismo ist eine virtuelle Prepaid-Kreditkarte, mit der man im Internet und im Laden bezahlen kann – ohne ein eigenes Bankkonto zu besitzen. Man öffnet die App, entsperrt die Karte per Pin-Code oder Fingerabdruck und kann gehen“, sagt er, bevor ihn Christian unterbricht. Denn jetzt ist der Ältere der beiden in seinem Element. Der 28-Jährige hat nach seinem Studium bei einem großen Consulting-Unternehmen gearbeitet. Er weiß, welche Fragen potenzielle Kunden als Erstes stellen. „Wir schicken nicht Minderjährige ohne Kontrollinstrumente ins Internet“, ergänzt er. Die Eltern sollen eine wichtige Rolle spielen. „Ohne Einwilligung des Erziehungsberechtigten kann niemand ein Wismo-Konto eröffnen“, erklärt er, „und so ist es auch gedacht: Die Eltern haben – über ihren eigenen Account – stets die Kontrolle über das Konto des Kindes.“ 

Weil die Kreditkarte virtuell ist – sie also nur auf dem Smartphone und nicht als handfestes Objekt existiert – können die Eltern das Konto jederzeit sperren oder Geld überweisen. An bestimmten Orten, wie bei Wettanbietern oder in Spielotheken, kann man mit Wismo nicht bezahlen. „Man sieht jederzeit, wo mit der Karte gezahlt wird, und kann umgehend bestimmte Internetseiten sperren lassen“, präzisiert Nicolas.
Wegen dieser ausführlichen Kontrollinstrumente soll die App eben nicht nur Jugendliche, sondern besonders auch Eltern ansprechen. „Natürlich hat das auch einen schulischen Charakter“, stellt Christian klar. Irgendwann müsse jeder lernen, wie man mit Geld umgeht. „Mit Wismo können Eltern selbst entscheiden, wie sie ihre Kinder finanziell erziehen wollen – in einem sicheren Umfeld.“ 

Verbraucherschützer warnen oft vor den Gefahren im Internet, besonders wenn es um Kinder geht. „Um die juristischen Fragen haben wir uns natürlich auch Sorgen gemacht“, erklärt Nicolas. Dank Nicolas’ Offenheit haben jedoch schon Klarheit. „Bei einem Event habe ich vor einiger Zeit ein paar Anwälte einer großen Kanzlei getroffen“, erzählt er und grinst dabei. „Die standen alleine da, also habe ich mich mal mit ihnen unterhalten.“ Das Resultat: Die Kanzlei fertigte den Wismo-Entwicklern ein 40-seitiges Rechtsguthaben an – sie sind auf der sicheren Seite.

Fast neun Millionen Jugendliche gibt es laut Statistik-Portal Statista alleine in Deutschland – und ihre Kaufkraft ist milliardenschwer. Dass von den zwölf- bis 19-Jährigen mehr als 85 Prozent täglich ihr Smartphone nutzen, macht sie zur den perfekten Wismo-Kunden. „Und es gibt definitiv einen Markt dafür“, sagt Christian, „wir haben Umfragen durchgeführt, und sowohl Jugendliche als auch Eltern stehen dem Konzept sehr positiv gegenüber.“ Die peer-to-peer-Funktion von Wismo, also das Überweisen an Freunde, die ebenfalls ein Konto besitzen, mache die App aber auch für junge Erwachsene sehr interessant. „Wer regelmäßig mit Freunden essen geht, weiß, dass das Teilen der Rechnung eine Qual ist“, sagen beide fast im Chor. „Sind alle bei Wismo, bezahlt einer und bekommt innerhalb von Sekunden die Teilbeträge der anderen zurück überwiesen.“ 

Noch ist wismo nicht einsatzbereit, aber die Entwickler hoffen auf einen Launch im Frühling. Seit Christian Ende vergangenes Jahres seinen Job gekündigt hat, arbeiten beide tagein, tagaus an Wismo. Gerade läuft ihre erste Finanzierungsrunde, aber über mögliche Investoren können sie noch nichts verraten. Doch Christian verspricht, dass „wir noch mehr Vollgas geben, wenn dieser Prozess abgeschlossen ist“. Dann können Nicolas und er auch endlich ein gemeinsames Büro beziehen. Trotz des Altersunterschiedes funktionieren die beiden wie ein gut eingespieltes Team. Und wer die Miete für den zukünftigen Arbeitsplatz überweisen wird, scheint offensichtlich. Dann holt Nicolas sein Smartphone aus der Tasche und öffnet die App. Ein Handgriff, ein Klick, ein Fingerabdruck – fertig.

Text: Matthias Kirsch

Foto: Florian Peljak