Der Krieg in der Ukraine beschäftigt unsere Autorin Lea weiterhin sehr. Wenn sie nicht auf Veranstaltungen rund um dieses Thema geht, findet man sie in der kommenden Woche unter anderem im Haus der Kunst oder im Residenztheater.
Schwellen-Dasein. Das ist, so glaube ich, das Wort, das meine Position in den vergangenen Wochen am besten beschreibt. Ich stehe irgendwo zwischen grausamen Ereignissen, die mir mein Handy als Push-Benachrichtigungen stündlich mitteilt, und einem Alltag, der sich manchmal schon wieder verdächtig normal anfühlt. Obwohl das ganze Leben aus genau dieser ungerechten Ambivalenz besteht, liest man seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vermehrt von einer Scham, die viele plötzlich im privilegierten Alltag begleite. Darüber musste ich in den vergangenen Wochen sehr viel nachdenken. Rafik Schamis Essay „Gegen die Gleichgültigkeit“ hat mir dabei geholfen, zu einer Haltung bezüglich dieser Ambivalenz zu finden. Am Ende des Essays schreibt er: „Mein Prinzip ist sehr klar: Solange Geflüchtete, welcher Religion oder Ethnie sie auch angehören, angegriffen werden, werde ich sie und ihr Recht auf Schutz verteidigen und ihre Angreifer entlarven. Und das tue ich, um der Freiheit würdig zu sein, die ich in diesem Land genieße.“ In diesem Versuch, durch Engagement/Aktivismus der eigenen Freiheit würdig zu sein, möchte ich Schami folgen. Und zugleich will ich auch dankbar sein für meine Freiheit, sie deshalb auch genießen. Denn auch das schafft Bewusstsein für die Tatsache, dass sie niemals selbstverständlich ist. Meine kommende Woche wird deshalb aus dreierlei bestehen: Engagement, Alltag und der Hoffnung, dass ich dieses Schwellen-Dasein niemals mehr verlasse.
Den Freitag werde ich tagsüber in der Bibliothek verbringen. In der kommenden Woche beginnen zwei Seminare bzw. Lektürekurse, die ich im Sommersemester an der LMU halten werde, und dafür muss ich noch einiges vorbereiten. Umso mehr freue ich mich auf den Abend, da ich mit zwei Freunden ins Münchner Volkstheater gehe, um mir Bastian Krafts Inszenierung von Thomas Manns Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ anzusehen. Eine Stunde und 30 Minuten Hochstapelei ohne Pause. Das wird sich für mich vermutlich anfühlen wie ein normaler Montagmorgen.
Am Samstag gehe ich mit einer Freundin ins Haus der Kunst, wo seit dem 8. April unter dem Titel „Nebel Leben“ die „erste umfassende Werkschau von Fujiko Nakaya“ außerhalb Japans läuft, wie es auf der Website vom Haus der Kunst heißt. Die Ausstellung zeigt Nebelskulpturen, die aus Wasser bestehen, und durch Einflüsse wie Wind oder Temperatur die unterschiedlichsten Formen annehmen. Trotz dieser spannenden Ausstellung, freue ich mich besonders auf den Abend. Da kommen ein paar sehr liebe Menschen des SZ-Junge-Leute-Teams bei mir vorbei, um zu kochen, zu trinken und zu reden.
Mit einem verspäteten Osterbrunch startet dann mein Sonntag. Eine Freundin hat eingeladen, wofür ich sehr dankbar bin, da mein Frühstück weiterhin vor allem aus Kaffee und Nachrichten besteht. Essen scheint mir besser verdaulich als Julian Reichelts Twitter-Kommentare am Morgen. Obwohl ich wirklich rein gar nichts mit der katholischen Kirche am Hut habe oder mit ihr am Hut haben möchte, gehe ich abends mit einem Freund in die Pfarrkirche Herz Jesu in Neuhausen. Dort wird um 18.30 Uhr ein Benefizkonzert für Geflüchtete aus der Ukraine stattfinden, bei dem auch ukrainische Musikerinnen und Musiker spielen werden.
Montag, Dienstag und Mittwoch werden bei mir vor allem unter einem Zeichen stehen: Aufregung. Meine Kurse an der LMU beginnen, weshalb ich diese Tage vor allem an der Uni verbringen werde. Sollte ich das Ganze nervlich überleben, treffe ich mich am Mittwochabend mit ein paar Freundinnen und Freunde in der Tapas-Bar tío in der Theresienstraße. Neben Bars und Restaurants wie dem Salon Irkutsk, dem Komitee, der Corleone Bar oder dem Patolli beteiligt sich auch das tío an der Aktion „Spirits of Campassion“. Gegen eine Spende von 25 bis 45 Euro kann man 12 verschiedene Flaschen Alkohol erwerben, deren Erlös vollständig an ukrainische Hilfsorganisationen gespendet werden. Da macht trinken plötzlich sehr viel Sinn.
Am Donnerstag wird die Hälfte des Tages für ein Interview und anschließendes transkribieren draufgehen, bevor um 18 Uhr die Junge-Leute-Konferenz stattfindet. Dieses Mal werde ich allerdings ein bisschen früher gehen müssen, weil ich mir um 20 Uhr Max Fäberbocks Inszenierung von Ferdinand von Schirachs Theaterstück „GOTT“ im Residenztheater ansehen werde. Vermutlich kann man sich Schöneres vorstellen, als sich fast zwei Stunden mit dem Thema der Sterbehilfe auseinanderzusetzen, aber ein Freund von mir hat das Stück bereits gesehen und war ziemlich begeistert.
Und dann ist auch schon wieder Freitag. Nach einer kleinen Runde Morgen-Yoga im Yoga am Engel werde ich den restlichen Tag arbeiten müssen. Dafür treffe ich mich abends mit Freundinnen im veganen Café Lost Weekend. Dort wird um 19 Uhr ein lieber Freund von mir mit seiner Band Raketenumschau spielen. Und wo kann man seine Freiheit mehr spüren und genießen als zwischen seinen Liebsten, während gute Livemusik läuft?
Von Lea Mohr