Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Wolfgang

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Musik, Kunst und Film – das hat unser Autor von Freitag bis Freitag vor: Er besucht unter anderem die offenen Ateliers, schaut sich im Lovelace Kurzfilme an und lauscht der Musik von Dobré im Cafe Blá.

Alle
beschweren sich über den Dezember. Kein Wunder, es gibt schließlich viel zu
organisieren: Weihnachtsfeiern, Geschenke für die Liebsten, Zugtickets nach
Hause, die Silvesterparty. Der stressigste Monat allerdings, so eine von mir
gehegte Theorie, ist der Januar. Daran schuld ist wohl die allgemeine
Aufbruchsstimmung, die auf Twitter unter dem bedrohlich anmutenden Hashtag
#newyearnewme ihren Ausdruck findet. Pleite (Weihnachtsgeschenke), ein bisschen
dick (Gänsebraten) und müde (Vitamin D Mangel) schleppen wir uns in überfüllte
Fitnessstudios, um dem letzten Rest Lebensfreude beim Bauch-, Beine-,
Po-Workout den Gnadenstoß zu versetzen. Bei so viel Stress muss man für
Ausgleich sorgen. Unterwegs in München von Freitag bis Freitag. Am Ende
vielleicht nicht mit strafferem Hinterteil, aber wenigstens mit guter Laune!

Los
geht’s am Freitag mit Willy Nachdenklich von Nachdenkliche Sprüche mit
Bilder. Herr Nachdenklich amüsiert mich bereits seit geraumer Zeit auf
Facebook. Letztes Jahr hat er sein erstes Buch veröffentlicht: „1 gutes Buch vong Humor
her“. In Zeiten, in denen „I bims“
das Jugendwort des Jahres ist, ist die Lesung im Schlachthof „vong Niceigkeit
her“ kaum zu überbieten. Den Start ins Wochenende runden wir im awi mit einem
perfekt gemixten Bier, den hipsten Hipstern Münchens und einer gehörigen Portion Disco ab.

Am
Samstag lassen wir uns zunächst von Bildhauerei, Malerei, Fotografie,
experimenteller Filmkunst u.a. inspirieren. Bei den Offenen Ateliers 2018 dürfen
wir die Kreativen des Werkviertels besuchen gehen und mal nachsehen, was sich östlich der S-Bahn-Gleise künstlerisch
so tut. Das Abendprogramm spielt sich wiederum weiter nördlich ab. In der Reithalle findet der
beliebte Midnightbazar statt. Wer auf der Suche nach einer neuen Latzhose ist
oder seine Sammlung versilberter Suppenlöffel vervollständigen möchte,
der wird hier garantiert fündig. Für alle anderen wartet der Nachtflohmarkt mit
Bierchen, Musik und entspannter Atmosphäre auf. Von dort aus ist es nur ein
Katzensprung bis ins Import Export, wo man an diesem Abend seinen akustischen
Horizont erweitern kann. Es gibt dort nicht nur eine Oud zu erleben, eines der ältesten
Instrumente der Welt, sondern auch den orientalischen Reihentanz Dabke. In
meinen Leben habe ich bisher weder eine Oud gesehen, noch habe ich Dabke
getanzt. Ich bin gespannt, was mich erwartet.

Am
Sonntag geht nicht nur die Woche zu Ende, es endet auch die
multisensorische Ausstellung „Die Bibliothek der Gerüche“ der japanischen Künstlerin
Hisako Inoue in der Villa Stuck. Letzte Möglichkeit also, sich durch die verschiedenen
Geruchsinstallationen zu schnuppern. Die Künstlerin selbst wird auch da sein,
die Band Coconami den Abend musikalisch begleiten.

Montags
ist immer viel zu tun. Wenn abends dann alles erledigt ist, darf man sich auf
die Future Shorts im Lovelace freuen. Dabei handelt es sich um ein
Pop-Up-Kurzfilm-Festival, das es bereits seit mehr als 13 Jahren gibt und zu den größten
seiner Art zählt. Die sechs qualitativen Kurzfilme dürften perfekt sein, um
sich vom stressigen Wochenstart zu erholen.

Dienstagnachmittag
steht ein Besuch bei der Versicherungskammer Bayern an. Nicht, um eine
Hausratversicherung abzuschließen, sondern um im Kunstfoyer die Werke des
brillanten Dokumentarfotografen Martin Parr in Augenschein zu nehmen. Mit der
Meinung, dass Parr zu den besten seiner Zunft gehört, bin ich nicht alleine. Der
preisgekrönte
Fotograf ist seit Jahrzehnten Mitglied bei der berühmten Fotoagentur Magnum.
Die Möglichkeit, Parrs Fotografien
entwickelt und in Großformat betrachten zu können, zählt zu den Highlights dieser
Woche.

Am
Mittwoch ist es endlich wieder Zeit für Livemusik. Wir bekommen Besuch
aus Berlin, und zwar nicht von irgendwem, sondern vom aufstrebenden Stern am
Deutschrap-Himmel. Zugezogen Maskulin unterhält, provoziert, besingt,
verzaubert uns einen Abend lang im Strom. Wer sich für den Januar ein bisschen
Digital-Detox verschrieben hat, der wird von Lines wie „Unsere Liebe liegt
begraben unter Instagram-Fassaden“ zusätzlich motiviert.

Die
Klasse Ingold der Akademie der Bildenden Künste hat am Donnerstag etwas
sehr Interessantes vor. In der Maximiliansstraße sollen so gegensätzliche
Prinzipien wie „heiß/kalt, innen/außen, nackt/bekleidet, öffentlich/privat“ aufeinandertreffen.
Die Ausstellung und Performance, mit dem passenden Titel Sauna, dürfte in der
sonst so gepflegt daherkommenden Maximiliansstraße für einen schönen Kontrast sorgen. Am Abend wird’s gemütlich. Im Café Blá findet die erste Huldufólk Session statt. Bei isländischen
Snacks und Craft Beer lauschen wir der stadtbekannten Indie-Folk-Band Dobré.

Und
dann ist es auch schon wieder Freitag. Zeit zu tanzen, lachen, singen.
Den perfekten Einstieg liefert die Jazzrausch Bigband im Harry Klein. Angekündigt
als die „fetteste Techno-Jazz-Schlacht, die je geschlagen wurde“, dürfte die
Wochenendstimmung nicht lange auf sich warten lassen. Ob wir im Anschluss
weitere zwei bis acht Stunden im Harry vertanzen, wird sich dann herausstellen.
Bis zum nächsten Club ist es ja nicht weit.

Text:
Wolfgang Westermeier

Foto: privat

Die SZ Junge Leute Playlist im tiefsten Herbst

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Unsere Autoren sind offensichtlich schwer gezeichnet vom
Herbst – zumindest lässt unsere Playlist des Monats das erahnen.  Aber wo Schatten ist, ist auch Licht und häufig hilft gute Musik über Herbstmelancholie und den Sonnenuntergang kurz nach dem Mittagessen hinweg.

Ghemon – Un Temporale

Un Temporale (dtsch. “Ein Gewitter”,  von Ghemon (Gianluca Picariello) aus Mailand beschreibt den Zustand, in dem man sich befindet, wenn man an einer Depression leidet. Der Rapper, der in Italien eher in kleinen Kreisen bekannt ist und auch (noch) nicht zu den Künstlern gehört, die im Radio gespielt werden, setzt sich in seinem neuen Album “Mezzanotte” mit den düsteren Seiten der menschlichen Seele auseinander und experimentiert damit auf musikalischer sowie
auf sprachlicher Ebene. Und spricht endlich über etwas, das in Italien, im
Gegensatz zu Deutschland, in den Medien und der Kunst nicht ganz so oft und
offen diskutiert wird: Panikattacken, Scheitern, Depressionen. Damit landete er überraschend im September auf Platz 3 der in Italien meistverkauften Alben.

Ornella Cosenza


Chronixx – I can

Mimimi, draußen ist es kalt, die nächste Hausarbeit steht an, irgendwie bleibt am Ende des Monats wieder nur Geld für Nudeln mit Soße. Mimimi. Lasst uns ehrlich sein, das sind Luxusprobleme. Und doch ist ein jeder von uns so oft entnervt, gestresst und grantig. Um mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass alles halb so schlimm und eigentlich sogar verdammt gut ist, lausche ich “I Can” von Chronixx. Der jamaikanische Reggae-Künstler singt von Sonnenaufgängen und Zufriedenheit. Hilft gegen Herbstblues und Jammerei auf hohem Niveau.

Anastasia Trenkler


Der Nino Aus Wien – I See A Darkness

Der Herbst ist da. Ich sollte das besser akzeptieren. Mein
Soundtrack für ewig lange Spaziergänge kommt heuer aus Wien- auch eine schöne
Stadt!

Louis Seibert


Sylvan Esso – Die Young

Klassisch strukturierte Synthie-Elemente, Gesang, der den
Folk-Hintergrund der Sängerin offenbart, und sehr tanzbare Rhythmen – das sind Sylvan Esso aus North Carolina. Wem das Electropop-Duo bisher noch kein Begriff war, hat nun im Herbst die Gelegenheit dazu, die beiden Musiker aus den Vereinigten Staaten kennenzulernen. Aktuell sind sie nämlich auf Tour, um das zweite Album „What now“ vorzustellen – im November auch in München. Ich habe mich deshalb für ihren Song „Die Young“ entschieden: der zeigt sehr eindrucksvoll, wie vielseitig die Musik von Sylvan Esso ist. Und wie viel Spaß sie macht!

Yvonne Gross


Zugezogen Maskulin – Was für eine Zeit

Ein Video, das gleichermaßen an Rammsteins „Mann gegen Mann“
und eine moderne Theaterinszenierung erinnert. Verstörend, grausam, und
gleichzeitig genial. Dazu ein wütender Text, der die grotesken Zustände unserer
Gesellschaft anprangert, in der sich die desinteressierte Jugend nur um sich
selbst dreht, „eins“ nur noch als Zahl geschrieben wird und Journalismus meist
aus Listen besteht. „Alles ist zum Kotzen, Mittelmaß, wohin man sieht"? Das
neue Album “Alle gegen alle” von Grim104 und Testo ist allerdings
ganz und gar nicht Mittelmaß, sondern geradezu brilliant. Also, Jungs von
“Zugezogen Maskulin”: Was für eine Zeit, um am Leben zu sein!

Anna-Elena Knerich


Pimpy Panda – Es geht los

Auf Deutsch gute Texte zu schreiben ist schwer. Texte im
Funk sind meist nicht sonderlich gut. Schlussfolgerung: Einen Funk-Song mit
gutem deutschem Text zu finden ist unmöglich. Soweit logisch. Doch dann kamen
“Pimpy Panda” und überzeugten mich prompt vom Gegenteil. Ihre Nummer
“Es geht los” ist einfach gute Laune auf Dauerschleife. Und wem der
Text noch nicht genügt, der ziehe sich das Arrangement der Nummer rein.
Delikat! Oder wie der Pimpy Panda zu sagen vermag: “Bamboolicious”!

Max Mumme


Flying Lotus – Theme

Unzugängliche Musik gilt es in den richtigen Kontext zu
rücken, um sie zu verstehen. Das erste Viertel vom Flying- Lotus-Album „You’re
Dead“ besteht fast ausschließlich aus wilden Freejazz Nummern wie dem Introsong
„Theme“. Zu diesem habe ich nur einen Zugang finden können, weil mir bewusst
war, dass er von Flying Lotus stammt, und ich Ihn mit den Ohren eines
LA-Beatkpofes gehört habe. Ich glaube Freejazz jetzt verstanden zu haben.

Hubert Spangler


At Pavillon – Hidden Key

Mein Moment in diesem Monat war die Hörprobe im Technikum.
At Pavillon stürmten die Bühne, einmal einatmen und die Musik aufsaugen.

Jana Haberkern


Fortuna Ehrenfeld – Glitzerschwein

Allein der Name ist perfekt: Glitzerschwein. Kaum
verwunderlich also, dass Martin Bechler, das Sprachgenie hinter Fortuna
Ehrenfeld, bei Grand Hotel van Cleef unter Vertrag ist. Fortuna Ehrenfeld reiht
sich somit in vielerlei Hinsicht wunderbar ein zwischen Kettcar, Tomte und
Spaceman Spiff. Ein Hoch auf die Melancholie!

Jacqueline Lang


Franz Ferdinand – Always Ascending

Das letzte Album von Franz Ferdinand war extrem gut und ist
schon wieder ganz schön lange her. Da freue ich mich besonders, dass die neue
Single „Always Ascending“ einerseits endlich (!) da ist und andererseits auch
ziemlich gut ist – beste Vorzeichen für das neue Album!

Philipp Kreiter


Finlandia – Sibelius

Nehmt euch eure Kopfhörer und lauft an einem grauen
Herbsttag durch den bunten Englischen Garten, atmet tief ein und lasst euch
davontragen.

Anne Gerstenberg


Foto: Cityslang