Zufallsstudium: Der Zucchiniblüten-Fall

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Was studiert der Junge mit den Dreadlocks eigentlich? Welchen Kurs besucht das Mädchen, das in der U-Bahn neben uns saß? Woche für Woche folgen wir fremden Studenten zum „Zufallsstudium“.

Dieses Mal: Pia findet in einer Jura Vorlesung heraus, was
Tante Berta und die Zucchiniblüte mit Zivilrecht zu tun haben.

Die Zucchiniblüte
oder die mörderische Frage, wer wem das Bild verkaufte, beschäftigte mich
Dienstagmittag. Die Hauptverdächtige dieses mit Irrungen und Wirrungen
vollgepackten Falles ist Bona Fide.

Bevor ich aber diese folgenschwere Bekanntschaft mit Bona
Fide machte, streifte ich Dienstag durch die Uni, auf der Suche nach einem
Studenten, der mich in die Welt seines Faches entführen sollte. Dabei kam ich
an einem Hörsaal vorbei, aus dem schon der Beginn einer Vorlesung zu hören war.
Verwundert und neugierig, welcher Professor so überpünktlich anfing, denn es
waren ja noch acht Minuten bis zum offiziellen Vorlesungsbeginn, setzte ich
mich in den nicht ganz so vollen Saal. Mir wurde ein Arbeitsblatt gereicht auf
dem ich lesen konnte, wo ich mich überhaupt befinde: Tutorium Zivilrecht in der
Mittelphase. Fall 12. Bevor ich Zeit hatte mir Gedanken zu machen, ob ich nun
glücklich bin oder nicht für die nächsten 90 Minuten Fall 12 zu lösen, legten
wir auch schon los. Und hier beginnt die Geschichte der Zucchiniblüte und Bona
Fides.

F und M sind zwei verheiratete
Studenten, die sich vertrauen und lieben. Als F in den Urlaub fährt beschließt
ihr Ehemann M ihren Account mit dem Pseudonym „Bona Fide“ auf der
Verkaufsplattform I-Buy zu benutzen, um ein ungeliebtes Geschenk seiner Tante
zu verkaufen. Großtante Berta schenkte ihrem Neffen nämlich die Zucchiniblüte,
ein Gemälde des französischen Malers Séchuan. Die Zugangsdaten für das Portal
verschafft sich M mithilfe eines Zettels aus dem Nachttisch seiner Frau. Er stellt daraufhin das auf 1000€ geschätzte
Gemälde ohne das Wissen seiner Frau unter ihrem Nutzernamen online. So weit, so gut. Das
Drama nimmt allerdings seinen Lauf, als ein Käufer K das Bild für 50€
ersteigert und M den Verkauf teils wegen des niedrigen Erlöses, teils wegen
einem schlechten Gewissen gegenüber Tante Berta plötzlich bereut. Als F aus dem
Urlaub zurückkommt, will sie nichts mit der Sache zu tun haben.

Aus juristischer Sicht stellen Begriffe wie
Anscheinsvollmacht, Übergabe und Übereignung, sowie Offenkundigkeitsproblem in
Kombination mit Paragraph 433 I/1 oder 164 ff. des Rätsels Lösung dar. Doch ich
begann mir ganz andere Fragen zu stellen. Kann F ihrem Ehemann M diesen
Vertrauensbruch verzeihen, einfach ihr Passwort ohne Erlaubnis zu nehmen? Was
wird Tante Berta zu der Sache sagen? Und wie sieht überhaupt die Zucchiniblüte
aus?

Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als die Dozentin
plötzlich im Zusammenhang des Falls die Frage stellte, was passieren würde,
wenn jemand beim Bäcker unter dem Namen Johann Wolfgang von Goethe Brezn
bestellen würde und der ganze Hörsaal musste schmunzeln. Es ging dabei
natürlich nicht um einen goethelesenden Brezn-Liebhaber, sondern um den Begriff
der Identitätstäuschung und wie diese im juristischen Sinn bestraft werden
kann. Denn es macht einen großen Unterschied, ob jemand Brezn IN fremdem Namen
beim Bäcker bestellt oder ob jemand eine Zucchiniblüte UNTER fremdem Namen im
Internet verkauft. Während weiter an der Antwort, ob nun K Ansprüche gegenüber
F oder M hat gearbeitet wurde, fragte ich mich plötzlich ob es wohl zu Goethes
Zeiten auch so einen Fall gegeben hätte. Denn ein anderes Problem in diesem
Beispiel ist, wie ich erfuhr, der Onlineverkauf und die damit zusammenhängenden
AGBs von I-Buy.

Nach etwa 40 Minuten haben wir endlich alle Irrungen und
Wirrungen, die F, M und K zu einem Fall für das Tutorium Zivilrecht in der
Mittelphase machen enttarnt. Jetzt müssen wir nur noch ein Urteil sprechen.
Zunächst stellt sich heraus, dass der Käufer K nach verschiedenen Paragraphen,
die ich mir nicht alle merken konnte, keinen Anspruch auf Übereignung oder
Schadenssatz gegenüber F hat. Nicht so gut sieht es allerdings für M aus. Es
liegt nach §433 ein rechtmäßiger
Kaufvertrag vor und somit muss die Zucchiniblüte den Besitzer wechseln.

Die mörderische Frage, wer wem das Bild verkaufte, ist somit
(zumindest juristisch) abschließend geklärt. Helfen kann M hier nur noch ein
guter Anwalt, doch was ich so gesehen habe, könnte er in dieser Vorlesung
bestimmt den ein oder anderen finden.

Von: Pia Teresa Weber

Foto: Lukas Haas