250 Zeichen Wut: U-Bahn fahren

Einsteigen und Handy aus der Tasche holen, bloß keinen Augenkontakt. Unser Autor stört sich an diesem täglichen Ritual und wünscht sich etwas mehr Zwischenmenschlichkeit…

Die U-Bahn ist ein fahrendes Wartezimmer. Keiner spricht. Wir haben 900 Freunde auf Facebook, 700 Follower auf Instagram. Ausgerüstet mit Smartphones, Kopfhörern und Büchern bestreiten wir unseren Weg mehrmals täglich von A nach B. Wir flüchten uns in Musik, Nachrichten und drei-minütigen Videos. Dann befinden wir uns in unseren eigenen geschaffenen Welten. Und diese durchdringt nicht viel.

Vergisst du deine Ausrüstung, so bleibt dir der Blick ins Leere als Abwehr vor Zwischenmenschlichkeit. Eine beklemmende Stille macht sich breit. Vielleicht sind wir gar nicht mehr in der Lage aus der eigenen Blase auszubrechen. Wenn du Glück hast, wird der Zustand der Isolation durch lautes Kindergelächter unterbrochen. Dann atme ich auf. Wir sind noch lebendig.

Text: Eser Aktay

250 Zeichen Wut: Smalltalk

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Smalltalk könnte so einfach sein, wenn es diese Leute nicht geben würde, die dann anfangen ununterbrochen von sich selbst in den besten Tönen zu berichten.

Auf Partys lieber nicht reden, als mit Fremden, war das Muster. Als ich es geschafft habe mir eindringlich einzureden, dass die belanglosen Gesprächsklauseln ein wichtiger Mechanismus im Kennenlernen sind, verwickle ich in einer WG-Küche ein Mädchen mit „Was machst du?“ in ein Gespräch und sie erzählt mir fünf Minuten lang ohne Gegenfrage, wie toll sie sei. Smallltalkern wird es auch nicht leicht gemacht. 

Text: Hubert Spangler

250 Zeichen Wut: Wiesn-Lärm

Wieso zum Teufel bekommt die Wiesn eine Extra-Wurst in Sachen
Lärmschutz?

Elfeinhalb Monate lang genießt der Lärmschutz in München
höchste Priorität. Nur zur Wiesn weicht die dörfliche Stille konstantem Kreisch
und Rausch. Dirndl und Maßkrüge scheinen wohl weiterhin relevanter zu sein als Debattenkultur
oder gar Kunst. Horsti gefällt’s, mir nicht.

Text: Louis Seibert

250 Zeichen Wut: Rolltreppen-Fahrer

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Auch wenn es neue Regelungen gibt: Fahrt doch bitte anständig Rolltreppe.

Hier
findet ihr einen kurzen, prägnanten Merksatz, für alle die mit gewöhnlichen
U-Bahn-Aufgängen und deren Konventionen nicht oder wenig zurechtkommen oder
noch nicht in das System der Rolltreppennutzung eingewiesen wurden: Rechts
stehen, links gehen.

Text: Jana Haberkern

250 Zeichen Wut: Sommergrippe

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Schnupfen im Sommer, das nervt. Blöde Radiosongs aber auch. Über die Vor- und Nachteile einer Sommergrippe:

Draußen scheint die Sonne. Zumindest an diesem Montag. Der
Wetterbericht verkündet Badewetter, vielleicht. Davon bekomme ich aber gar nichts mit. Mein
Husten übertönt die Stimme des Moderators vollkommen. Sommergrippen sind
lästig, sind doof und einfach nur unnötig. Wenigstens muss ich mir dank meiner
Niesanfälle den „Never-Ending-Summersong-Despacito“ heute ausnahmsweise mal nicht
an tun.

Text: Anastasia Trenkler

Von Freitag bis Freitag mit: Anna-Sophie

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Irgendwo zwischen Fernweh, Wut auf Typen, die glauben Vergewaltigung sei ein Kavaliersdelikt und dem Wunsch ab und zu mal offline zu gehen, bewegt sich Anna-Sophie diese Woche. Dazwischen ist aber noch viel Platz für ein paar Ausstellungen, das lang ersehnte Konzert der Band Daughter, basteln am eigenen Blog und ja, sogar noch für das Buch “Nirvana Baby” von Juri Steinburg.  Begleitet Anna-Sophie durch ihre Woche!

Dumme NPD-Propaganda, die steigende Zahl rechter AfD-Hetzer und die Ankündigung des Frauenaufreißer-Treffens von Pick-Up-Artist Roosh mit seiner Rate Culture haben bei mir in dieser Woche für ein vorherrschendes Gefühl gesorgt: Wut.

In den Freitag starte ich aber mit guter Laune. Am Abend steht die Vernissage „Solo para mi“ auf meinem Plan, die Vorfreude auf dieses Highlight versüßt mir die doch recht zähen Stunden vor dem rettenden Wochenende. Im Studio Lohmeyer zeigt der Fotograf Ersin Cilesiz Eindrücke von seinen Reisen durch Lateinamerika. Die Bilder von Ecuador, Kolumbien und den Galapagos Inseln zeigen ferne Kulturen in ihrer Vielschichtigkeit und gestatten Einblicke in sehr persönliche Begegnungen des Künstlers. „Solo para mi“ gibt mir Stoff zum Träumen nach fernen Ländern und mir (noch) unbekannten Menschen. Meine Wut, die in letzter Zeit mein stetiger Begleiter war, hat sich kurzzeitig verzogen.

Bei der Demo gegen Roosh V mache ich meinem Ärger am Samstag Luft. Inmitten der Menge Gleichgesinnter fühle ich mich zumindest nicht ganz so hilflos. Demonstrationen können kein Gedankengut ändern, aber sie setzen ein sichtbares Zeichen. Um mich abzureagieren und den Tag mit etwas Schönem zu beenden, geht es anschließend in die Kulturjurte. Hier gibt es ein gemütliches Lagerfeuer, abwechslungsreiche Musik und die zur Veranstaltung gleichnamige Ausstellung „2 Jahre urbane Freiräume leben.“ Touch the beat, Freunde!

Der Sonntag ist mein Ruhetag. Heute verkrieche ich mit Juri Steinburgs Buch „Das Nirvana Baby“ im Bett. Ich kränkle ein wenig und brauche eine Auszeit. Die ungehobelte, rebellische Novelle des Berliner Autors passt hervorragend zu meiner ungebrochenen Krawall-Stimmung. Das tiefgründige Buch bringt mich aber auch zum Nachdenken über Unangepasstheit, Konsum und Individualität.

Monday, Funday.  Einer meiner Lieblingstage. Voller Elan verfasse ich zwei Posts für meinen Blog, der bald online gehen soll. Die Worte fließen, macht Freude, wirklich. Währenddessen höre ich „Youth“ von Daughter in Dauerschleife. Eines meiner Herzenslieder. Abends wird dann ein kleiner Traum wahr: Daughter live im Münchner Technikum.

Reggae-Musik ist friedlich und facettenreich. Genau das richtige zum Dienstag im DIE.BASS.KAFÉ. Beim Marley Special wird der Film „Bob Marley -Rebel Music“ gezeigt. Die herzzerreißende  Geschichte des Reggae-Superstars berührt mich. Marley wurde durch seine kraftvolle aber stets friedliche Musik zum Sprachrohr der Bürger Jamaicas. In einer Zeit der internationalen Konflikte und Spannungen wählte er die Musik, um damit seine universelle Botschaft von Liebe und Frieden zu transportieren.

Am Mittwoch verschlägt es mich ins Kafe Kult. Zwei deutsche Bands treten auf: The Vagoos, eine Garage Surf Punk-Band und Mary Goes Wild aus München mit Garage Pop. Die lässigen Vibes sind genau das richtige, um die Gedanken treiben zu lassen, das Handy auszuschalten und im Jetzt, in der Offline-Welt zu leben.

Donnerstags lasse ich es ruhig angehen. Nach einem leckeren Vanille-Smoothie wird gebrainstormt für neue journalistische Projekte. Worte und Wissen sind schließlich meine Waffe gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Abends schaue ich bei Anna McCarthys  Ausstellungs-Opening „Drink cold, piss warm“ vorbei. Zeichnungen, Videos und Skulpturen werden hier gezeigt. Unter anderem von der Flüchtlingskrise während dem Oktoberfest, womit wir wieder bei den „Wutbürgern“ und „Gutmenschen“ wären.

„Say my Name“ – unter diesem Motto zeigt der Farbenladen bis zum 28. Februar Werke von Patrick Hartl. Der Künstler sprayte bereits mit 15 Jahren Grafitti, im Studium entdeckte er dann seine Liebe zur Kalligraphie. Zwei kontrastreiche Kunstformen, die viel gemeinsam haben und trotzdem nicht unterschiedlicher sein könnten. Geordnete Kalligraphie-Schrift versus Wild Style. Hartls Werke verbinden die alte Handwerkskunst mit dem erfrischend jungen Style der Straßen. Am Freitag sehe ich mir die gelungenen Symbiosen aus Kalligrafie und Grafittikunst selbst an und bin begeistert.

Von: Anna-Sophie Barbutev

Foto: Lisa Baumgartner