Wir sind’s

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Die Designerinnen Theresa Reiter, 23, und Katharina Weber, 26, schließen sich für eine Kollektion zusammen. Ihr Pop-up-Label „WE.RE“ wird einmal aufpoppen und danach wieder verschwinden.

Mode definiert sich durch permanenten Wechsel. Sie verändert sich, verschwindet aber nie. Das Fashion-Label „WE.RE“ (englisch ausgesprochen: we are) kommt, um zu gehen. Es ist ein Pop-up-Label, wie es die Designerinnen Theresa Reiter (rechts), 23, und Katharina Weber, 26, nennen. Die beiden Münchnerinnen (Foto: Maria Johannes) haben sich zusammengeschlossen, um genau eine Kollektion gemeinsam zu realisieren. Danach werden sie wahrscheinlich beruflich wieder getrennte Wege gehen. „Als Pop-up-Label wird WE.RE einmal aufpoppen und dann wieder verschwinden. Unsere Mode soll aber bleiben“, erklärt Katharina. Die Kollektion wird es für einen begrenzten Zeitraum online und in einer temporären Boutique zu kaufen geben. „So bekommt unser Label eine gewisse Exklusivität.“

Doch „WE.RE“ will nicht nur eine Kollektion entwickeln, sondern eine Firma aufbauen.   Der Name des Labels hat eine doppelte Bedeutung: Zum einen ist er eine Zusammensetzung aus den ersten zwei Buchstaben der Nachnamen Weber und Reiter. Zum anderen steht er für die englische Kurzform „we’re“ für „wir sind“.   „Wir sind Designerinnen. Wir sind ein bestimmter Stil“, erklärt Theresa. Mit dem Namen könne man wahnsinnig gut spielen. Mit Überschriften wie „WE.RE inspired“ versuchen sich die Modefrauen gerade auf Plattformen wie Facebook und Instagram, sowie ihrer eigenen Homepage zu vermarkten. Marketing gehöre eben genauso wie die Ideenfindung, die Planung und die Produktion zum Geschäft – alles Aufgabengebiete, die beide alleine meistern und teilweise erst einmal kennenlernen müssen. Beide lernten zwar in einem einwöchigen Seminar über Marketing, eignen sich aber erst jetzt in der Praxis die meisten Kenntnisse an: „Wir lernen nun an einem Tag Dinge, die wir in drei Monaten Studium nicht gelernt haben“, sagt Theresa.  

Studiert haben die beiden an der Modeschule AMD in München. Dort haben sie sich bereits vor Studienstart am Auswahltag für „Mode-Design“ kennengelernt, als sie gemeinsam eine Prüfungsaufgabe bewältigen mussten. Es hat geklappt. Seitdem sind sie enge Freundinnen und nun auch Geschäftspartnerinnen – zumindest ein Aufpoppen lang. Während der Ausbildung haben sie schnell gemerkt, dass sie nicht nur privat, sondern auch in ihren Arbeitsweisen sehr gut miteinander harmonieren. Sie wurden auch schon geehrt. Im vergangenen Juli bekamen sie den Titel „Best Graduate 2014“ der AMD und durften ihre Abschlusskollektionen auf der Berliner Fashion Week präsentieren. Ein besonderer Moment, der ermutigte, ein gemeinsames Projekt anzugehen.

Ulrike Nägele, Professorin an der AMD München, hat ihre Diplomarbeiten betreut und ist beeindruckt vom Talent der Absolventinnen: „Theresa kenne ich seit dem ersten Semester. Bereits eine ihrer ersten Kollektionen während des Studiums war sehr erwachsen, dennoch innovativ und sinnlich“, sagt die Dozentin für künstlerisch-konzeptionelle Modedarstellung und Inszenierung. Von Katharina ist ihr insbesondere die Liebe zu feinen Materialien und der Begabung für interdisziplinäre Projekte in Erinnerung geblieben.

Viele Absolventen bemühen sich, nach dem Studium direkt in einem großen Unternehmen zu landen. Theresa und Katharina trauen sich an die Selbständigkeit. Anstatt ein weiteres, vielleicht unvergütetes Praktikum zu machen, möchten sie ihr eigenes Label aufziehen. „Wir wollen unsere Energie und Motivation 100-prozentig in ein eigenes Projekt stecken. Das ist für uns genau der richtige Weg. Das merken wir jeden Tag“, sagt Katharina.  

Dennoch wissen beide, was in großen Modehäusern üblich ist. Während Katharina bei Kilian Kerner in Berlin hospitiert und zuvor eine Ausbildung zur bekleidungstechnischen Assistentin gemacht hat, kann Theresa Praktika bei Alexander McQueen in London und bei Iris van Herpen in Amsterdam in ihren Lebenslauf schreiben. Nun wollen sie mit „WE.RE“ ihr Wissen vereinen, und ihre Stilrichtungen. In Sachen Mode-Design seien sie „sehr unterschiedlich“, sagen sie einstimmig. „Katharina mischt tragbare Mode mit Avantgarde-Elementen, ich kombiniere Streetwear mit Haute Couture“, erklärt Theresa und beschreibt ihre Neigung zum ausgefallenen Handwerk. In ihrer Abschlusskollektion hat die 23-Jährige zum Beispiel mit Leder-Cut-Outs und Silikon gearbeitet. Was den persönlichen Modegeschmack betrifft, sind sich die jungen Frauen ähnlicher: Sie tragen gerne schwarz.

In ihrer Kollektion wird es, untypisch für die beiden, Farbe zu sehen geben. Geplant sind etwa 40 Kleidungsstücke und Accessoires, tragbar und mit puristischen Elementen. Die Schnitte sind zurückhaltend, aber raffiniert. Besonderen Wert legen die Designerinnen auf das Material. Sie arbeiten ausschließlich mit hochwertigen Stoffen, wie Leder, Seide und Baumwolle. Ihr Anspruch: „Nicht Menschen durch Mode machen, sondern mit den Teilen Persönlichkeit unterstreichen.“ Bisher haben sie ausschließlich Frauenmode entworfen. In ihrer eigenen Kollektion werden nun auch Männer etwas finden. Theresa erklärt: „Ich glaube, das Thema Männermode ist gerade schwer im Kommen. Wo gibt es hier schon spannende Kleidung für Herren zu kaufen? Wir haben erkannt, dass es da einen großen Bedarf gibt und wollen darauf eingehen.“ Doch ebenso wenig wie das Geschlecht soll das Alter ihre Zielgruppe definieren. Mit Caps, legeren Sweatshirts und T-Shirts wollen sie junge Leute ansprechen, mit exklusiv gefertigten Mänteln aus hochwertigen Materialen zielen sie auf eine etwas liquidere Generation mit Faible für edles Handwerk. Das wird sich auch im Preis zeigen. Jeder soll sich etwas von „WE.RE“ leisten können. Die Stücke kosten zwischen 50 und 500 Euro. Die exakten Kosten können aber erst bestimmt werden, wenn die Produktion abgeschlossen ist.  

Momentan sind sie in der Fitting-Phase. Sie machen die Schnitte und nähen die Musterteile. Gearbeitet wird in der Garage von Theresas Eltern. Dort haben sich die Modemacherinnen ein Atelier auf Zeit eingerichtet, wo sie so viele Stunden wie möglich verbringen. Feiertage und freie Wochenenden? „Das sind sehr dehnbare Begriffe geworden“, sagt Theresa und lacht. Das Label sei für sie einfach so präsent geworden, dass sie kaum noch an etwas anderes denken können. Auch während des Interviews geht Theresa ein Ärmel nicht aus dem Kopf, den sie unbedingt noch am gleichen Tag fertig nähen möchte. Dabei wirken die beiden überhaupt nicht gestresst oder verbissen ehrgeizig. Sie haben Spaß in ihren neuen Rollen als Geschäftsfrauen und geben sich professionell.  

Die Finanzierung übernehmen die Jungdesignerinnen komplett selbst. „Wir haben uns beide einen Betrag überlegt, den wir aufbringen können, ohne uns dabei in Schulden zu bringen. Darum nehmen wir eben auch alles selbst in die Hand“, sagt Theresa. Katharina ergänzt: „Wir sind selbst die günstigste Arbeitskraft. Alles, was wir selbst machen, müssen wir nicht bezahlen.“

Natasha Binar, Dozentin für Modemarketing und Markenkommunikation an der AMD, hält das Geschäftsmodell „Pop-up-Label“ für zeitgeistgemäß: „Es ist eine sehr strategische Herangehensweise, will man den Markt schrittweise für sich und eigens definierte Zielgruppen testen, um zu entscheiden, ob man aus einem Pop-up-Label eine Marke macht.“ Im Gegensatz zu Deutschland sei das Modell in Großbritannien und USA bereits bekannt. „Es bringt viele Vorteile, wenn man in kleineren Mengen produziert und mit lokalen Herstellern arbeitet.“ Die einzige Schwäche sei, dass die Kollektionsteile nicht immer vorhanden sein können, da es sich um ein limitiertes Angebot handle.

Der Pop-up-Store ist wahrscheinlich ab Ende November bis Mitte Dezember geöffnet und in der Münchner Innenstadt liegen. Einen geeigneten Ort suchen sie gerade noch. Um möglichst viele Menschen auf „WE.RE“ aufmerksam zu machen, setzen die beiden auf soziale Medien. Täglich veröffentlichen sie Neuigkeiten und Bilder von den einzelnen Arbeitsschritten. „Wir möchten den Leuten einen Einblick geben, wie so eine Kollektion überhaupt entsteht. Was viele Modedesigner unter Verschluss halten, zeigen wir öffentlich.“
Bettina Pfau

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